NWB Nr. 18 vom Seite 1311

Der steuerfreie Sanierungsgewinn in Zeiten der Corona-Pandemie und im Lichte des SanInsFoG (Teil 2)

Eine Bewährungsprobe für das Sanierungsprivileg

Prof. Dr. Hans-Joachim Kanzler *

[i]Teil 1 s. Kanzler, NWB 17/2021 S. 1235Nachdem in Teil 1 der Beitragsreihe die Sanierung als Alternative zur Insolvenz in der pandemiebedingten Unternehmenskrise dargestellt sowie ein Überblick über den Begriff und die Arten der Unternehmenssanierung gegeben wurde, liegt der Schwerpunkt in Teil 2 nun auf den Rechtsfolgen der unternehmensbezogenen sowie der unternehmerbezogenen Sanierung.

Teil 1 des Beitrags von Prof. Dr. Kanzler finden sie NWB QAAAH-76794.

f) Nachweis der Sanierungsvoraussetzungen für den Zeitpunkt des Schuldenerlasses
aa) Formale Erfordernisse

[i]Kein förmlicher Nachweis, ...Nach § 3a Abs. 2 EStG sind die Voraussetzungen einer unternehmensbezogenen Sanierung vom Steuerpflichtigen für den Zeitpunkt des Schuldenerlasses nachzuweisen. Da das Gesetz nicht regelt, wie dieser Nachweis zu erfolgen hat, gelten die Regeln des Freibeweises gem. § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO (s. etwa , BStBl 2011 II S. 969). Danach ist das Gericht nicht an förmliche Beweismittel gebunden und kann im Übrigen auch den Nachweis durch Indizien oder Glaubhaftmachung zulassen, wie dies nach der bisherigen Rechtsprechung zu § 3 Nr. 66 EStG a. F. und den zur Sanierung ergangenen Verwaltungsanweisungen anerkannt war.

[i]... aber Sanierungs- oder Restrukturierungsplan erfüllt die NachweisanforderungenNach dem vom BFH zwar beanstandeten Sanierungserlass v.  (BStBl 2003 I S. 240), der aber gleichwohl die Auffassung des BMF wiedergegeben hat, kann davon ausgegangen werden, dass alle Voraussetzungen erfüllt sind, wenn ein Sanierungsplan vorliegt. Ein solcher Sanierungsplan muss zwar nicht den formalen Erfordernissen entsprechen, wie sie das Institut für Wirtschaftsprüfer in Deutschland e. V. in dem IDW Standard S6 (IDW S6) oder das Institut für die Standardisierung von Unternehmenssanierungen (ISU) als Mindestanforderungen an Sanierungskonzepte aufgestellt haben (gl. A. , NWB OAAAG-92694, zur Widerlegung der S. 1312Vermutung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO); es müssen jedoch die Sanierungsbedürftigkeit und Sanierungsfähigkeit des Unternehmens sowie die Sanierungseignung des Schuldenerlasses und die Sanierungsabsicht der Gläubiger dargelegt werden (, NWB VAAAE-89031). Der nach dem StaRUG aufzustellende Restrukturierungsplan erfüllt diese Anforderungen in idealtypischer Weise.

bb) Nachweispflicht des Steuerpflichtigen

[i]Faktisches WahlrechtObwohl die Steuerbefreiung von Amts wegen zu gewähren ist, hat der Steuerpflichtige nach dem Gesetzeswortlaut des § 3a Abs. 2 EStG den Nachweis zu erbringen, dass die Sanierungsvoraussetzungen im Zeitpunkt des Schuldenerlasses vorliegen. Er kann dazu auch einen Dritten, etwa als Zeugen, benennen. Ihn trifft aber die Feststellungslast, so dass die Steuerbefreiung entfällt, wenn der Nachweis misslingt. Damit steht dem Steuerpflichtigen jedoch faktisch ein Wahlrecht zu, dadurch auf die Steuerbefreiung zu verzichten, dass er seine Nachweispflicht nicht erfüllt (streitig, s. KKB/Kanzler, § 3a EStG Rz. 117 m. w. N.).

[i]Verzicht auf SteuerbefreiungEin solcher Verzicht kann vorteilhaft sein, will man die nachteiligen Rechtsfolgen des Sanierungsprivilegs vermeiden, etwa weil die Sanierungskosten den Sanierungsertrag übersteigen, vorhandene Verlustvorträge den Sanierungsertrag abdecken oder der Wahlrechtszwang nach § 3a Abs. 1 Satz 2 und 3 EStG umgangen werden soll (KKB/Kanzler, § 3a EStG Rz. 117, m. w. N.). In einem solchen Fall scheidet auch ein Steuererlass aus sachlichen Billigkeitsgründen nach den §§ 163, 227 AO aus. Der Gesetzgeber hat mit der Regelung des § 3a EStG deutlich zum Ausdruck gebracht, dass eine Steuerbefreiung nur nach Verrechnung mit Verlusten zu gewähren ist. Diese gesetzgeberische Absicht würde aber unterlaufen, wenn statt der unternehmens- und unternehmerbezogenen Sanierungstatbestände die Regelungen zum Billigkeitserlass Anwendung fänden (KKB/Kanzler, § 3a EStG Rz. 28).

cc) Nachweiserfordernisse und Beweismittel

[i]SanierungsbedürftigkeitZum Nachweis der Sanierungsbedürftigkeit seines Unternehmens kann der Steuerpflichtige auf den Sanierungsplan bzw. den nach § 5 StaRUG zu erstellenden Restrukturierungsplan verweisen oder auf andere geeignete Weise die Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit dokumentieren. Nach der Rechtsprechung ist nachzuweisen, dass die Sanierungsbedürftigkeit zu dem Zeitpunkt, zu dem der Forderungsverzicht vereinbart wurde, objektiv bestanden hat (s. , BStBl 1964 III S. 128). Spätere Entwicklungen sind außer Acht zu lassen (, BStBl 1990 II S. 810). Der Forderungsverzicht durch mehrere Gläubiger ist ein Anzeichen für die Sanierungsbedürftigkeit des Unternehmens (, BStBl 1964 III S. 128; v.  - I R 64/85, BStBl 1990 II S. 810). Dies wird auch für den von den Gläubigern mehrheitlich angenommenen Restrukturierungsplan zu gelten haben.

[i]Sanierungseignung und SanierungsfähigkeitDie Sanierungseignung des Schuldenerlasses und die Sanierungsfähigkeit des Unternehmens erfordern Feststellungen und Nachweise zur künftigen Ertragslage und zur Eignung des Schuldenerlasses als Maßnahme, die das Überleben sichern kann (, NWB NAAAB-28802). Das Fehlen eines vorgefassten Sanierungsplans wurde von der Rechtsprechung als Indiz für mangelnde Sanierungseignung beurteilt (, BStBl 1985 II S. 504). Im Verfahren nach dem ab 2021 geltenden SanInsFoG muss sich die Sanierungseignung des Schuldenerlasses und die Sanierungsfähigkeit des Unternehmens aus dem notwendigerweise aufzustellenden Restrukturierungsplan ergeben.

[i]SanierungsabsichtZum Nachweis der Sanierungsabsicht als einer inneren Tatsache eignen sich nur Indizien und Vermutungen. So ist der Forderungserlass durch mehrere Gläubiger auch S. 1313ein Anzeichen für die Sanierungsabsicht (, BStBl 1990 II S. 810; v.  - IV R 63/01, BStBl 2004 II S. 9; v.  - I R 11/04, NWB WAAAB-52976; alle betr. § 3 Nr. 66 EStG a. F.); andererseits spricht der Erlass durch nur einen Gläubiger in der Regel gegen ein Handeln in Sanierungsabsicht (, BStBl 1989 II S. 711), zumal wenn dieser erkennbar allein an der Fortsetzung seiner Geschäftsbeziehungen zum Schuldner interessiert ist (, NWB BAAAB-33014).

Allerdings hat der BFH die Sanierungsabsicht in einem Fall bejaht, in dem der einzige gesellschaftsfremde Gläubiger Schulden erlassen, zugleich eine Gesellschafterin auf den ihr gegenüber der Gesellschaft zustehenden Rentenanspruch verzichtet und der Hauptlieferant einen nicht rückzahlbaren Zuschuss geleistet hatte (, BStBl 2002 II S. 854). Der BFH nahm weitergehend sogar eine Vermutung für das Vorliegen der Sanierungsabsicht an, wenn die Forderung im Rahmen eines allgemeinen Akkords erlassen wurde (, BStBl 1972 II S. 531), während umgekehrt ein außerhalb eines Gläubigerakkords vereinbarter Vergleich, der nur der teilweisen Realisierung der Forderung des einzelnen Gläubigers dient, nicht zu einem nach § 3 Nr. 66 EStG a. F. steuerfreien Gewinn führte (, NWB WAAAB-52976). Im Verfahren nach dem SanInsFoG folgt die Sanierungsabsicht der Gläubiger indiziell schon aus der mehrheitlichen Annahme oder gerichtlichen Bestätigung des auch einen Schuldenerlass beinhaltenden Restrukturierungsplans.

