Rechtsprechung | Im Jahr 2023 zu erwartende Entscheidungen von besonderer Bedeutung (BFH)
Der BFH informiert in seinem Jahresbericht 2022 über die im Jahr 2023 zu erwartenden Entscheidungen von besonderem Interesse.
Einkommensteuer
Einkünfte aus Gewerbebetrieb
Pensionsrückstellung bei unwirksamem Vorbehalt (IV R 21/19 und IV R 22/19): Erteilt der Arbeitgeber eine Pensionszusage unter dem Vorbehalt, den Versorgungsbetrag unter Umständen zu mindern, darf eine Pensionsrückstellung nicht gebildet werden. Der Bundesfinanzhof hat zu entscheiden, ob etwas anderes gilt, wenn der Vorbehalt nach arbeitsrechtlichen Grundsätzen unwirksam ist (Vorinstanzen: , s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 11.10.2019 sowie ).
Schenkung eines verpachteten Hotelbetriebs (gegebenenfalls) unter Nießbrauchsvorbehalt (IV R 1/20): Der Vater schenkte seinen verpachteten Hotelbetrieb mit dem dazugehörigen Grundstück je hälftig an seine beiden Kinder, wobei er sich zunächst den Nießbrauch vorbehielt. Das Nießbrauchsrecht wurde zeitnah durch eine an den Vater zu leistende monatliche Rentenzahlung ersetzt. Die Kinder erklärten (als GbR) aus dem auf sie übergegangenen Hotelbetrieb Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Viele Jahre später setzten sich die Kinder unter anderem dergestalt auseinander, dass eines von ihnen sein hälftiges Miteigentum an dem Hotelgrundstück auf das andere übertrug. In dem Verfahren stellt sich insbesondere die Frage, ob die damalige Schenkung des verpachteten Hotelbetriebs an die Kinder von § 7 Abs.1 EStDV (heute § 6 Abs.3 EStG) erfasst ist, so dass die Übertragung des hälftigen Hotelgrundstücks infolge fortbestehender Betriebsvermögenseigenschaft ein steuerbares Veräußerungsgeschäft ist (Vorinstanz: , s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 10.6.2020).
Zahlung in die Insolvenzmasse zur Freigabe von Mitunternehmeranteilen (IV R 10/20): Nach dem Tod einer Kommanditistin der Klägerin wurde das Nachlassinsolvenzverfahren eröffnet. Daraufhin schlossen die Erben mit dem Insolvenzverwalter einen „Kaufvertrag“ über den Mitunternehmeranteil und leisteten dafür eine „Gegenleistung“ in die Masse. Im Streitfall wird zu entscheiden sein, ob der „Kaufvertrag“ entsprechend seiner Bezeichnung als entgeltliches Veräußerungsgeschäft zu beurteilen ist und daher die „Gegenleistung“ der Erben zu Anschaffungskosten für den Mitunternehmeranteil führt oder ob das Finanzgericht sie zu Recht als Sonderbetriebsausgabe der Erben berücksichtigt hat (Vorinstanz: ).
Gestaltungsmissbrauch bei Veräußerung einer GmbH-Beteiligung (IX R 18/21): Im Verfahren IX R 18/21 hat der BFH darüber zu befinden, ob ein „Verlust“ im Sinne des § 17 Abs.1 Satz 1, Abs.2 Satz 1 EStG, der im Zuge einer Anteilsrotation lediglich wegen der Vereinbarung eines den Wert des veräußerten Anteils krass verfehlenden Kaufpreises entsteht, zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führt und einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts (§ 42 Abs.1 Satz 1, Abs.2 Satz 1 AO) darstellt (Vorinstanz: ).
Hinweis: Das Verfahren wurde mit , veröffentlicht am entschieden, s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 26.1.2023 mit Anmerkung Trossen).
Abzug von Strafverteidigerkosten (X R 34/20): Zu entscheiden ist über den Betriebsausgabenabzug von Beratungs- und Prozesskosten beim Vorwurf der Steuerhinterziehung, wenn das Verfahren – ohne Verurteilung oder Freispruch – gemäß §153a StPO eingestellt worden ist. Muss für die Beurteilung, ob ein Veranlassungszusammenhang zur betrieblichen Tätigkeit besteht, auf die dem Steuerpflichtigen in der Anklageschrift vorgeworfenen Taten abgestellt werden? (Vorinstanz: , s. hierzu Happe, BBK 1/2021 S. 4).
