Dokument Umsatzsteuer in der Unternehmerinsolvenz
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Umsatzsteuer in der Unternehmerinsolvenz
Gehrmann, infoCenter, Insolvenzverfahren;
Adam, Die doppelte Berichtigung der Umsatzsteuer bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens, UR 2020 S. 492;
App, Zur Abwehr von Maßnahmen des Insolvenzverwalters, die dem Gläubigerinteresse des Finanzamts zuwiderlaufen, DStZ 2012 S. 630;
Berger, Anmerkung zum Az. V R 26/16 - Zur Vorsteuerberichtigung nach Insolvenzanfechtung, EWiR 2017 S. 243;
Bernsau, Steuerrechtliche Fragen in der vorläufigen Eigenverwaltung, BB 2019 S. 2393;
Bode, Änderung des Insolvenzaussetzungsgesetzes – Inhalt und Rechtsfolgen – Entwurf eines Sanierungsfortentwicklungsgesetzes, StuB 2020 S. 801;
Braun, Die Bewältigung von Konzern-Insolvenzen nach neuem Recht – Ein Überblick über das deutsche Konzerninsolvenzrecht, NWB 45/2018 S. 3325;
Büchter-Hole, Vorsteuer aus der Vergütung des Insolvenzverwalters, EFG 2015 S. 169;
Damaschke, Umsatzsteuerliche Beratung von Insolvenzgläubiger und Insolvenzschuldner im Vorfeld der Insolvenzeröffnung, StBW 2015 S. 306;
De Werth, Insolvenzrechtliche Kostenbeiträge und Umsatzsteuer - Eine Aktuelle Bestandsaufnahme, MwStR 2016 S. 989;
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Ebbinghaus/Hinz, Unternehmenssanierung und Umsatzsteuer unter Erhalt des Rechtsträgers – Bekannter Praxisfall für Sanierungsberater und Insolvenzverwalter als Steuerfalle, UR 2014 S. 249;
Ebbinghaus/Hinz, USt bei Sanierung und Eigenverwaltung – Problemstellung sowie Handlungsempfehlungen für die Praxis, DB 2014 S. 678;
Ehlers, Insolvenzplanverfahren – die Alternative, DStR 2010 S. 2523;
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Eisolt, belastet die Masse zugunsten des Fiskus, ZinSO 2017 S. 630;
Eisolt, Ender der USt-Organschaft in der Doppelinsolvenz von Organträger und Organgesellschaft bei identischem Insolvenzverwalter, ZinsO 2015 S. 1429;
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Feldgen, Insolvenzrechtliche Besonderheiten des § 17 UStG, DStZ 2017 S. 172;
Fot, Keine Beendigung der umsatzsteuerrechtlichen Organschaft durch Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung, NWB 20/2020 S. 680;
Harder, Bestätigung der Rechtsprechung zur Uneinbringlichkeit im Insolvenzverfahren, NZI 2017 S. 41;
Harder, Umsatzsteuerliche Korrekturen in der vorläufigen Insolvenz – zugleich eine Anmerkung zum SteuK 2013 S. 358;
Hasbach, Beendigung der umsatzsteuerrechtlichen Organschaft mit Eröffnung des (vorläufigen) Eigenverwaltungsverfahrens, MwStR 2017 S. 262;
Hertrich, Die ausgesetzte Insolvenzantragspflicht des Mandanten als Herausforderung für den Steuerberater – Hinweispflicht des Steuerberaters auf möglichen Insolvenzgrund bleibt in der Corona-Krise bestehen, NWB 22/2020 S. 1641;
Heuermann, Insolvenzeröffnungsverfahren und Umsatzsteuer, UR 2015 S. 174;
Hobelsberger, Umsatzsteuerpflicht und -haftung in der vorläufigen Eigenverwaltung, DStR 2013 S. 2545;
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Jaffé/Friedrich-Vache, Umsatzsteuer und Insolvenz: Neuere Entwicklungen in Gesetzgebung und Rechtsprechung, MwStR 2013 S. 75;
Jaffé/Friedrich-Vache, Blick ins „Insolvenzumsatzsteuerrecht“: Umsatzsteuer als Masseverbindlichkeit in der vorläufigen Eigenverwaltung?, MwStR 2014 S. 86;
Kahlert, Die Rechtsprechung des VII. Senats des BFH zur Aufrechnung in der Insolvenz – Eine kritische Bestandsaufnahme, DStR 2020 S. 1993;
Kahlert, Umsatzsteuerfolgen einer Insolvenzanfechtung, WPG 2017 S. 981;