6. Die abgestuften Rechtsfolgen der unternehmensbezogenen Sanierung

a) Rechtsfolge der Steuerbefreiung dem Grunde nach (§ 3a Abs. 1 Satz 1 EStG)

[i]Steuerbefreiung erfasst erst verbleibenden SanierungsertragNach § 3a Abs. 1 Satz 1 EStG sind die sanierungsbedingten Betriebsvermögensmehrungen oder Betriebseinnahmen steuerfrei. Diese Rechtsfolge ist jedoch nur als vorläufige Anordnung, eine Steuerbefreiung dem Grunde nach, zu verstehen. Die definitive Steuerbefreiung erfasst erst einen durch verschiedene Positionen gekürzten Betrag, der als verbleibender Sanierungsertrag bezeichnet wird.

[i]Kein Wahlrecht zwischen Steuerbefreiung und Beibehaltung der VerlustverrechnungsmöglichkeitenDie Steuerbefreiung ist von Amts wegen mit der Folge des Wahlrechtszwangs (s. unten III, 6, b) und der Verlustverrechnung (s. unten III, 6, b bis d) zu beachten. Der Steuerpflichtige kann auch nicht im Hinblick auf die Verlustverrechnung darauf verzichten. Das im ursprünglichen Entwurf des Bundesrats noch enthaltene Antragserfordernis (BR-Drucks. 59/1/17 S. 10), das zu einem Wahlrecht zwischen Steuerbefreiung des Sanierungsgewinns oder Beibehaltung der Verlustverrechnungsmöglichkeiten führte, wurde vom Gesetzgeber nicht übernommen. Dem Steuerpflichtigen bleibt nur das implizite Wahlrecht, durch Nichterfüllung seiner Nachweispflicht aus § 3a Abs. 2 EStG die Steuerbefreiung zu vermeiden (dazu oben III, 5, f, bb).

b) Erste weitere Rechtsfolge: Zwang zur gewinnmindernden Ausübung steuerlicher Wahlrechte (§ 3a Abs. 1 Satz 2 und 3 EStG)

Nach § 3a Abs. 1 Satz 2 EStG sind steuerliche Wahlrechte in dem Jahr, in dem der Sanierungsertrag erzielt wird, dem Sanierungsjahr, und im Folgejahr im zu sanierenden Unternehmen gewinnmindernd auszuüben. Die Regelung ist eine zwingende Rechtsfolge der von Amts wegen zu berücksichtigenden Steuerbefreiung von Sanierungserträgen. Denn wäre der Zwang zur Wahlrechtsausübung Voraussetzung der Steuerbefreiung, könnte der Steuerpflichtige die gewinnmindernde Ausübung der steuerlichen Wahlrechte verweigern und sich damit wiederum ein Wahlrecht verschaffen, die Steuerbefreiung und den Verlustuntergang zu vermeiden (KKB/Kanzler, § 3a EStG Rz. 89). Dies aber sollte mit der Berücksichtigung der Steuerbefreiung von Amts wegen vermieden werden.S. 1314

[i]Normzweck: Vermeidung einer DoppelbegünstigungNormzweck und Bedeutung dieser Wahlrechtsfestschreibung ist der Ausweis möglichst niedriger Gewinne, damit ein größtmögliches Verlustausgleichsvolumen zur Verfügung steht, mit dem der Sanierungsertrag zur Vermeidung einer Doppelbegünstigung zu verrechnen ist; auf diese Weise soll die Steuerbefreiung auf das erforderliche Maß begrenzt werden (BT-Drucks. 18/12128 S. 31). Die Regelung erfasst alle gewinnmindernden Wahlrechte und nicht nur solche, die keinem Subventionszweck unterliegen (streitig, s. KKB/Kanzler, § 3a EStG Rz. 88 m. w. N.).

Welche steuerlichen Wahlrechte dem Ausübungszwang unterliegen, ist nicht geregelt. Als Beispiel („insbesondere“) ist in § 3a Abs. 1 Satz 3 EStG lediglich die Teilwertabschreibung nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 und Nr. 2 Satz 2 EStG angeführt. Mit Ausnahme dieses Regelbeispiels der Teilwertabschreibung sieht § 3a Abs. 1 Satz 2 EStG nur insoweit eine Einschränkung zur Art der dem Ausübungszwang unterliegenden Wahlrechte vor, als diese „im zu sanierenden Unternehmen“, bei Mitunternehmerschaften auch im Bereich des Sonderbetriebsvermögen, auszuüben sind. Daraus folgt, dass es sich um Gewinnermittlungswahlrechte handeln muss (gl. A. Desens, FR 2017 S. 981, 989). Die Regelung erfasst daher nicht nur die von § 5 Abs. 1 Satz 2 EStG angesprochenen bilanziellen Ansatz- und Bewertungswahlrechte, die sich aus dem Gesetz ergeben, sondern auch die außerbilanziellen einkommensteuerrechtlichen Wahlrechte. Dazu gehören etwa auch die für die Einnahmenüberschussrechnung geltenden Gewinnermittlungswahlrechte. Das Gewinnermittlungswahlrecht selbst unterliegt nicht dem Ausübungszwang, denn die Art der Gewinnermittlung ist Voraussetzung für die Feststellung einer erlassbedingten Betriebsvermögensmehrung oder Betriebseinnahme nach § 3a Abs. 1 Satz 1 EStG.

[i]Nur gesetzliche Wahlrechte betroffenIm Übrigen sind nur gesetzliche Wahlrechte betroffen, denn der Gesetzesvorbehalt (Art. 20 Abs. 3 GG) verbietet es, auch die durch Verwaltungsanordnung eingeräumten Wahlrechte dem Ausübungszwang zu unterwerfen. Die Wahlrechte zur Gewinnübertragung nach R 6.6 Abs. 1 bis 4 EStR und zum Abzug von Zuschüssen von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten gem. R 6.5 Abs. 2 EStR werden daher vom Ausübungszwang nicht erfasst. Der Verwaltung muss es verwehrt sein, ohne gesetzliche Grundlage steuerliche Wahlrechte zu schaffen, die dann nach § 3a Abs. 1 Satz 2 EStG eine Belastung bewirken (KKB/Kanzler, § 3a EStG Rz. 90, m. w. N.).

Alle Wahlrechte sind gleichermaßen in voller Höhe auszuüben. Das Gesetz enthält keine Beschränkung auf den Umfang des geminderten Sanierungsertrags und eine teleologische Reduktion des Wortlauts ist nicht geboten (gl. A. Desens, FR 2017 S. 981, 989; a. A. Förster/Hechtner, DB 2017 S. 1536, 1542). Eine Begrenzung des Umfangs der Wahlrechtsausübung auf den geminderten Sanierungsertrag würde einer selektiven Auswahl unter dem Gesichtspunkt der Vorteilhaftigkeit Vorschub leisten. Andererseits würde die unbeschränkte Ausübung der Wahlrechte nicht zu steuerlichen Nachteilen führen, weil etwa dadurch entstehende Verluste nicht mehr nach § 3a EStG untergehen, sondern in späteren Veranlagungszeiträumen zur Verfügung stehen (Hallerbach in HHR, § 3a EStG Anm. 17).

[i]Beispiele für steuerbilanzielle WahlrechteZu den steuerbilanziellen Wahlrechten, die auch für den Bestandsvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG gelten, gehören außer dem in § 3a Abs. 1 Satz 3 EStG aufgeführten Regelbeispiel der Teilwertabschreibung etwa die folgenden Maßnahmen:

[i]Beispiele für außerbilanzielle WahlrechteAls außerbilanzielle Wahlrechte kommen etwa der Investitionsabzugsbetrag gem. § 7g Abs. 1 EStG und die der Einnahmenüberschussrechnung vorbehaltenen Gewinnermittlungswahlrechte in Betracht, wie die Gewinnübertragung nach § 6c EStG und die Sonderabschreibungen.

