NWB Sanieren Nr. 2 vom Seite 36

Corona-Finanzhilfen und deren Rückzahlung

Prüfpflichten und Risiken von Antragstellern und deren Beratern

Prof. Dr. Ralf Jahn *

Rechtsanwälten und den Angehörigen der steuerberatenden Berufe kommt in der Corona-Krise eine besondere Bedeutung bei der Beratung ihrer Mandanten zu. Sie haben über ihre üblichen Tätigkeiten hinaus als sogenannte „Dritte“ auch die praktische Antragstellung bei staatlichen Corona-Finanz-Hilfen zu leisten. Sie sind zudem erste Ansprechpartner, wenn unternehmerische Fragen auftauchen oder dem Mandanten in der Corona-Krise bei immer wieder verlängertem Lockdown allmählich die „finanzielle Luft“ ausgeht. Deshalb ist es – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – wichtig zu wissen, was an Beratung und Hilfestellung insbesondere mit Blick auf etwaige Rückzahlung von Corona-Fördermitteln geboten und zu bedenken ist, ferner was an Beratung in diesem Kontext überhaupt erlaubt ist.

Kernaussagen
  • Die Beantragung von Fördermitteln zur Überbrückung der Corona-Krise zählt auch bei den Angehörigen der steuerberatenden Berufe zu den erlaubten Tätigkeiten. Der Bund hat in den Corona-Zuschussprogrammen die Antragstellung dieser Berufsgruppe und Rechtsanwälten vorbehalten.

  • Es empfiehlt sich eine genaue Gestaltung des Mandatsvertrags zur Vermeidung von Haftung oder gar Überschreitung zulässiger Aufgabenwahrnehmung.

  • Die fortlaufende Überprüfung des Sachstandes der Corona-Hilfsprogramme einschließlich der FAQ des Bundes und die gründliche Dokumentation der bei der Antragstellung zugrundeliegenden Förderbedingungen ist dringend zu empfehlen.

  • Ergibt die Schlussabrechnung, dass eine Finanzhilfe ganz oder teilweise überhöht ausgezahlt worden ist, ist der überschießende Betrag zu erstatten.

I. Zulässige und unzulässige Beratungstätigkeiten

Im Rahmen der Corona-Finanzhilfen, insbesondere der staatlichen Zuschussprogramme, haben Rechtsanwälte und die Angehörigen der steuerberatenden Berufe (Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, vereidigte Buchprüfer, Wirtschaftsprüfer) als sogenannte „Dritte“ eine besondere Funktion. Soweit nicht Soloselbständige bis zu einem Antragsvolumen bis zu 7.500 € unter Identifikation mit einem ELSTER-Zertifikat ihre Zuschussanträge direkt, also ohne Einbeziehung eines „Dritten“ auf dem Antragsportal des Bundes stellen, können Anträge nämlich ausschließlich über einen Dritten auf dem Antragsportal des Bundes gestellt werden. [1] Auch wenn kein Kontrahierungszwang besteht, also keine rechtliche Verpflichtung zur Übernahme eines derartigen „Corona-Mandats“, stellt sich bei Übernahme eines Mandats die Frage, was überhaupt zulässiger Gegenstand des Auftrags ist – und was nicht.

1. Zulässige Beratung

Für Rechtsanwälte ist die Beantragung von Corona-Zuschüssen seit August 2020 eine nach dem Programminhalt der Überbrückungshilfe I zugewiesene Aufgabe, die auch die damit einhergehende Beratung und Nachverfolgung mit einschließt. Etwas differenzierter zu betrachten sind die Corona-Aufgaben der Angehörigen der steuerberatenden Berufe, die seit Beginn der Übrbrückungshilfeprogramme seit in das Antragsverfahren eingebunden sind: Neben dem herkömmlichen Berufsbild der steuerberatenden Tätigkeit [2] ergibt sich der zusätzliche Rahmen ihrer erlaubten Beratung und Vertretung aus dem Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG). Lediglich die Rechtsdienstleistung in konkreten fremden Angelegenheiten, die eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert, bedarf hierbei der gesetzlichen Erlaubnis. [3] Unterhalb der Schwelle des § 3 RDG darf der Steuerberater hingegen erlaubnisfrei agieren. Die Grenzen zwischen einer erlaubnispflichtigen Rechtsdienstleistung und nicht erlaubnispflichtigen wirtschaftlichen Tätigkeit sind allerdings häufig fließend und lassen sich kaum pauschal definieren. [4] § 5 RDG erlaubt auch den Angehörigen der steuerberatenden Berufe eine Nebenleistung, also eine Rechtsdienstleistung im Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit, wenn sie als NebenS. 37leistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild gehört; ob hierbei eine „Nebenleistung“ vorliegt, ist nach ihrem Inhalt, Umfang und sachlichen Zusammenhang mit der Haupttätigkeit unter Berücksichtigung der Rechtskenntnisse zu beurteilen, die für die Haupttätigkeit erforderlich sind.

Praxishinweis

Die Beantragung von Fördermitteln zur Überbrückung der Corona-Krise [5] zählt auch bei den Angehörigen der steuerberatenden Berufe konsequenterweise zu den erlaubten Tätigkeiten. Dies ergibt sich schon daraus, dass der Bund in den Corona-Zuschussprogrammen die Antragstellung dieser Berufsgruppe zugewiesen hat.

Mit der bloßen Antragstellung auf einen Corona-Zuschuss ist es aber in aller Regel nicht getan, da der Mandant für sein „gutes Geld“ eine weit umfassendere Unterstützung erwartet. Ein Steuerberater darf – neben der Antragstellung und Prüfung/Testierung der Antragsvoraussetzungen – im Übrigen insbesondere tätig werden bei

  • Prüfung der Frage der Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit einer Gesellschaft;

  • der Prüfung der (bilanziellen) Insolvenzreife eines Unternehmens;

  • Verfahren vor dem Finanzgericht [6] und in Abgabenangelegenheiten vor dem Verwaltungsgericht; [7]

  • der Beratung zu Fördermitteln und Förderprogrammen (vor allem der Banken und Wirtschaftsförderungsstellen der Länder);

  • der Beratung und Hilfestellung bei Anträgen auf Kurzarbeitergeld, das auf Corona-Zuschüsse anzurechnen ist.

