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Grundlagen - Stand: 16.12.2024

Umsatzsteuer bei der Abgabe von Speisen und Getränken

Hans-Dieter Rondorf

A. Problemanalyse

I. Zusammenfassung der aktuellen Rechtslage in Abschn. 3.6 UStAE

1Insbesondere bei Betriebsprüfungen und Umsatzsteuersonderprüfungen gibt es oft Streit, in welchen Fällen die Abgabe von Speisen und Getränken insbesondere durch die Gastronomie und Hotellerie, durch Imbiss- und Fischbuden, durch Caterer, durch Partyservice-Betriebe sowie im Bereich des sog. Sozialcatering (z. B. Schulspeisung, Versorgung von Krankenhäusern, Altenheimen und Kindergärten) dem allgemeinen Steuersatz von 19 % (im zweiten Halbjahr 2020 16 %) oder dem ermäßigten Steuersatz von 7 % (im zweiten Halbjahr 2020 5 %) unterliegt.

2 Das BMF hat die aktuelle Rechtslage insbesondere zur Anwendung des zutreffenden Umsatzsteuersatzes aus Sicht der Verwaltung unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BFH und des EuGH in Abschn. 3.6 UStAE zusammengefasst. Abschn. 3.6 UStAE wird durch BMF-Schreiben bei Bedarf aktualisiert, insbesondere wird die aktuelle EuGH- und BFH-Rechtsprechung eingearbeitet. Zu speziellen Fragen wird Abschn. 3.6 UStAE ergänzt durch Erlasse und Kurzmitteilungen der Finanzministerien sowie Verfügungen und Kurzmitteilungen der Oberfinanzdirektionen und der Landesämter für Steuern. Hierzu enthält dieser Grundlagenbeitrag nähere Erläuterungen sowie Hinweise und Praxistipps. Darüber hinaus werden weitere Bereiche erläutert, in denen die Abgabe von Speisen und Getränken und deren umsatzsteuerrechtliche Beurteilung von Bedeutung sind. Außerdem geht der Grundlagenbeitrag auf die Besonderheiten ein, die bei der befristeten Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen nach § 12 Abs. 2 Nr. 15 UStG in der Zeit vom bis zu beachten sind (vgl. Rz. 147 ff.).

II. Festlegungen auf Steuersätze bei Einführung der Mehrwertsteuer

3 Bereits im Vorfeld der Einführung der Mehrwertsteuer in Deutschland zum hatte der Gesetzgeber entschieden, dass auf die Lieferung von Nahrungsmitteln (einschließlich verzehrfertiger Gerichte) aus sozialen Gründen der ermäßigte Umsatzsteuersatz anzuwenden sei. Dagegen wurden nach dem Willen des Gesetzgebers sämtliche alkoholischen und nichtalkoholischen Getränke (mit Ausnahme von Leitungswasser, Milch und bestimmten Milchmischgetränken) bereits damals mit dem allgemeinen Umsatzsteuersatz belegt.

4 Auch Gaststättenumsätze (sog. Verzehr an Ort und Stelle) waren bereits damals dem allgemeinen Umsatzsteuersatz zu unterwerfen. Maßgebend für die Entscheidung zur Anwendung des Regelsteuersatzes war für den Gesetzgeber einerseits die Vermeidung von Abgrenzungsproblemen im Hotel- und Gaststättengewerbe. Andererseits rechtfertige aber auch der höhere Dienstleistungsanteil im Gaststättengewerbe (Beratung, Bestellung, Kochen und Bedienung) im Vergleich zum Lebensmittelhandel eine höhere Besteuerung. In der Antwort auf eine Parlamentsanfrage im Jahr 2019 wies die Bundesregierung darauf hin, dass die Inanspruchnahme von Restaurationsdienstleistungen nicht dem Grundbedarf der Bürgerinnen und Bürger zugerechnet werden könne. Dagegen sei bei der Schaffung des MwSt-Systems im Jahr 1968 festgelegt worden, die Lieferung von Lebensmitteln, auch wenn sie verzehrfertig zubereitet seien, grundsätzlich mit dem ermäßigten Steuersatz zu besteuern, um den Grundbedarf zu sichern. Zur Vermeidung von Abgrenzungsproblemen hat der Gesetzgeber allerdings nicht darauf abgestellt, ob es sich jeweils um Lebensmittel des täglichen Bedarfs handelt. Die Bundesregierung hielt diesen Regelungsansatz auch im Jahr 2024 weiterhin für angemessen.

III. Entwicklung der umsatzsteuerlichen Behandlung sog. Restaurationsumsätze

5 Ursprünglich war der deutsche Gesetzgeber davon ausgegangen, dass es sich bei der Abgabe von Speisen und Getränken in Gaststätten und Restaurants um Lieferungen (Essenslieferungen) handele. Dagegen beurteilte der EuGH derartige Umsätze als sonstige Leistungen. Dies nahm der Gesetzgeber zum Anlass, die Ausnahme der Restaurationsumsätze von der Steuerermäßigung statt in § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG nunmehr in § 3 Abs. 9 UStG unterzubringen.

6 Weil der BFH § 3 Abs. 9 Satz 4 UStG a. F. nicht für voll vereinbar mit Unionsrecht hielt, strich der Gesetzgeber die Sätze 4 und 5 in § 3 Abs. 9 UStG mit Wirkung v. wieder. Die Abgrenzung von (begünstigten) Nahrungsmittellieferungen zu den (nicht begünstigten) sonstigen Leistungen (Restaurationsumsätzen) war seitdem anhand allgemeiner Grundsätze vorzunehmen. Die Verwaltung hatte diese allgemeinen Abgrenzungsgrundsätze zunächst in einem BMF-Schreiben zusammengefasst und dieses später ergänzt.

IV. Neue Grundsätze durch EuGH- und BFH-Rechtsprechung (inzwischen teilweise überholt)

7 In der Literatur war das – weitgehend auf die damalige BFH-Rechtsprechung zurückgehende – zur Abgrenzung von ermäßigt zu besteuernden Lieferungen und voll zu besteuernden sonstigen Leistungen kritisch betrachtet worden. Auch der BFH hatte Zweifel, ob die bisherigen nationalen Regelungen dem Unionsrecht entsprachen. Er hatte deshalb mehrere anhängige Verfahren ausgesetzt und dem EuGH vier entsprechende Vorabentscheidungsersuchen vorgelegt.

8 Der EuGH hat die vier Vorlagen des BFH verbunden und in einem Urteil entschieden. Danach handelt es sich beim Verkauf von Nahrungsmitteln an Imbisswagen und Imbissständen oder in Kinos zum sofortigen (warmen) Verzehr um (begünstigte) Lieferungen, denen eine einfache, standardisierte Zubereitung vorausgeht (Standardspeisen). Hinsichtlich der Leistungen eines Partyservice kommt der EuGH zu dem Schluss, dass sie nicht das Ergebnis einer bloßen Standardzubereitung sind, sondern (nicht begünstigte) Dienstleistungen. Sie wiesen im Vergleich zu den Standardzubereitungen einen deutlich höheren Dienstleistungsanteil auf, da sie mehr Arbeit und Sachverstand erforderten.

9 In seiner Nachfolgerechtsprechung stellt der BFH im Lichte der EuGH-Rechtsprechung weitere Grundsätze für die Abgrenzung begünstigter Nahrungsmittellieferungen von nicht begünstigten sonstigen Leistungen auf. Diese Abgrenzungsregelungen sind allerdings durch die Bestimmungen in der MwStVO v. (vgl. unten Rz. 10 ff.) teilweise überholt und insoweit nicht mehr anzuwenden.

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