[i]Verpflichtung zu einer BilanzberichtigungMit dem Zwang zur gewinnmindernden Ausübung steuerlicher Wahlrechte werden diese Wahlrechte im Ergebnis aufgehoben. Will der Steuerpflichtige die Steuerbefreiung des Sanierungsertrags in Anspruch nehmen, hat aber das gewinnmindernde Wahlrecht nicht ausgeübt, hat er die Bilanzkorrektur nicht mehr als Bilanzänderung nach § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG, sondern als Bilanzberichtigung nach § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG durchzuführen. [i]Arslan, Bilanzberichtigung, Grundlagen, NWB WAAAE-35007 Denn die Vermögensübersicht entspricht nicht mehr den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung unter Befolgung des § 3a Abs. 1 Satz 2 EStG (gl. A. Hallerbach in HHR, § 3a EStG Anm. 21). Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG „darf“ der Steuerpflichtige die Bilanzberichtigung vornehmen. Meines Erachtens ergibt sich jedoch aus dem Zwang zur gewinnmindernden Wahlrechtsausübung zugleich eine ausnahmsweise Verpflichtung des Steuerpflichtigen zu einer Bilanzberichtigung. Aber selbst wenn man dieser Auffassung nicht folgen wollte, wäre das Finanzamt zu einer eigenständigen Gewinnermittlung berechtigt und verpflichtet (KKB/Kanzler, § 3a EStG Rz. 93, m. w. N.). Die Korrektur bei einer Einnahmenüberschussrechnung ist unproblematisch, weil diese Gewinnermittlungsart nicht den Einschränkungen des § 4 Abs. 2 EStG unterliegt.

c) Zweite weitere Rechtsfolge: Minderung um nach § 3c Abs. 4 EStG nicht abziehbare Beträge zur Ermittlung des geminderten Sanierungsertrags (§ 3a Abs. 3 Satz 1 EStG)

[i]Unmittelbarer wirtschaftlicher ZusammenhangDer nach § 3a Abs. 1 Satz 1 EStG „steuerfreie“ Sanierungsertrag wird gem. § 3a Abs. 3 Satz 1 EStG in einem ersten Schritt um die nach § 3c Abs. 4 EStG nicht abziehbaren Beträge gemindert, die in den Veranlagungszeiträumen vor dem Sanierungsjahr und im Sanierungsjahr anzusetzen sind. Ergebnis ist der geminderte Sanierungsertrag, der als Ausgangsgröße für den Untergang der Verluste nach § 3a Abs. 3 Satz 2 f. EStG maßgebend ist und zum verbleibenden, letztlich steuerbefreiten Sanierungsertrag führt (s. hierzu das Schaubild unter NWB AAAAG-50151). Nach dem ebenfalls durch das Lizenzschrankengesetz v.  (BGBl 2017 I S. 2074) eingeführten neuen § 3c Abs. 4 EStG dürfen Betriebsvermögensminderungen oder Betriebsausgaben in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang mit einem steuerfreien Sanierungsgewinn nicht abgezogen werden. Mit dieser Neuregelung in § 3c Abs. 4 EStG wird klargestellt, dass der unmittelbare wirtschaftliche Zusammenhang zwischen Sanierungsertrag und Sanierungskosten ebenso wie in § 3c Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 EStG unabhängig davon zu bejahen ist, in welchem Zeitraum der Sanierungsertrag entsteht (gl. A. Desens, FR 2017 S. 981, 984). Die entsprechenden Betriebsvermögensminderungen oder Betriebsausgaben dürfen unabhängig davon, ob sie vor, nach oder im Jahr der Entstehung des Sanierungsgewinns anfallen, nicht abgezogen werden (BT-Drucks. 18/12128 S. 33). Sind die Aufwendungen bereits in einem der Sanierung vorangegangenen Veranlagungszeitraum als Betriebsausgaben abgezogen worden, ist der entsprechende Steuer- oder Feststellungsbescheid gem. § 3c Abs. 4 Satz 5 und 6 EStG selbst dann zu ändern, wenn bereits Bestandskraft eingetreten ist. In diesem Fall endet die Festsetzungsfrist nicht, bevor die Festsetzungsfrist für das Sanierungsjahr abgelaufen ist (§ 3c Abs. 4 Satz 6 Halbsatz 2 EStG).

[i]Sanierungskosten und BesserungszahlungenBetriebsvermögensminderungen und Betriebsausgaben, die in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang mit dem Sanierungsgewinn stehen, sind insbesondere Zahlungen auf Besserungsscheine (§ 3c Abs. 4 Satz 3 EStG) und Sanierungskosten (BT-Drucks. 18/12128 S. 33). Sanierungskosten sind die Aufwendungen zur Erlangung des Schuldenerlasses. Dazu gehören die Ausgaben für das Vergleichsverfahren, S. 1316insbesondere für den Vergleichsverwalter, den Treuhänder, auch für Sachverständige, sofern sie nicht allgemein zur Beratung des Schuldners herangezogen werden (KKB/Kanzler, § 3a EStG Rz. 134), ferner die Kosten für den Sanierungsplan und die Sanierungsberatung. In dem Verfahren nach dem StaRUG mindern die auf den Schuldenerlass bezogenen Kosten den Sanierungsertrag. Dazu gehört etwa die Vergütung des Restrukturierungsbeauftragten (§§ 73 ff. StaRUG) und des Sanierungsmoderators (§ 94 StaRUG), die Kosten der Erstellung eines Restrukturierungsplans und die Verfahrenskosten des Restrukturierungsgerichts, das eine Stabilisierungsanordnung verfügt (§§ 49 ff. StaRUG) oder den Sanierungsvergleich bestätigt (§ 97 StaRUG).

Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers mindert sich der Sanierungsertrag unabhängig davon, ob die Aufwendungen tatsächlich zu einer entsprechenden Betriebsvermögensmehrung führen (BT-Drucks. 18/12128 S. 33). Die Folgerung daraus, dass auch vergebliche Sanierungsaufwendungen dem Abzugsverbot unterlägen, ist abzulehnen. Sie verstößt nicht nur gegen das Nettoprinzip, sondern widerspricht auch dem Gesetz, denn beim Abzugsverbot des § 3c Abs. 4 Satz 1 EStG handelt es sich um eine Rechtsfolge, die einen steuerfreien Sanierungsertrag nach § 3a Abs. 1 Satz 1 EStG voraussetzt (gl. A. Desens, FR 2017 S. 981, 985).

[i]Notwendigkeit gesonderter AufzeichnungenStehen Besserungszahlungen und Sanierungskosten auch in wirtschaftlichem Zusammenhang mit anderen nicht begünstigten Sanierungsmaßnahmen (z. B. Zuschüssen, Miet- oder Pachtzinsermäßigungen), sind die Beträge nach Maßgabe der unterschiedlichen Sanierungsbeiträge und ihrer finanziellen Auswirkung aufzuteilen (KKB/Kanzler, § 3a EStG Rz. 135, m. w. N.). Daraus folgt die Notwendigkeit gesonderter Aufzeichnungen in der Buchführung oder Einnahmenüberschussrechnung, die eine Aufteilung in abziehbare und nichtabziehbare Aufwendungen ermöglichen.

[i]Verletzung des NettoprinzipsNach § 3c Abs. 4 Satz 2 EStG gilt das Abzugsverbot im Übrigen konsequent und folgerichtig nicht, soweit Betriebsvermögensminderungen oder Betriebsausgaben zur Erhöhung von Verlustvorträgen geführt haben, die nach Maßgabe der in § 3a Abs. 3 EStG getroffenen Regelungen entfallen (ebenso schon NWB PAAAG-56186 unter II.3.1 zum Sanierungserlass). Schließlich greift das Abzugsverbot nach § 3c Abs. 4 Satz 4 EStG für Betriebsvermögensminderungen oder Betriebsausgaben, die nach dem Sanierungsjahr entstehen, nur insoweit, als noch ein verbleibender Sanierungsertrag i. S. von § 3a Abs. 3 Satz 4 EStG vorhanden ist. Aus dieser Ausnahmeregelung für die dem Sanierungsjahr folgenden Wirtschaftsjahre ist zu schließen, dass das Abzugsverbot im Sanierungsjahr unbegrenzt, also auch auf die den Sanierungsertrag übersteigenden Aufwendungen, anzuwenden ist (so Förster/Hechtner, DB 2017 S. 1536, 1543). Dies ist eine das Nettoprinzip verletzende und damit rechtfertigungsbedürftige Rechtsfolge (Kanzler, NWB 30/2017 S. 2260, 2273).

d) Dritte weitere Rechtsfolge: Verlust- und Aufwandsverrechnung erster und zweiter Stufe zur Ermittlung des verbleibenden Sanierungsertrags (§ 3a Abs. 3 Satz 2 ff. EStG)
aa) Komplexe Verrechnungsregelungen zur Vermeidung einer Doppelbegünstigung

Die in § 3a Abs. 1 Satz 1 EStG angeordnete Rechtsfolge der Steuerbefreiung des Sanierungsgewinns wird durch vorrangige Verlustverrechnung auf das nach Auffassung des Gesetzgebers erforderliche Mindestmaß begrenzt (BT-Drucks. 18/12128 S. 31). Ohne diese auch nach dem vom BFH beanstandeten Sanierungserlass (s. oben II, 3, b) vorgesehene Verlustverrechnung hätte die Steuerbefreiung des Sanierungsgewinns eine sachlich nicht gerechtfertigte Doppelbegünstigung zur Folge. Dieser Effekt aber hatte seinerzeit zur Aufhebung des § 3 Nr. 66 EStG a. F. geführt (BT-Drucks. 13/7480 S. 192).