2. Unzulässige Beratung

Allerdings ist die Beratungsbefugnis insbesondere von Angehörigen der steuerberatenden Berufe nicht grenzenlos. Der Berater darf grundsätzlich nicht tätig werden bei

  • der Prüfung der Insolvenzreife einer Gesellschaft, soweit es um die Prüfung der zivilrechtlichen Unwirksamkeit einer Rangrücktrittserklärung geht; [8]

  • zivilrechtlichen Vertragsentwürfen zur Anpassung der Bedingungen oder der Beratung bzgl. der Kündigungs- oder Stundungsmöglichkeiten von Miet- oder Darlehensverträgen in der Corona-Krise;

    Praxishinweis

    Zulässig ist aber meines Erachtens der Hinweis an den Mandanten in „corona-gestörten“ Miet-/Pachtverhältnissen auf eine Vertragsanpassung hinzuwirken. Der Gesetzgeber hat Regelungen zum in Kraft gesetzt, welche die Rechte der Gewerbemieter stärken und für Rechtssicherheit sorgen sollen (Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Anpassung pandemiebedingter Vorschriften im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht sowie im Miet- und Pachtrecht v. ). [9] So wird durch die Neuregelung von § 7 des Art. 240 EGBGB tatsächlich, aber widerlegbar vermutet, dass in Fällen, in denen Gewerbemieträume aufgrund staatlicher Maßnahmen nicht oder nur stark eingeschränkt genutzt werden können, eine schwerwiegende Störung der Geschäftsgrundlage [10] vorliegt, welche zu einer Anpassung des Mietvertrags führen kann. Zusätzlich wurde mit § 44 EGZPO sichergestellt, dass Gerichtsverfahren über Rechtsstreitigkeiten zur Anpassung der Miete für Gewerberäume wegen staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie vorrangig und beschleunigt durchzuführen sind. [11] Allerdings sollte dann der gewerbliche Mieter aktiv werden, um eine außergerichtliche Anpassung oder Stundung des Mietzinses zu erzielen; im Konfliktfall kann nur der anwaltliche Berater vor dem Zivilgericht helfen, nicht hingegen der steuerliche Berater.

Literaturtipp:

Siehe hierzu Römermann, .

  • Beratungen bzgl. des „COVID-19-Gesetzes“ [12] und dessen Auswirkung auf das Recht zur Stundung und in Bezug auf Leistungsstörungen;

  • der Führung von Verhandlungen mit Gläubigern des Mandanten zur angemessenen Risikoverteilung in der Corona-Krise;

  • dem Forderungseinzug für Mandanten zur Liquiditätssteigerung in der Corona-Krise; [13]

  • Geltendmachung von Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüchen aufgrund coronabedingten Ausfällen oder Schließungen oder von Ansprüchen nach § 56 InfSG;

  • der Beratung in arbeitsrechtlichen Fragen (z. B. zum Homeoffice nach der Corona-ArbSchV) einschließlich der Vertretung vor dem Arbeitsgericht.

Praxishinweis

Bei der Übernahme von Mandaten im Rahmen der Corona-Hilfsprogramme empfiehlt sich deshalb aus Beratersicht zur Vermeidung von Haftung oder gar Überschreitung zulässiger Aufgabenwahrnehmung eine genaue Gestaltung des Mandatsvertrags mit Beschreibung dessen, was nicht vom Prüfungs- und Beratungsauftrag umfasst ist.

Soweit dem steuerlichen Berater nach den vorgenannten Grundsätzen eine Beratung versagt ist, empfiehlt sich ggf. noch ein Verweis des Mandanten an die Wirtschaftskammern.S. 38 Diese dürfen zwar keine rechtliche Einzelfallberatung oder gar gerichtliche Vertretung übernehmen. Sie sind aber eine sinnvolle Anlaufstelle, wenn es – gerade in Corona-Fällen – um eine fundierte Erstberatung geht.

Praxishinweis

Mit dem vom Bundestag am beschlossenen SansInsFoG v. [14] will der Bund einen Rechtsrahmen schaffen, der es Unternehmen ermöglicht, sich bei drohender, aber noch nicht eingetretener Zahlungsunfähigkeit, außerhalb eines Insolvenzverfahrens zu sanieren. Eine wichtige Rolle nimmt dabei auch die Einrichtung von „Frühwarnsystemen“ für Unternehmen ein, die in der Krise zur Vermeidung einer Insolvenz helfen können. Durch Art. 19 SanInsFoG ist das Aufgabenspektrum der IHKn durch § 1 Abs. 2 Satz 2 IHKG n. F. erweitert worden: „Sie können die ihnen zugehörigen Gewerbetreibenden ihres Bezirks zu Fragen der Früherkennung von Unternehmenskrisen und deren Bewältigung beraten.“ Gleichlautend ist durch Art. 21 des Gesetzes für den Bereich der Handwerkskammern (HWKn) die bestehende Regelung um einen § 91 Abs. 3b HandwO erweitert worden: „Die Handwerkskammer kann Betriebe des Handwerks oder eines handwerksähnlichen Gewerbes des Handwerkskammerbezirks zu Fragen der Früherkennung von Unternehmenskrisen und deren Bewältigung beraten.“

II. Betroffene Corona-Hilfen und Zuschussprogramme

1. Corona-Kreditprogramme

Bereits seit Beginn der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 hat der Bund Unternehmen in der Krise mit einem Kreditprogramm unterstützt. Den KfW-Schnellkredit können Unternehmen zusätzlich zur Soforthilfe des Bundes und der Länder bis zu einem Gesamtbetrag von 800.000 € beantragen. [15] Kombinationen mit anderen Krediten aus dem Corona-Sonderprogramm der KfW sind allerdings ausgeschlossen, ebenso ein Wechsel aus diesen Darlehen zum KfW-Schnellkredit. Der Kredit ist nicht bei der KfW, sondern über die Hausbank zu beantragen, auch mit Unterstützung des steuerlichen Beraters.

Praxishinweis

Unter Rückzahlungsgesichtspunkten ist zu beachten, dass bei der Einhaltung der Grenzen des EU-beihilferechtlichen Rahmens nicht nur erhaltene Zuschüsse, sondern auch Sofortkredite mit dem Nennbetrag zu berücksichtigen sind, s. u. III.

Ebenfalls zu den Corona-Kreditprogrammen zählen Kredite aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF). Da dieser aber nur großen Unternehmen vorbehalten ist, soll er an dieser Stelle außer Betracht bleiben.