Online-Pokerspieler (X R 8/21): Poker ist eine Mischung aus Glücksspiel und Geschicklichkeitsspiel. Streitig ist, ob Gewinne aus Online-Pokerspielen zu Einkünften aus Gewerbebetrieb führen können. Es muss entschieden werden, ob das Tatbestandsmerkmal „Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr“ auch bei dem Online-Pokerspiel in der Variante „Texas Hold‘em“ bejaht werden kann (Vorinstanz: ,G; s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 1.6.2021).
Einkünfte aus selbständiger Arbeit
Betriebsausgabenabzug für einen Lamborghini Aventador (VIII R 12/21): Die Privatnutzung eines Fahrzeugs, das sich im Betriebsvermögen eines Steuerpflichtigen befindet, ist – sofern kein Fahrtenbuch geführt wird – pauschal mit monatlich 1% des (Brutto-) Listenpreises als Entnahme anzusetzen. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn das Fahrzeug überhaupt nicht privat, sondern rein betrieblich genutzt wurde. Die Beteiligten streiten vorliegend unter anderem um den Nachweis der rein betrieblichen Nutzung eines Luxussportwagens (Lamborghini Aventador) sowie um die Voraussetzungen eines ordnungsgemäßen Fahrtenbuchs (Vorinstanz: , s. hierzu Rätke, BBK, Eilnachricht zu FG München v. 9.3.2021 - 6 K 2915/17).
Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit
Teilweiser Erlass eines sogenannten Aufstiegs-BAföG aufgrund bestandener Prüfung (VI R 9/21): Die Klägerin nahm in den Jahren 2014 und 2015 erfolgreich an einer Aufstiegsfortbildung teil, wofür sie unter anderem von der KfW jeweils mit einem Darlehen unterstützt wurde. Die Fortbildungskosten wurden in diesen Jahren als Werbungskosten bei ihren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigt. Im Jahr 2018 erließ die KfW aufgrund der bestandenen Prüfung die gewährten Darlehen gemäß §13b des Gesetzes zur Förderung der beruflichen Aufstiegsfortbildung teilweise. Zu klären ist, ob die Einkünfte der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit um die erlassenen Darlehensbeträge zu erhöhen oder diese nach §22 Nr.3 EStG als sonstige Leistungen steuerbar sind (Vorinstanz: ) .
Einkünfte aus Kapitalvermögen
Nutzungsmöglichkeit einer spanischen Immobilie als verdeckte Gewinnausschüttung (VIII R 4/21): Die Kläger waren in den Streitjahren 2010 bis 2012 Alleingesellschafter von zwei spanischen Kapitalgesellschaften. Zum Vermögen dieser Gesellschaften gehörte eine Immobilie auf Mallorca, die bis zum Umzug der Kläger nach Deutschland im Jahr 2007 deren Hauptwohnsitz war. Das Finanzamt sah in der jederzeitigen Nutzungsmöglichkeit dieser Immobilie durch die Kläger ohne Rücksicht auf die tatsächliche Nutzung eine verdeckte Gewinnausschüttung der spanischen Kapitalgesellschaften an die Kläger in Höhe der marktüblichen Miete. Das Finanzgericht gab der Klage nur teilweise statt (Vorinstanz: ).
Entschädigungs- beziehungsweise Vergleichszahlung aufgrund eines widerrufenen Darlehensvertrags als steuerpflichtiger Kapitalertrag (VIII R 5/21 und andere): In mehreren Verfahren wird der BFH zu entscheiden haben, ob die infolge eines widerrufenen und daher rückabgewickelten Darlehensvertrags gezahlte Nutzungsentschädigung (VIII R 5/21) beziehungsweise zur Abgeltung der gegenseitigen Ansprüche geleistete Vergleichszahlung (VIII R 7/21, VIII R 11/21, VIII R 13/21, VIII R 21/21, VIII R 3/22, VIII R 5/22, VIII R 6/22, VIII R 7/22) als Kapitalertrag der Einkommensteuer unterliegt (Vorinstanzen: u.a. ; s. hierzu Online-Nachricht v. 12.03.2021).