[i]Reihenfolge der VerrechnungsschritteNach § 3a Abs. 3 Satz 2 EStG verringert der um die nicht abziehbaren Sanierungskosten geminderte Sanierungsertrag „nacheinander“ die in Nummern 1 bis 13 S. 1317aufgeführten Verlustverrechnungsmöglichkeiten mit der Folge, dass diese untergehen. Nach dem Gesetzeswortlaut „mindert“ der geminderte Sanierungsertrag die negativen Einkünfte, Verlustabzüge und Zinsvorträge; damit wird die ansonsten übliche Methode des Abzugs solcher Beträge von der Bemessungsgrundlage „Sanierungsertrag“ umgekehrt (so Förster/Hechtner, DB 2017 S. 1536, 1540 f.). Nach der komplexen und zwingend vorgegebenen Reihenfolge der Verrechnungsschritte werden zuerst die Verlustverrechnungsvolumina, die direkt dem sanierungsbedürftigen Unternehmen zuzurechnen sind, verbraucht (§ 3a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 bis 8 EStG). Danach gehen die übrigen Verlustverrechnungsmassen des (Mit-)Unternehmers unter (§ 3a Abs. 3 Satz 2 Nr. 9 bis 13 EStG). Das rechnerische Ergebnis ist der verbleibende Sanierungsertrag (§ 3a Abs. 3 Satz 4 EStG), der dann definitiv der Steuerbefreiung unterliegt. Die mindernden Beträge bleiben endgültig außer Ansatz, d. h. die Verluste gehen unter (§ 3a Abs. 3 Satz 5 EStG).

Nach der Entwurfsbegründung sind bei zusammenveranlagten Ehegatten auch die laufenden negativen Einkünfte und Verlustvorträge des anderen Ehegatten einzubeziehen (BT-Drucks. 18/12128 S. 32). Diese gesetzgeberische Absicht fand zunächst keinen Ausdruck im Gesetzeswortlaut, wurde aber später mit dem sog. JStG 2019 v.  (BGBl 2019 I S. 2451) aus Gründen der „Rechtsklarheit und -sicherheit“ in einem neuen § 3a Abs. 3a EStG umgesetzt. § 52 Abs. 4a Satz 4 EStG i. d. F. des „JStG 2019“ stellt sicher, dass der zeitliche Anwendungsbereich der Neuregelung, die die bisher schon vom BMF vertretene Auffassung wiedergibt, rückwirkend mit dem der Grundnorm übereinstimmt.

[i]Kritik am Umfang der VerlustverrechnungDie Einbeziehung der Gesellschafterebene in die Verlustverrechnungsbeschränkung ist unverhältnismäßig und kaum folgerichtig, wenn der Sanierungsgewinn in der Gesellschaft anfällt. Aber auch mit der Berücksichtigung der Verluste „aus allen Einkunftsarten“ (§ 3a Abs. 3 Satz 2 Nr. 9 EStG) schießt der Gesetzgeber ebenso über das Ziel hinaus wie mit der Einbeziehung der laufenden negativen Einkünfte und Verlustvorträge des mit dem Steuerpflichtigen zusammenveranlagten Ehegatten, die das Subjektsteuerprinzip verletzt (gl. A. Förster/Hechtner, DB 2017 S. 1536, 1541; wohl auch Desens, FR 2017 S. 981, 987, mit Berechnungsbeispielen).

Praxishinweis:

[i]EinzelveranlagungNachdem die Einbeziehung auch der Verluste des zusammenveranlagten Nichtunternehmer-Ehegatten gesetzlich geregelt wurde, kann allein die Wahl der Einzelveranlagung nach § 26a EStG den Verlustverbrauch beim Nichtunternehmer-Ehegatten verhindern. Das ist möglich, denn das Veranlagungswahlrecht fällt nicht unter den Ausübungszwang des § 3a Abs. 1 Satz 2 EStG (ebenso schon zum Sanierungserlass: NWB PAAAG-56186, II.3.2, und NWB EAAAH-02111 „Getrennte Veranlagung“).

Generell ist zu fragen, ob man dem Normzweck des Ausschlusses einer Doppelbegünstigung nicht bereits ausreichend Rechnung getragen hätte, wenn die Verrechnung nur solche Steuerminderungspositionen betroffen hätte, die unmittelbar mit dem zu sanierenden Unternehmen zusammenhängen. Nachdem jedoch die Rechtsprechung bei Prüfung der Sanierungsbedürftigkeit eines Einzelunternehmens bereits den Einsatz des Privatvermögens des Steuerpflichtigen gefordert hat (s. oben III, 5, a, bb und cc), ist es jedenfalls nicht unverhältnismäßig, wenn der Gesetzgeber dies auch für den Verlustuntergang fordert (gl. A. Desens, FR 2017 S. 981, 986; Bleschick in BeckOK EStG, § 3a Rz. 355).

[i]Grenzen der VerlustverrechnungDie Verlustverrechnung setzt einen positiven geminderten Sanierungsertrag voraus. Daher scheidet eine Verrechnung aus, wenn schon die nicht abziehbaren Sanierungsaufwendungen den Sanierungsertrag übersteigen. Im Übrigen entfällt die S. 1318Verlustverrechnung auch anteilig, sobald der geminderte Sanierungsertrag „aufgebraucht“ ist (KKB/Kanzler, § 3a EStG Rz. 128; Bleschick in BeckOK EStG, § 3a Rz. 362).

[i]Folgeänderungen im KStG und GewStGDas Körperschaft- und das Gewerbesteuergesetz enthalten Folgeregelungen zu den Verrechnungsvorschriften des § 3a Abs. 3 EStG. Diese betreffen etwa die Betriebe gewerblicher Art (§ 8 Abs. 8 Satz 6 KStG), Eigengesellschaften (§ 8 Abs. 9 Satz 9 KStG), den Verlustabzug bei Körperschaften, der vorrangig vor § 3a EStG anzuwenden ist (§ 8c Abs. 2 KStG), die fortführungsgebundenen Verlustvorträge, die vorrangig zu mindern sind (§ 8d Abs. 1 Satz 9 KStG) und die Anwendung des § 3a Abs. 3 EStG für Fälle der Organschaft (§ 15 Satz 1 Nr. 1 und 1a KStG). Im Gewerbesteuerrecht werden durch § 7b GewStG die Grundsätze der § 3a und § 3c Abs. 4 EStG auf die Ermittlung des maßgebenden Gewerbeertrags übertragen.

bb) Reihenfolge der Verlust- und Aufwandsverrechnung (§ 3a Abs. 3 Satz 2 EStG)

[i]13 Einzeltatbestände der Verlust- und AufwandsverrechnungNach § 3a Abs. 3 Satz 2 EStG gehen im Einzelnen folgende Verlust- und Abzugspositionen der Reihe nach unter:

  1. Verpflichtungsübertragungen nach § 4f EStG: Als erstes reduziert der geminderte Sanierungsertrag den aufgrund einer Verpflichtungsübertragung nach § 4f EStG auf 14 Jahre verteilt abziehbaren Aufwand des zu sanierenden Unternehmens, es sei denn, dieser Aufwand ist auf einen Rechtsnachfolger übergegangen (§ 3a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 i. V. mit § 5 Abs. 7 EStG). Entsprechendes gilt für den Schuldbeitritt oder eine Erfüllungsübernahme (§ 4f Abs. 2 EStG).

