Prof. Dr. Hans-Joachim Kanzler | Rechtsanwalt | Mitherausgeber des NWB EStG-Kommentars und des Handbuchs Bilanzsteuerrecht
Es scheint sie noch immer zu geben, die Steuerrechtler, die auch nach unzähligen Reformentwürfen und -vorschlägen auf eine umfassende Neuordnung des Steuerrechts hoffen. Ein solches Vorhaben war zwar nicht Gegenstand des letzten Koalitionsvertrags, gleichwohl aber waren Erwartungen geweckt worden, denn immerhin hatte der Bundesfinanzminister im Dezember 2021 selbstbewusst angekündigt, sein Haus in ein „Ermöglichungsministerium“ umzugestalten und Geld für die großen Investitionsvorhaben der Ampel, sei es in Digitalisierung oder Klimaschutz, aufzubringen (vgl. Handelsblatt online v. 9.12.2021). Ob diese Aufbruchstimmung durch den russischen Überfall auf die Ukraine gedämpft wurde oder das Projekt tatsächlich einer längeren Vorbereitungszeit bedurfte, ist nach dem Bruch der Koalition vielleicht nicht mehr so von Interesse. Jedenfalls fiel erst am 19./20.7.2023 der Startschuss für das „Netzwerk empirische Steuerforschung“ (NeSt), dessen Wirkungskreis die Ausgestaltung des materiellen Steuerrechts, die Administration und den Vollzug des Rechts umfassen und damit zur Verwaltungsdigitalisierung und Entbürokratisierung beitragen sollte. Immerhin kann die Koalition – allerdings unter Federführung des Justizministeriums – noch die Verabschiedung des Vierten Bürokratieentlastungsgesetzes als Erfolg verbuchen und auf die steuerlichen Aspekte der kürzeren Aufbewahrungsfristen für Buchungsbelege, die zentrale Vollmachtsdatenbank für Steuerberater sowie den Abruf digitaler Steuerbescheide verweisen.