Kahlert, Erhebung der Umsatzsteuer im Insolvenzverfahren – Rechtsvergleich und Vorlagepflicht, DStR 2015 S. 1485;
Kahlert, Ein neuer Schöpfungsakt des V. Senats zur Umsatzsteuer im Insolvenzverfahren und seine Entschlüsselung, ZIP 2015 S. 11;
Kahlert, Nur anteiliger Vorsteuerabzug aus der Rechnung des Insolvenzverwalters, ZIP 2015 S. 1237;
Kahlert, Anwendbarkeit des § 176 Abs. 2 AO auf das alte BMF-Schreiben zu § 55 Abs. 4 InsO, DStR 2015 S. 2004;
Kahlert, Nachlassinsolvenzverfahren: Aktuelle Entwicklungen in der BFH-Rechtsprechung, DStR 2016 S. 1325;
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Klusmeier, Umsatzsteuerliche Konsequenz einer Forderungsvereinnahmung in der Insolvenz bei Eigenverwaltung, ZInsO 2018 S. 2691;
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Kruth, Das aktuelle BMF-Schreiben zu § 55 Abs. 4 InsO – Was ist neu, was besonders praxisrelevant?, MwStR 2015 S. 488;
Kruth, Insolvenzverwaltung – Closed Shop für Juristen? – Zugleich Besprechung von , DStR 2018 S. 2218;
Lechleitner, Zum Vorsteuerabzug der Insolvenzmasse aus der Vergütung des (vorläufigen) Insolvenzverwalters, ZinsO 2015 S. 1382;
Liebgott, Besonderheiten und Fragen zur Umsatzsteuer im Insolvenzplanverfahren, UR 2014 S. 141;
Marchal/Oldiges, Beendigung der umsatzsteuerlichen Organschaft auch bei Bestellung eines schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters, DStR 2013 S. 2211;
Maschlanka, Umsatzsteuerliche Organschaft in der vorläufigen Eigenverwaltung, GWR 2020 S. 273;
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Nacke, Steuerliche Haftung in der Insolvenz, DB 2013 S. 1628;
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Onnusseit, Rechtliche Uneinbringlichkeit im Zusammenhang mit § 55 Abs. 4 InsO, ZIP 2016 S. 452;
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Pape, Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Insolvenzrecht 2019 – Die Vorsatzanfechtung als Schwerpunkt der Entscheidungen des IX. Zivilsenats, NWB 14/2020 S. 983;
Pape, Temporäre Aussetzung der Insolvenzantragspflicht in der Corona-Krise – Gefahr der Ansteckung (noch) gesunder Unternehmen durch geschwächte Unternehmen, NWB 15/2020 S. 1053;
Pape, Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht wegen Überschuldung bis zum Jahresende 2020 – Mehr Fragen als Antworten – Auch für Berater, NWB 46/2020 S. 3407;
Pape/Uhländer, Die zweite Chance der Steuerberater, (Editorial);
Pflaum, Der Steuereinnehmer in der Insolvenz, UR 2019 S. 401;
Raudszus, Aktuelle Rechtsprechung zur Berichtigung der Umsatzsteuer im Insolvenzfall, UStB 2017 S. 345;
Raudszus/Karuhn, Insolvenz und Umsatzsteuer (Teil I), UStB 2014 S. 140;
Raudszus/Karuhn, Insolvenz und Umsatzsteuer (Teil II), UStB 2014 S. 170;
Rennar, Vorsteuerabzug aus Rechtsanwaltshonoraren zur Haftungsprüfung im Insolvenzverfahren – , USt direkt digital 7/2020 S. 2;
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Roth, Insolvenzeröffnungsbedingte Berichtigungen und Aufrechnungsfragen, DStR 2017 S. 1766;
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Schädlich, Haftung im Insolvenzverfahren unter Eigenverwaltung – Gläubigerschutz und Qualitätssicherung durch strenge Geschäftsleiterhaftung, NWB 42/2020 S. 3111;
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Schmidt, Doppelberichtigung auch in der Eigenverwaltung – Rechtssicherheit und offene Fragen, NZI 2018 S. 972;
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Schmittmann, Die wichtigsten Entscheidungen 2019 an der Schnittstelle von Insolvenz- und Steuerrecht, StuB 4/2020 S. 156;
Schönfels/Bös, Umsatzsteuerrisiken für die Insolvenzmasse, KSI 2016 S. 22;