    Hinweis: Nach dem Gesetzeswortlaut wird nur der nach dem Wirtschaftsjahr der Übertragung auf 14 Jahre verteilt abziehbare Aufwand verbraucht, während der auf das Übertragungsjahr entfallende Aufwand nicht verrechnet wird. Ob der von § 4f Abs. 1 Satz 1 EStG abweichende Wortlaut auf einer Absicht oder einem Versehen des Gesetzgebers beruht, bleibt unklar. Allerdings scheidet eine zweckgerichtete Auslegung angesichts der eindeutigen Formulierung aus (gl. A. Hallerbach in HHR, EStG, § 3a, Anm. 35; a. A. Seer in Kirchhof, EStG, 20. Aufl. 2021, Rz. 36 Fn. 5; Bleschick in BeckOK EStG, § 3a Rz. 382);

  2. Verluste nach § 15a EStG: Verluste des Sanierungsjahrs und die zum Ende des dem Sanierungsjahr vorangegangenen Wirtschaftsjahrs nach § 15a EStG festgestellten Verluste bei beschränkter Haftung aus dem zu sanierenden Betrieb (§ 3a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 und 3 EStG);

  3. Verluste nach § 15b EStG: Verluste des Sanierungsjahrs und die zum Ende des dem Sanierungsjahr vorangegangenen Wirtschaftsjahrs festgestellten Verluste im Zusammenhang mit Steuerstundungsmodellen nach § 15b EStG (§ 3a Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 und 5 EStG). Die Verluste und der Sanierungsertrag müssen aus derselben Einkunftsquelle des Unternehmers stammen;

  4. Verluste nach § 15 Abs. 4 EStG: Zu mindern sind die nach § 15 Abs. 4 EStG ausgleichsfähigen oder nicht abziehbaren Verluste des zu sanierenden Unternehmens im Sanierungsjahr und danach der zum Ende des dem Sanierungsjahr vorangegangenen Wirtschaftsjahrs festgestellte Verlustvortrag, soweit er auf das zu sanierende Unternehmen entfällt, also Verluste aus gewerblicher Tierzucht und Tierhaltung, Termingeschäften, stillen Gesellschaften, Unterbeteiligungen oder sonstigen Innengesellschaften an Kapitalgesellschaften (§ 3a Abs. 3 Satz 2 Nr. 6 und 7 EStG);

  5. der laufende Verlust des sanierungsbedürftigen Unternehmens im Sanierungsjahr (§ 3a Abs. 3 Satz 2 Nr. 8 EStG);

  6. der ausgleichsfähige Verlust aus allen Einkunftsarten (z. B. auch Verluste aus Vermietung und Verpachtung) des Veranlagungszeitraums, in dem das Sanierungsjahr endet (§ 3a Abs. 3 Satz 2 Nr. 9 EStG); nach der Entwurfsbegründung S. 1319einschließlich der Verluste des mit dem Unternehmer zusammenveranlagten Ehegatten (zur Kritik an dieser Mithaftung s. III, 6, d, aa);

    In der Entwurfsbegründung wird weiter eigens auf die Selbstverständlichkeit hingewiesen, dass der horizontale Verlustausgleich innerhalb einer Einkunftsart von der Regelung in § 3a Abs. 3 Satz 2 Nr. 9 EStG nicht ausgeschlossen sei (BT-Drucks. 18/12128 S. 32). Dieser horizontale oder interne Verlustausgleich ist jedoch ausgeschlossen, soweit es sich um die Einkunftsart des zu sanierenden Unternehmens handelt, dessen laufender Verlust bereits nach § 3a Abs. 3 Satz 2 Nr. 8 EStG verbraucht wäre. Dem Gesetzeswortlaut „aus allen Einkunftsarten“ lässt sich m. E. nicht entnehmen, dass der externe oder vertikale Verlustausgleich, also der Verlustausgleich zwischen verschiedenen Einkunftsarten, unter Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip ausgeschlossen sein soll (gl. A. Hallerbach in HHR, EStG § 3a, Anm. 37; a. A. Förster/Hechtner, DB 2017 S. 1536, 1541; zum Problem ausführlich Desens, FR 2017 S. 981, 987 mit Berechnungsbeispielen). Die Formulierung soll wohl nur die Berücksichtigung aller Verluste aus den verschiedenen Einkunftsarten außer den bereits verrechneten Verlusten des sanierungsbedürftigen Unternehmens gewährleisten; damit werden die laufenden Verluste des Sanierungsjahrs und die für das vorangegangene Jahr festgestellten Verluste gleich behandelt (gl. A. Bleschick in BeckOK EStG, § 3a Rz. 432);

  7. Verlustvortrag: Minderung des zum Ende des dem Sanierungsjahr vorangegangenen Wirtschaftsjahrs nach § 10d Abs. 4 EStG gesondert festgestellten Verlustvortrags (§ 3a Abs. 3 Satz 2 Nr. 10 EStG);

  8. Verlustvorträge und Verluste aus besonderen Verrechnungskreisen, die nicht mit der Einkunftsquelle, dem Betrieb oder dem Mitunternehmeranteil des Sanierungsunternehmens zusammenhängen (§ 3a Abs. 3 Satz 2 Nr. 11 EStG). Die Verrechnung der Verluste hat in der Reihenfolge der Buchstaben a bis g zu erfolgen, wobei jeweils zunächst der zum Ende des dem Sanierungsjahr vorangegangenen Wirtschaftsjahrs festgestellte Verlust und danach der Verlust des Sanierungsjahrs untergeht. Bei der in § 3a Abs. 3 Satz 2 Nr. 11 Buchst. g EStG aufgeführten Verlustverrechnung „nach sonstigen Vorschriften“ handelt es sich wohl um eine Auffangregelung, die alle Tatbestände erfasst, die nicht in den Buchstaben a bis f geregelt sind, wie etwa § 20 Abs. 6, § 22 Nr. 3 Satz 4 EStG (Desens, FR 2017 S. 981, 986, und Bleschick in BeckOK EStG, § 3a Rz. 447, jeweils m. w. N.);

  9. der Verlustrücktrag aus dem dem Sanierungsjahr folgenden Wirtschaftsjahr, und zwar ohne die Höchstbetragsbegrenzung auf 1 Mio. €. Allerdings ist ein Verlustrücktrag nur möglich, soweit die Höchstbeträge von 1 oder 2 Mio. € (für VZ 2020 und 2021 10 Mio. € oder 20 Mio. €, s. Drittes Corona-Steuerhilfegesetz) durch den verbleibenden Sanierungsertrag i. S. des § 3a Abs. 3 Satz 4 EStG nicht überschritten werden (§ 3a Abs. 3 Satz 2 Nr. 12 EStG). Auf dieser Stufe sind auch die negativen Einkünfte zusammenveranlagter Ehegatten oder Lebenspartner zu berücksichtigen (gl. A. Kobor in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 3a Rz. D32; Bleschick in BeckOK EStG, § 3a Rz. 455);

  10. der Zins- und EBITDA-Vortrag, der zum Ende des Vorjahrs festgestellt wurde und der im Sanierungsjahr entstanden ist (§ 3a Abs. 3 Satz 2 Nr. 13 EStG). Der Gesetzgeber hält eine Minderung des Zins- und EBITDA-Vortrags für geboten, um eine Gleichbehandlung mit den Fällen herzustellen, in denen ein Verlustvortrag durch den Sanierungsertrag gemindert wird. Denn Steuerpflichtige, bei denen Verlustvorträge in Höhe des steuerfreien Sanierungsertrags gemindert werden, sollten nicht gegenüber den Steuerpflichtigen benachteiligt werden, bei denen Zinsaufwendungen im Fall ihrer Abzugsfähigkeit ebenfalls zu einem Verlustvortrag geführt hätten (BT-Drucks. 18/12128 S. 32); S. 1320

    Hinweis: Zu Recht wird die Verfassungsmäßigkeit dieses Tatbestands bezweifelt, denn die Nutzung eines Zins- oder EBITDA-Vortrags ist nicht als Begünstigung zu sehen. Dadurch wird lediglich das Abzugsverbot durch die Zinsschranke neutralisiert. Damit entfällt aber die für die Verrechnung angeführte sachliche Rechtfertigung einer Doppelbegünstigung (i. E. dazu Desens, FR 2017 S. 891, 988; Kobor in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 3a Rz. D33, m. w. N.).

cc) Erweiterung der Verlustverrechnung auf die dem Steuerpflichtigen nahestehenden Personen (§ 3a Abs. 3 Satz 3 EStG)

[i]Interpersoneller VerlustuntergangNach § 3a Abs. 3 Satz 3 EStG gehen nachrangig auch noch die Positionen des § 3a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 bis 13 EStG unter, die einer dem Steuerpflichtigen nahestehenden Person zuzurechnen sind. [i]VoraussetzungenVoraussetzung dieses interpersonellen Verlustuntergangs bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer ist, dass

  • der geminderte Sanierungsertrag den dem Steuerpflichtigen zuzurechnenden verteilt abziehbaren Aufwand, die Verluste, negativen Einkünfte und die Zins- oder EBITDA-Vorträge übersteigt,

  • die dem Steuerpflichtigen nahestehende Person die erlassenen Schulden innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren vor dem Schuldenerlass auf das zu sanierende Unternehmen übertragen hat und

  • dass der entsprechende verteilt abziehbare Aufwand, die Verluste, negativen Einkünfte, Zinsvorträge oder EBITDA-Vorträge zum Ablauf des Wirtschaftsjahrs der Übertragung bereits entstanden waren.

