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Grundlagen - Stand: 26.02.2024

Körperschaftsteuerliche und gewerbesteuerliche Organschaft

Reinald Gehrmann
Abbildung organschaftlicher Mehr- und Minderabführungen/Rückwirkende Einführung einer körperschaftsteuerrechtlichen Regelung betreffend vororganschaftliche Mehrabführungen

Mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2022 hat der Gesetzgeber durch das Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts (KöMoG) vom die Ausgleichspostenmethode zur Abbildung körperschaftsteuerlicher Mehr- und Minderabführungen beim Organträger durch eine Einlagen- und Einlagenrückgewährfiktion ersetzt. Das BMF hat sich hierzu mit Schreiben v. - IV C 2 - S 2770/19/10004: 007 BStBl 2022 I S. 1412) positioniert.

Mit Beschlüssen vom - 2 BvL 7/13, 2 BvL 18/14 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass § 34 Abs. 9 Nr. 4 i.V.m. § 14 Abs. 3 Satz 1 KStG i.d.F. des Gesetzes zur Umsetzung von EU-Richtlinien in nationales Steuerrecht und zur Änderung weiterer Vorschriften (Richtlinien-Umsetzungsgesetz - EURLUmsG) vom teilweise nichtig ist.

Nach § 14 Abs. 3 Satz 1 KStG gelten Mehrabführungen, die ihre Ursache in vororganschaftlicher Zeit haben, als Gewinnausschüttungen der Organgesellschaft an den Organträger. Nach § 34 Abs. 9 Nr. 4 KStG ist diese potenziell körperschaftsteuererhöhend wirkende Regelung erstmals auf - vororganschaftliche - Mehrabführungen von Organgesellschaften anwendbar, deren Wirtschaftsjahr nach dem endet. Die damit einhergehende unechte Rückwirkung ist mit den verfassungsrechtlichen Grundsätzen des Vertrauensschutzes in manchen Fallgruppen unvereinbar.

I. Definition der körperschaftsteuerlichen und gewerbesteuerlichen Organschaft

Mit Organschaft bezeichnet man im Ertragsteuerrecht eine (partielle) Einkommensgemeinschaft zwischen zwei Unternehmen – der Organgesellschaft und dem Organträger –, durch die die beiderseits erzielten Einkommen nur bei einem Unternehmen – dem Organträger – zu versteuern sind. Die Begründung einer Organschaft führt im Ergebnis dazu, dass ertragsteuerlich mehrere zivilrechtlich selbständige Unternehmen wie ein einziges Steuersubjekt behandelt werden und damit auch Verluste eines beteiligten Unternehmens im Organkreis ausgeglichen werden können.

Im Ertragsteuerrecht ist zwischen der körperschaftsteuerlichen und der gewerbesteuerlichen Organschaft zu unterscheiden. Unter bestimmten Voraussetzungen kann auch eine umsatzsteuerliche Organschaft begründet werden.

Die gesetzlichen Regelungen zur ertragsteuerlichen Organschaft haben seit 2001 eine Vielzahl von Änderungen erfahren. Nach der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Marks & Spencer (Urteil v. C-446/03) sind weitere Änderungen der gesetzlichen Voraussetzungen der ertragsteuerlichen Organschaft in der politischen Diskussion. Grund dafür ist die Aussage des EuGH, dass ausnahmsweise das Gemeinschaftsrecht eine Berücksichtigung von im Ausland erzielten Verlusten einer Tochtergesellschaft bei der Muttergesellschaft gebiete, wenn die Tochtergesellschaft alle Möglichkeiten zur Berücksichtigung von Verlusten ausgeschöpft habe und keine Möglichkeit bestehe, die Verluste im Staat ihres Sitzes für künftige Zeiträume selbst oder zugunsten eines Dritten zu nutzen. An der Finalität eines ausländischen Verlustes fehlt es nach einer neueren Entscheidung des EuGH allerdings dann, wenn eine Verlustverrechnung im Sitzstaat der Tochtergesellschaft nur deshalb nicht mehr in Betracht kommt, weil der ausländische Rechtsträger umwandlungsbedingt untergegangen ist oder eine Betriebsstätte im Quellenstaat geschlossen wurde.

Zuletzt sind die gesetzlichen Regelungen durch das „Unternehmenssteuerreformgesetz 2013” (Gesetz zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts) im Hinblick auf die Anforderungen an die tatsächliche Durchführung eines Gewinnabführungsvertrages vereinfacht und im Übrigen an die Rechtsprechung des BFH bzw. die aktuelle Verwaltungsauffassung angepasst und ein neues Feststellungsverfahren eingeführt worden. Daneben sind Neuregelungen zur Besteuerung der ertragsteuerlichen Organschaft mit Auslandsbezug getroffen worden.