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Schuster, Die neuere Rechtsprechung zur Steuer in der Insolvenz – Fiskusprivileg versus Gläubigergleichbehandlung, DStR 2013 S. 1509;
Seifert, Insolvenzverwalter und Vorsteuerabzug, StuB 23/2020 S. 955;
Seer, Abstimmungsprobleme zwischen Umsatz- und Insolvenzrecht, DStR 2016 S. 1289;
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Stadie, Umsatzsteuer und Insolvenz – Kritische Anmerkungen zur neueren BGH- und BFH-Entscheidungen, UR 2013 S. 158;
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Sterzinger, Fiskusprivileg im Insolvenzverfahren, BB 2011 S. 1367;
Sterzinger, Umsatzsteuern als Insolvenzforderungen oder Masseverbindlichkeiten – zugleich Besprechung der Entscheidung des , UStB 2019 S. 153;
Streit/Streit, Erstattung unberechtigt ausgewiesener Umsatzsteuer nach beendeter Organschaft in der Insolvenz, MwStR 2020 S. 564;
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Uhländer, Aktuelle Besteuerungsprobleme in der Insolvenz – Anmerkungen zum und weiteren Sonderfragen, DB 2015 S. 1620;
Wäger, Soll- und Istbesteuerung vor sowie in der Unternehmerinsolvenz, UR 2013 S. 673;
Wäger, Umsatzsteuer in der Insolvenz – Ist-Besteuerung und Einschränkung von § 55 Abs. 4 Insolvenzordnung als Regelungsalternative, ZinsO 2014 S. 1121;
Wagner/Datzer/Schlott, Umsatzsteuerliche Organschaft in der vorläufigen Eigenverwaltung – Herausforderung und Chancen, – Zugleich Besprechung des , DStR 2020 S. 1761;
Wagner/Fuchs, Umsatzsteuerliche Organschaft: Zwingendes Ende der finanziellen Eingliederung durch Insolvenz einer Gesellschaft?, BB 2017 S. 2202;
Wagner/Marchal, Umsatzsteuerrechtliche Auswirkungen der Bestellung eines schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters, BB 2015 S. 86;
Waza, Auswirkungen der umsatzsteuerlichen Steuersatzsenkung auf die Festsetzung der Insolvenzverwaltervergütung, BB 2020 S. 2007;
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Weber/Knaebel, Vorläufige Eigenverwaltung: Keine Begründung von Masseverbindlichkeiten durch den eigenverwaltenden Schuldner im Eröffnungsverfahren – Eigenverwaltung als lohnende Sanierungsalternative in der (Corona-)Krise?, DStR 2020 S. 2229;
Welte/Friedrich-Vache, Umsatzsteuer und Insolvenz, Geänderte Rechtsprechung des in Vereinbarkeit mit EU-Mehrwertsteuerrecht, UR 2012 S. 740;
Witfeld, Die Behandlung der Umsatzsteuer in der (vorläufigen) Eigenverwaltung – Zugleich Besprechung des , NWB 44/2020 S. 3243;
Zimmer, Umsatzsteuersatz bei Verfahrenskosten in Insolvenzverfahren, NZI 2020 S. 710;
Zistler, Weiteres Fiskusprivileg? – Steuermasseverbindlichkeiten durch Umsatzsteuerberichtigung nach anfechtungsrechtlicher Rückgewähr, ZinsO 2015 S. 833;
Pape/Uhländer, NWB Kommentar zum Insolvenzrecht, NWB Verlag Herne, 1. Auflage 2012;
Waza/Uhländer/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, NWB Verlag Herne, 13. Auflage 2020.
A. Problemanalyse
I. Allgemeines
1Seit dem richten sich Insolvenzverfahren nach der Insolvenzordnung (InsO) vom 5. 10. 1994 mit nachfolgenden Änderungen.
Ziel: Gläubigerbefriedigung und Restschuldbefreiung
Ziel des Insolvenzverfahrens ist es, die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich und bestmöglich zu befriedigen. Dies kann dadurch geschehen, dass das Vermögen des Schuldners verwertet und der Verwertungserlös verteilt wird oder – insbesondere, wenn das Unternehmen erhalten bleiben soll – in einem Insolvenzplan eine abweichende Regelung getroffen wird. Einem „redlichen” Schuldner wird die Möglichkeit eingeräumt, sich von seinen restlichen Verbindlichkeiten zu befreien (sog. Restschuldbefreiung).
