Besitzen Sie diesen Inhalt bereits,
melden Sie sich an.
oder schalten Sie Ihr Produkt zur digitalen Nutzung frei.
Umsatzsteuer bei der Abgabe von Speisen und Getränken
Ebber, Restaurationsleistungen, infoCenter;
Bachmann/Ertl/Gebhardt/Seifert, Steuerliche Hilfsmaßnahmen in Folge der Corona-Pandemie – Analyse der Umsatzsteuerermäßigung für die Gastronomie, DStR 2020 S. 1168;
;
;
Bender, BFH-Vorlagen an den EUGH in Sachen Beherbergungsleistungen – kippt das nächste Aufteilungsgebot?, ;
;
Feil/Grundler, Umsatzsteuerrechtliche Trennung der Entgelte bei einem pauschalen Gesamtverkaufspreis am Beispiel der Systemgastronomie – Anmerkungen zum , UR 2014 S. 1;
;
Forster, EuGH-Vorlagen zum Aufteilungsgebot beim ermäßigten Steuersatz des § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG bei unselbständigen Nebenleistungen zur Beherbergung, UStB 2024 S. 242;
Gehm, Umsatzsteuer im gastronomischen Bereich – Eine aktuelle Betrachtung, NWB 37/2023 S. 2534;
Grambeck, Verkauf von Backwaren, USt direkt digital 21/2019 S. 7;
Grune, BMF-Schreiben zur Abgrenzung von Lieferungen und sonstigen Leistungen bei der Abgabe von Speisen und Getränken, AktStR 2013 S. 311;
Holota/Robisch, Umsatzsteuerrechtliche Aufteilung des Entgelts bei der Lieferung von Sparmenüs – Gedanken zur BFH-Entscheidung vom - V B 125/12, UR 2013 S. 779;
Huschens, Ermäßigter Umsatzsteuersatz bei der Abgabe von Speisen und Getränken, SteuK 2013 S. 199;
Kirchhain/Pötters, Menüservice ist kein Partyservice – Auf den sozialen Kontext kommt es an!, UR 2023 S. 319;
Langer/Müller, Kantinenzuschüsse in Zeiten der Corona-Steuersatzsenkung – Ermäßigter Steuersatz für Restaurationsleistungen bringt alte Unsicherheit auf den Tisch, NWB 34/2020 S. 2532;
Liebgott, Das Coronasteuerhilfegesetz – Umsatzsteuerrechtliche Aspekte, UR 2020 S. 405;
Michel, Essen und Trinken zum ermäßigten oder zum regulären Steuersatz?, UR 17/2013 S. 652;
Müller, Die Voraussetzungen der einheitlichen Besteuerung von Leistungsbündeln am Beispiel von Restaurations- und Verpflegungsleistungen, MwStR 2023 S. 373;
Nieskens, Der Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung im Fokus von § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG, UR 2024 S. 643;
Nieskoven, BFH verneint Gestaltungsmissbrauch bei „Ehegatten-Partyservice-Modell“, GStB 2013 S. 370;
Oldiges, Ermäßigter Steuersatz für die Gastronomie – Auswirkungen auf die Praxis, DB 2020 S. 1140;
Oldiges/Tsyganov, Umsatzsteuerrechtliche Aufteilungsgebote auf der Kippe, DStR 2024 S. 2089;
Ramb, Restaurationsumsatz oder nicht: 19 Prozent oder 7 Prozent, StW 2013 S. 190;
;
Renz, Ist „to go“ oder „not to go“ die Frage?, StW 2019 S. 110;
;
Rondorf, Ermäßigter Umsatzsteuersatz in der Gastronomie läuft zum Jahresende 2023 aus – Hintergründe und Folgerungen für die Besteuerungspraxis, NWB 50/2023 S. 3441;
Rondorf, Ermäßigter USt-Satz in der Gastronomie verlängert und Durchschnittssatz für Pauschallandwirte abgesenkt, NWB 44/2022 S. 3086;
Rondorf, Verlängerung der Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes auf Restaurant- und Verpflegungsleistungen – Umsatzsteuerliche Hilfsmaßnahme für die Gastronomie bis befristet, NWB 12/2021 S. 826;
;
;
Schwientek/Gerhards, Die umsatzsteuerliche Behandlung beim Verzehr an Ort und Stelle aus deutscher und europäischer Sichtweise, UStB 2019 S. 363;
;
;
Seifert, Speiseabgabe in Biergärten, StuB 2019 S. 596;
Seifert, BFH zum lohnsteuerpflichtigen Sachbezug in Form eines Frühstücks: Essen ist nicht gleich Essen, NWB 40/2019 S. 2904;
Sterzinger, Bemessungsgrundlage bei sog. Sparmenüs eines Schnellrestaurants, USt direkt digital 8/2023 S. 10;