Die [i]Missbrauchsverhinderung Erweiterung der Minderungsregelungen auf nahestehende Personen soll missbräuchliche Steuergestaltungen verhindern. Steuerpflichtige könnten Verlustpotenzial sichern, indem das zu sanierende Unternehmen einschließlich der später erlassenen Schulden vor einem Schuldenerlass auf einen anderen Rechtsträger übertragen wird. Dies soll durch eine Minderung der Beträge i. S. des § 3a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 bis 13 EStG auch bei dem Steuerpflichtigen verhindert werden, der die erlassenen Schulden innerhalb eines Fünfjahreszeitraums übertragen hat (BT-Drucks. 18/12128 S. 32). Die Schulden können nicht nur im Wege der Schuldübernahme (Debt Push Up), sondern mit der Übertragung von Betriebsvermögen beispielsweise nach dem Umwandlungssteuergesetz (§§ 20, 24 UmwStG), nach § 6 Abs. 3 EStG oder durch eine verdeckte Einlage übertragen werden. Die Anwendung des § 3a Abs. 3 Satz 3 EStG hängt nicht von einer Buchwertfortführung ab (BT-Drucks. 18/12128 S. 32).

Beispiel 1:

V hat sein zu sanierendes Unternehmen im März 2019 unentgeltlich auf den Sohn (S) übertragen. Zum Ende des kalenderjahrgleichen Wirtschaftsjahrs der Übertragung hat V einen Verlust aus Vermietung und Verpachtung. Im Wirtschaftsjahr 2021 erreicht S einen Schuldenerlass, der zu einem die Beträge nach § 3a Abs. 3 Satz 2 EStG übersteigenden geminderten Sanierungsertrag führt. Dieser geminderte Sanierungsertrag führt auch zur Verrechnung und zum Untergang der Verluste des V aus Vermietung und Verpachtung.

Der [i]„Nahestehende Person“ weit gefasstBegriff der nahestehenden Person ist weiter gefasst als der des Angehörigen nach § 15 AO. Das Gesetz bezieht sich auch nicht auf den Begriff der nahestehenden Person in § 1 Abs. 2 AStG oder § 138 InsO. Die Entwurfsbegründung zitiert hierzu lediglich das zur verdeckten Gewinnausschüttung ergangene (BStBl 1997 II S. 301) und führt aus, dass es sich dabei um Beziehungen familienrechtlicher, gesellschaftsrechtlicher, schuldrechtlicher oder auch rein tatsächlicher Art handeln könne (BT-Drucks. 18/12128 S. 32). S. 1321

[i]Identität der erlassenen mit der übertragenen SchuldDer Tatbestand des § 3a Abs. 3 Satz 3 EStG verlangt im Übrigen eine Identität der erlassenen mit der übertragenen Schuld, denn die dem Steuerpflichtigen nahestehende Person muss „die erlassenen Schulden innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren vor dem Schuldenerlass auf das zu sanierende Unternehmen übertragen“ haben (Desens, FR 2017 S. 981, 989). Dieses Erfordernis der Schuldenidentität soll nicht dadurch vermieden werden können, dass neue Schulden „im Rahmen einer Umschuldung wirtschaftlich an die Stelle der übertragenen Verbindlichkeit treten“ (BT-Drucks. 18/12128 S. 32). Schließlich ist der Verlustuntergang bei der nahestehenden Person der Höhe nach auf das Steuerminderungspotenzial begrenzt, das bereits zum Ablauf des Wirtschaftsjahrs der Übertragung vorhanden war (§ 3a Abs. 3 Satz 3 EStG).

Beispiel 2:

Die A-GmbH, die im Jahr 01 Schulden in Höhe von 8 Mio. € und einen Verlustvortrag von 10 Mio. € hat, bringt ihren Betrieb einschließlich der Schulden in die B-GmbH ein und wird dadurch deren Gesellschafter. Im Jahr 04 beträgt der Verlustvortrag der A-GmbH 11 Mio. €; die B-GmbH verfügt über einen Verlustvortrag von 2 Mio. €, hat Schulden von 15 Mio. € und erwirkt im selben Jahr einen Schuldenerlass von 15 Mio. €, der nach § 3a Abs. 1 EStG steuerfrei ist (Beispiel nach Desens, FR 2017 S. 981, 990).

Bei der B-GmbH geht vorrangig der Verlustvortrag von 2 Mio. € unter. Der danach verbleibende steuerfreie Sanierungsertrag von 13 Mio. € ist nicht mit dem Verlustvortrag der A-GmbH von 11 Mio. € aus dem Jahr 04, sondern nur mit dem bei ihr im Übertragungsjahr vorhandenen Verlustvortrag von 10 Mio. € zu verrechnen. Zu diesem Zeitpunkt bestanden aber nur Schulden in Höhe von 8 Mio. €, die auf die B-GmbH übergegangen waren. Wegen des Erfordernisses der Schuldenidentität geht folglich nur ein Verlustvortrag von 8 Mio. € bei der der B-GmbH nahestehenden A-GmbH unter.

e) Abschließende Rechtsfolgen: Steuerbefreiung des verbleibenden Sanierungsertrags und Untergang der Verlustverrechnungsmöglichkeiten (§ 3a Abs. 3 Satz 4 und 5 EStG)

Der um die nach § 3c Abs. 4 EStG nicht abziehbaren Beträge geminderte und mit den Positionen des § 3a Abs. 3 Satz 2 und 3 EStG verrechnete Sanierungsertrag wird vom Gesetz als verbleibender Sanierungsertrag bezeichnet (§ 3a Abs. 3 Satz 4 EStG). Dieser Betrag unterliegt dann definitiv der Steuerbefreiung, die in § 3a Abs. 1 Satz 1 EStG bereits für sanierungsbedingte Betriebsvermögensmehrungen oder Betriebseinnahmen angeordnet wurde.

[i]Berücksichtigung bei der GewinnermittlungBei Steuerpflichtigen, die ihren Gewinn durch Bestandsvergleich nach § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1 EStG ermitteln, ist der verbleibende Sanierungsertrag außerhalb der Bilanz vom Gewinn abzusetzen (KKB/Kanzler, § 3a EStG Rz. 19; zur Gewinnauswirkung des Schuldenerlasses beim Gläubiger s. KKB/Kanzler, § 3a EStG Rz. 20). Bei Gewinnermittlung durch Einnahmenüberschussrechnung ist der steuerfreie Betrag wie eine Betriebsausgabe zu berücksichtigen

Als Rechtsfolge der Verlustverrechnung nach § 3a Abs. 3 EStG bleiben „die nach den Sätzen 2 und 3 mindernden Beträge endgültig außer Ansatz und nehmen an den entsprechenden Feststellungen der verrechenbaren Verluste, verbleibenden Verlustvorträge und sonstigen Feststellungen nicht teil“ (§ 3a Abs. 3 Satz 5 EStG), sie gehen also endgültig unter. Ist der in einer ausländischen Betriebsstätte angefallene Sanierungsertrag aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens steuerbefreit, findet § 3a EStG und mithin auch der Verlustverbrauch nach § 3a Abs. 3 EStG keine Anwendung (Förster/Hechtner, DB 2017 S. 1536).S. 1322

