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Elterngeld und Elternzeit
A. Problemanalyse
I. Allgemeines zum Elterngeld und zur Elternzeit
1 Rechtsgrundlage
Rechtsgrundlage für Ansprüche auf Elterngeld und Elternzeit bildet das Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG).
2 Sinn und Zweck
Sinn und Zweck des Elterngelds ist es, allen Eltern in der ersten Zeit nach der Geburt des Kindes dessen Betreuung zu ermöglichen, ohne dadurch allzu große Einkommensbußen zu erleiden. Es soll einen Schonraum schaffen, in dem sich die Familie nach der Geburt des Kindes auf die neue Situation einstellen und zusammenfinden kann. Das Elterngeld dient als familienunterstützende dynamische Leistung der Sicherung der eigenen Lebensgrundlage.
3 Berührungspunkte mit verschiedenen Rechtsgebieten
Das Elterngeld und die Elternzeit bieten vielfältige Berührungspunkte mit verschiedenen Rechtsgebieten. An erster Stelle sind das Sozial- und das Arbeitsrecht zu nennen. Ebenso bedeutend ist das Steuerrecht, da es großen Einfluss auf die Berechnung und somit die spätere Höhe des Elterngelds ausübt. Gerade dieser Punkt führt in der Praxis vielfach zu Streitigkeiten. Im Einzelfall kann es Berührungen mit dem Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) geben.
Daraus ergibt sich, dass bei Rechtstreitigkeiten je nach Thematik und Zuständigkeit der mögliche Rechtsweg zu den Sozial-, Arbeits- und Finanzgerichten sowie zur ordentlichen Gerichtsbarkeit gegeben ist.
4Zweites Gesetz zur Änderung des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes
Zum trat eine Gesetzesänderung beim Elterngeld und bei der Elternzeit in Kraft. Insgesamt sind jedoch keine gravierenden Änderungen durch die geplanten Neuregelungen eingetreten. Die Vereinfachungen und flexibleren Ausgestaltungen beim Partnerschaftsbonus sind zu begrüßen.
4aHintergrund und Ziel der Gesetzesänderung
Die neuen Regelungen sollen einen Beitrag zur besseren "Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ leisten. Eltern werden zusätzliche und flexiblere Angebote zur Nutzung des Elterngeldes zur Verfügung gestellt. Die Erhöhung der während des Elterngeldbezugs zulässigen Arbeitszeit soll Eltern dabei unterstützen, einerseits das Familieneinkommen abzusichern und andererseits durch die Teilzeit mehr Zeit für die Familie zu haben. Die Flexibilisierung des Partnerschaftsbonus soll es Eltern erleichtern, den Bonus in Anspruch zu nehmen und so ihrem Wunsch nach einer partnerschaftlichen Verteilung von Familien- und Arbeitszeiten nachzukommen. Eltern von besonders frühgeborenen Kindern erhalten mehr Zeit, um mögliche Entwicklungsverzögerungen ihres Kindes besser auffangen zu können.
4bVerlängerung des Bezugszeitraums bei Frühgeborenen
Eltern, deren Kind sechs Wochen oder früher vor dem voraussichtlichen Tag der Entbindung geboren wurde, erhalten einen weiteren Basiselterngeldmonat bzw. zwei weitere Elterngeld Plus-Monate. Damit sollen sie mehr Zeit erhalten, um mögliche Entwicklungsverzögerungen ihres Kindes aufzufangen. Wie weit besonders frühgeborene Kinder in der Entwicklung zurückliegen und wie weit sich diese Entwicklungsverzögerung in den Elterngeldbezug fortträgt, ist von den Verhältnissen des Einzelfalles abhängig. Bei Frühgeburten, die sechs Wochen oder früher vor dem errechneten Entbindungstermin liegen, wird eine Verzögerung der Kindesentwicklung unterstellt. Für die Berechnung ist der voraussichtliche Tag der Entbindung maßgeblich, wie er sich aus dem ärztlichen Zeugnis, dem Zeugnis einer Hebamme oder eines Entbindungspflegers ergibt. Da bei besonders frühgeborenen Kindern bei Auslaufen des Elterngeldes nach 14 Lebensmonaten häufig der Entwicklungsstand noch nicht dem eines 14 Monate alten Kindes entspricht, rechtfertige dies – nach der Intention des Elterngeldes – die Verlängerung des allgemeinen Bezugszeitraums um einen Monat, vgl. § 4 Abs. 5 BEEG n.F.
