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Befristete Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes auf Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen
Umsatzsteuerliche Hilfsmaßnahme für die Gastronomie in der Corona-Krise
[i] Corona-Steuerhilfegesetz, BR-Drucks. 290/20 (Beschluss) v. 5.6.2020 Neben einigen anderen Wirtschaftszweigen ist die Gastronomiebranche von der COVID-19-Pandemie besonders betroffen. Aufgrund der behördlich verfügten etwa zweimonatigen Komplettschließung von Restaurants und Gaststätten sowie der anschließenden Sitzplatzbeschränkungen und Hygienemaßnahmen sind die Gästezahlen und damit auch die Umsätze erheblich eingebrochen. Als steuerliche Entlastungsmaßnahme für die Branche hat der Gesetzgeber durch das Corona-Steuerhilfegesetz eine neue Nr. 15 an § 12 Abs. 2 UStG angefügt (Art. 1 Nr. 1 des Corona-Steuerhilfegesetzes). Hierdurch wird der Umsatzsteuersatz für nach dem und vor dem erbrachte Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen abgesenkt. Dies gilt jedoch nicht für die Abgabe von Getränken, die weiterhin dem allgemeinen Umsatzsteuersatz unterliegen. Diese befristete umsatzsteuerliche Begünstigung betrifft neben Restaurants, Gastwirtschaften und Kantinen auch Imbissbetriebe, Würstchen- und Frittenbuden, Caterer, Party-Service-Betriebe, Cafés, Bäckereien, Metzgereien sowie die Verpflegung in Schulen, Kindertagesstätten, Krankenhäusern, Alten- und Pflegeheimen, Mahlzeitendienste (Essen auf Rädern) usw., soweit deren Speisenabgabe als Restaurations- oder Verpflegungsdienstleistung zu beurteilen ist. Die vorgesehene Senkung des ermäßigten Steuersatzes von 7 % auf 5 % vom 1.7. bis zum gilt auch für Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen. Betriebe, die ihren Hauptumsatz mit dem Verkauf von alkoholischen oder alkoholfreien Getränken erzielen (z. B. Bierkneipen, Bars, Discos, Getränkestände auf Volksfesten), profitieren lediglich von der Senkung des allgemeinen Steuersatzes von 19 % auf 16 % im zweiten Halbjahr 2020.
Eine Kurzfassung des Beitrags finden Sie .
I. Gesetzgebungsverfahren
[i]Beschleunigtes GesetzgebungsverfahrenBereits in früheren Jahren haben Gastronomie- und Hotellerieverbände auch im Hinblick auf die Anwendung ermäßigter Mehrwertsteuersätze auf Restaurationsumsätze in einigen Nachbarstaaten von der Politik gefordert, den Umsatzsteuersatz in der Gastronomie abzusenken. Diese Forderung wurde von den Verbänden in der Corona-Krise nochmals mit Nachdruck vorgetragen. Der Koalitionsausschuss von CDU/CSU und SPD hat am insbesondere auf Betreiben der CSU schließlich beschlossen, die Umsatzsteuer für die Speisenabgabe in der Gastronomie befristet auf ein Jahr abzusenken. Um das Gesetzgebungsverfahren zu beschleunigen, hat das BMF bereits am eine entsprechende sog. Formulierungshilfe des Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise (Corona-Steuerhilfegesetz; s. NWB 19/2020 S. 1404) für die Koalitionsfraktionen des S. 1839Deutschen Bundestags gefertigt, in der auch die befristete Absenkung des Umsatzsteuersatzes für Restaurationsdienstleistungen enthalten war (Art. 1 Nr. 1 des Gesetzentwurfs). Die Bundesregierung legte am einen wortgleichen Gesetzentwurf vor. Die Beratungen im federführenden Finanzausschuss des Deutschen Bundestags führten hinsichtlich der Steuersatzsenkung zu keinerlei Änderungen. Nach der 2./3. Lesung im Deutschen Bundestag am hat der Bundesrat am dem Gesetz zugestimmt. Den aufgrund der Steuersatzsenkung bedingten Umsatzsteuerausfall für Bund, Länder und Gemeinden beziffert die Bundesregierung für ein volles Jahr auf 2,7 Mrd. €.
