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Grundsteuerreform: Anwendung des Grundsteuergesetzes ab 1.1.2025
Koordinierte Ländererlasse v. 22.6.2022
[i]Koordinierte Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 22.6.2022, BStBl 2022 I S. 1171 Mit dem Gesetz zur Reform des Grundsteuer- und Bewertungsrechts (Grundsteuer-Reformgesetz) v. (BGBl 2019 I S. 1794) wurden bundesgesetzlich die Voraussetzungen zur Umsetzung der Grundsteuerreform geschaffen und für Zwecke der grundsteuerlichen Bewertung des Grundbesitzes ab dem Hauptfeststellungszeitpunkt ein neuer Siebenter Abschnitt im Zweiten Teil des Bewertungsgesetzes verankert. Die hierauf basierenden Grundsteuerwerte werden mit Wirkung ab dem Kalenderjahr 2025 über die Grundsteuermessbetragsfestsetzung der Grundsteuer zugrunde gelegt und lösen damit die (verfassungswidrigen) Einheitswerte ab. Im Nachgang zum Grundsteuer-Reformgesetz sind zudem mit dem JStG 2020 v. (BGBl 2020 I S. 3096), dem Fondsstandortgesetz v. (BGBl 2021 I S. 1498; Eisele, NWB 28/2021 S. 2031) sowie dem Grundsteuerreform-Umsetzungsgesetz v. (BGBl 2021 I S. 2931; Eisele, NWB 39/2021 S. 2903) Anpassungen – teils materiell-rechtlicher, teils redaktioneller Art – beim reformierten grundsteuerlichen Bewertungsrecht und beim Grundsteuerrecht erfolgt. [i]Grootens (Hrsg.), Grundsteuergesetz, Bewertungsgesetz Kommentar, NWB Verlag, Herne 2. Auflage 2022, ISBN: 978-3-482-67802-8Mit den jüngst ergangenen koordinierten Ländererlassen v. (BStBl 2022 I S. 1171) zur Anwendung des Grundsteuergesetzes ab wird der Kanon der abgestimmten Verwaltungsanweisungen zur Umsetzung der Grundsteuerreform 2022/2025 nach Bundesrecht komplettiert, nachdem die Finanzverwaltung bereits mit koordinierten Ländererlassen v. zur Bewertung des Grundbesitzes – Allgemeiner Teil und Grundvermögen (BStBl 2021 I S. 2334; Eisele, NWB 8/2022 S. 498) sowie ebenfalls v. zur Bewertung des Grundbesitzes − Land- und forstwirtschaftliches Vermögen (BStBl 2021 I S. 2369; Wiegand, NWB 8/2022 S. 517) ihre für die Bewertungspraxis wichtige Auslegung der neuen Rechtsmaterie dokumentiert hatte. Unter dem Aspekt der besonderen Bedeutung für die Besteuerungspraxis widmet sich der nachfolgende Beitrag ausgewählten Einzelthemen der Ländererlasse v. aus dem Bereich der Grundsteuerbefreiungen, der Ermäßigungen der Grundsteuermesszahl sowie des Grundsteuererlasses.
S. 2191
I. Hintergrund
[i]Letztmalige Anwendung der GrStR 1978 zum 1.1.2024Die obersten Finanzbehörden der Länder haben mit den koordinierten Ländererlassen v. (BStBl 2022 I S. 1171) Regelungen für die Anwendung des Grundsteuergesetzes für die Grundsteuer ab dem Kalenderjahr 2025 herausgegeben und dabei auch zum Ausdruck gebracht, dass Verwaltungsanweisungen, die mit diesen „Anwendungserlassen“ (AEGrStG) im Widerspruch stehen, ab dem Kalenderjahr 2025 nicht mehr anzuwenden sind. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die Grundsteuer-Richtlinien 1978 – GrStR 1978 – v. (BStBl 1978 I S. 553) letztmalig für Zwecke der Einheitsbewertung zum Stichtag anzuwenden sind, soweit dem die amtlich veröffentliche Rechtsprechung des BFH und des BVerwG sowie zwischenzeitliche Anweisungen der Finanzverwaltung nicht entgegenstehen.
