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Grundlagen - Stand: 03.01.2023

Kinderbetreuungskosten

Anna M. Nolte

A. Problemanalyse

I. Einführung

1 Lebenshaltungskosten

Aufwendungen für die Betreuung der Kinder gehören nach der Systematik des Einkommensteuergesetzes zu den Lebenshaltungskosten i. S. des § 12 EStG. Seit den 1950er Jahren werden solche Aufwendungen nach dem Willen des Gesetzgebers in unterschiedlicher Höhe und in unterschiedlicher Form (außergewöhnliche Belastung, Sonderausgaben, Betriebsausgaben, Werbungskosten, Freibetrag) ertragsteuerlich berücksichtigt.

2 Ertragsteuerliche Berücksichtigung

Nach derzeit geltendem Recht (2022) werden Aufwendungen für Kinder wie folgt ertragsteuerlich berücksichtigt:

Kinderfreibetrag, BEA-Freibetrag, Kindergeld

Für jedes nach § 32 Abs. 1 EStG zu berücksichtigende Kind wird neben dem Kinderfreibetrag (für das sächliche Existenzminimum des Kindes) ein weiterer Freibetrag für den allgemeinen Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes (sog. BEA-Freibetrag) vom Einkommen eines Elternteils abgezogen (§ 32 Abs. 6 Satz 1 EStG). Der Kinderfreibetrag beträgt seit : 2.586 €/ ab : 2.730 €/ ab : 2.810 €/ ab : 3.012 €/ ab : 3.192 €, und der BEA-Freibetrag seit : 1.320 €/ seit : 1.464 €. Das Kindergeld nach §§ 62 ff. EStG wird von den jeweiligen Kassen als „Vorauszahlung” auf den Kinderfreibetrag geleistet.§ 66 Abs. 1 EStG regelt die Höhe des Kindergeldes. Es beträgt für erste und zweite Kinder seit jeweils: 204 €/ seit : 219 €. Für dritte Kinder beträgt es seit : 210 €/ seit : 225 €. Für das vierte und jedes weitere Kind beträgt das Kindergeld seit jeweils: 235 €/ ab : 250 €. Ab beträgt das Kindergeld einheitlich für jedes Kind 250 €. Für das Jahr 2020 bestand zusätzlich Anspruch auf Einmalbeträge. So wurde für jedes Kind, für das im September 2020 ein Anspruch auf Kindergeld bestand, ein Einmalbetrag von 200 € und für jedes Kind, für das im Monat Oktober 2020 ein solcher Anspruch bestand, ein Einmalbetrag von 100 € gezahlt. Für ein Kind, für das zwar im Monat September 2020 kein Anspruch auf Kindergeld bestand, für das dieser Anspruch jedoch in mindestens einem anderen Monat des Jahres 2020 bestanden hat, wurde ein Einmalbetrag von 300 € gezahlt. Auch für das Jahr 2021 bestand zusätzlich Anspruch auf Einmalbeträge. Für jedes Kind, für das im Mai 2021 ein Anspruch auf Kindergeld bestand, wurde ein Einmalbetrag von 150 € gezahlt. Für ein Kind, für das zwar im Mai 2021 kein Anspruch auf Kindergeld bestand, für das dieser Anspruch jedoch in mindestens einem anderen Monat des Jahres 2021 bestanden hat, wurde ebenfalls ein Einmalbetrag von 150 € gezahlt. Auch für das Jahr 2022 gab es solche Zahlungen. Für jedes Kind, für das für den Monat Juli 2022 oder, wenn nicht im Juli, dann aber in mindestens einem Monat im Kalenderjahr 2022 ein Anspruch auf Kindergeld bestand, wurde ein Einmalbetrag von 100 € gezahlt. Alle diese Beträge - einschl. der Einmalbeträge - nehmen an der Vergleichsberechnung im Rahmen des Familienleistungsausgleichs nach § 31 Satz 4 EStG teil (§ 66 Abs. 1 EStG i. d. F. des Zweiten Corona-Steuerhilfegesetzes i. d. F. des Dritten Corona-Steuerhilfegesetzes).

Präzisierung:

Bei einer Zusammenveranlagung nach §§ 26, 26b EStG verdoppeln sich die Kinderfreibeträge sowie der BEA-Freibetrag, wenn das Kind zu beiden zusammen veranlagten Personen in einem Kindschaftsverhältnis steht (§ 32 Abs. 6 Satz 2 EStG). Pro Kind sind daher (hier ab 2020 dargestellt) insgesamt 7.812 €/ 8.388 €/ 8.548 €/ 8.952 €/ 9.312 €/ Jahr zu berücksichtigen. Dieser Betrag steht einem/einer einzelnen Steuerpflichtigen zu, wenn der andere Elternteil verstorben oder nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist oder wenn der/die Steuerpflichtige allein das Kind angenommen hat oder das Kind nur zu dieser Person in einem Pflegekindschaftsverhältnis steht (§ 32 Abs. 6 Satz 3 EStG).

Sonderbedarf eines sich in Berufsausbildung befindenden, auswärtig untergebrachten, volljährigen Kindes

Darüber hinaus ist die Berücksichtigung des Sonderbedarfs eines sich in Berufsausbildung befindenden, auswärtig untergebrachten, volljährigen Kindes, für das Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 EStG oder Kindergeld besteht, als außergewöhnliche Belastung pauschal in Höhe von 924 € (ab : 1.200 €) möglich. Der Betrag kann für jedes Kind, für das die Voraussetzungen erfüllt sind, insgesamt nur einmal in Anspruch genommen werden. Dabei steht jedem Elternteil grds. die Hälfte des Betrags zu. Die Eltern können eine andere Aufteilung beantragen. Für ein nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtiges Kind mindert sich der vorstehende Betrag nach Maßgabe der Verhältnisse des Staates, in dem das Kind zur Ausbildung untergebracht ist.