Der WSF hat bis zum [16] in sieben Fällen Rekapitalisierungsmaßnahmen mit einem Gesamtvolumen von 7,87 Mrd. € beschlossen; darunter fallen grundsätzlich Eigenkapital bzw. eigenkapitalähnliche Instrumente wie z. B. Nachrangdarlehen, stille Beteiligungen, Wandelanleihen und, als Ultima Ratio, offene Beteiligungen. [17]

Unternehmen der Landwirtschaft (einschließlich des Wein- und Gartenbaus, sogenannte landwirtschaftliche Primärproduktion), die aufgrund der Auswirkungen der Corona-Pandemie Liquiditätsbedarf haben, steht neben den Corona-Soforthilfen das Liquiditätssicherungsprogramm der Landwirtschaftlichen Rentenbank (LR) und das Corona-Bürgschaftsprogramm des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) für Liquiditätssicherungsdarlehen der LR zur Verfügung. [18]

2. Corona-Zuschussprogramme

Seit März 2020 unterstützt der Bund (Solo-)Selbständige, Einrichtungen und Unternehmen zur Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie auch mit umfangreichen Zuschussprogrammen. Dies war zunächst

  • für die Zeit vom bis das Soforthilfeprogramm, [19]

  • für die Zeit vom bis die Überbrückungshilfe I, [20]

  • für die Zeit vom bis die Überbrückungshilfe II, [21]

  • für die Zeit vom bis die außerordentliche Wirtschaftshilfe in Form der sogenannten Novemberhilfe bzw. Dezemberhilfe [22] und

  • seit bis die Überbrückungshilfe III einschließlich Neustarthilfe für Soloselbständige, [23] wobei

  • die Bedingungen der Überbrückungshilfe III am durch Vereinfachung der Antragsberechtigung, die Erhöhung der monatlichen Förderhöhe und der Abschlagszahlungen und Anerkennung weiterer Kostenpositionen nochmals verbessert und erweitert worden sind. [24]

Soforthilfeprogramm und Überbrückungshilfeprogramm I sind abgeschlossen, Anträge können nicht mehr gestellt werden. Für die Überbrückungshilfe II (entweder über einen Dritten oder bis zu 5.000 € bei Soloselbständigen auch durch Direktantrag) können Anträge noch bis gestellt werden, auch rückwirkend für den Zeitraum ab . Auf Antrag waren Abschlagszahlungen bis 50.000 € möglich. Auch die November- oder Dezemberhilfe kann – über das Antragsportal des Bundes [25] noch bis (auch rückwirkend) beantragt werden. [26] Der Bearbeitungs- und Auszahlungsstart war am .S. 39

Die Dezemberhilfe kann (auch rückwirkend) seit und noch bis beantragt werden, auch bei der November- und Dezemberhilfe sind Abschlagszahlungen möglich. Bearbeitungs- und Auszahlungsstart für die Dezemberhilfe war der . Novemberhilfe Plus und Dezemberhilfe Plus können derzeit noch nicht beantragt werden (Stand: ).

Die Überbrückungshilfe III kann seit beantragt werden. Nach dem Beschluss der Ministerpräsidenten der Länder und der Bundeskanzlerin (MPK-Beschluss v. , dort Ziff. 14) erfolgen aber Abschlagszahlungen seit , die Bearbeitung der regulären Anträge soll im Laufe des ersten Quartals ermöglicht werden. Nach dem MPK-Beschluss v. (dort Ziff. 14) wurde die Überbrückungshilfe III nochmals erweitert und verbessert, die Abschlagszahlungen nochmals deutlich angehoben und die Insolvenzantragspflicht für Antragsberechtigte bei Corona-Finanzhilfen nochmals bis verlängert. Inzwischen wurden auch die beihilferechtlichen Höchstsätze angehoben, s. u. III.

Diese Entwicklung zeigt:

Die Corona-Hilfsprogramme müssen nicht nur laufend an die aktuelle politische Beschlusslage zu den Pandemiemaßnahmen angepasst werden – so wurde die Antragsfrist für die November- und Dezemberhilfe bis und die Frist für die Überbrückungshilfe II bis verlängert. Die Programme unterliegen auch besonderen EU-beihilferechtlichen Regelungen, deren inhaltliche Anforderungen sich mehrfach geändert haben und weiterhin ändern. Der mehrfach verlängerte Lockdown und die hiermit verbundenen staatlichen Schließungsanordnungen führen zu einer massiven Beeinträchtigung der Liquidität der betroffenen Unternehmen bis an den Rand der wirtschaftlichen Insolvenz. Auch auf diese Gefahrenlage hat der Gesetzgeber reagiert und für die Zeit der Corona-Pandemie Sonderregelungen im Insolvenzrecht geschaffen, die vom Antragsteller und seinem Berater zu beachten sind.

Praxishinweis

Die fortlaufende Überprüfung des Sachstandes der Corona-Hilfsprogramme einschließlich der FAQ und des Weiteren rechtlichen Umfeldes stellt deshalb gerade an den steuerlichen Berater besondere Herausforderungen, auch zur Vermeidung einer haftungsrechtlichen Inanspruchnahme. Zu empfehlen ist gerade bei der Antragstellung die zu diesem Zeitpunkt zugrundeliegenden Förderbedingungen (FAQ des Bundes) zu dokumentieren, um nicht in eine Haftungsfalle wegen Falschberatung zu treten.

III. Beachtung des beihilferechtlichen Rahmens

In der Anwendungspraxis hat gerade der zu beachtende beihilferechtliche Rahmen bei der Beantragung und Bewilligung von Corona-Zuschüssen erhebliche Irritation verursacht. Dies hat seinen wesentlichen Grund darin, dass das BMWi in seinen FAQ zwar von Anfang an mitgeteilt hat, dass die beihilferechtlichen Obergrenzen zu beachten seien, aber – auch wegen der ungeklärten EU-Genehmigungslage – nicht kommuniziert hat, welche Obergrenzen im Einzelnen gelten. Diese Unsicherheit hat für Berater unter haftungsrechtlichem Gesichtspunkt zu Risiken geführt, bei Antragstellern zu erhöhten Rückzahlungsrisiken im Falle einer Überschreitung beihilferechtlicher Obergrenzen. Die Unklarheiten hat das BMWi erst „unterwegs“ durch Veröffentlichung gesonderter FAQ zum Beihilfenrecht ausgeräumt, die zuletzt am aktualisiert worden sind (Abfrage am ). [27] Im Einzelnen ist Folgendes zu beachten:

1. Relevante beihilferechtliche Regelungen bei Corona-Hilfen

Grundsätzlich sind staatliche Mittel, die die Voraussetzungen des Art. 107 Abs. 1 AEUV erfüllen, als staatliche Beihilfen bei der Europäischen Kommission anzumelden und müssen von der EU-Kommission genehmigt werden.