Günstigerprüfung (VIII R 10/21): Einkünfte aus Kapitalvermögen unterliegen grundsätzlich einem besonderen Steuersatz in Höhe von 25% und nicht der tariflichen Einkommensteuer. Die Steuerpflichtigen können jedoch beantragen, dass ihre Kapitaleinkünfte der tariflichen Einkommensteuer unterworfen werden, wenn dies zu einer niedrigeren Einkommensteuer führt (sogenannte Günstigerprüfung). Der VIII.Senat wird darüber zu befinden haben, ob der Antrag auf eine solche Günstigerprüfung auch dann noch gestellt werden kann, wenn die zugrunde liegende Einkommensteuerfestsetzung zwar formell bestandskräftig ist, jedoch nach §175 Abs.1 Satz1 Nr.1 AO geändert wurde. Dabei wird der VIII. Senat berücksichtigen müssen, dass der Änderungsbescheid im Streitfall zu keiner Änderung der Einkommensteuerfestsetzung führte (Vorinstanz: ).
Darlehen eines inländischen Gesellschafters an eine niederländische Kapitalgesellschaft (VIII R 15/21): Zinsen aus einem privaten Darlehen unterliegen als Kapitaleinkünfte grundsätzlich einem besonderen Steuersatz in Höhe von 25% und nicht der tariflichen Einkommensteuer. Dies gilt nach §32d Abs.2 Satz 1 Nr. 2 Buchst.b EStG dann nicht, wenn Darlehensnehmerin eine Kapitalgesellschaft ist, an der der Darlehensgeber zu mindestens 10% beteiligt ist. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob diese Ausnahme nur für rein inländische Sachverhalte oder auch für den Kläger gilt, der Alleingesellschafter einer niederländischen Kapitalgesellschaft ist (Vorinstanz: , s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 9.9.2021).
Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften
Privates Veräußerungsgeschäft bei Veräußerung des Miteigentumsanteils am ehemaligen Familienheim durch einen Ehegatten (IX R 11/21): Der Kläger zog nach der Trennung von seiner (zwei Jahre später geschiedenen) Ehefrau aus dem gemeinsamen Familienheim, in dem auch sein Sohn lebte, aus. Es stellt sich die Frage, ob sich der Kläger bei der – im Zuge der Scheidung vorgenommenen – Übertragung seines Miteigentumsanteils auf seine Ehefrau auf eine vorherige „Nutzung zu eigenen Wohnzwecken“ im Sinne des § 23 Abs.1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG und damit auf eine Steuerfreistellung des Veräußerungsgewinns berufen kann (Vorinstanz: ; s. hierzu ).
Verkauf von selbst genutztem Wohneigentum bei vorangegangener tageweiser Vermietung einzelner Räume (IX R 20/21): Nach Ansicht der Vorinstanz ist der Gewinn aus selbstgenutztem Wohneigentum auch dann nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG in vollem Umfang von der Besteuerung ausgenommen, wenn in den Jahren vor der Veräußerung einzelne Räume des Gebäudes an einzelnen Tagen an Messegäste vermietet wurden. Dies wird der BFH im Revisionsverfahren zu überprüfen haben (Vorinstanz: , s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 22.10.2021).
Hinweis: Das Verfahren wurde mit , veröffentlicht am entschieden, s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 12.1.2023.
Erfassung von Gewinnen aus der Veräußerung von Kryptowährungen (Bitcoin, Ethereum, Monero) (IX R 3/22): Der BFH wird im Verfahren IX R 3/22 entscheiden, ob Kryptowährungen begrifflich unter das Tatbestandsmerkmal eines "anderen Wirtschaftsguts" im Sinne von § 23 Abs.1 Satz 1 Nr.2 Satz 1 EStG und damit in den Anwendungsbereich der Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften fallen; dabei wird auch die Frage zu beantworten sein, ob hinsichtlich der Aufdeckung von Transaktionen mit Kryptowährungen ein strukturelles Vollzugsdefizit vorliegt (Vorinstanz: , s. hierzu Urban, ).
Hinweis: Das Verfahren wurde mit , veröffentlicht am entschieden, s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 28.2.2023 mit Anmerkung Trossen.
Privates Veräußerungsgeschäft bei Veräußerung des im Zuge der Scheidungsfolgeregelung erworbenen Miteigentumsanteils des anderen Ehegatten am ehemaligen Familienheim (IX R 10/22): Der Kläger erwarb zur endgültigen Vermögensauseinandersetzung im Zusammenhang mit der Ehescheidung den hälftigen Miteigentumsanteil seiner (später geschiedenen) Ehefrau am ehemaligen Familienheim, das von der Ehefrau und den zwei gemeinsamen (kindergeldberechtigten) Kindern noch für eine Übergangszeit unentgeltlich genutzt wurde. Streitig ist, ob sich der Kläger bei der zeitnahen Veräußerung des gesamten Hauses hinsichtlich des hinzuerworbenen hälftigen Miteigentumsanteils auf eine vorherige "Nutzung zu eigenen Wohnzwecken" im Sinne des § 23 Abs.1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG durch die geschiedene Ehefrau und die unterhaltsberechtigten Kinder und damit auf eine Steuerfreistellung des Veräußerungsgewinns berufen kann (Vorinstanz: ).