Sterzinger, Abgrenzung von Lieferungen und sonstigen Leistungen bei der Abgabe von Speisen und Getränken, UStB 2013 S. 156;
Streit, Einheitliche Umsätze und „Aufteilungsgebot“ – BFH-Urteil zu Frühstück und Übernachtung – Auswirkungen des BFH-Urteils XI R 3/11 vom auf den Begriff der einheitlichen Leistungen, UStB 2014 S. 19;
;
Von Streit/Streit, Nebenleistungen und „Aufteilungsgebot“: Vorlagebeschlüsse des BFH zur Aufteilung von einheitlichen (Hotel)Leistungen, MwStR 2024 S. 709;
Wagner, Umsatzsteuerrechtliche Behandlung von „Dinner-Shows“, UR 2016 S. 333;
Walkenhorst, Ermäßigter Steuersatz bei der Abgabe von Brezeln, USt direkt digital 18/2017 S. 4;
Weber, Auswirkungen des EuGH-Urteils Stadion Amsterdam auf die Aufteilungsgebote im Deutschen Umsatzsteuerrecht, UVR 2018 S. 347;
Weber, Verkauf von Speisen zum Verzehr vor Ort bei Vorhalten von Tischen und Stühlen, UVR 2020 S. 91;
Weber, Berücksichtigung von Verzehrvorrichtungen eines Dritten bei der Abgabe von Speisen, UVR 2022 S. 26;
Weber, Das Aufteilungsgebot für Beherbergungsleistungen nach § 12 II Nr. 11 S. 2 UStG, UVR 2022 S. 147;
;
Zugmaier/Streit, Neues BMF-Schreiben zur Umsatzbesteuerung von Speisen und Getränken – bei Sonnenschein kostet die Currywurst 19 %, bei Regen 7 % Umsatzsteuer, Stbg 2013 S. 302.
A. Problemanalyse
I. Zusammenfassung der aktuellen Rechtslage in Abschn. 3.6 UStAE
1Insbesondere bei Betriebsprüfungen und Umsatzsteuersonderprüfungen gibt es oft Streit, in welchen Fällen die Abgabe von Speisen und Getränken insbesondere durch die Gastronomie und Hotellerie, durch Imbiss- und Fischbuden, durch Caterer, durch Partyservice-Betriebe sowie im Bereich des sog. Sozialcatering (z. B. Schulspeisung, Versorgung von Krankenhäusern, Altenheimen und Kindergärten) dem allgemeinen Steuersatz von 19 % (im zweiten Halbjahr 2020 16 %) oder dem ermäßigten Steuersatz von 7 % (im zweiten Halbjahr 2020 5 %) unterliegt.
2 Das BMF hat die aktuelle Rechtslage insbesondere zur Anwendung des zutreffenden Umsatzsteuersatzes aus Sicht der Verwaltung unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BFH und des EuGH in Abschn. 3.6 UStAE zusammengefasst. Abschn. 3.6 UStAE wird durch BMF-Schreiben bei Bedarf aktualisiert, insbesondere wird die aktuelle EuGH- und BFH-Rechtsprechung eingearbeitet. Zu speziellen Fragen wird Abschn. 3.6 UStAE ergänzt durch Erlasse und Kurzmitteilungen der Finanzministerien sowie Verfügungen und Kurzmitteilungen der Oberfinanzdirektionen und der Landesämter für Steuern. Hierzu enthält dieser Grundlagenbeitrag nähere Erläuterungen sowie Hinweise und Praxistipps. Darüber hinaus werden weitere Bereiche erläutert, in denen die Abgabe von Speisen und Getränken und deren umsatzsteuerrechtliche Beurteilung von Bedeutung sind. Außerdem geht der Grundlagenbeitrag auf die Besonderheiten ein, die bei der befristeten Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen nach § 12 Abs. 2 Nr. 15 UStG in der Zeit vom bis zu beachten sind (vgl. Rz. 147 ff.).
II. Festlegungen auf Steuersätze bei Einführung der Mehrwertsteuer
3 Bereits im Vorfeld der Einführung der Mehrwertsteuer in Deutschland zum hatte der Gesetzgeber entschieden, dass auf die Lieferung von Nahrungsmitteln (einschließlich verzehrfertiger Gerichte) aus sozialen Gründen der ermäßigte Umsatzsteuersatz anzuwenden sei. Dagegen wurden nach dem Willen des Gesetzgebers sämtliche alkoholischen und nichtalkoholischen Getränke (mit Ausnahme von Leitungswasser, Milch und bestimmten Milchmischgetränken) bereits damals mit dem allgemeinen Umsatzsteuersatz belegt.