Von diesem Grundsatz gelten jedoch Ausnahmen, etwa für den Fall, dass die Europäische Kommission eine Beihilferegelung genehmigt hat (z. B. Bundesregelung Kleinbeihilfen 2020, Bundesregelung Fixkostenhilfe 2020) und Einzelbeihilfen sämtliche Voraussetzungen dieser Beihilferegelung erfüllen. Auch Hilfen, die den Vorgaben der einschlägigen De-minimis-Verordnung unterfallen, sind von der Anmeldepflicht ausgenommen.

Dem Berater gibt folgende Tabelle Orientierung: [28], [29]


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Bundesregelung Kleinbeihilfen 2020
De-minimis-Verordnung
Bundesregelung Fixkostenhilfe 2020
Bundesregelung November/Dezemberhilfe (Schadensausgleich)
Soforthilfe des Bundes
x
Überbrückungshilfe I
x
x
Überbrückungshilfe II
x
Novemberhilfe
x
x
Novemberhilfe Plus
x
x
x
x
Dezemberhilfe
x
x
Dezemberhilfe Plus
x
x
x
xS. 40

Praxishinweis

Die Antragstellung (etwa für die Überbrückungshilfe II) erfolgt in der Regel auf Grundlage von Prognosen des Antragstellers (mit Unterstützung seines Beraters). Die tatsächlich aufgetretenen und berücksichtigungsfähigen Umsatzverluste, Fixkosten und ungedeckten Fixkosten i. S. des Beihilferechts werden dann im Rahmen der Schlussabrechnung zu einem späteren Zeitpunkt mitgeteilt. Wird nach Antragstellung bekannt, dass die entsprechenden beihilferechtlichen Bedingungen nicht erfüllt waren, erfolgt eine Korrektur ebenfalls im Rahmen der Schlussabrechnung. Ein Änderungsantrag zur Korrektur der Angaben ist in solchen Fällen daher nicht erforderlich.

In der Praxis dürfte aber in den allermeisten Fällen wegen der Ende Januar 2021 erfolgten abermaligen Verbesserung des EU-Beihilferahmens (unten III.2) das Problem einer Überschreitung des Beihilfenrahmens und des damit bei der Schlussabrechnung verbundenen Rückzahlungsrisikos nicht mehr bestehen.

2. Erweiterung des EU-Beihilfenrahmens durch die EU-Kommission

Die EU-Kommission hat am ihren befristeten Rahmen für staatliche Beihilfen während der Corona-Pandemie (Temporary Framework) erneut verlängert und erweitert. Insbesondere wurden die beihilferechtlichen Obergrenzen für Kleinbeihilfen und Fixkostenhilfen substanziell erhöht. [30]

Der befristete Rahmen der Europäischen Kommission stellt die beihilferechtliche Grundlage für zahlreiche deutsche Hilfsmaßnahmen während der Pandemie dar. Hierauf gestützt sind beispielsweise die Überbrückungshilfe, verschiedene KfW-Kredite sowie Teile der außerordentlichen Wirtschaftshilfe (November-/Dezemberhilfe). Konkret sind jetzt folgende Verbesserungen im neuen Beihilferahmen enthalten (Stand: ):

  • Erhöhung der Obergrenzen für Kleinbeihilfen auf 1,8 Mio. € (bislang 800.000 €) bzw. auf 270.000 € im Fischerei-/Aquakultursektor (bislang 120.000 €) und auf 225.000 € im Agrarsektor (bislang 100.000 €);

  • Erhöhung der Obergrenzen für Fixkostenhilfen auf 10 Mio. € (bislang 3 Mio. €);

  • Verlängerung des befristeten Rahmens einheitlich bis (bislang Befristung bis , für größere Rekapitalisierungen bis ).

Praxishinweis

Mit den neuen Regeln gelten nun auch höhere Grenzen bei den deutschen Corona-Hilfen. So müssen etwa Antragsteller mit einem kumulierten Fördervolumen von bis zu 2 Mio. € (Kleinbeihilfen und De-minimis, gilt nicht für Überbrückungshilfe II) am Ende der Förderperiode keine beihilferechtlichen Verluste nachweisen (vorher 1 Mio. €). Die von BMF/BMWi veröffentlichten FAQ zu den Beihilferegelungen [31] sind bislang unter Punkt B.8. noch nicht angepasst (Abfragestand: ).

Dies hat darin seinen Grund, dass die Bundesregelungen (Kleinbeihilfen und Fixkostenhilfe) zunächst nach dem neuen Beihilfenrahmen bei der Europäischen Kommission neu notifiziert werden müssen. Die Änderungsnotifizierung und anschließende Genehmigung durch die EU-Kommission sind verfahrensrechtlich notwendig und werden aktuell durchgeführt. Nach erfolgter Genehmigung werden Förderungen auf Basis der deutlich angehobenen Obergrenzen ermöglicht. Ein entsprechender Hinweis wird in Kürze auch auf der Webseite der Beihilfe FAQ erscheinen.

Achtung: Die jeweiligen Höchstbeträge gelten programmübergreifend, können also nicht summiert werden. Hier „schlummert“ eine besondere Beratungsverantwortung des (steuerlichen) Beraters. Eine Kumulierung der Überbrückungshilfe mit anderen öffentlichen Hilfen (nicht: Corona-Soforthilfe oder andere Corona-bedingte Zuschussprogramme des Bundes, der Länder oder der Kommunen), ist zulässig. Dies gilt insbesondere für Darlehen. Eine Anrechnung auf die Corona-Überbrückungshilfe erfolgt nicht. Allerdings ist das Beihilferecht zu beachten. Das bedeutet, dass bei der Bestimmung der beihilferechtlich zulässigen Obergrenze nicht nur erhaltene Corona-Zuschüsse, sondern auch Sofortkredite zu berücksichtigen sind.