Sonderausgaben
AfA für ein im EU-Ausland gelegenes, für eigene Wohnzwecke genutztes Baudenkmal (X R 4/21): Bei einem im Inland belegenen, für eigene Wohnzwecke genutzten Baudenkmal ist unter den Voraussetzungen des §10f Abs.1 in Verbindung mit §7i EStG eine Steuerbegünstigung für Baumaßnahmen möglich. Zu entscheiden ist, ob dies auch für ein im EUAusland gelegenes Gebäude gelten kann, das – gemäß einer späteren Begutachtung – zum deutschen kulturgeschichtlichen Erbe gehört. Sollte dies zu bejahen sein, stellt sich die weitere Frage, ob die Baumaßnahmen gemäß §7i Abs.1 Satz6 EStG vor deren Beginn mit der Denkmalbehörde des anderen Landes abgestimmt werden mussten (Vorinstanz: , s. hierzu Lieber, IWB 17/2021 S. 682).
Abzug von Kirchensteuer bei Zahlung aufgrund eines Rückgriffanspruches (X R 16/21): Sind Kirchensteuerbeträge im Rahmen des §10 Abs.1 Nr.4 EStG als Sonderausgaben abzuziehen, die vom Arbeitgeber des Klägers im Rahmen eines Haftungsbescheids nach §42d EStG geleistet wurden und die der Kläger aufgrund eines gegen ihn gerichteten Rückgriffanspruches erstattet hat? (Vorinstanz: , s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 15.9.2021 sowie Schmitt, ).
Außergewöhnliche Belastungen
Wertgrenze für unschädliches Vermögen (VI R 21 / 21): Der Abzug von Unterhaltsaufwendungen und Aufwendungen für die Berufsausbildung für gesetzlich unterhaltsberechtigte oder diesen gleichgestellte Personen setzt nach § 33 a Abs.1 Satz 4 EStG unter anderem voraus, dass die unterhaltene Person kein oder nur ein geringes Vermögen besitzt. Die Finanzverwaltung sieht insoweit Vermögen bis zu einem Wert von 15.500 € als unschädlich an. Der BFH hat nun zu entscheiden, ob diese von ihm in der Vergangenheit gebilligte Grenze auch im Veranlagungszeitraum 2019 noch Bestand hat (Vorinstanz: Rheinland-Pfalz 6 K 1098/21, s. hierzu ).
Aufwendungen für eine Liposuktion als außergewöhnliche Belastung (VI R 36/20, VI R 39/20, VI R 18/21): Aufwendungen für im Behandlungszeitpunkt wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethoden können nur dann als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht werden, wenn die Zwangsläufigkeit der Aufwendungen durch ein vor Behandlungsbeginn ausgestelltes amtsärztliches Gutachten oder eine ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung nachgewiesen wird. Der BFH hat nun zu klären, ob die Behandlung einer krankhaften Ansammlung von Fettdepots (sogenannte Lipödems) durch eine operative Fettabsaugung (Liposuktion) in den Jahren 2016 bis 2018 eine wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethode gewesen ist (Vorinstanzen: , , s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 26.10.2020 sowie , s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 4.10.2021).
Steuerermäßigung
Nachweis des Mieters für Steuerermäßigungen nach §35a EStG (VI R 24/20): Voraussetzung für eine Steuermäßigung für haushaltsnahe Dienstleistungen und Handwerkerleistungen ist gemäß §35a Abs.5 Satz3 EStG der Erhalt einer Rechnung und die Zahlung auf das Konto des Leistungserbringers. Im Mietverhältnis erhält und bezahlt die Rechnung für eine solche Leistung regelmäßig der Vermieter; er legt diese Kosten jedoch in der Nebenkostenabrechnung auf den Mieter um. Die Finanzverwaltung geht daher davon aus, dass dem Mieter die Steuerermäßigung zusteht. Der BFH hat nun zu entscheiden, wie der Mieter das Vorliegen der Voraussetzungen des § 35a EStG nachzuweisen hat (Vorinstanz: ).