4 Auch Gaststättenumsätze (sog. Verzehr an Ort und Stelle) waren bereits damals dem allgemeinen Umsatzsteuersatz zu unterwerfen. Maßgebend für die Entscheidung zur Anwendung des Regelsteuersatzes war für den Gesetzgeber einerseits die Vermeidung von Abgrenzungsproblemen im Hotel- und Gaststättengewerbe. Andererseits rechtfertige aber auch der höhere Dienstleistungsanteil im Gaststättengewerbe (Beratung, Bestellung, Kochen und Bedienung) im Vergleich zum Lebensmittelhandel eine höhere Besteuerung. In der Antwort auf eine Parlamentsanfrage im Jahr 2019 wies die Bundesregierung darauf hin, dass die Inanspruchnahme von Restaurationsdienstleistungen nicht dem Grundbedarf der Bürgerinnen und Bürger zugerechnet werden könne. Dagegen sei bei der Schaffung des MwSt-Systems im Jahr 1968 festgelegt worden, die Lieferung von Lebensmitteln, auch wenn sie verzehrfertig zubereitet seien, grundsätzlich mit dem ermäßigten Steuersatz zu besteuern, um den Grundbedarf zu sichern. Zur Vermeidung von Abgrenzungsproblemen hat der Gesetzgeber allerdings nicht darauf abgestellt, ob es sich jeweils um Lebensmittel des täglichen Bedarfs handelt. Die Bundesregierung hielt diesen Regelungsansatz auch im Jahr 2024 weiterhin für angemessen.
III. Entwicklung der umsatzsteuerlichen Behandlung sog. Restaurationsumsätze
5 Ursprünglich war der deutsche Gesetzgeber davon ausgegangen, dass es sich bei der Abgabe von Speisen und Getränken in Gaststätten und Restaurants um Lieferungen (Essenslieferungen) handele. Dagegen beurteilte der EuGH derartige Umsätze als sonstige Leistungen. Dies nahm der Gesetzgeber zum Anlass, die Ausnahme der Restaurationsumsätze von der Steuerermäßigung statt in § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG nunmehr in § 3 Abs. 9 UStG unterzubringen.
6 Weil der BFH § 3 Abs. 9 Satz 4 UStG a. F. nicht für voll vereinbar mit Unionsrecht hielt, strich der Gesetzgeber die Sätze 4 und 5 in § 3 Abs. 9 UStG mit Wirkung v. wieder. Die Abgrenzung von (begünstigten) Nahrungsmittellieferungen zu den (nicht begünstigten) sonstigen Leistungen (Restaurationsumsätzen) war seitdem anhand allgemeiner Grundsätze vorzunehmen. Die Verwaltung hatte diese allgemeinen Abgrenzungsgrundsätze zunächst in einem BMF-Schreiben zusammengefasst und dieses später ergänzt.
IV. Neue Grundsätze durch EuGH- und BFH-Rechtsprechung (inzwischen teilweise überholt)
7 In der Literatur war das – weitgehend auf die damalige BFH-Rechtsprechung zurückgehende – zur Abgrenzung von ermäßigt zu besteuernden Lieferungen und voll zu besteuernden sonstigen Leistungen kritisch betrachtet worden. Auch der BFH hatte Zweifel, ob die bisherigen nationalen Regelungen dem Unionsrecht entsprachen. Er hatte deshalb mehrere anhängige Verfahren ausgesetzt und dem EuGH vier entsprechende Vorabentscheidungsersuchen vorgelegt.
8 Der EuGH hat die vier Vorlagen des BFH verbunden und in einem Urteil entschieden. Danach handelt es sich beim Verkauf von Nahrungsmitteln an Imbisswagen und Imbissständen oder in Kinos zum sofortigen (warmen) Verzehr um (begünstigte) Lieferungen, denen eine einfache, standardisierte Zubereitung vorausgeht (Standardspeisen). Hinsichtlich der Leistungen eines Partyservice kommt der EuGH zu dem Schluss, dass sie nicht das Ergebnis einer bloßen Standardzubereitung sind, sondern (nicht begünstigte) Dienstleistungen. Sie wiesen im Vergleich zu den Standardzubereitungen einen deutlich höheren Dienstleistungsanteil auf, da sie mehr Arbeit und Sachverstand erforderten.
9 In seiner Nachfolgerechtsprechung stellt der BFH im Lichte der EuGH-Rechtsprechung weitere Grundsätze für die Abgrenzung begünstigter Nahrungsmittellieferungen von nicht begünstigten sonstigen Leistungen auf. Diese Abgrenzungsregelungen sind allerdings durch die Bestimmungen in der MwStVO v. (vgl. unten Rz. 10 ff.) teilweise überholt und insoweit nicht mehr anzuwenden.