Kinderbetreuungskosten

Die den Eltern über den Grundbedarf hinaus zusätzlich entstehenden Kinderbetreuungskosten können in Höhe von ⅔ der Aufwendungen, maximal 4.000 € je Kind, steuerlich geltend gemacht werden (§ 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG).

3 Alleinerziehende

Allein stehende Steuerpflichtige können außerdem nach Maßgabe des § 24b EStG einen aufwendungsunabhängigen Entlastungsbetrag für Alleinerziehende je Kalenderjahr von der Summe der Einkünfte abziehen. Voraussetzung dafür ist u. a., dass zu dem Haushalt des Alleinerziehenden mindestens ein Kind gehört, für das ihm ein Freibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG oder Kindergeld zusteht.

Der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende belief sich zunächst auf 1.308 €. Er wurde ab 2015 erhöht. Gehört zu dem Haushalt des/der allein stehenden Steuerpflichtigen ein Kind, für das ihm/ihr ein Freibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG oder Kindergeld zusteht, beträgt der Entlastungsbetrag seit 2015 1.908 €. Dieser Betrag erhöhte sich ab 2020 um 2.100 € auf 4.008 €. Ab 2023 erhöht sich der Betrag um weitere 252 € auf nunmehr 4.260 €. Der jeweilige Betrag erhöht sich außerdem für jedes weitere Kind, für das dem/der allein stehenden Steuerpflichtigen ein Freibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG oder Kindergeld zusteht, um 240 € je weiterem Kind und Kalenderjahr (§ 24b Abs. 2 Satz 2EStG). Für jeden vollen Kalendermonat, in dem die Voraussetzungen für die Gewährung des Entlastungsbetrags nicht vorliegen, sind die jeweiligen Beträge um 1/12 zu kürzen (§ 24b Abs. 4 EStG).

Präzisierung:

Der Gesetzgeber begründete die – zunächst – zeitweise Erhöhung des Alleinerziehenden-Entlastungsbetrags wie folgt: „Auf Grund der eingeschränkten Betreuungsmöglichkeiten für Kinder in Zeiten der Corona-Pandemie und der für Alleinerziehende damit verbundenen besonderen Herausforderungen wird der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende durch einen zeitlich begrenzten Erhöhungsbetrag in Höhe von 2.100 € für die Jahre 2020 und 2021 auf insgesamt jeweils 4.008 € pauschal angehoben. Der Erhöhungsbetrag gemäß § 24b Abs. 2 Satz 2 EStG pro weiterem Kind in Höhe von 240 € bleibt unverändert.“

Durch Art. 3 des Jahressteuergesetzes 2020 wurde die begrenzte Anhebung entfristet. Der Alleinerziehenden-Entlastungsbetrag beträgt daher auch für VZ ab 2022 4.008 €, ggf. zzgl. Erhöhungsbeträge bei weiteren Kindern. Ab VZ 2023 beträgt er 4.260 €, ebenfalls ggf. zzgl. Erhöhungsbeträge bei weiteren Kindern.

4 Hintergrund

Anstoß für die Diskussionen um die geregelte Einführung einer Abzugsmöglichkeit für Kinderbetreuungskosten war das Erfordernis des sog. Kinderleistungsausgleichs. Klarheit hat hier die Grundsatzentscheidung des gebracht. Danach hat das Einkommensteuerrecht zu berücksichtigen, dass die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit berufstätiger Alleinstehender mit Kindern durch zusätzlichen zwangsläufigen Betreuungsaufwand gemindert sein kann, der bei Ehepaaren typischerweise nicht entsteht oder – bei Berufstätigkeit beider Ehepartner – leichter getragen werden kann. Gleichzeitig hat das BVerfG dem Gesetzgeber aufgetragen, dieses Ungleichgewicht bis zum gesetzlich zu beseitigen. In den darauffolgenden Jahren wurden die Regelungen zur ertragsteuerlichen Berücksichtigung von Kindern immer weiter ausgebaut.

Hinweis:

Positiv anzumerken ist, dass die Berücksichtigung von Aufwendungen, die Eltern durch Kinder entstehen, seit der vorgenannten Entscheidung ertragsteuerlich berücksichtigt werden. Gleichwohl ist die Frage, ob Kinder bei der Besteuerung der Eltern angemessen berücksichtigt werden, immer wieder Gegenstand zahlreicher Gerichtsverfahren bis hin zum BVerfG, was sich bis auf den ertragsteuerlichen Ansatz von zwangsläufig notwendigen Kinderbetreuungskosten erstreckt.

II. Rechtsentwicklung

1. 2006 bis 2011
a) Grundsatz: Abzugsverbot

5 Mit VZ 2000 bzw. 2002 war im Rahmen des Familienleistungsausgleichs ein aufwendungsunabhängiger allgemeiner Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarfs des Kindes eingeführt worden (§ 32 Abs. 6 Satz 1 EStG). Mit dem Freibetrag werden pauschal Aufwendungen berücksichtigt, die allen Eltern gleichermaßen entstehen und ihre ertragsteuerliche Leistungsfähigkeit mindern. Darüber hinausgehende Aufwendungen für die Kinderbetreuung unterliegen grds. dem Abzugsverbot des § 12 EStG. Hiervon gibt es seit dem VZ 2006 die nachfolgend dargestellten Ausnahmen.

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