7. Gesonderte Feststellung sanierungsbedingter Beträge und Korrektur des Feststellungsbescheids (§ 3a Abs. 4 EStG)

[i]Mitunternehmerschaft oder Sitz nicht im Zuständigkeitsbereich des Wohnsitz-FinanzamtsIn § 3a Abs. 4 EStG sind die verfahrensrechtlichen Folgen für die Fälle geregelt, in denen der Sanierungsertrag von einer Mitunternehmerschaft oder einem Unternehmen erzielt wird, das seinen Sitz nicht im Zuständigkeitsbereich des Wohnsitz-Finanzamts des Unternehmers hat (§ 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a oder Buchst. b AO). In diesen Fällen ist der Sanierungsertrag zwingend von dem für die Mitunternehmerschaft oder den Betriebssitz zuständigen Finanzamt gesondert festzustellen. Gleiches gilt für die nach § 3a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 bis 6 und 13 EStG mindernden Beträge, die auf Ebene der Mitunternehmerschaft oder am Betriebssitz anfallen (§ 3a Abs. 4 Satz 1 und 2 EStG). Damit ist sichergestellt, dass die zu verrechnenden Positionen einheitlich für alle Beteiligten entfallen. Die Einspruchs- und Klagebefugnis steht daher anders als nach der ähnlichen Regelung in § 34a Abs. 10 EStG der Gesellschaft zu (KKB/Kanzler, § 3a EStG Rz. 170, m. w. N.). Mangels gesonderter Feststellungen sind die Verfahrensregelungen des § 3a Abs. 4 EStG nicht auf die unternehmerbezogene Sanierung nach § 3a Abs. 5 EStG anzuwenden.

[i]Änderung von FeststellungsbescheidenIm Übrigen sind in § 3a Abs. 4 Satz 3 und 4 EStG eigene Änderungsregelungen vorgesehen, wonach die gemäß § 3a Abs. 3 EStG fehlerhaften Verlustfeststellungen auch dann korrigiert werden können, wenn der Feststellungsbescheid bereits bestandskräftig geworden ist. Die Feststellungsfrist endet dann nicht, bevor die Festsetzungsfrist des Einkommensteuer- oder Körperschaftsteuerbescheids für das Sanierungsjahr abgelaufen ist. In § 3c Abs. 4 Satz 5 und 6 EStG finden sich entsprechende Korrekturvorschriften zur Berücksichtigung von Betriebsvermögensminderungen oder nicht abziehbaren Betriebsausgaben.

[i]KorrekturvoraussetzungAls „Sanierungsjahr“ ist in § 3a Abs. 4 Satz 4 Halbsatz 2 EStG nicht das Wirtschaftsjahr, sondern das Kalenderjahr oder der Veranlagungszeitraum maßgebend. Als Korrekturvoraussetzung sieht das Gesetz nur die Nichtberücksichtigung oder Veränderung der nach § 3a Abs. 3 Satz 2 EStG mindernden Beträge vor, obwohl auch eine Veränderung der Höhe der nicht abziehbaren Ausgaben Einfluss auf die mindernden Beträge und den Verlustverbrauch hat (gl. A. Förster/Hechtner, DB 2017 S. 1536, 1544). Wenn es sich dabei um eine planwidrige Gesetzeslücke handeln sollte, wäre eine analoge Anwendung der Korrekturvorschriften des § 3c Abs. 4 Satz 5 und 6 EStG sachgerecht.

IV. Steuerbefreiung bei unternehmerbezogener Sanierung (§ 3a Abs. 5 EStG)

[i]Unternehmerbezogene Sanierung im Sanierungserlass noch ausgeschlossenEntsprechend der bisherigen Verwaltungsauffassung ist in bestimmten, abschließend in § 3a Abs. 5 Satz 1 EStG aufgeführten Fällen ausnahmsweise auch eine unternehmerbezogene Sanierung begünstigt. Insoweit folgt das Gesetz der Rechtsprechung zu § 3 Nr. 66 EStG a. F. (s. nur , NWB IAAAA-97425, m. w. N.) und den Regelungen im (BStBl 2010 I S. 18), das der Große Senat des BFH ebenfalls beanstandet hatte (, BStBl 2017 II S. 393). Der sog. Sanierungserlass ( BStBl 2003 I S. 240) hatte die unternehmerbezogene Sanierung unter Rz. 2 noch ausdrücklich von der Begünstigung ausgeschlossen. Die unternehmerbezogene Sanierung gilt nicht für Personen- und Kapitalgesellschaften, da die einschränkenden Voraussetzungen des § 3a Abs. 5 EStG nur natürliche Personen betreffen.

[i]Drei abschließend geregelte FälleBegünstigt sind danach nur die Erträge im Rahmen der Gewinneinkunftsarten aus

  • einer Restschuldbefreiung (§§ 286 ff. InsO),

  • einem Schuldenerlass aufgrund eines außergerichtlichen Schuldenbereinigungsplans zur Vermeidung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens (§§ 304 ff. InsO) oderS. 1323

  • einem Schuldenerlass aufgrund eines Schuldenbereinigungsplans, dem in einem Verbraucherinsolvenzverfahren zugestimmt wurde oder wenn diese Zustimmung durch das Gericht ersetzt wurde.

Gewinne aus einer erteilten Restschuldbefreiung sind dabei grundsätzlich erst im Jahr der Rechtskraft des gerichtlichen Beschlusses zu erfassen (, BStBl 2016 II S. 391). Dies gilt nicht, wenn es sich bei der erteilten Restschuldbefreiung um ein rückwirkendes Ereignis nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO handelt, wie dies z. B. bei einer zwischenzeitlich stattgefundenen Betriebsaufgabe der Fall sein kann (BT-Drucks. 18/12128 S. 33). In diesen Fällen ist der Gewinn aus der Restschuldbefreiung bereits im Jahr der Betriebsaufgabe zu berücksichtigen (, BStBl 2017 II S. 786).

Die Aufzählung der drei Begünstigungstatbestände einer unternehmerbezogenen Sanierung ist abschließend. Anders als früher nach § 3 Nr. 66 EStG a. F. (zuletzt , NWB GAAAB-76597) ist damit ein Schuldenerlass zu dem Zweck, dem Steuerpflichtigen oder einem Beteiligten einen schuldenfreien Übergang in sein Privatleben oder den Aufbau einer anderen Existenzgrundlage zu ermöglichen, nicht mehr nach § 3a EStG begünstigt (BT-Drucks. 18/12128 S. 31). In diesem Fall könnte aber ein Erlass nach §§ 163, 227 AO aus persönlichen Billigkeitsgründen möglich sein, während ein Erlass wegen sachlicher Unbilligkeit ausgeschlossen wäre, weil der Gesetzgeber diesen Sachverhalt ersichtlich nicht begünstigen wollte (KKB/Kanzler, § 3a EStG Rz. 28; gl. A. Bleschick in BeckOK EStG, § 3a Rz. 593; a. A. Hallerbach in HHR, EStG, § 3a, Anm. 11).

[i]Unternehmensbezogene Sanierungsvoraussetzungen nicht nachzuweisenDer Gewinn aus einer unternehmerbezogenen Sanierung ist nach § 3a Abs. 5 Satz 1 EStG auch dann steuerbefreit, wenn die Voraussetzungen einer unternehmensbezogenen Sanierung i. S. des § 3a Abs. 2 EStG nicht vorliegen. Diese Regelung ist sachgerecht, denn bei einer unternehmerbezogenen Sanierung müsste eigentlich die Prüfung der Sanierungsbedürftigkeit und -eignung des Unternehmens wegfallen und an die Stelle wirtschaftspolitischer Zwecksetzungen ausschließlich der Gesichtspunkt persönlicher Billigkeit treten (so KKB/Kanzler, § 3a EStG Rz. 103, m. w. N.). Der Verzicht auf den Nachweis der Voraussetzungen der Sanierungsbedürftigkeit und Sanierungsfähigkeit des Unternehmens, der Sanierungseignung des Schuldenerlasses und der Sanierungsabsicht der Gläubiger war auch geboten, denn der BFH hatte auch bei der unternehmerbezogenen Sanierung im Rahmen des § 3 Nr. 66 EStG a. F. diese unternehmensbezogenen Tatbestandsvoraussetzungen geprüft (, BStBl 1990 II S. 813; v.  - X R 42/03, NWB GAAAB-76597, jeweils m. w. N.).

Hinweis:

[i]Wegfall des faktischen WahlrechtsDa die unternehmensbezogenen Sanierungsvoraussetzungen vom Steuerpflichtigen nicht nachzuweisen sind, entfällt auch das faktische Wahlrecht, das es dem Steuerpflichtigen bei der unternehmensbezogenen Sanierung ermöglicht, dadurch auf die Steuerbefreiung zu verzichten, dass er seine Nachweispflicht nicht erfüllt (s. oben III, 5, f, bb).