IV. Insolvenzrechtliche Besonderheiten in der Corona-Krise

1. SansInsFoG

Mit dem am vom Bundestag beschlossenen Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts – SansInsFoG v. [32] soll die Restrukturierungs- und Insolvenzrichtlinie (EU) 2019/1023 v. [33] in deutsches Recht umgesetzt werden. Außerdem soll mit Blick auf die wirtschaftlichen Konsequenzen der Corona-Pandemie eine Fortentwicklung des geltenden Insolvenzrechts erfolgen. Das SansInsFoG sieht insbesondere Verbesserungen am Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG), beispielsweise bei der Eigenverwaltung, für die Präzisierung der Insolvenzantragsgründe, bei der Digitalisierung von Insolvenzverfahren sowie die Berücksichtigung von Besonderheiten der COVID-19-Pandemie vor. Der wichtigste Teil des Gesetzentwurfs ist das Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsG (StaRUG): Im Rahmen eines Restrukturierungsverfahrens sollen bestimmte Sanierungsbeiträge, insbesondere Forderungsverzichte und Stundungen, auch gegen den Willen einzelner Gläubiger durchgesetzt werden können. Auch der Aspekt der Früherkennung von Krisen [34] steht im Fokus verbunden mit der Idee ein „Frühwarnsystem“ einzurichten.S. 41

Praxishinweis

Das SansInsFoG sollte vom steuerlichen Berater bei der Begleitung von Unternehmen in der Corona-Krise zwar mit in den Blick genommen werden; allerdings kann auf den spezialisierten Rat eines Insolvenzrechtsspezialisten nicht verzichtet werden.

2. Aussetzung und Verlängerung der Insolvenzantragsfrist

Für Unternehmen (Selbständige), die Corona-Hilfen in Anspruch nehmen, gelten mit Blick auf eine drohende Unternehmensinsolvenz Besonderheiten, die der Berater berücksichtigen muss:

Schuldner müssen zwar grundsätzlich unter den Bedingungen des § 15a InsO einen Insolvenzantrag bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung stellen. Durch das COVInsAG, das Bestandteil des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht v. [35] war, wurde die Pflicht zur Insolvenzantragstellung bei Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit rückwirkend ab bis zum ausgesetzt. Später sind die §§ 1 und 2 COVInsAG geändert worden, indem die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht in den Fällen der „Überschuldung“ für den Zeitraum vom bis zum verlängert wurde. [36] Durch Art. 10 des vom Bundestag am beschlossenen SansInsFoG v. [37] wurde die Aussetzung der Frist für die Insolvenzantragstellung beim Insolvenzgrund der Überschuldung abermals bis verlängert, aber nach § 1 Abs. 3 COVInsAG nur für Schuldner, die staatliche Corona-Hilfeleistungen erwarten können. Voraussetzung ist also, dass diese Unternehmen Anträge auf staatliche Hilfsleistungen im Zeitraum vom 1.11. bis zum gestellt haben (November- bzw. Dezember-Hilfen) bzw. aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen bisher nicht stellen konnten.

Mit dem vom Bundestag am beschlossenen Gesetz, [38] das am in Kraft getreten ist, gilt nun Folgendes (Stand: ):

  • Die Insolvenzantragspflicht wird bis zum für solche Unternehmen ausgesetzt, die staatliche Hilfeleistungen aus den zur Abmilderung der wirtschaftlichen Folgen der Covid-19-Pandemie aufgelegten Hilfsprogrammen erwarten können. Voraussetzung ist grundsätzlich, dass die Anträge im Zeitraum vom bis zum gestellt sind.

    Für den Berater ist im praktischen Umgang für die Antragsberechtigung relevant, dass die Gesetzesbegründung nicht eindeutig ist: [39] „Infolge der jüngsten behördlichen Maßnahmen in Reaktion auf die Zunahme des Infektionsgeschehens ist es im Spätherbst wieder zu erheblichen Beeinträchtigungen des Wirtschaftsverkehrs und in der Folge zu Umsatzeinbrüchen in den hiervon besonders betroffenen Unternehmensbranchen gekommen. In Reaktion hierauf ist das Angebot staatlicher Hilfeleistungen nochmals ausgebaut worden (sog. „November- und Dezemberhilfen“). Die Bearbeitung der Anträge auf die Gewährung der beantragten Hilfen nimmt angesichts der Fülle der Anträge Zeit in Anspruch. Auszahlungen können sich damit bis zum Jahresende oder darüber hinaus verzögern. Daher soll die Antragspflicht für Unternehmen ausgesetzt werden, die staatliche Hilfeleistungen erwarten können. Voraussetzung ist, dass die Anträge im Zeitraum vom 1. November bis zum gestellt sind. Soweit in diesem Zeitraum bei bereits aufgelegten Programmen aus rechtlichen, insbesondere beihilferechtlichen oder tatsächlichen, insbesondere IT-technischen Gründen noch keine Anträge gestellt werden konnten, soll die Insolvenzantragspflicht auch für Unternehmen ausgesetzt werden, welche nach den Bedingungen des Programms in den Kreis der Antragsberechtigten fallen. Ausgenommen sind dem Zweck der Regelung entsprechend solche Fälle, in denen offensichtlich keine Aussicht auf die Gewährung der Hilfe besteht oder in denen die Auszahlung nichts an der Insolvenzreife ändern könnte.“

    Zwar nimmt die Gesetzesbegründung ausdrücklich auf die November- und Dezemberhilfe Bezug; der Wortlaut des § 1 Abs. 3 COVInsAG bezieht sich demgegenüber – weitergehend – auf die Beantragung (oder Antragsmöglichkeit i. S. von Antragsberechtigung) für alle staatlichen Hilfsprogramme im Zeitraum von 1.11. bis . Daraus ist m. E. zu folgern, dass die Begünstigungsregelung des § 1 Abs. 3 COVInsAG nicht auf die Novemberhilfe oder Dezemberhilfe beschränkt ist. Sie kommt vielmehr auch solchen Schuldnern zugute, die einen ausdrücklichen Antrag gestellt haben oder berechtigt wären ein solchen zu stellen für den Zeitraum 1.11. bis auf Überbrückungshilfe II, auf Novemberhilfe Plus und/oder Dezemberhilfe Plus. Da die ab gestartete Überbrückungshilfe III für diejenigen, die erstmals ab als Folge staatlicher Schließungsanordnungen von Umsatzausfällen bedroht waren, in den Dezember zurückwirkt, gilt die Regelung des § 1 Abs. 3 COvInsAG meines Erachtens auch für diejenigen Antragsberechtigten, die für Dezember 2020 (rückwirkend) Überbrückungshilfe III beantragen können. [40]

  • Soweit in diesem Zeitraum aus rechtlichen, vor allem beihilferechtlichen oder tatsächlichen Gründen, besonders IT-technischen Gründen, noch keine Anträge gestellt werden konnten, wird die Insolvenzantragspflicht auch für Unternehmen ausgesetzt werden, die nach den Bedingungen des Programms in den Kreis der Antragsberechtigten fallen.S. 42

Praxishinweis

Die Geschäftsleitungen der Unternehmen sollten aber bei „Zahlungsunfähigkeit“ die Drei-Wochen-Frist für den Eröffnungsantrag unbedingt beachten, auch zur Vermeidung strafrechtlicher Konsequenzen. [41] Bei drohender „Überschuldung“ sollten die pandemiebedingten Gründe für die Krise zu Nachweiszwecken unbedingt schriftlich dokumentiert werden.

