WertR 5

5 ZUM BODENWERT IN BESONDEREN FÄLLEN

5.1 GEMEINBEDARFSFLÄCHEN

Gemeinbedarfsflächen sind Flächen, die einer dauerhaften öffentlichen Zweckbindung, insbesondere auf Grund eines Bebauungsplans unterworfen (vor allem entsprechend den Festsetzungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 5 BauGB für der Allgemeinheit dienende bauliche Anlagen und Einrichtungen) und jeglichem privaten Gewinnstreben entzogen sind. Es handelt sich hier insbesondere um Festsetzungen für kirchliche, kulturelle, soziale und sportliche Zwecke, um Anlagen für (örtliche) Verwaltungen und Verkehrsflächen sowie sonstige Flächen, die für eine Zweckbestimmung festgesetzt wurden, die eine privatwirtschaftliche Nutzung ausschließt.

Es ist zu unterscheiden zwischen Flächen:

  • die bereits als Gemeinbedarfsflächen genutzt werden und im Gemeingebrauch verbleiben (bleibende Gemeinbedarfsflächen),

  • solchen, die einer privatwirtschaftlichen Nutzung zugeführt werden sollen (abgehende Gemeinbedarfsflächen) und

  • (bislang privatwirtschaftlich genutzten) Flächen, die für Gemeinbedarfszwecke erworben werden sollen (künftige Gemeinbedarfsflächen).

5.1.1 BLEIBENDE GEMEINBEDARFSFLÄCHEN 5.1.1.1 BEWERTUNGSGRUNDSÄTZE

Der Wert einer Gemeinbedarfsfläche einschließlich solcher, die unter Änderung der öffentlichen Zweckbindung einem anderen Gemeinbedarf zugeführt werden soll (z. B. Konversionsflächen), bemisst sich vorbehaltlich des unter Nr. 5.1.1.3 geregelten Falles nach dem Entwicklungszustand, der sich bei ersatzlosem Wegfall der bisherigen öffentlichen Zweckbindung (z. B. militärische Nutzung) auf Grund der allgemeinen Situationsgebundenheit (Umgebungssituation einschließlich deren Planungsrechte, Lage, Erschließungszustand, verkehrliche Anbindung, wirtschaftlich und städtebaulich sich aufdrängende Nutzbarkeit baulicher Anlagen) für das Grundstück ergibt (aktualisiertes Beschaffungswertprinzip). Der Wertermittlung sind der Entwicklungszustand und die Lagemerkmale unmittelbar vor dem Zeitpunkt, zu dem das Grundstück infolge der künftigen öffentlichen Zweckbestimmung von der konjunkturellen Weiterentwicklung ausgeschlossen worden ist, zu Grunde zu legen.

Wertänderungen, insbesondere Wertverbesserungen auf Grund von Erschließungsmaßnahmen, die der „weichende” Eigentümer durchgeführt oder durch entsprechende Beiträge entgolten hat, sind zu berücksichtigen, soweit sie im Rahmen einer geordneten städtebaulichen Entwicklung unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten der künftigen Gemeinbedarfsnutzung dienlich sein können.

Soweit Gemeinbedarfsflächen ausnahmsweise einen nicht unwesentlichen nachhaltigen Ertrag bringen, kann der Wert auf der Grundlage des Reinertrags ermittelt werden. Öffentliche Gebühren sind nicht als Erträge zu berücksichtigen.

5.1.1.2 ERSATZBESCHAFFUNG

Ist Ersatzbeschaffung geboten, so sind anstelle des Verkehrswerts der in Anspruch genommenen Fläche die notwendigen Kosten eines etwa bereitgestellten Grundstücks im Rahmen gleichartiger, gleichwertiger, u. U. auch fiktiver Maßnahmen zu Grunde zu legen. Gesetzliche Bestimmungen über den Umfang der Ersatzbeschaffung sind zu berücksichtigen, Vor- und Nachteile sind auszugleichen.