Die Rechtsfolgen der unternehmerbezogenen Sanierung unterscheiden sich etwas von denen der unternehmensbezogenen Sanierung. Zwar sind die Sanierungserträge auch steuerbegünstigt und führen ebenfalls zum Untergang von Verlustpotenzial, da § 3a Abs. 5 Satz 2 EStG ausdrücklich die entsprechende Anwendung des § 3a Abs. 3 EStG anordnet. Da das Gesetz jedoch keine entsprechende Anwendung des § 3a Abs. 1 Satz 2 und 3 EStG vorsieht, bleibt es dabei, dass der Zwang zur gewinnmindernden Ausübung steuerlicher Wahlrechte nur die unternehmensbezogene Sanierung trifft.S. 1324

V. Weitere mit dem Sanierungsprivileg zusammenhängende Rechtsfolgen

1. Schenkungsteuerliche Auswirkungen des Schuldenerlasses

[i]Konsequenzen beim SteuerpflichtigenDer Schuldenerlass kann wie die Gewährung von Sanierungszuschüssen beim Steuerpflichtigen der Schenkungsteuer unterliegen. Es handelt sich dem Grunde nach um eine freigebige Zuwendung, durch die der Schuldner bereichert sein könnte (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG). Im Ergebnis aber wird eine Belastung mit Schenkungsteuer abgelehnt und dies unterschiedlich begründet, etwa mit fehlender Bereicherung oder objektiv nicht steuerbaren Zuwendungen, weil die Sanierung eine Fortführung des Unternehmens sichern soll. Dieses Argument rechtfertigt aber nicht die schenkungsteuerliche Entlastung unternehmerbezogener Sanierungen. Soweit nämlich die Forderung, auf die verzichtet wird, noch werthaltig ist und dem Unternehmer dadurch ein schuldenfreier Übergang in das Privatleben ermöglicht werden soll, ist er auch bereichert (zum Meinungsstand KKB/Kanzler, § 3a EStG Rz. 27).

[i]Konsequenzen bei der KapGesGleiches gilt auch für die Anwendung des § 7 Abs. 8 ErbStG bei Kapitalgesellschaften gegenüber dem Argument, der Schuldenerlass habe zu einer Werterhöhung der Anteile geführt (R 18 ErbStR 2003). Auch insoweit wird die Bereicherungsabsicht hinsichtlich der Gesellschafter verneint, das Fehlen einer Schenkungsvereinbarung angeführt oder gar für eine teleologische Reduktion des § 7 Abs. 8 ErbStG eingetreten (s. nur Schuck in Viskorf/Schuck/Wälzholz, ErbStG Kommentar, § 7 Rz. 264 f., m. w. N.). Nach Auffassung der Finanzverwaltung fehlt es bei dem Verzicht auf eine wertlose Forderung unter Besserungsvorbehalt an einer Vermögensverschiebung vom Gläubiger auf die Mitgesellschafter (gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. , BStBl 2012 I S. 331).

2. Umsatzsteuerliche Folgen eines Forderungsverzichts

[i]Schuldenerlass ist EntgeltkürzungForderungsverzichte können aber auch umsatzsteuerliche Folgen haben, wenn die erlassenen Verpflichtungen durch umsatzsteuerbare und umsatzsteuerpflichtige Lieferungen oder sonstige Leistungen begründet sind. Ein solcher Schuldenerlass ist nicht als eine Vereinnahmung, sondern als Entgeltkürzung zu behandeln (, BStBl 1968 II S. 466), die zu gläubiger- und schuldnerseitigen Berichtigungen nach § 17 UStG führt.

[i]Korrektur des VorsteuerabzugsKürzt der Gläubiger die Umsatzsteuer entsprechend der erlassbedingten Entgeltsminderung, hat der Schuldner seinen bereits geltend gemachten Vorsteuerabzug zu korrigieren. Die dadurch entstehende Umsatzsteuererhöhung kann allerdings die Sanierung gefährden. Empfohlen wird deshalb, sie zum Gegenstand von Erlassverhandlungen zu machen oder die Lieferungs- bzw. Leistungsforderung vor dem Schuldenerlass in eine Darlehensforderung umzuwandeln. Eine zivilrechtlich wirksame Novation führt umsatzsteuerlich zur Vereinnahmung des Entgelts, so dass der spätere Erlass der Darlehensschuld keine Pflichten i. S. des § 17 UStG mehr auslöst (i. E. dazu KKB/Kanzler, § 3a EStG Rz. 30, m. w. N.).

Fazit

Nachdem die Steuerbefreiung gem. § 3a EStG und die sie begleitenden Regelungen des Körperschaft- und des Gewerbesteuergesetzes mit dem Einverständnis der EU-Kommission in Kraft treten und damit wieder Rechtssicherheit einkehren konnte, muss sich das Sanierungsprivileg unter den empfindlichen Einschränkungen vieler Unternehmen durch die COVID-19-Pandemie einer Bewährungsprobe unterziehen. Auf die Insolvenzbedrohung hat der Gesetzgeber mit dem COVInsAG reagiert und u. a. die Insolvenzantragspflicht vorübergehend für die Unternehmen ausgesetzt, die S. 1325pandemiebedingt insolvenzreif wurden und die sanierungsfähig sind. Unternehmen, die die Voraussetzungen für eine Aussetzung der Insolvenzantragspflicht erfüllen, sind sehr wahrscheinlich auch sanierungsfähig, denn nach § 1 Abs. 1 Satz 1 und 2 COVInsAG hat der Schuldner nachzuweisen, dass die Aussicht besteht, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen. Zugleich hat der deutsche Gesetzgeber mit dem SanInsFoG die EU-Restrukturierungsrichtlinie 2019/1023 v.  umgesetzt und damit einen Rechtsrahmen für insolvenzabwendende Sanierungs- und Restrukturierungmaßnahmen zur Verfügung gestellt.

Vor diesem Hintergrund insolvenzvermeidender Gesetzgebung wird die Steuerbefreiung für Sanierungserträge den Zielvorstellungen des Gesetzgebers in besonderer Weise gerecht. § 3a EStG ergänzt die sanierungsbezogenen Instrumente, die das StaRUG bereitstellt, durch die steuerliche Entlastung der für eine Restrukturierung so wichtigen Maßnahme des Schuldenerlasses. Dabei erfüllt der nach dem StaRUG aufzustellende Restrukturierungsplan die Anforderungen des § 3a Abs. 2 EStG an die Darlegung und den Nachweis der Sanierungsbedürftigkeit und Sanierungsfähigkeit des Unternehmens sowie der Sanierungseignung des Schuldenerlasses und der Sanierungsabsicht der Gläubiger in idealtypischer Weise.

Da es zu der vergleichsweise noch neuen Vorschrift des § 3a EStG und den sie begleitenden Regelungen der § 3c Abs. 4 EStG, § 8 Abs. 8 Satz 6 und Abs. 9 Satz 9 KStG, § 8c Abs. 2 KStG, § 8d Abs. 1 Satz 9 KStG, § 15 Satz 1 Nr. 1 und 1a KStG und § 7b GewStG noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung gibt, ist hinsichtlich der Sanierungsvoraussetzungen weiterhin auf die Urteile des BFH zu § 3 Nr. 66 EStG a. F. zu diesen Merkmalen zurückzugreifen. Neuland ist allerdings der Katalog der den Sanierungsertrag mindernden Positionen in § 3a Abs. 3 EStG. Er entspricht weitgehend den Regelungen des Sanierungserlasses, den der Große Senat des BFH wegen Verstoßes gegen den Gesetzesvorbehalt für unverbindlich erklärt hat. Die Verrechnung von Verlustpotenzial des sanierungsbedürftigen Unternehmens dient der Verhinderung einer Doppelbegünstigung des Steuerpflichtigen. In diesem Zusammenhang ist auch der Zwang zur Ausübung gewinnmindernder Wahlrechte zu sehen, der ein größtmögliches Verlustausgleichsvolumen zur Verrechnung mit dem Sanierungsertrag bewirkt, aber nur für die unternehmensbezogene Sanierung gilt.

Autor

Prof. Dr. Hans-Joachim Kanzler
ist Rechtsanwalt in Bad Kreuznach und Honorarprofessor an der Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover. Er war von 1984 bis zum Eintritt in den Ruhestand Ende November 2011 Richter am BFH, zuletzt Vors. Richter des VI. Senats des BFH.

Fundstelle(n):
NWB 2021 Seite 1311 - 1325
NWB MAAAH-77403