  • Ausgenommen von der Fristverlängerung bleiben solche Fälle, in denen offensichtlich keine Aussicht auf die Gewährung der Hilfe besteht oder in denen die Auszahlung nichts an der Insolvenzreife ändern könnte.

    Anmerkung: Ganz offensichtlich will die Bundesregierung mit der Verlängerung der Frist verhindern, dass Unternehmen nur deshalb insolvent werden, weil die Finanzhilfen – insbesondere November- bzw. Dezemberhilfe – nicht rechtzeitig (bis ) ausgezahlt wurden bzw. werden. Deswegen wird die Insolvenzantragspflicht für diese Schuldnergruppe generell bis ausgeweitet. Allerdings darf diese Begünstigung von Schuldnern nicht auf dem Rücken von Gläubigern ausgetragen werden. Die Funktion der Insolvenz, Gläubiger vor (weiteren) Schäden zu bewahren, gerät mehr und mehr in den Hintergrund, die Gläubigerrisiken steigen, und zwar auch von solchen Gläubigern, die ihrerseits Corona-Finanzhilfen in Anspruch nehmen müssen.

    Praxishinweis

    Hieraus erwächst für den Berater die weitere Aufgabe zu prüfen, wie sich Gläubiger in der jetzigen Corona-Situation schützen können. Gerade jetzt in der Corona-Krise ist Gläubigern zu raten, in der Praxis genau auch ihr Kreditmanagement zu achten. Dazu zählt, dass sie konsequent das Zahlungsverhalten ihre Geschäftskunden und die Einhaltung von Zahlungszielen im Blick behalten. Zahlungsverzögerungen oder gar Zahlungsausfälle sind ein Warnzeichen. Durch die Überwachung des aktuellen Zahlungsverhaltens von Bestandskunden/Debitoren erhalten Gläubiger frühzeitig wichtige Hinweise auf Verschlechterungen in der Bonität und können dann Forderungsausfälle besser vermeiden. Bei Neukunden empfiehlt sich die Einholung von Wirtschaftsauskünften (Schufa; Creditreform o. Ä.).

3. Anfechtungsschutz für pandemiebedingte Stundungen

Mit dem am vom Bundestag beschlossenen Gesetz [42] in der Fassung der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses [43] verlängert wurde auch der Anfechtungsschutz für pandemiebedingte Stundungen:

Praxishinweis

Nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 des Covid-19-Insolvenzaussetzungsgesetzes gelten die bis Ende März 2022 geleisteten Zahlungen auf Forderungen aufgrund von Stundungen, die bis zum gewährt worden sind, als nicht gläubigerbenachteiligend. Voraussetzung ist, dass gegenüber dem Schuldner ein Insolvenzverfahren zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Regelung noch nicht eröffnet worden ist. Mit einer Stundung geht regelmäßig auch eine Vereinbarung über Ratenzahlung einher, die über einen längeren Zeitraum gewährt und ebenfalls von der Regelung umfasst wird.

V. Rückzahlung von Corona-Finanzhilfen

1. Schlussabrechnung der Corona-Finanzhilfen

a) Grundsatz

Nach Ablauf des Leistungszeitraums bzw. nach Bewilligung, spätestens jedoch bis , bei der Überbrückungshilfe III bis spätestens (Stand ), ist eine durch einen dafür beauftragten Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, vereidigten Buchprüfer oder Rechtsanwalt erstellte Schlussabrechnung über die empfangenen Leistungen vorzulegen. In der Schlussabrechnung hat der Rechtsanwalt, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder vereidigte Buchprüfer die tatsächliche Länge des Leistungszeitraums, den Vergleichsumsatz sowie den tatsächlich erzielten Umsatz im Leistungszeitraum über das Online-Portal zu bestätigen. Zudem muss die Bestätigung die tatsächlich in Anspruch genommenen Leistungen aus anderen coronabedingten Hilfsprogrammen des Bundes und der Länder, die tatsächlich in Anspruch genommenen Leistungen der Agentur für Arbeit sowie die tatsächlich erhaltenen Versicherungszahlungen umfassen. Ebenfalls ist dabei zu bestätigen, dass durch die Inanspruchnahme der Novemberhilfe der beihilferechtlich nach der Bundesregelung Kleinbeihilfen 2020 in der jeweils geltenden Fassung zulässige Höchstbetrag, ggf. kumuliert mit dem Höchstbetrag der De-minimis-Verordnung, nicht überschritten wird. Weitere Einzelheiten zur Schlussabrechnung ergeben sich für die Überbrückungshilfen aus den FAQ-Ziffer 3.11 bzw. für die außerordentlichen Wirtschaftshilfen aus den FAQ-Ziffer 3.12.

Praxishinweis

Wer der Pflicht zur vollständigen Vorlage der Schlussrechnung und der in der Schlussrechnung gemachten Angaben belegenden Nachweise nicht innerhalb von vier Wochen nach erfolgter Anmahnung nachkommt, riskiert die Rückforderung der gesamten Finanzhilfe!

Ergibt die Schlussabrechnung, dass eine erhöhte Finanzhilfe ausgezahlt worden ist, ist der überschießende Betrag zu erstatten. Im Rahmen der Schlussabrechnung kann aber auch ein Antrag auf Nachzahlung gestellt werden, sofern der eigentliche Kompensationsanspruch höher ist als die tatsächliche Auszahlung, etwa wenn der tatsächliche Umsatzausfall höher ausfällt als bei der Antragstellung angegeben.S. 43

b) Anrechnung anderer Leistungen für denselben Förderzeitraum

Grundsätzlich gilt, dass eine Anrechnung von weiteren Corona-bedingten Zuschussprogrammen des Bundes, der Länder oder der Kommunen auf die Corona-Überbrückungshilfe oder außerordentliche Wirtschaftshilfe nur dann stattfindet, wenn sich Förderzweck und -zeitraum überschneiden. Darlehen wie der KfW-Schnellkredit werden grundsätzlich nicht auf die Corona-(Überbrückungs)Hilfe angerechnet, sind aber bei der Einhaltung des beihilferechtlichen Rahmens zu berücksichtigen (oben III.).