5.1.1.3 UNENTGELTLICHE ÜBERTRAGUNG UND ANERKENNUNGSBETRAG

Im Gemeingebrauch befindliche Gemeinbedarfsflächen sind im Übrigen nicht zu werten, soweit gesetzliche Regelungen vorhanden sind, die eine unentgeltliche Übertragung vorsehen. Dies gilt vor allem bei Gemeinbedarfsflächen, die nach dem Eigentümerwechsel derselben öffentlichen Nutzung vorbehalten bleiben. Soweit keine derartigen Regelungen bestehen, ist, da grundsätzlich keine rentierliche Nutzung aus den angesprochenen Flächen zu ziehen ist, allenfalls ein geringer Anerkennungsbetrag in Ansatz zu bringen (z. B. bei im Gemeingebrauch befindlichen Verkehrs- und Grünflächen, bei Wechsel der Straßenbaulast von Straßenbaugrundstücken).

Dienen Grundstücke oder Grundstücksteile dem Gemeinbedarf, ohne dass die Eigentums- und Entschädigungsfragen geregelt worden sind, ist allerdings vorab zu klären, ob ein Anspruch auf Entschädigung besteht, der ggf. nach Nummer 5.1.3 zu behandeln ist. Entscheidend ist die nach Landesrecht und nach Ortssatzung mögliche unterschiedliche Regelung.

5.1.2 ABGEHENDE GEMEINBEDARFSFLÄCHEN

Verlieren Gemeinbedarfsflächen ihre öffentliche Zweckbindung, so ist für den Verkehrswert derartiger Flächen die ausgewiesene bzw. die zu erwartende privatwirtschaftliche Qualität unter Berücksichtigung der Wartezeit maßgebend. Dabei kann der Verkehrswert der umliegenden Grundstücke herangezogen werden.

Soweit Umstände vorhanden sind, die sich wertmindernd gegenüber den angrenzenden Grundstücken auswirken, sind sie angemessen zu berücksichtigen (z. B. Aufwendungen infolge Abbruchs des Straßenkörpers, Rekultivierung).

5.1.3 KÜNFTIGE GEMEINBEDARFSFLÄCHEN

Der Wert von Grundstücken, die für Gemeinbedarfszwecke zu beschaffen sind, bestimmt sich nach den maßgeblichen entschädigungsrechtlichen Bestimmungen. In der Regel ist der Wertermittlung der Zeitpunkt zu Grunde zu legen, in dem ein endgültiger Ausschluss von jeder konjunkturellen Weiterentwicklung erfolgte (enteignungsrechtliche Vorwirkung). Bei der Wertermittlung sind die allgemeinen Grundsätze, wie sie sich aus diesen Richtlinien, insbesondere aus Nr. 6 ergeben, uneingeschränkt anzuwenden. Diese Ausführungen gelten sinngemäß auch für die Grundstücke, die für Zwecke der Verteidigung beschafft werden sollen.

Bei Abtretung von Teilflächen für Zwecke des Gemeinbedarfs vgl. Nr. 5.2.

5.2 TEILFLÄCHEN

Teilflächen im Sinne der folgenden Ausführungen sind in der Regel unselbständige Flächen, die aus einer wirtschaftlichen Einheit abgetrennt und einer anderweitigen Zweckbestimmung, insbesondere dem Gemeinbedarf zugeführt werden sollen. Dazu gehören Vorgarten-, Vorderland-, Vorland-, Seiten- und Hinterlandflächen; sie können bebaut oder nicht bebaut, bebaubar, beschränkt bebaubar oder nicht bebaubar sein.

Bei der Ermittlung des Werts der Teilflächen ist grundsätzlich nach der Differenzmethode zu verfahren; dabei ist der Wert des Gesamtgrundstücks vor der Abtretung mit dem Wert des Restgrundstücks zu vergleichen. In geeigneten Fällen kommen die Verschiebemethode, Durchschnittswerte oder Bruchteilswerte als Anwendungsfälle der Differenzmethode in Betracht. Die Vorschriften über die im Ersten Teil aufgeführten Verfahren sind entsprechend zu berücksichtigen.