[i]Auswirkung der mangelnden Aktualisierung der GrStR 1978Mangels Aktualisierung der GrStR 1978 über Jahrzehnte (!) hinweg, blieben − neben der amtlich veröffentlichen Rechtsprechung von BFH und BVerwG − einer Vielzahl von Änderungsgesetzen mit Auswirkung auf das Grundsteuerrecht der Niederschlag in einer allgemeinen Verwaltungsvorschrift i. S. des Art. 84 Abs. 2 GG versagt. So wurde beispielsweise mit dem Standortsicherungsgesetz v. (BGBl 1993 I S. 1569) die Befreiungsvorschrift in § 3 Abs. 1 Nr. 5 GrStG a. F. für Dienstwohnungen und Dienstgrundstücke der Geistlichen und Kirchendiener aufgeteilt in eine solche für Dienstwohnungen (§ 3 Abs. 1 Nr. 5 GrStG) und in eine solche für Dienstgrundstücke (§ 3 Abs. 1 Nr. 6 GrStG). Die aufgrund des Eisenbahnneuordnungsgesetzes v. (BGBl 1993 I S. 2378) durchgeführte Privatisierung der Deutschen Bundesbahn machte eine Anpassung der Vorschriften in § 3 Abs. 1 Nr. 2 GrStG und § 13 Abs. 2 GrStG erforderlich. Durch das Postneuordnungsgesetz v. (BGBl 1994 I S. 2325) war die Deutsche Bundespost, die zunächst als Körperschaft des öffentlichen Rechts mit ihrem dem Postdienst dienenden Grundbesitz steuerbefreit war, privatisiert worden; damit entfiel von 1996 an die Steuerbefreiung. Mit dem Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform v. (BGBl 1997 I S. 2590) war § 26 GrStG, der Koppelungsvorschriften und Höchsthebesätze regelt, geändert worden. Auf das Steuerbereinigungsgesetz 1999 v. (BGBl 1999 I S. 2601) ging die Aufhebung des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a GrStG zurück, der den Grundbesitz der Deutschen Post AG, der Deutschen Postbank AG sowie der Deutschen Telekom AG für das Kalenderjahr 1995 von der Grundsteuer freistellte. Durch das ÖPP-Beschleunigungsgesetz v. S. 2192(BGBl 2005 I S. 2676) war § 3 Abs. 1 Satz 3 in das Grundsteuergesetz eingefügt worden. Mit dem JStG 2009 v. (BGBl 2008 I S. 2794) war zudem § 33 Abs. 1 GrStG zum Grundsteuererlass wegen wesentlicher Rohertragsminderung neu gefasst worden.
