Editorial //

Zu spät und zu wenig

Es scheint sie noch immer zu geben, die Steuerrechtler, die auch nach unzähligen Reformentwürfen und -vorschlägen auf eine umfassende Neuordnung des Steuerrechts hoffen. Ein solches Vorhaben war zwar nicht Gegenstand des letzten Koalitionsvertrags, gleichwohl aber waren Erwartungen geweckt worden, denn immerhin hatte der Bundesfinanzminister im Dezember 2021 selbstbewusst angekündigt, sein Haus in ein „Ermöglichungsministerium“ umzugestalten und Geld für die großen Investitionsvorhaben der Ampel, sei es in Digitalisierung oder Klimaschutz, aufzubringen (vgl. Handelsblatt online v. 9.12.2021). Ob diese Aufbruchstimmung durch den russischen Überfall auf die Ukraine gedämpft wurde oder das Projekt tatsächlich einer längeren Vorbereitungszeit bedurfte, ist nach dem Bruch der Koalition vielleicht nicht mehr so von Interesse. Jedenfalls fiel erst am 19./20.7.2023 der Startschuss für das „Netzwerk empirische Steuerforschung“ (NeSt), dessen Wirkungskreis die Ausgestaltung des materiellen Steuerrechts, die Administration und den Vollzug des Rechts umfassen und damit zur Verwaltungsdigitalisierung und Entbürokratisierung beitragen sollte. Immerhin kann die Koalition – allerdings unter Federführung des Justizministeriums – noch die Verabschiedung des Vierten Bürokratieentlastungsgesetzes als Erfolg verbuchen und auf die steuerlichen Aspekte der kürzeren Aufbewahrungsfristen für Buchungsbelege, die zentrale Vollmachtsdatenbank für Steuerberater sowie den Abruf digitaler Steuerbescheide verweisen.

...
Abo Körperschaftsteuer //

Haftung für überhöht bescheinigte Einlagenrückgewähr (BFH)

Ob der Betrag der Einlagenrückgewähr in der Bescheinigung nach § 27 Abs. 3 KStG überhöht ausgewiesen ist (§ 27 Abs. 5 Satz 4 KStG), richtet sich nach § 27 Abs. 1 Satz 3 KStG (Einlagenrückgewähr) und dem gesondert festgestellten Bestand des steuerlichen Einlagekontos auf den Schluss des vorangegangenen Jahres. Der Bescheid über die gesonderte Feststellung des steuerlichen Einlagekontos auf den Schluss des Jahres der Leistung entfaltet insoweit keine Bindungswirkung. Die auf den überhöht ausgewiesenen Betrag der Einlagenrückgewähr entfallende Kapitalertragsteuer ist durch Haftungsbescheid geltend zu machen (§ 27 Abs. 5 Satz 4 KStG), wobei nur der Erlass eines Haftungsbescheids dem Gesetz entspricht (BFH, Urteil v. 1.10.2024 - VIII R 35/20; veröffentlicht am 28.11.2024).

...
Abo Umsatzsteuer //

Zur Vermittlungsleistung bei Ausgabe von Gutscheinen nach der bis 2018 geltenden Rechtslage (BFH)

Die Vermittlung einer Leistung, für die ein "Erlebnisgutschein" ausgestellt wird, setzt voraus, dass der Vermittler entweder den Veranstalter über das Vorliegen eines Vermittlungserfolgs informiert und ihm gegenüber so eine Gelegenheit zur Leistungserbringung nachweist oder aber zumindest dem Gutscheinerwerber die Kontaktdaten des Veranstalters mitteilt, damit dieser die ihm dann nachgewiesene Gelegenheit zur Inanspruchnahme der durch den Gutschein verbrieften Leistung nutzen kann (BFH, Urteil v. 5.9.2024 - V R 21/23; veröffentlicht am 28.11.2024).

...
Abo Verfahrensrecht //

Gemeinnützigkeit nach §§ 51 ff. AO und Verfassungsschutzbericht (BFH)

Die Anwendung der Vermutungsregel des § 51 Abs. 3 Satz 2 AO erfordert die Feststellung, dass gerade die Körperschaft, deren steuerrechtliche Gemeinnützigkeit versagt werden soll, als selbständiges Steuersubjekt (§ 51 Abs. 1 Satz 2 und 3 AO) in einem Verfassungsschutzbericht ausdrücklich als extremistisch bezeichnet wird und nicht ein hiervon verschiedenes selbständiges Steuersubjekt (BFH, Urteil v. 5.9.2024 - V R 36/21; veröffentlicht am 28.11.2024).