Aufwendungen für ein Hausnotrufsystem (VI R 7/21, VI R 8/21, VI R 14/21): Für ein mit der Betreuungspauschale abgegoltenes Notrufsystem, das innerhalb einer Wohnung im Rahmen des „Betreuten Wohnens“ Hilfeleistungen rund um die Uhr sicherstellt, kann nach der Rechtsprechung des BFH die Steuerermäßigung nach § 35a Abs.2 Satz 1 EStG in Anspruch genommen werden. Der BFH hat nun zu klären, ob dies auch für Aufwendungen für die Inanspruchnahme von Leistungen eines Hausnotrufsystems im eigenen Haushalt gilt, wenn die Notrufzentrale sich nicht in der räumlichen Nähe der Wohnung des Steuerpflichtigen befindet und keine weiteren Pflege- oder Hilfsleistungen vereinbart sind (Vorinstanzen: , sowie , s. hierzu Schmitt, ).
Familienleistungsausgleich (Kindergeld)
Fähigkeit eines behinderten Kindes zum Selbstunterhalt (III R 7/21): Ob ein behindertes Kind außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, ist zu prüfen, indem die dem Kind zur Verfügung stehenden eigenen finanziellen Mittel mit seinem existenziellen Lebensbedarf verglichen werden. Zur Entscheidung steht die Frage, ob eine monatliche Rente, die das Kind als Opfer einer Gewalttat auf der Grundlage von § 1 OEG bezieht, zu den in die Vergleichsrechnung einzubeziehenden finanziellen Mitteln des Kindes gehört (Vorinstanz: ).
Körperschaftsteuer
Drittanfechtungsrecht gegen Feststellungsbescheid zum steuerlichen Einlagekonto (I R 53/19): Das steuerliche Einlagekonto ist durch Feststellungsbescheid gesondert festzustellen (§§ 27 Abs.2, 28 Abs.1 Satz3 KStG). Vom BFH ist zu entscheiden, ob – neben der Kapitalgesellschaft – auch deren Anteilseigner wegen der für ihn nach §20 Abs.1 Nr.1 Satz3 EStG bestehenden materiell-rechtlichen Bindungswirkung ("Ausschüttungen […], für die Beträge aus dem steuerlichen Einlagekonto […] als verwendet gelten") gegen einen gegen die Gesellschaft ergangenen Feststellungsbescheid gemäß §§ 27 Abs.2, 28 Abs.1 Satz3 KStG ein (Dritt-)Anfechtungsrecht zusteht (Vorinstanz: , s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 2.1.2020).
Organschaft bei Verschmelzung des Organträgers (I R 21/20): Der BFH hat die Frage zu beantworten, wie sich die Verschmelzung des Organträgers zu einem unterjährigen Verschmelzungsstichtag auf die Anerkennung der Organschaft auswirkt (Vorinstanz: , s. hierzu Weiss, ).
Außensteuerrecht/Internationales Steuerrecht
Verlagerung einer Routinefunktion auf ausländische Schwestergesellschaft/ Verhältnis von § 1 AStG und vGA (I R 54/19): In diesem Verfahren wird der BFH der Frage nachgehen, ob bei einer auf eine ausländische Schwestergesellschaft verlagerten Routinefunktion (hier: Lieferung von Material und Rückkauf des bearbeiteten Materials) dieser Vorgang für Zwecke des Fremdvergleichs nach § 1 AStG einzeln oder zusammengefasst zu betrachten ist und ob ein hypothetischer Fremdvergleich nach § 1 Abs.3 Satz 5 AStG durchzuführen ist. Zudem muss der BFH gegebenenfalls darauf eingehen, ob die für den Steuerpflichtigen ungünstigere Regelung anzuwenden ist, wenn sowohl die Voraussetzungen einer vGA gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG als auch diejenigen einer Hinzurechnung gemäß § 1 AStG vorliegen (Vorinstanz: , s. hierzu Heidecke/Panchenko, ).
Unionsrechtswidrigkeit des § 11 InvStG a.F. (I R 1/20): Ein beschränkt steuerpflichtiger ausländischer Fonds, der Dividenden inländischer Aktiengesellschaften bezogen hat, beantragt die Erstattung der einbehaltenen Kapitalertragsteuer mit der Begründung, dass er gegenüber inländischen Fonds diskriminiert werde, weil diese gemäß § 11 InvStG a.F. von der Besteuerung befreit seien (Vorinstanz: , s. hierzu Lieber, IWB 6/2020 S. 210).