II. Aufbau der koordinierten Anwendungserlasse v.
Die koordinierten Anwendungserlasse v. (BStBl 2022 I S. 1171), die den vorbezeichneten Katalog der Rechtsänderungen einschließlich der reformbedingten Steuergesetzgebung der Jahre 2019 bis 2021 sowie zahlreiche Äußerungen der Verwaltung (Rundverfügungen, Erlasse) zu grundsteuerlichen Themen inhaltlich aufnehmen, sind wie folgt aufgebaut:
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Struktur der koordinierten
Ländererlasse v. | ||
Gliederungspunkt | Rechtsgrundlage | Verortung in den Anwendungserlassen |
A. Allgemeines | --- | Vorspann |
B. Abschnitt I: Steuerpflicht | A 1.1 bis A 14 AEGrStG | |
C. Abschnitt II: Bemessung der Grundsteuer | A 15.1 bis A 24 AEGrStG | |
D. Abschnitt III: Fest- setzung und Entrichtung der Grundsteuer | A 25 bis A 31 AEGrStG | |
E. Abschnitt IV: Erlass der Grundsteuer | A 32.1 bis A 35 AEGrStG | |
F. Übergangs- und Schlussvorschriften | A 36 bis A 38 AEGrStG |
III. Steuerbefreiungen für Grundbesitz bestimmter Rechtsträger
1. Vorbemerkungen
[i]Größte Anwendungsbreite bei Grundbesitz der öffentlichen HandDie Steuerbefreiungstatbestände für Grundbesitz bestimmter Rechtsträger sind Regelungsgegenstand des § 3 GrStG. Mit dem Grundbesitz der öffentlichen Hand geht die größte Anwendungsbreite einher, was die Freistellung in der Besteuerungspraxis anbelangt. Zentrale Norm ist hier § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GrStG: Demnach ist Grundbesitz, der von einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts für einen öffentlichen Dienst oder Gebrauch benutzt wird, von der Grundsteuer befreit (A 3.2 Abs. 1 Satz 1 AEGrStG). Unter den Begriff der juristischen Person des öffentlichen Rechts fallen alle Gebietskörperschaften (z. B. Bund, Länder, Gemeinden) sowie alle Personalkörperschaften (z. B. Religionsgesellschaften), denen aufgrund öffentlichen Rechts eine eigene Rechtspersönlichkeit zugewiesen ist. Nach § 3 Abs. 2 Satz 1 GrStG ist unter dem Begriff „öffentlicher Dienst oder Gebrauch“ sowohl die hoheitliche Tätigkeit als auch der bestimmungsgemäße Gebrauch durch die Allgemeinheit zu verstehen (A 3.3 Abs. 1 Satz 1 AEGrStG). Ein Entgelt für den Gebrauch durch die Allgemeinheit darf nicht in der Absicht gefordert werden, Gewinn zu erzielen (§ 3 Abs. 2 Satz 2 GrStG). Unter hoheitlicher Tätigkeit ist die Erfüllung von Hoheitsaufgaben zu verstehen, die der juristischen Person des öffentlichen Rechts eigentümlich und ihr vorbehalten sind. Von einem bestimmungsgemäßen Gebrauch durch die Allgemeinheit ist auszugehen, wenn der Personenkreis, dem die Eigennutzung vorbehalten ist, als Öffentlichkeit angesehen werden kann (vgl. hierzu im Einzelnen A 3.4 AEGrStG). S. 2193
2. Kriterium der Eigentümer-Nutzer-Identität
[i]Ausschließliche Zurechnung des Grundbesitzes zu einem Rechtsträger ...Eine Befreiung von der Grundsteuer nach § 3 GrStG kann nur greifen, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind, die kumulativ vorliegen müssen (§ 3 Abs. 1 Satz 2 GrStG; A 3.1 Abs. 1 AEGrStG). So muss zum einen der Grundbesitz einem bestimmten Rechtsträger ausschließlich zuzurechnen sein (subjektive Voraussetzung). Zum anderen muss der zu beurteilende Grundbesitz von dem Rechtsträger, dem er zuzurechnen ist, für einen bestimmten steuerbegünstigten Zweck unmittelbar benutzt werden (objektive Voraussetzung). [i]... und unmittelbare Nutzung für steuerbegünstigten ZweckGrundsätzlich ist also für die Frage einer Grundsteuerbefreiung das Erfordernis der Eigentümer-Nutzer-Identität zu beachten. Die Grundsteuerbefreiungen kommen auch in den Fällen zum Zuge, in denen der Rechtsträger, dem der Grundbesitz zuzurechnen ist, seinen Grundbesitz einer anderen nach § 3 Abs. 1 GrStG begünstigten Person (entgeltlich oder unentgeltlich) überlässt, vorausgesetzt, dass diese Person den Grundbesitz ihrerseits für einen der in dieser Norm aufgeführten begünstigten Zwecke benutzt (§ 3 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 GrStG).