...
Abo Einkommensteuer //

Besteuerung von Leistungen einer Schweizer Familienstiftung (BFH)

Die wirtschaftliche Vergleichbarkeit einer Stiftungsleistung mit einer Gewinnausschüttung erfordert, dass die Stellung des Leistungsempfängers wirtschaftlich derjenigen eines Anteilseigners entspricht. Die Leistung muss sich außerdem als Verteilung des erwirtschafteten Überschusses darstellen (Bestätigung des BFH-Urteils v. 28.2.2018 - VIII R 30/15). Die Stellung des Empfängers einer Stiftungsleistung entspricht wirtschaftlich derjenigen eines Anteilseigners, wenn er in seiner Person die Voraussetzungen erfüllt, die die Stiftungssatzung für einen Leistungsbezug aufstellt, er also zum Kreis der begünstigungsfähigen Personen gehört, und eine Gegenleistung nicht zu erbringen ist (BFH, Urteil v. 1.10.2024 - VIII R 25/21; veröffentlicht am 28.11.2024).

...
Abo Einkommensteuer //

Entgeltliche Ablösung eines Nießbrauchs an GmbH-Anteilen (BFH)

Ob das wirtschaftliche Eigentum an GmbH-Anteilen dem Nießbrauchsberechtigten zuzurechnen ist, ist Gegenstand der tatrichterlichen Würdigung durch das Finanzgericht und daher wegen § 118 Abs. 2 FGO für das Revisionsgericht grundsätzlich bindend. Ist der Vorbehaltsnießbraucher nicht wirtschaftlicher Eigentümer der GmbH-Anteile, ist die Ablösung des Nießbrauchs ein für ihn nicht steuerbarer Vorgang (BFH, Urteil v. 20.9.2024 - IX R 5/24; veröffentlicht am 28.11.2024).

...
Abo Verfahrensrecht //

Keine Steuerbegünstigung nach §§ 51 ff. AO für extremistische Körperschaften (BFH)

Ob eine "Förderung der Allgemeinheit" gemäß § 52 Abs. 1 Satz 1 AO zu verneinen ist, da eine Körperschaft Bestrebungen verfolgt, die sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland richten, ist ebenso wie bei § 51 Abs. 3 Satz 1 und 2 AO eigenständig und ohne eine die Leistungen der Körperschaft für das Gemeinwohl einbeziehende Abwägung zu entscheiden. Es ist daher keine Gesamtwürdigung mit der Folge einer Anerkennung (auch) extremistischer Körperschaften als gemeinnützig vorzunehmen (Bestätigung des Urteils des BFH v. 14.3.2018 - V R 36/16, BFHE 260, 420, BStBl II 2018, 422) (BFH, Urteil v. 5.9.2024 - V R 15/22; veröffentlicht am 28.11.2024).

...
Abo Verfahrensrecht //

Keine Schätzungsbefugnis bei pauschaler Verbuchung der Entnahme von Non-Food-Artikeln durch Einzelhändler (BFH)

Eine Hinzuschätzung wegen Verstoßes gegen Aufzeichnungspflichten kommt nicht in Betracht, soweit der Steuerpflichtige darauf vertrauen durfte, dass er von einer ihm durch das Bundesministerium der Finanzen (BMF) eingeräumten Aufzeichnungserleichterung Gebrauch gemacht hat (BFH, Urteil v. 16.9.2024 - III R 28/22, veröffentlicht am 28.11.2024).

Abo Körperschaftsteuer //

Zusammenfassung von Betrieben gewerblicher Art nach § 4 Abs. 6 Satz 1 KStG

Nach dem Urteil des BFH v. 29.8.2024 ist eine Zusammenfassung von mehr als zwei Betrieben gewerblicher Art (BgA) dem Kriterium folgend, dass zwischen ihnen nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse objektiv eine enge wechselseitige technisch-wirtschaftliche Verflechtung von einigem Gewicht besteht (§ 4 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 KStG), nur zulässig, wenn diese enge wechselseitige technisch-wirtschaftliche Verflechtung von einigem Gewicht zwischen allen zusammenzufassenden BgA besteht. Der BFH folgt damit nicht der Verwaltungsauffassung im BMF-Schreiben v. 12.11.2009 - IV C 7 - S 2706/08/10004, BStBl 2009 I S. 1303, Rz. 5 f. (UAAAD-31921), wonach für die Zusammenfassung ausreicht, wenn die Zusammenfassungsvoraussetzungen nur zwischen einem BgA und einem anderen BgA einer bereits wegen Gleichartigkeit zusammengefassten Gruppe besteht.

Loading...