Praxishinweis

Für vor Beantragung der Corona-Überbrückungshilfe bewilligte Hilfen gilt: Eine Anrechnung vorher schon bewilligter Leistungen aus anderen Zuschussprogrammen erfolgt bereits bei Bewilligung der Überbrückungshilfe. Diese Leistungen sind dementsprechend im Rahmen der Antragstellung vom Berater in den hierfür vorgesehenen Feldern anzugeben.

Bei nach Beantragung der Corona-Überbrückungshilfe bewilligte Hilfen gilt: Sofern zuerst die Überbrückungshilfe bewilligt wird und dann während des Förderzeitraums der Überbrückungshilfe (also bis bei der Überbrückungshilfe II) ein Zuschuss aus einem anderen Hilfsprogramm bewilligt wird, erfolgt die Anrechnung ggf. im Rahmen der Abschlussrechnung. Bezüge aus der Corona-Überbrückungshilfe sind dementsprechend bei der Antragstellung zu einem anderen Corona-Hilfsprogramm anzugeben. Zeichnet sich eine Rückzahlungsverpflichtung im Abrechnungsverfahren ab, empfiehlt sich die Bildung einer Rückstellung in Höhe der Verbindlichkeit zu prüfen.

Zu den anzurechnenden Hilfen, die ggf. im Rahmen der Schlussabrechnung zu berücksichtigen sind, zählt auch das ausgezahlte Kurzarbeitergeld der Bundesanstalt für Arbeit.

Aus Versicherungen erhaltene Zahlungen, welche dieselben Fixkosten und denselben Zeitraum wie die beantragte Überbrückungshilfe abdecken, werden im Rahmen der Schlussabrechnung entsprechend berücksichtigt und von der Überbrückungshilfe abgezogen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Versicherungszahlung zum Zeitpunkt der Beantragung der Überbrückungshilfe bereits ausgezahlt wurde oder erst zu einem zukünftigen Zeitpunkt ausgezahlt wird. [44]

c) Überschreitung der beihilferechtlichen Obergrenzen

Sollte sich zu einem späteren Zeitpunkt nach der Antragstellung herausstellen, dass die bewilligte Zuschusshilfe den zulässigen Höchstbetrag bzw. Fördersatz überschreitet (z. B. auf Grundlage geprüfter Abschlüsse), erfolgt eine Korrektur im Rahmen der Schlussabrechnung und der ggf. zu viel gezahlte Betrag ist im Rahmen der Schlussabrechnung entsprechend zurückzuzahlen. Ein zwischenzeitlicher Änderungsantrag zur Korrektur der Angaben ist in solchen Fällen daher nicht erforderlich.

2. Rückzahlung bei Zahlungsunfähigkeit im Zeitpunkt der Antragstellung

Rückzahlungsrisiken bestehen, wenn für den Antragsteller schon bei Antragstellung ein Insolvenzgrund bestand, die Liquiditätsschwierigkeiten also nicht erst Folge der wirtschaftlichen Schwierigkeiten im Rahmen der Corona-Pandemie waren. Denn die FAQ sehen durchweg vor, dass der Antragsteller sich gemäß der EU-Definition nicht schon am in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befunden haben darf. [45] Nach den Vorgaben der Europäischen Kommission dürfen Unternehmen, die sich bereits zum in Schwierigkeiten i. S. des Art. 2 Nr. 18 der Verordnung (EU) Nr. 651 /2014 (Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung) befunden haben und diesen Status danach nicht wieder überwunden haben, keine Beihilfen gewährt werden, siehe hierzu das Merkblatt der KfW. [46] Das VG Düsseldorf [47] hat hierzu entschieden, dass die von einem Solo-Selbständigen beantragte Corona-Soforthilfe zurückgefordert werden kann, wenn der Antragsteller schon bei Antragstellung zahlungsunfähig war.

Praxishinweis

Auch Solo-Selbständige oder Kleinunternehmer, die sich bei der Antragstellung keiner Hilfe eines Dritten (Rechtsanwalt oder Angehöriger der steuerberatenden Berufe) bedienen, genießen keinen „Welpenschutz“. Unwissenheit schützt also nicht, vor allem nicht bei der Beantragung staatlicher Subventionen. Es ist nicht nur einem (steuerlichen) Berater, sondern auch einem nicht vertretenen Antragsteller zuzumuten, die Bedingungen der Antragsberechtigung vorab zu prüfen oder prüfen zu lassen.

3. Rückzahlungsrisiken bei bloßen Einnahmeausfällen

Die Corona-Finanzhilfeprogramme zielen auf die Behebung eines coronabedingten, existenzbedrohenden Liquiditätsengpasses. Das bedeutet, dass bloße Einnahmeausfälle eines Unternehmens für sich betrachtet nicht für die Inanspruchnahme der Corona-Hilfen ausreichen. Ein existenzbedrohender Engpass liegt vielmehr nur vor, wenn aufgrund coronabedingter (auf staatlichen Maßnahmen beruhender) Umsatzeinbußen laufende betriebliche Ausgaben nicht mehr durch vorhandene betriebliche Mittel bedient werden können. Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, kommt die Rücknahme eines Bewilligungsbescheides mit der Konsequenz einer Rückzahlungsverpflichtung in Betracht. [48]

4. Rückzahlung bei Geschäftsaufgabe oder Insolvenz

Zuschüsse sind zurückzuzahlen, wenn der Antragsteller seine Geschäftstätigkeit vor dem dauerhaft einstellt. Eine beantragte, aber noch nicht erfolgte Auszahlung derS. 44 Zuschüsse an Unternehmen, die ihren Geschäftsbetrieb eingestellt haben oder das Regelinsolvenzverfahren angemeldet haben, ist ausgeschlossen. Dies gilt auch, wenn ein Unternehmen seine Geschäftstätigkeit zwar nach dem , jedoch vor Auszahlung der Zuschüsse dauerhaft einstellt. Hat ein Antragsteller die Absicht, einen coronabedingt geschlossenen Geschäftsbetrieb wieder aufzunehmen, verzögert sich jedoch die Wiedereröffnung, weil fortbestehende gesundheitspolitische Beschränkungen einen wirtschaftlichen Betrieb noch nicht zulassen, liegt keine dauerhafte Einstellung des Geschäftsbetriebs vor. [49]