II. Körperschaftsteuerliche Organschaft

Ein Organschaftsverhältnis setzt u.a. voraus, dass sich eine Organgesellschaft durch einen Gewinnabführungsvertrag verpflichtet, ihren gesamten Gewinn an ein anderes inländisches gewerbliches Unternehmen (Organträger) abzuführen. Liegen die weiteren Voraussetzungen einer körperschaftsteuerlichen Organschaft (vgl. II. 1.- 4.) vor, wird dem Organträger das Einkommen der Organgesellschaft steuerlich zugerechnet. Die Organschaft ermöglicht damit hier einen sofortigen Ausgleich von Verlusten der Organgesellschaft mit Gewinnen des Organträgers und umgekehrt und damit eine entsprechende Minderung der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuerbelastung.

1. Organträger

Organträger kann nur ein inländisches gewerbliches Unternehmen beliebiger Rechtsform sein. So kommt als Organträger auch eine unbeschränkt einkommensteuerpflichtige natürliche Person in Betracht, die ein gewerbliches Unternehmen betreibt. Eine Kapitalgesellschaft übt kraft Rechtsform stets und in vollem Umfang eine gewerbliche Tätigkeit aus.

Eine Kapitalgesellschaft ist dann inländisches Unternehmen, wenn sie ihre Geschäftsleitung – bis einschl. Veranlagungszeitraum 2000 zusätzlich ihren statutarischen Sitz – im Inland hat und nicht von der Körperschaftsteuer befreit ist. Eine Personengesellschaft kommt als Organträger nur in Betracht, wenn sie ihre Geschäftsleitung im Inland hat und ein gewerbliches Unternehmen betreibt. Ab Veranlagungszeitraum 2001 kann damit auch eine sog. doppelt ansässige Gesellschaft Organträger sein.

Mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2003 muss die Personengesellschaft eine originär gewerbliche Tätigkeit ausüben, so dass eine Gewerblichkeit kraft gewerblicher Prägung allein nicht mehr ausreicht. Originär gewerblich tätig sind Besitzunternehmen im Rahmen einer Betriebsaufspaltung und geschäftsleitende Holdinggesellschaften.

Besteht am Handelsgewerbe einer Kapitalgesellschaft eine stille Beteiligung, die ertragsteuerlich als Mitunternehmerschaft zu qualifizieren ist (atypisch stille Gesellschaft), kann diese atypisch stille Gesellschaft nach Auffassung der Finanzverwaltung weder Organgesellschaft noch Organträgerin sein.

2. Organgesellschaft

Als Organgesellschaft kommen Kapitalgesellschaften (AG, KGaA , GmbH, UG oder eine SE ) mit Geschäftsleitung und Sitz im Inland sowie solche mit Sitz in einem EU/EWR Mitgliedstaat, wenn sie über eine Geschäftsleitung im Inland verfügen, in Betracht. Personengesellschaften können demnach nicht Organgesellschaft sein. Auch die atypisch stille Gesellschaft scheidet als taugliche Organgesellschaft aus.

Nachdem die EU-Kommission mit Beschluss vom unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des EuGH den doppelten Inlandsbezug als Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV bzw. Art. 31 EWR-Abkommen) bewertet und ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet hat, hat das BMF im Vorgriff auf eine gesetzliche Neuregelung mit Schreiben vom auf die Erfüllung dieses Tatbestandsmerkmals verzichtet. Dannach kann auch eine im EU-/EWR-Ausland gegründete Kapitalgesellschaft mit Geschäftsleitung im Inland ihr auf in Deutschland steuerpflichtigen – positiven wie negativen – Einkünften beruhendes Einkommen innerhalb einer ertragsteuerlichen Organschaft einem Organträger zurechnen lassen, wenn die übrigen Voraussetzungen der §§ 14 ff. KStG erfüllt sind. Das Körperschaftsteuergesetz ist zwischenzeitlich durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2013 entsprechend angepasst worden. Der BFH vertritt im Übrigen die Auffassung, dass eine Kapitalgesellschaft mit Geschäftsleitung und Sitz im Inland im Rahmen einer Organschaft Organgesellschaft eines in Großbritannien ansässigen gewerblichen Unternehmens sein kann. Auf diese Rechtsprechung hat das BMF mit einem Nichtanwendungserlass reagiert.

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