Gewerbesteuer
Gewerbesteuerrechtliche Kürzung (III R 53/20): Eine GmbH, die als Gesellschafterin von vermögensverwaltenden Gesellschaften bürgerlichen Rechts und als Komplementärin ohne Kapitalbeteiligung einer nicht gewerblich geprägten Kommanditgesellschaft (KG) fungiert, beantragt die erweiterte Kürzung gemäß § 9 Nr.1 Satz 2 GewStG. Streitig ist, ob dem die mit der Stellung als Komplementärin übernommene Haftung gegenüber den Gläubigern der KG und eine von der KG gezahlte Haftungsvergütung entgegenstehen.
Gewerbesteuerrechtliche Hinzurechnung (III R 55/20): Zu klären ist, welche Kriterien für die Einordnung eines konzernangehörigen Unternehmens als Kreditinstitut im Sinne von § 19 GewStDV maßgeblich sind, wenn das Unternehmen sowohl als Konzernfinanzierungsgesellschaft agiert als auch Dienstleistungen in den Bereichen Finanzen, Buchhaltung, Controlling, Personal, EDV, Marketing und Recht im Konzern übernimmt (Vorinstanz: ).
Gewerbesteuerrechtliche Hinzurechnung (III R 59/20): Zu entscheiden ist, ob bei einem Unternehmen der Tourismusbranche, dessen Geschäftsmodell in der Überlassung von Ferienimmobilien an Urlauber besteht, im Hinblick auf die Hinzurechnung gemäß § 8 Nr.1 Buchst. e GewStG die an die Eigentümer gezahlten Entgelte als Mietzinsen zu werten sind und die Immobilien Anlagevermögen darstellen würden, wenn sie im Eigentum des Unternehmens stünden (Vorinstanz: , s. hierzu Lieber, IWB 8/2021 S. 299).
Keine erweiterte Kürzung für Grundstücksunternehmen bei Beteiligung an einem Weihnachtsmarkt? (IV R 6/20): Das unternehmerische Kerngeschäft der Klägerin ist die Vermietung und Verpachtung eigener Gebäude und Grundstücke. Daneben beteiligt sie sich regelmäßig an einem von einem gemeinnützigen Verein veranstalteten Weihnachtsmarkt. Die dabei generierten Erlöse spendet sie jeweils im Folgejahr an den Verein und erhält hierfür eine Spendenbescheinigung. Im Streitfall wird zu entscheiden sein, ob die Beteiligung an dem Weihnachtsmarkt gegen das sogenannte Ausschließlichkeitsgebot verstößt mit der Folge, dass die Klägerin die erweiterte Kürzung für Grundstücksunternehmen nicht in Anspruch nehmen kann (Vorinstanz: ,F, s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 22.12.2020).
Klage der Kommune gegen Zerlegung der Gewerbesteuermessbeträge aus Betrieb von Gas-Pipeline (IV R 2-4/21): Die Klägerin ist eine von vielen Kommunen in Deutschland, durch deren Gebiet eine Erdgas-Pipeline führt. Sie wendet sich gegen die Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrags des Betreibers der Pipeline. Sie begehrt für eine mehrgemeindliche Betriebsstätte eine andere Aufteilung, die weniger die an den verschiedenen Standorten erzielten Arbeitslöhne und die Menge des abgegebenen Gases, sondern den Wert der dortigen Anlagen und den Aufwand für ihre Infrastruktur und die Gemeindelasten für die Pipeline berücksichtigt. Ist die Klage der Kommune zulässig, auch wenn sie nicht beziffern kann, wie sich eine geänderte Zerlegung für sie auswirken würde? (Vorinstanzen: , 8 K 2444/13 sowie 8 K 705/19).
Umsatzsteuer
Ehegatten (V R 29/20): Zu entscheiden ist über die Vermietung eines Pkws zwischen Ehegatten (Vorinstanz: ).
Hinweis: Das Verfahren wurde mit ; veröffentlicht am entschieden, s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 12.1.2023 mit Anmerkung Heidner).
Luxusfahrzeuge (V R 26/21 und V R 27/21): Hier geht es um den Vorsteuerabzug aus dem Erwerb sogenannte Luxusfahrzeuge (Vorinstanz: sowie 1 K 1269/18).
Hinweis: Das Verfahren V R 26/21 wurde mit ; veröffentlicht am entschieden, s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 12.1.2023 mit Anmerkung Heidner, das Verfahren V R 27/21 wurde mit , NV erledigt).