Praxishinweis

Bei Einzelunternehmen und Personengesellschaften ist bei Geschäftsaufgabe in der Regel der Aufgabetermin dem Finanzamt mitzuteilen und zu diesem Zeitpunkt auch eine Aufgabebilanz oder der Aufgabegewinn zu berechnen. Bei einer GmbH ist allerdings mit Beantragung der Liquidation die Geschäftstätigkeit noch nicht eingestellt. Die Liquidation dauert in der Regel noch gut ein Jahr, in der Zwischenzeit bleibt die GmbH jedenfalls rechtlich am Markt weiter tätig. Die FAQ des BMWi (Stand ) lassen bislang auch unbeantwortet, ob die Hilfen bei Einstellung der Geschäftstätigkeit komplett für den ganzen Zeitraum der Bewilligung zurückzuzahlen sind oder nur anteilig für den Zeitraum ab Geschäftsaufgabe; diese Fragen befinden sich aber beim BMWi gerade in Klärung.

VI. Fazit

Staatliche Subventionen wie die Corona-Zuschüsse sind stets mit umfangreichen Bedingungen und Vorbehalten verknüpft. Auch wenn sie Soloselbständigen und Unternehmen zur Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie spürbar helfen können, zeigt sich, dass bereits bei der Beantragung – auch über einen Dritten – die Antragsvoraussetzungen besonders sorgfältig zu prüfen sind, Anträge also nicht „ins Blaue hinein“ gestellt werden sollten. Auch jenseits eines strafrechtlich relevanten Subventionsbetrugs drohen bei Nichtbeachtung der Förderkriterien spätestens bei der Schlussabrechnung unangenehme Rückzahlungsforderungen, die für viele Betroffene wirtschaftlich das endgültige Aus bedeuten können.

Praxishinweis

In der NWB Datenbank können Sie unter der NWB DokID NWB QAAAH-72912 ein Berechnungsprogramm aufrufen, mit dem geprüft werden kann, ob und in welcher Höhe für gewährte Corona-Hilfen wegen Überschreitens beihilferechtlicher Grenzen ggf. mit einer Rückforderung gerechnet werden muss.

AUTOR

Prof. Dr. Ralf Jahn
ist Hauptgeschäftsführer bei der IHK Würzburg-Schweinfurt und Honorarprofessor an der Universität Würzburg.

Fundstelle(n):
NWB Sanieren 2/2021 Seite 36
NAAAH-73775

1https://go.nwb.de/c3kii.

2§ 33 StBerG.

3§ 3 RDG.

4Vgl. Günther/Grupe, NWB 4/2021 S. 291 NWB SAAAH-69285.

5§ 5 Abs. 2 Nr. 3 RDG.

6§ 62 Abs. 2 FGO.

7§ 67 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.

8LG Münster, DStR 2017 S. 2631.

9BGBl 2020 I S. 3332.

10§ 313 BGB.

11Welker, NWB DAAAH-69854.

12BGBl 2020 I S. 569.

13 NWB YAAAA-00219.

14BGBl 2020 I S. 3256, 3292.

15KfW-Schnellkredit (078) unter https://go.nwb.de/9mabg.

16BMF/BMWi-dashboard v. : https://go.nwb.de/2i49a.

17https://go.nwb.de/d675e.

18Vgl. Simon, NWB CAAAH-69983.

19Jahn, NWB 18/2020 S.1342 NWB VAAAH-47112.

20Jahn, NWB ZAAAH-53177.

21Jahn, NWB WAAAH-62451.

22Jahn, NWB NAAAH-63170.

23Jahn, NWB GAAAH-66914.

24Jahn, NWB TAAAH-69691; Überbrückungshilfe Unternehmen – Überbrückungshilfe – verbessert, erweitert und aufgestockt! unter https://go.nwb.de/klx04.

25https://go.nwb.de/83raj.

26FAQ November-/Dezemberhilfe Ziff.3.7: https://go.nwb.de/jyppe.

27Überbrückungshilfe Unternehmen – FAQ Beihilferecht: https://go.nwb.de/kbvns.

28Überbrückungshilfe Unternehmen – FAQ Beihilferecht: https://go.nwb.de/kbvns.

29Die Bundesregelung Schadensausgleich ist eine neue beihilferechtliche Grundlage für höhere Fördervolumina, die für Beihilfen zum Schadensausgleich (Art. 107 Abs. 2b AEUV) am von der EU-Kommission genehmigt wurde.

30https://go.nwb.de/u2gdc; ABl EU 2021 Nr. C 34 S. 6 bis 15.

31Stand: : Überbrückungshilfe Unternehmen – FAQ zu Beihilferegelungen (für alle Programme): https://go.nwb.de/kbvns.

32BGBl 2020 I S. 3256, 3292.

33ABl EU 2019 Nr. L 172 S. 18.

34§ 1 StaRUG.

35BGBl 2020 I S. 569.

36BGBl 2020 I S. 2016.

37BGBl 2020 I 3256, 3292.

38BT-Drucks. 19/25795; Gesetz v. , BGBl 2021 I S. 237.

39Bericht des 6. Ausschusses, BT-Drucks. 19/25353 S. 15.

40Jahn, NZI 3/2021 S. 75; Heinrich, NZI 3/2021 S. 71.

41Dazu Heinrich, NZI 3/2021 S. 71.

42BT-Drucks. 19/25795.

43BT-Drucks. 19/26245, Gesetz v. , BGBl 2021 I S. 237.

44Vgl. Ziff. 4.7 FAQ Überbrückungshilfe: https://go.nwb.de/tkucn.

45Siehe z. B. für die Überbrückungshilfe FAQ Ziff.1.1.

46Merkblatt der KfW: https://go.nwb.de/cj19b.

47.

48VG Gießen, GewArch 2/2021 S.69.

49Ziff. 5.1. FAQ Überbrückungshilfe II, Überbrückungshilfe Unternehmen – Fragen und Antworten zur Überbrückungshilfe II: https://go.nwb.de/bm4ha.