4cErleichterungen beim Partnerschaftsbonus
Der Partnerschaftsbonus wird gelockert und soll damit attraktiver werden, vgl. § 4b BEEG. Die Bezugsdauer von vier Monaten weicht einer flexibleren Bezugsdauer zwischen zwei und vier Monaten. Das bedeutet, dass der Partnerschaftsbonus künftig auch für nur zwei oder drei Monate beantragt werden kann. Zudem werden ausgezahlte Monatsbeträge für Monate, in denen die Leistungsvoraussetzungen vorlagen, nicht mehr zurückgefordert. Um Eltern zu ermöglichen, auch während des Bezugs des Partnerschaftsbonus auf mögliche betriebliche oder persönliche Belange zu reagieren, wird der Stundenkorridor von bisher 25-30 Stunden auf 24-32 Wochenstunden erweitert mit der Folge, dass Eltern im Schnitt eine Wochenstunde weniger oder auch bis zu zwei Wochenstunden mehr arbeiten können.
4dEntfallen von geringen selbständigen Einkünften bei der Berechnung
Das Elterngeld ist anhand des Einkommens aus nichtselbständiger Erwerbstätigkeit in den 12 Kalendermonaten vor dem Monat der Geburt zu bemessen, wenn die monatlich durchschnittlich zu berücksichtigende Summe der Einkünfte der berechtigten Person aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbständiger Arbeit jeweils durchschnittlich geringer als 35 € im Monat war. Der Durchschnittswert im Monat wird pro Kalenderjahr ermittelt. Die Regelung orientiert sich an § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG, der bei geringen Nebeneinkünften eine Billigkeitslösung vorsieht.
4eArbeitszeiterhöhung bei Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit
Die 4-Tage-Arbeitswoche gilt als Anknüpfungspunkt. Denn die bisher geltende Höchstarbeitszeitgrenze wird für die Dauer des Elterngeldbezuges von 30 Wochenstunden auf 32 Wochenstunden erhöht, vgl. § 1 Abs. 6 BEEG. Eltern, die ihre Erwerbstätigkeit grundsätzlich zugunsten der Kinderbetreuung einschränken möchten, können aufgrund der Neuregelung auch in höheren Stundenumfängen erwerbstätig sein, ohne den Elternanspruch vollständig zu verlieren. Leitbild war nach Auffassung des Gesetzgebers, den Eltern eine 4-Tage-Arbeitswoche zu ermöglichen, die den (noch immer gängigen) Achtstundentag zugrunde legt.
4fErleichterte Nachweispflicht der Erwerbstätigkeit
Künftig brauchen Eltern, die während des Elterngeldbezugs erwerbstätig sind, den Umfang der mit dem Arbeitgeber vereinbarten Arbeitszeit (Elternzeitvereinbarung oder Arbeitsvertrag) im Regelfall lediglich bei der Beantragung nachweisen (§ 8 Abs.1 BEEG). Die Arbeitszeit ist zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber vertraglich geregelt. Bei Antragstellung gibt der Antragsteller oder die Antragstellerin an, dass die Arbeitszeit 32 Stunden nicht übersteigen bzw. in Fällen des Partnerschaftsbonus zwischen 24 und 32 Stunden liegen wird. Als Beleg wird ein Dokument vorgelegt (Elternzeitvereinbarung, Arbeitsvertrag). Der Gesetzgeber geht davon aus, dass es in vielen Fällen nicht zu einer Über- oder Unterschreitung der vereinbarten Arbeitszeit kommen wird. In die Angaben bei Antragstellung darf daher vertraut werden. Sollte der Umfang der Arbeitszeit nach Antragstellung vertraglich oder tatsächlich geändert werden, wird die Elterngeldstelle bei Zweifel an der Einhaltung der Arbeitszeit im Rahmen der abschließenden Bewilligung nach Ablauf des Bezugszeitraums im Einzelfall einen Nachweis über die tatsächlich geleistete Arbeitszeit verlangen.