Werden mit der Inanspruchnahme von Teilflächen Gebäude, Außenanlagen oder besondere Betriebseinrichtungen betroffen, so sind deren Wertanteile nach den Grundsätzen des Ersten Teils zu ermitteln.

Dabei ist zu prüfen, ob und inwieweit das Vorhandensein von Außenanlagen (z. B. Aufwuchs) den Wert des Grundstücks beeinflusst.

Andere Vermögensnachteile (z. B. § 96 BauGB), soweit sie bei der Wertermittlung nach den folgenden Nummern nicht berücksichtigt sind, müssen im Rahmen oder zur Abwendung der Enteignung ggf. gesondert erfasst werden.

Das gleiche gilt für Vermögensvorteile, die bei Abtretung der Teilfläche entstehen (z. B. § 93 Abs. 3 BauGB); ggf. können Vor- und Nachteile gleichzeitig ermittelt und miteinander ausgeglichen werden.

Werden Teilflächen eines unbebauten Grundstücks in Anspruch genommen und ändert sich dabei die relative Bebaubarkeit (rechnerische Bebaubarkeit in m2) des Restgrundstücks gegenüber der des ursprünglichen Grundstücks, z. B. infolge einer Verminderung durch rückwärtige Baulinien oder Abstandsflächen bzw. Erhöhung infolge Beibehaltung der ursprünglichen absoluten Bebaubarkeit, so ist der Wert der Teilfläche nach der Differenzwertmethode zu ermitteln. In geeigneten Fällen, etwa wenn ein Grundstück baurechtlich nicht notwendige Freiflächen enthält, kann dies nach der Verschiebemethode erfolgen; hierbei kann z. B. der Bodenwert des rückwärtigen Grundstücksteils maßgebend für die zu beurteilende Teilfläche (Vorland) sein.

Haben sich auf dem örtlichen Markt Bruchteilswerte gebildet, können diese zur Ermittlung des Werts der in Anspruch genommenen Teilfläche herangezogen werden.

Ändert sich die relative Bebaubarkeit nicht, so ist für die Teilfläche in der Regel der Durchschnittswert der ungeteilten Fläche maßgebend.

Dienen Teilflächen bereits seit Jahrzehnten als öffentliche Verkehrs- und Grünflächen ohne dass die Eigentumsverhältnisse geklärt sind, so ist Nummer 5.1.1.1 anzuwenden. Für die neuen Bundesländer ist das VerkFlBerG zu beachten.

Bei der Ermittlung des Werts der Teilflächen bzw. der Wertminderung bebauter Grundstücke finden die vorstehenden Grundsätze entsprechend Anwendung. Hierbei ist jedoch die Funktion der Teilfläche für das bebaute Grundstück – insbesondere eine bisherige Schutzfunktion als Vorgarten – angemessen zu berücksichtigen. Soweit die bauliche Nutzbarkeit des Restgrundstücks durch die Inanspruchnahme der Teilfläche beeinträchtigt wird und diese Beeinträchtigung erst nach Beseitigung des Gebäudes eintritt, ist dem unter Beachtung der Restnutzungsdauer Rechnung zu tragen (Gegenwartswert einer erst zukünftig wirksam werdenden Beeinträchtigung).

Für Teilflächen, die eine zugelassene selbständige Nutzung aufweisen, z. B. Aufstellung von Schaukästen, Automaten u. a. m., ist in der Regel der auf den Ertragsverhältnissen beruhende Wert maßgebend.

5.3 WASSERFLÄCHEN 5.3.1 DEFINITION

Wasserflächen im Sinne dieser Richtlinien sind die von oberirdischen Gewässern ständig bedeckten Flächen, z. B. Seen, Teiche, freifließende und staugeregelte Flüsse, Kanäle, Häfen, Talsperren, Meeresteile.