Direktanspruch (XI R 6/21): Streitig ist, unter welchen Voraussetzungen der Rechnungsempfänger bei der Versagung des Vorsteuerabzugs aus der in einer Rechnung ausgewiesenen, aber gesetzlich nicht geschuldeten Umsatzsteuer den sogenannten Direktanspruch gegen die Finanzverwaltung geltend machen kann (Vorinstanz: ).
Hinweis: Der BFH hat das Verfahren mit Beschluss v. - XI R 6/21 ausgesetzt und dem EuGH diverse Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt (s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 16.2.2023 mit Anmerkung Heidner, sowie Brill, NWB 8/2023 S. 521).
Trauerredner (XI R 3/22): Zu entscheiden ist über den Vorsteuerabzug eines Trauerredners aus dem Erwerb und der Reinigung bürgerlicher Kleidung (Vorinstanz: ).
Hinweis: Das Verfahren wurde mit ; veröffentlicht am entschieden, s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 12.1.2023 mit Anmerkung Nacke).
Erbschaft-/Schenkungsteuer
Schenkung mit Pflegeauflage (II R 11/21): In diesem Fall wurde ein Grundstück unter der Auflage geschenkt, der Schenkerin eine monatliche Rente zu zahlen und sie zu pflegen. Bald nach der Schenkung verstarb die Schenkerin. Fraglich ist, ob deswegen auch der Kapitalwert der Rentenzahlung nach §14 Abs. 2 BewG zu kürzen ist. Hierbei kann von Bedeutung sein, ob im Streitfall noch zwischen Nutzungs-, Duldungs- und Leistungsauflagen unterschieden werden muss (Vorinstanz: ).
"Entferntest Berechtigte" einer Familienstiftung (II R 25/21): Beim Übergang von Vermögen auf eine Familienstiftung ist nach § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG das Verwandtschaftsverhältnis des "entferntest Berechtigten" zum Erblasser oder Schenker der Besteuerung zugrunde zu legen. Der BFH wird hier zu entscheiden haben, ob auch eine im Stiftungsgeschäft als Begünstigte erfasste, aber noch nicht lebende Enkel- und Urenkelgeneration zu berücksichtigen ist (Vorinstanz: ).
Bestattungskosten bei Sterbegeldversicherung (II R 31/21 und II R 32/21): In den zu entscheidenden Fällen wurde von der späteren Erblasserin eine Sterbegeldversicherung abgeschlossen. Der Anspruch auf Auszahlung wurde noch zu Lebzeiten der Erblasserin an ein Bestattungsunternehmen abgetreten. Der BFH wird zu klären haben, ob die Erben die von der Sterbegeldversicherung getragenen Bestattungskosten von dem erbschaftsteuerpflichtigen Erwerb abziehen können (Vorinstanzen: sowie 3 K 1552/20 Erb, s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 15.9.2021).
Bindungswirkung von Grundbesitzwerten bei späteren Erwerben (II R 35/21): Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG werden für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer mehrere innerhalb von zehn Jahren von derselben Person anfallende Vermögensvorteile in der Weise zusammengerechnet, dass dem letzten Erwerb die früheren Erwerbe nach ihrem früheren Wert zugerechnet werden. Fraglich ist, ob für die Bestimmung dieses früheren Wertes von Grundbesitzwerten abgewichen werden kann, die zum Zeitpunkt des früheren Erwerbs bestandskräftig gesondert festgestellt worden sind (Vorinstanz: , s. hierzu Rennar, NWB-EV 1/2022 S. 34).
Grunderwerbsteuer
Anteilsvereinigung bei Zusammenlegung von Kirchengemeinden (II R 24/21): Durch kirchlichen Rechtsakt wurden mehrere Kirchengemeinden, zu deren Vermögen unmittelbar und mittelbar Anteile an grundbesitzenden Kapitalgesellschaften gehörten, zu einer neuen Gemeinde vereinigt. Der BFH hat die Frage zu klären, ob Grunderwerbsteuer anfällt (Vorinstanz: GrE, s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 15.7.2021).
Stromsteuer
Stromsteuerrechtliche Behandlung sogenannter technischer Betriebsverbräuche (VII R 2/21): 1. Entsteht für sogenannte technische Betriebsverbräuche, die physikalischtechnisch zwingend für einen dauerhaften und störungsfreien Betrieb eines Umspannwerks eines (Übertragungs-)Netzbetreibers notwendig sind, gemäß § 5 Abs. 1 Alt. 2 StromStG durch Entnahme aus dem Versorgungsnetz die Stromsteuer? 2. Sofern eine Entnahme aus dem Versorgungsnetz und damit eine Steuerentstehung bejaht werden sollte, sind diese Strommengen nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG von der Stromsteuer befreit? (Vorinstanz: ).