II. Vereinbarkeit mit Unionsrecht
1. MwStSystRL
[i]Steuerermäßigung sowohl für Speisen als auch Getränke unionsrechtlich zulässigDie EU-Mitgliedstaaten dürfen grundsätzlich nur auf solche Arten von Umsätzen einen ermäßigten Steuersatz anwenden, die in der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (MwStSystRL) ausdrücklich aufgeführt sind. Sie sind allerdings keinesfalls verpflichtet, von einer unionsrechtlich möglichen Steuerermäßigung Gebrauch zu machen. Mangels Aufführung in der MwStSystRL war es den EU-Mitgliedstaaten bis zum grundsätzlich untersagt, auf Gastronomieumsätze ermäßigte Steuersätze anzuwenden. Dies änderte sich jedoch mit Wirkung vom durch die Richtlinie 2009/47/EG zur Änderung der MwStSystRL in Bezug auf ermäßigte Steuersätze (ABl EU 2009 Nr. L 116 S. 18). Danach können die EU-Mitgliedstaaten auf Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen ermäßigte Steuersätze anwenden mit der Möglichkeit, die Abgabe von (alkoholischen und/oder alkoholfreien) Getränken auszuklammern (Art. 98 Abs. 2 i. V. mit Anhang III Nr. 12a MwStSystRL). Danach ist der Ausschluss von alkoholischen und nichtalkoholischen Getränken von der Steuerermäßigung zwar möglich, aber nicht zwingend. Somit wäre nach Unionsrecht die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf die Abgabe sowohl alkoholischer als auch alkoholfreier Getränke zulässig.
2. Besteuerung von Gastronomieumsätzen in anderen EU-Mitgliedstaaten
[i]Viele EU-Mitgliedstaaten besteuern Gastronomieumsätze ermäßigtAufgrund von Ausnahmeregelungen hatten viele EU-Mitgliedstaaten auch schon vor dem auf Gastronomieumsätze ermäßigte Steuersätze angewendet, z. B. Griechenland, Spanien, Irland, Luxemburg, die Niederlande, Österreich, Portugal, Zypern, Ungarn, Polen und Slowenien. Die Hotellerie- und Tourismusbranche in Deutschland hat unter Hinweis auf diese Steuerermäßigungen insbesondere in den an Deutschland angrenzenden Nachbarstaaten wiederholt gefordert, auch in Deutschland den ermäßigten Steuersatz auf entsprechende Umsätze anzuwenden. Verschiedene Bundesregierungen sahen in den unterschiedlichen Steuersätzen innerhalb der EU jedoch keine Nachteile zulasten der einheimischen Hotellerie und Gastronomie und haben derartige Forderungen bislang abgelehnt. Erst durch die prekäre Lage der Gastronomie aufgrund der COVID-19-Pandemie ist der Gesetzgeber umgeschwenkt, allerdings nur bezogen auf die Speisenabgabe und nur befristet vom bis .
III. Wer profitiert von der Absenkung des Steuersatzes?
1. Preisgestaltung nach Einführung neuer Steuerermäßigungen
[i]Gesetzgeber erwartet Stimulierung der Nachfrage und Belebung der KonjunkturNach der Begründung für die neue Steuerermäßigung in § 12 Abs. 2 Nr. 15 UStG erwartet der Gesetzgeber durch die Absenkung des Umsatzsteuersatzes eine Stimulierung der Nachfrage und eine Belebung der Konjunktur. Er will beobachten, wie sich die Änderung auf die Umsätze und die Abgabepreise auswirken wird (vgl. BT-Drucks. 19/19150 S. 11).
Die Preisgestaltung ist allein Sache des Unternehmers. Der Gesetzgeber kann durch die Einführung neuer Steuerermäßigungen zwar auf Preissenkungen zugunsten der S. 1840Endverbraucher hoffen. Staatliche Stellen können Unternehmer (hier Gastwirte usw.) jedoch nicht zwingen, Steuerermäßigungen an ihre Kunden (hier Gäste) weiterzugeben. Dies wurde zuletzt bei der Einführung des ermäßigten Steuersatzes auf Übernachtungsumsätze (§ 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG) zum deutlich, als kaum ein Hotelier die Endpreise für Hotelübernachtungen senkte.
[i]Auch Leistungserbringer können durch Steuerermäßigungen gefördert werdenBei der Einführung der Mehrwertsteuer in Deutschland zum sollten ermäßigte Steuersätze nach dem Willen des damaligen Gesetzgebers hauptsächlich den Konsumenten zugute kommen. Inzwischen räumt die Bundesregierung ein, dass ermäßigte Umsatzsteuersätze nicht ausschließlich im Interesse des privaten Letztverbrauchers, sondern unter anderem auch zur Förderung des Leistungserbringers gerechtfertigt sein könnten (Antwort der Bundesregierung vom auf die Fragen 8 und 9 einer Kleinen Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion, BT-Drucks. 19/11256 S. 5).