5.3.2 BEGRENZUNGSLINIEN

Die Abgrenzung der Gewässer gegen ihre Ufer richtet sich nach den wasserrechtlichen Vorschriften. Zu Grunde zu legen ist in der Regel die zuletzt festgestellte Uferlinie, bei staugeregelten Flüssen und Kanälen die Wasserlinie bei Normalstau. Auskunft über den Verlauf der Begrenzungslinien erteilen die zuständigen Stellen, z. B. die Wasserbehörden.

5.3.3 RECHTLICH ZULÄSSIGE NUTZUNGSMÖGLICHKEIT

Der Verkehrswert von Wasserflächen hängt vor allem ab von der rechtlich zulässigen Nutzungsmöglichkeit; ggf. ist der Herrichtungsaufwand zu berücksichtigen. Eine über den Gemeingebrauch bzw. Eigentümer- oder Anliegergebrauch hinausgehende Nutzungsmöglichkeit entsteht in der Regel durch öffentlich-rechtliche Erlaubnisse, Bewilligungen und Genehmigungen.

5.3.4 ERMITTLUNG DES VERKEHRSWERTS AUS BENACHBARTEN LANDFLÄCHEN

Vielfach besteht eine Abhängigkeit zwischen dem Verkehrswert einer Wasserfläche und dem Verkehrswert einer mit dieser Wasserfläche in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Landfläche. Diese liegt in aller Regel in dem der Wasserfläche benachbarten Uferbereich. Unmittelbare Nachbarschaft braucht nicht zu bestehen.

Im Normalfall wird der Verkehrswert der Wasserfläche niedriger sein als der Verkehrswert der Bezugsfläche an Land, weil die Nutzung der Wasserfläche durch die Natur der Gewässer eingeschränkt oder erschwert ist. Der Verkehrswert der Wasserfläche ist ein mit sachverständigem Ermessen ermittelter Vomhundertsatz des Verkehrswerts der Bezugsfläche an Land. Die Höhe dieses Vomhundertsatzes bestimmt sich insbesondere nach dem Grad des wirtschaftlichen Zusammenhangs der Wasserfläche mit der Bezugsfläche. In der Regel liegt der Verkehrswert der Wasserfläche bei 50 v. H. des Verkehrswerts der Bezugsfläche.

5.3.5 ERMITTLUNG DES VERKEHRSWERTS AUS VERGLEICHSPREISEN

Wenn kein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Wasser- und Landflächen besteht, bilden Vergleichspreise die Grundlage für die Ermittlung des Verkehrswerts der Wasserfläche.

5.3.6 ERMITTLUNG DES VERKEHRSWERTS AUS DEM ERTRAG

Bei ertragsorientierten Nutzungen, wie z. B. Häfen und Fischteichen, kann der Verkehrswert der Wasserfläche aus dem daraus erzielten Ertrag ermittelt werden.

5.3.7 WERT VORHANDENER ANLAGEN

Für die Ermittlung des Werts von Anlagen, wie z. B. Uferbefestigungen und Dalben, kommt das Sachwertverfahren in Betracht. Aufwendungen des Gewässereigentümers für Ausbau und Unterhaltung bleiben im Regelfall außer Betracht.

5.3.8 ZU- UND ABSCHLÄGE

Zu- und Abschläge sind vorzunehmen, wenn z. B. rechtliche Belastungen oder tatsächliche Nutzungserschwernisse einen wesentlichen Einfluss auf die rechtlich zulässige Nutzungsmöglichkeit haben.

5.3.9 BEWERTUNG VON RECHTEN UND BELASTUNGEN

Selbständige Fischereirechte, Berechtigungen zur Gewinnung von Bodenschätzen u. ä. sind gesondert zu werten, wenn sie mit dem Verkehrswert der Wasserfläche nicht abgegolten sind.

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IAAAD-21508