Gesetz zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft
Betrieb der Fleischwirtschaft (VII R 24/21): Handelt es sich bei einem Wursthersteller um einen Betrieb oder eine selbständige Betriebsabteilung der Fleischwirtschaft im Sinne von § 2 Abs.1 GSA Fleisch in Verbindung mit § 6 Abs. 9 AEntG und verstößt er bei Zusammenarbeit mit Konzerngesellschaften und anderen Unternehmen auf Basis von Werkverträgen oder Arbeitnehmerüberlassung gegen das Kooperationsverbot gemäß § 6a Abs.1 GSA Fleisch? (Vorinstanz: ).
Steuerberatungsrecht
Anonymisierung von Aufsichtsarbeiten (VII R 10/20): Im Streitfall ist darüber zu urteilen, ob aus dem Grundsatz der Chancengleichheit das verfassungsrechtliche Gebot folgt, Aufsichtsarbeiten für die Korrektur zu anonymisieren, und ob die Durchführung des Überdenkungsverfahrens unter Anwendung der Verfahrensvorschriften für die Bewertung der Aufsichtsarbeit zu erfolgen hat (Vorinstanz: , s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 8.7.2020).
Solidaritätszuschlag
Verfassungswidrigkeit der Erhebung des Solidaritätszuschlags ab dem ? (IX R 15/20 und IX R 9/22): Im Verfahren IX R 15/20 beantragten die Kläger die Herabsetzung der Vorauszahlungen zum Solidaritätszuschlag ab dem . Finanzamt und Finanzgericht lehnten dies ab. Der BFH wird darüber zu befinden haben, ob die Erhebung des Solidaritätszuschlags ab dem verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet und ob die Frage ggf. dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen ist. Auch im Verfahren IX R 9/22 wenden sich die Kläger gegen die Festsetzung von Vorauszahlungen für den SolZ ab dem 2. Vierteljahr 2020 mit dem Argument, die Festsetzung von Vorauszahlungen zum Solidaritätszuschlag sei im Streitfall verfassungswidrig. (Vorinstanzen: sowie , s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 6.7.2022).
Hinweis: Das Verfahren IX R 15/20 wurde mit , veröffentlicht am entschieden, s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 30.1.2023 mit Anmerkung Trossen).
AO/Verfahrensrecht
Wirksame Bekanntgabe bei Widerruf der Vollmacht vor Ablauf der Dreitagesfiktion (VI R 25/21): Zu klären ist, ob eine wirksame Bekanntgabe an einen Bevollmächtigten vorliegt, wenn der Verwaltungsakt diesem nachweislich innerhalb der Dreitagesfiktion des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO zugegangen ist und der Bevollmächtigte dem Finanzamt daraufhin den Widerruf seiner Vollmacht innerhalb dieser Fiktion anzeigt (Vorinstanz: ,U,F).
Anfechtbarkeit einer Zahlung von niedrigem Arbeitslohn auf ein geliehenes Konto (VII R 11/20): Das Verfahren betrifft die Frage, ob eine Gläubigerbenachteiligung vorliegt, wenn unterhalb der Pfändungsgrenzen des § 850c ZPO liegendes Arbeitseinkommen des Schuldners auf das geliehene Konto der Ehefrau gezahlt wird, oder ob ein Zugriff nach dem AnfG wegen der Pfändungsschutzvorschriften der §§ 850 ff. ZPO ausgeschlossen ist (Vorinstanz: ).
Doppelte Berücksichtigung von Einnahmen bei unterschiedlichen Einkunftsarten (VIII R 9/20): Der Kläger ist als leitender Abteilungsarzt in einem Krankenhaus tätig. Im Streitjahr wurden bei der Einkommensteuerveranlagung dieselben Einnahmen aus Wahlleistungen sowohl bei den Einkünften aus selbständiger als auch aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigt und damit doppelt besteuert. Finanzamt und Finanzgericht lehnten die Änderung des bestandskräftigen Einkommensteuerbescheides ab (Vorinstanz: ).
Quelle: BFH, Jahresbericht 2022, S. 44 ff. sowie NWB Datenbank (il)
Anmerkung: Nachricht am um Angaben zu den Vorinstanzen sowie um weiterführende Literatur ergänzt. (il)
Fundstelle(n):
OAAAJ-34630