Steuern mobil Nr. 11 vom

Track 05-06 | Erbschaftsteuer: Verwaltung hält an 300-Objekte-Grenze für Wohnungsunternehmen fest

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Das BayLfSt hat aktuell bekräftigt, dass die Finanzverwaltung bei Wohnungsunternehmen an der in den ErbStR 2019 festgeschriebenen typisierenden Betrachtungsweise zum wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb (sog. 300-Objekte-Grenze) weiter festhält. Ein Risiko für die Gestaltungsberatung ist es aber, dass die Finanzgerichte an die Erbschaftsteuer-Richtlinien nicht gebunden sind. Wichtig ist daher die Info, dass ein Revisionsverfahren beim Bundesfinanzhof neu anhängig ist.

Die Finanzverwaltung hält bei der Erbschaftsteuer an der 300-Objekte-Grenze für Wohnungsunternehmen fest. – Das lässt sich einer aktuellen Verfügung des Bayerischen Landesamtes für Steuern [1] entnehmen.

Bei der Erbschaftsteuer gibt es – wie Sie wissen – eine großzügige Vergünstigung für Wohnungsunternehmen. Grundsätzlich gehören Grundstücke, die einem Dritten zur Nutzung überlassen werden, zwar zum Verwaltungsvermögen. Und damit nicht zum begünstigten Betriebsvermögen. Eine Ausnahme gilt allerdings bei der Überlassung durch ein Wohnungsunternehmen. Und zwar dann, wenn der Hauptzweck des Unternehmens in der Vermietung von Wohnungen besteht und die Erfüllung dieses Zwecks einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb erfordert. Dann können die Vergünstigungen für Betriebsvermögen doch beansprucht werden. [2] [3] [4]

Die Finanzverwaltung geht davon aus: Bei mehr als 300 Wohnungen ist typisierend ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb anzunehmen. Das steht so auch in den Erbschaftsteuer-Richtlinien 2019 [5]. Wörtlich heißt es da: „Das Vorliegen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs ist regelmäßig anzunehmen, wenn das Unternehmen mehr als 300 eigene Wohnungen hält”. [6] – So weit so gut. Allerdings will der Bundesfinanzhof dabei nicht mitspielen.

Das ist richtig. – Nach einem Urteil des höchsten deutschen Steuergerichts [7] aus 2017 ist die Anzahl der vermieteten Wohnungen unerheblich. Ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb liege nur vor, wenn das vermietende Unternehmen neben der Überlassung von Wohnungen Zusatzleistungen erbringe, die der Vermietungstätigkeit einen originär gewerblichen Charakter verleihen. Bewachte Wohnanlagen mit einem Concierge-Service wären demnach z. B. begünstigt. Nicht aber die normale Vermietung von Wohnungen. [8] [9] [10]

Die Finanzverwaltung [11] hatte bereits 2018 verfügt: Das Urteil ist über den entschiedenen Einzelfall hinaus nicht anzuwenden. An der typisierenden Betrachtungsweise sei weiterhin festzuhalten [12]. Das ist dann so auch in die Erbschaftsteuer-Richtlinien 2019 übernommen worden. Das Bayerische Landesamt für Steuern hat dies jetzt aktuell noch einmal bekräftigt. Nur bei einer geringeren Anzahl von Wohnungen ist daher eine Prüfung nach den Umständen des Einzelfalls erforderlich.

Interessant ist dabei folgende Einschränkung: Bei der Prüfung der Grenze von 300 Wohnungen ist – so das Landesamt – nur auf die eigenen Wohnungen des jeweiligen Unternehmens abzustellen. Die Anteile an Wohnungen, die über Bruchteilsgemeinschaften oder über vermögensverwaltende Gesellschaften gehalten werden, sind nicht mit einzubeziehen. Erfüllt ein Unternehmen die 300-Wohnungsgrenze mit eigenen Wohnungen, sollen die über Bruchteilsgemeinschaften oder vermögensverwaltende Gesellschaften gehaltenen Anteile an Wohnungen auch nicht in die Rückausnahme mit einzubeziehen sein. Es handele sich insoweit um steuerschädliches Verwaltungsvermögen.

Ein Risiko für die Gestaltungsberatung ist es natürlich, dass die Finanzgerichte an die Erbschaftsteuer-Richtlinien nicht gebunden sind. So hat sich erst kürzlich das FG Münster [13] der Auffassung des Bundesfinanzhofs angeschlossen [14]. Die Richter aus Westfalen haben entschieden:

Ein für die Annahme eines Wohnungsunternehmens erforderlicher wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb liegt nur vor, wenn das Unternehmen neben der Überlassung von Wohnungen Zusatzleistungen erbringt, die das bei langfristigen Vermietungen übliche Maß überschreiten und der Vermietungstätigkeit einen originär betrieblichen Charakter verleihen. Von einer gewerblichen Vermietungstätigkeit sei demnach nur auszugehen, wenn der Vermieter bestimmte ins Gewicht fallende, bei der Vermietung von Räumen nicht übliche Sonderleistungen erbringt – wie z. B. die Übernahme der Reinigung der vermieteten Wohnungen oder die Bewachung des Gebäudes. Für eine gewerbliche Vermietung spreche es zudem, wenn eine Unternehmensorganisation erforderlich ist – wegen eines besonders schnellen Wechsels der Mieter oder der Benutzer der Räume, der sich aus der Natur der Vermietung ergibt. [15]

Das Gefährliche ist: Das Urteil des FG Münster ist nicht rechtskräftig. Das betroffene Unternehmen hat die vom FG zugelassene Revision eingelegt. Der II. Senat des BFH wird sich daher noch einmal mit dem Thema befassen müssen. Und es spricht wohl wenig dafür, dass die Richter zu einem anderen Ergebnis kommen als in 2017. Ob dann der Nichtanwendungserlass noch haltbar ist? – Da kann man durchaus Zweifel haben. Das Dilemma wäre am einfachsten zu lösen durch eine gesetzliche Klarstellung. Doch die ist – leider – nicht in Sicht.

Fundstelle(n):
Steuern mobil 11/2020
NWB LAAAH-60463

1 NWB SAAAH-55680

2 NWB XAAAH-54329

3 NWB VAAAH-34463

4 NWB RAAAG-99011

5 ErbStR R E 13b.17 NWB VAAAH-28560

6 Track 13-16 | Erbschaftsteuer: Mit den Richtlinien 2019 gibt es wieder bundeseinheitliche Vorgaben der Verwaltung, Steuern mobil 12/2019 NWB EAAAH-36093

7 NWB GAAAG-73186

8 NWB HAAAG-78222

9NWB AAAAG-79902

10 NWB LAAAG-79411

11NWB TAAAG-84267

12 NWB PAAAG-85852

13 NWB QAAAH-54794 – Az. beim BFH: II R 20/20

14 Siehe auch: NWB ZAAAH-49779

15 Demuth, Erbschaftsteuer – Wohnimmobilien als begünstigtes Betriebsvermögen i. S. des Erbschaftsteuerrechtes (FG) NWB-EV 9/2020 S. 320 NWB BAAAH-56649