RL (EU) 2017/1852 Artikel 16

Artikel 16 Wechselwirkung mit nationalen Verfahren und Ausnahmen

(1) Die Tatsache, dass eine Maßnahme eines Mitgliedstaats, die zu einer Streitfrage geführt hat, nach nationalem Recht endgültig wird, hindert die betroffenen Personen nicht daran, auf die in dieser Richtlinie vorgesehenen Verfahren zurückzugreifen.

(2) Die Vorlage einer Streitfrage im Rahmen des Verständigungsverfahrens nach Artikel 4 oder des Streitbeilegungsverfahrens nach Artikel 6 hindert einen Mitgliedstaat nicht daran, Gerichtsverfahren oder Verwaltungs- und Strafverfahren in derselben Angelegenheit einzuleiten oder fortzusetzen.

(3) Den betroffenen Personen stehen die im nationalen Recht der betroffenen Mitgliedstaaten vorhandenen Rechtsbehelfe zur Verfügung. Hat die betroffene Person jedoch ein solches Rechtsbehelfsverfahren eingeleitet, so beginnen die Fristen nach Artikel 3 Absatz 5 beziehungsweise nach Artikel 4 Absatz 1 ab dem Tag, an dem ein in diesem Verfahren ergangenes Urteil rechtskräftig wurde oder dieses Verfahren anders endgültig zum Abschluss gebracht oder das Verfahren ausgesetzt wurde.

(4) Hat das maßgebliche Gericht oder eine andere Justizbehörde eines Mitgliedstaats eine Entscheidung über eine Streitfrage erlassen und lässt das nationale Recht jenes Mitgliedstaats nicht zu, dass der Mitgliedstaat von der Entscheidung abweicht, so kann der Mitgliedstaat Folgendes vorsehen:

  1. Bevor die zuständigen Behörden der betroffenen Mitgliedstaaten nach dem Verständigungsverfahren gemäß Artikel 4 in der Streitfrage zu einer Einigung gelangt sind, hat die zuständige Behörde dieses Mitgliedstaats den anderen zuständigen Behörden der betroffenen Mitgliedstaaten diese Entscheidung des maßgeblichen Gerichts oder einer anderen Justizbehörde sowie die Tatsache, dass das Verfahren ab dem Tag dieser Mitteilung zu beenden ist, mitzuteilen;

  2. bevor die betroffene Person einen Antrag gemäß Artikel 6 Absatz 1 gestellt hat, ist Artikel 6 Absatz 1 nicht anwendbar, falls die Streitfrage während des gesamten Verständigungsverfahrens gemäß Artikel 4 nicht gelöst worden ist; in diesem Fall hat die zuständige Behörde des genannten Mitgliedstaats die anderen zuständigen Behörden der betroffenen Mitgliedstaaten von der Wirksamkeit dieser Entscheidung des maßgeblichen Gerichts oder der maßgeblichen anderen Justizbehörde in Kenntnis zu setzen;

  3. das Streitbeilegungsverfahren gemäß Artikel 6 ist zu beenden, falls die Entscheidung des maßgeblichen Gerichts oder einer anderen Justizbehörde zu einem Zeitpunkt erging, nachdem eine betroffene Person einen Antrag gemäß Artikel 6 Absatz 1 gestellt hat, jedoch bevor der Beratende Ausschuss oder der Ausschuss für alternative Streitbeilegung den zuständigen Behörden der betroffenen Mitgliedstaaten seine Stellungnahme gemäß Artikel 14 übermittelt hat; in diesem Fall hat die zuständige Behörde des jeweiligen betroffenen Mitgliedstaats die anderen zuständigen Behörden der betroffenen Mitgliedstaaten und den Beratenden Ausschuss oder den Ausschuss für alternative Streitbeilegung von der Wirksamkeit der Entscheidung des maßgeblichen Gerichts oder der maßgeblichen anderen Justizbehörde in Kenntnis zu setzen.

(5) Durch das Einreichen einer Beschwerde gemäß Artikel 3 wird jedes andere laufende Verfahren nach dem Verständigungsverfahren oder Streitbeilegungsverfahren gemäß einem Abkommen oder Übereinkommen, das im Zusammenhang mit der relevanten Streitfrage ausgelegt oder angewandt wird, beendet. Dieses andere laufende Verfahren im Zusammenhang mit der relevanten Streitfrage endet mit Wirkung ab dem Tag des erstmaligen Eingangs der Beschwerde bei einer der zuständigen Behörden der betroffenen Mitgliedstaaten.

(6) Abweichend von Artikel 6 kann ein betroffener Mitgliedstaat den Zugang zu dem Streitbeilegungsverfahren nach demselben Artikel verweigern, wenn in diesem Mitgliedstaat wegen Steuerbetrug, vorsätzlicher Nichterfüllung und grober Fahrlässigkeit Strafen im Zusammenhang mit den berichtigten Einkommen oder Vermögen verhängt wurden. Wurden Gerichts- oder Verwaltungsverfahren eingeleitet, die möglicherweise zu entsprechenden Strafen führen können, und werden diese Verfahren gleichzeitig mit einem der Verfahren gemäß dieser Richtlinie durchgeführt, so kann die zuständige Behörde die Verfahren gemäß dieser Richtlinie ab dem Zeitpunkt der Zulassung der Beschwerde bis zum Zeitpunkt der Beendigung jener Verfahren aussetzen.

(7) Ein Mitgliedstaat kann im Einzelfall den Zugang zum Streitbeilegungsverfahren gemäß Artikel 6 verweigern, falls es bei einer Streitfrage nicht um Doppelbesteuerung geht. In einem solchen Fall informiert die zuständige Behörde des genannten Mitgliedstaats unverzüglich die betroffene Person und die zuständigen Behörden der anderen betroffenen Mitgliedstaaten.

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BAAAH-64843