Umsatzsteuerliche Auswirkungen
Bei einem Insolvenzverfahren im unternehmerischen Bereich werden neben zivilrechtlichen auch zahlreiche steuerrechtliche Fragen berührt, insbesondere umsatzsteuerliche Fragen. Die Auswirkungen eines Insolvenzverfahrens auf die Umsatzsteuer sind allerdings weder in der InsO noch im UStG ausdrücklich geregelt.
Bereits der Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Unternehmers, die Einsetzung eines vorläufigen Insolvenzverwalters und erst recht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens haben erhebliche Folgerungen für das Festsetzungsverfahren der Umsatzsteuer. Der Unternehmer verliert im eröffneten Insolvenzverfahren als Insolvenzschuldner zwar nicht seine Unternehmereigenschaft. Die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis bezüglich seines Unternehmens geht jedoch auf den Insolvenzverwalter über.
Vor Verfahrenseröffnung begründete Umsatzsteuerforderungen des Fiskus können grds. als Insolvenzforderungen vom Finanzamt nur durch Anmeldung zur Tabelle geltend gemacht werden. Dagegen sind nach Verfahrenseröffnung oder zuvor aufgrund von Handlungen vorläufiger Insolvenzverwalter begründete Umsatzsteuerforderungen (Masseforderungen) durch Erlass von Steuerbescheiden geltend zu machen.
Die entsprechenden Zahlungen der Umsatzsteuer an das Finanzamt mindern die Insolvenzmasse. Forderungen z. B. von Lieferanten gegen den Schuldner werden uneinbringlich. Dies führt beim Insolvenzschuldner zu Vorsteuerberichtigungen zu seinen Lasten. Die in den Kundenforderungen des Insolvenzschuldners enthaltene Umsatzsteuer ist dagegen zu Lasten des Fiskus zu berichtigen.
Nachfolgend werden diese und die wichtigsten weiteren umsatzsteuerlichen Auswirkungen erläutert, die sich bei Insolvenzverfahren im unternehmerischen Bereich ergeben können. Die Verwaltung hat ihre Auffassung insbesondere zu verfahrensrechtlichen Fragen des Insolvenzverfahrens im AEAO zu § 251 AO zusammengefasst. Zu den umsatzsteuerrechtlichen Fragen ergibt sich die Verwaltungsauffassung aus zahlreichen unterschiedlichen Abschnitten des UStAE, ergänzt durch Verwaltungsanweisungen der Länderfinanzministerien, Oberfinanzdirektionen und Landesämter für Steuern.
II. Übersicht über das Insolvenzverfahren
1. Voraussetzungen für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens
a) Insolvenzfähigkeit (§§ 11–12 InsO)
2Eine Voraussetzung für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ist die Insolvenzfähigkeit des Schuldners.
Insolvenzfähig sind
natürliche Personen (z. B. Einzelunternehmer),
juristische Personen (z. B. Kapitalgesellschaften, eingetragene Vereine),
nicht rechtsfähige Vereine (Vereine, die nicht in das Vereinsregister eingetragen sind),
Personengesellschaften (z. B. OHG, KG) sowie
aufgelöste juristische Personen oder Personengesellschaften, solange die Verteilung des Vermögens nicht vollzogen ist.
Im Gegensatz zum bis 31. 12. 1998 geltenden Recht ist die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) nach dem Insolvenzrecht insolvenzfähig (vgl. § 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO).
Nicht insolvenzfähig sind hingegen
Bund, Länder und juristische Personen des öffentlichen Rechts, wenn das jeweilige Landesrecht dies bestimmt,
typische und atypisch stille Gesellschaften.
b) Insolvenzgründe (§§ 16–19 InsO)
3Das Insolvenzverfahren kann nur in Gang gesetzt werden, wenn ein sog. Eröffnungsgrund vorliegt (§ 16 InsO). Als Insolvenzgründe (Eröffnungsgründe) kommen in Betracht:
die Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO ),
die drohende Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) und
bei juristischen Personen – die Überschuldung (§ 19 InsO).
Einzelheiten hierzu behandeln die Beiträge von und von . Den Steuerberater eines insolvenzverdächtigen Unternehmers treffen Hinweis-, Aufklärungs- und Schadenverhütungsverpflichtungen (vgl. hierzu im Einzelnen ). Die Hinweispflicht des Steuerberaters auf einen möglichen Insolvenzgrund bleibt während der Corona-Krise bestehen (vgl. Hertrich, Die ausgesetzte Insolvenzantragspflicht des Mandanten als Herausforderung für den Steuerberater – Hinweispflicht des Steuerberaters auf möglichen Insolvenzgrund bleibt in der Corona-Krise bestehen, NWB 22/2020 S. 1641).
