FG des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 27.4.2023 – 4 K 394/21, Rev. BFH Az. V R 13/23
Nach der Neuregelung des § 152 AO durch das Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens vom 18.7.2016 (BGBl 2016 I S. 1679), die auf alle nach dem 31.12.2018 einzureichen Steuererklärungen Anwendung findet, steht nach dem nahezu unverändert gebliebenen § 152 Abs. 1 AO die Festsetzung eines Verspätungszuschlages weiterhin grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen der Finanzbehörde. Demgegenüber sieht § 152 Abs. 2 AO lediglich für die dort in den Nr. 1 bis 3 genannten, besonderen Ausnahmefälle der ganz erheblichen Fristüberschreitungen die zwingende Festsetzung eines Verspätungszuschlages vor. § 152 Abs. 3 AO enthält hiervon als „Rückausnahme“ in den Nr. 1 bis 4 wiederum Tatbestände, die die zwingende Rechtsfolge des § 152 Abs. 2 AO entfallen lassen, mit der Folge, dass die Finanzbehörde auch in diesen Fällen trotz erheblicher Fristüberschreitung nach der Auffangnorm des § 151 Abs. 1 AO einen Verspätungszuschlag „nur“ nach pflichtgemäßem Ermessen festsetzen kann.Anders als § 152 Abs. 2 a. F. AO, der neben der Dauer der Verspätung noch ausdrücklich die Kriterien des Verschuldens und der Höhe des Steuerausfalls nannte, enthält die Neufassung der Vorschrift an keiner Stelle mehr eine entsprechende Aufzählung von Ermessenskriterien. Gerade in den in § 152 Abs. 3 Nr. 2 AO geregelten Rückausnahmefällen, in denen die Steuer auf „0 €“ oder auf einen negativen Betrag festgesetzt wird, stellt sich deshalb die Frage, ob § 152 AO mit der Neufassung auch dahingehend eine Zweckänderung erfahren hat, dass die nun nicht mehr ausdrücklich genannten Kriterien im Rahmen des Entschließungsermessens nach § 152 Abs. 1 AO weiter zu beachten sind, ob einzelne Kriterien gegenüber dem Kriterium der Dauer der Fristüberschreitung weniger stark zu gewichten sind oder mit der erfolgten Änderung des § 152 Abs. 2 AO ganz entfallen sind.