4gHerabsetzung der Einkommensgrenze und Wegfall des Betreuungsgeldes
Um eine „Gegenfinanzierung“ der Regelungen zu gewährleisten, wird die Einkommensgrenze, ab der der Anspruch auf Elterngeld vollständig entfällt, für Paare mit gemeinsamen Elterngeldanspruch deutlich, und zwar von 500.000 € auf jährlich 300.000 € abgesenkt, vgl. § 8 Abs. 1 Satz 2 BEEG n.F. Der Gesetzgeber meint, dass bei einem derart hohen Einkommen davon auszugehen ist, dass das Elterngeld für die Entscheidung, in welchem Umfang zugunsten der Betreuung des Kindes auf Erwerbstätigkeit verzichtet werde, unerheblich sei. Vor diesem Hintergrund hält er eine Herabsetzung des Grenzbetrages für Paare mit einem gemeinsamen Elterngeldanspruch für angemessen und von seiner Einschätzungsprärogative gedeckt.
Das BMFSFJ hat dazu auf seiner Homepage auch eine interessante Broschüre herausgegeben (https://go.nwb.de/5eef7).
4hCorona - Maßnahmen im Elterngeld aus Anlass der COVID-19-Pandemie
Um Eltern auch während der COVID-19-Pandemie weiterhin effektiv mit dem Elterngeld unterstützen zu können, hat das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend schnelle und gute Lösungen gefunden: Eltern verlieren ihren Partnerschaftsbonus – eine zusätzliche Leistung, die Mütter und Väter bekommen, die gleichzeitig Teilzeit arbeiten, um sich die Kindererziehung zu teilen – nicht, wenn sie auf Grund der COVID-19- Pandemie mehr oder weniger arbeiten als geplant. Es gelten die Angaben bei Antragstellung für den Partnerschaftsbonus, wenn der Bezug des Partnerschaftsbonus ganz oder teilweise zwischen dem und liegt. Einkommensverluste durch die COVID-19-Pandemie Einkommensverluste, die werdende Eltern zwischen dem und dem wegen der COVID-19-Pandemie hatten, können Eltern – wenn sie das möchten – bei der Berechnung des Elterngeldes ausklammern. Das bedeutet: Diese Monate werden übersprungen, stattdessen wird das Einkommen aus davorliegenden Monaten für die Bemessung des Elterngeldes berücksichtigt. Einkommensersatzleistungen, zum Beispiel Kurzarbeitergeld oder Kinderkrankengeld, reduzieren das Elterngeld von Eltern nicht, die während des Bezugs von Elterngeld in Teilzeit arbeiten. Das stellt die Elterngeldregelung zur Anrechnung sicher. Sie regelt, dass sich die Höhe des Elterngeldes für teilzeitarbeitende Eltern nicht verändert, wenn sie Einkommensersatzleistungen beziehen.“ (zitiert von "Maßnahmen im Elterngeld aus Anlass der COVID-19-Pandemie", https://go.nwb.de/f7ny7).
II. Elterngeld
1. Einführung
5 Elterngeld ist eine Einkommensersatzleistung, die grds. in Höhe von 67 % des individuellen Nettoeinkommens des Betreuenden als einkommensabhängiger Ausgleich für finanzielle Einbußen des Elternteils im ersten Jahr nach der Geburt durch den Staat gewährt wird. Übernimmt auch der andere Elternteil die Betreuung, können sich als zusätzlicher Bonus zwei sog. Partnermonate anschließen. Das Elterngeld ist bei den staatlichen Behörden zu beantragen. Diese führen die Berechnung und Auszahlung des Elterngelds durch. Den Arbeitgeber treffen diverse Mitwirkungspflichten.