4Zahlungsunfähigkeit
Der in der Praxis bedeutsamste Insolvenzgrund ist die Zahlungsunfähigkeit i. S. des § 17 InsO. Sie liegt vor, wenn ein Schuldner nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungsverpflichtungen (hierzu gehören auch Steuerzahlungsverpflichtungen) zu erfüllen. In der Regel ist die Zahlungsunfähigkeit anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat (§ 17 Abs. 2 Satz 2 InsO, Nr. 2.1.1 AEAO zu § 251). Einzelheiten hierzu behandelt der Beitrag von Sikora, Die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit, NWB KAAAE-00216.
Mit dem Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht vom (BGBl 2020 I S. 569) hat der Gesetzgeber die Pflicht der Leitungsorgane juristischer Personen aus § 15a InsO, bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung Insolvenzanträge zu stellen, für die Zeit vom 1. 3. bis ausgesetzt.
5Drohende Zahlungsunfähigkeit
Der Insolvenzgrund „drohende Zahlungsunfähigkeit” kann nur durch den Schuldner selbst als Eröffnungsgrund herangezogen werden. Allerdings ist der Schuldner nicht verpflichtet, bei drohender Zahlungsunfähigkeit selbst einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen (vgl. § 64 GmbHG und § 92 Abs. 2 AktG). Der Schuldner droht zahlungsunfähig zu werden, wenn er voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen (§ 18 Abs. 2 InsO, Nr. 2.1.2 AEAO zu § 251). Dementsprechend ist von einer drohenden Zahlungsunfähigkeit auszugehen, wenn der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit i. S. des § 17 InsO wahrscheinlicher ist als das Gegenteil, nämlich die Zahlungsfähigkeit des Schuldners. Bei einer Prognose über die drohende Zahlungsunfähigkeit sind auch bestehende Verbindlichkeiten einzubeziehen, die erst künftig fällig werden.
In der Praxis machen bislang nur wenige Schuldner von der Möglichkeit Gebrauch, die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens wegen „drohender Zahlungsunfähigkeit” zu beantragen.
6Überschuldung
Die Überschuldung ist bei juristischen Personen des Privatrechts (insbesondere Kapitalgesellschaften) sowie bei Personengesellschaften, deren Gesellschafter juristische Personen sind (z. B. GmbH & Co KG), aber auch in Nachlassfällen ein Eröffnungsgrund (§ 19 InsO, Nr. 2.1.3 AEAO zu § 251). Nach § 64 Abs. 1 Satz 1 GmbHG bzw. § 92 Abs. 2 Satz 2 AktG ist Überschuldung – nach Aufstellung einer betriebswirtschaftlichen Vermögensbilanz – das rechnerische Überwiegen der Passiva über die Aktiva. Danach ist eine Überschuldung grds. gegeben, wenn
das Vermögen bei Ansatz von Liquiditätswerten die Verbindlichkeiten nicht deckt (sog. rechnerische Überschuldung) und
die Finanzkraft des Unternehmens mittelfristig nicht ausreicht (sog. Überlebens- oder Fortbestehensprognose).
Allerdings ist eine Überschuldung immer nach betriebswirtschaftlichen Erkenntnissen zu ermitteln. Deshalb ist nicht jede Handels- oder Steuerbilanz, bei der die Passiva die Aktiva übersteigen, ein Beweis für die Überschuldung eines Unternehmens. Wenn aufgrund der Bilanzierungsvorschriften sog. stille Reserven gebildet worden sind, müssen diese zur Ermittlung der tatsächlichen Vermögenslage des Schuldners rechnerisch aufgedeckt werden.
Mit dem Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht vom (BGBl 2020 I S. 569) hat der Gesetzgeber die Pflicht der Leitungsorgane juristischer Personen aus § 15a InsO, bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung Insolvenzanträge zu stellen, zunächst für die Zeit vom 1. 3. bis ausgesetzt. Durch das Gesetz zur Verlängerung des COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetzes vom (BGBl 2020 I S. 2016) ist diese Frist – jedoch nur bei Überschuldung - bis zum verlängert worden. In der Literatur ist die Frage gestellt worden, ob die Überschuldung als Eröffnungsgrund für ein Insolvenzverfahren überflüssig ist.