1 VORBEMERKUNG
Diese Richtlinien treten an die Stelle der Richtlinien vom 19. Juli 2002 (BAnz. Nr. 238a vom 20. Dezember 2002) des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen. Sie enthalten in Ergänzung der Wertermittlungsverordnung (WertV) vom 6. Dezember 1988 (BGBl I S. 2209), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 18. August 1997 (BGBl. I S. 2081), Hinweise für die Ermittlung des Verkehrswerts von unbebauten und bebauten Grundstücken sowie von Rechten an Grundstücken. Ihre Anwendung soll eine objektive Ermittlung des Verkehrswerts von Grundstücken nach einheitlichen und marktgerechten Grundsätzen und Verfahren sicherstellen.
Die Richtlinien sind verbindlich, soweit ihre Anwendung angeordnet wird.
Bei land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücken sind ergänzende bzw. abweichende Bestimmungen zu beachten, z. B. die Waldermittlungsrichtlinien – WaldR 2000 vom 12. Juli 2000 (BAnz. Nr. 168 vom 6. September 2000) und die Entschädigungsrichtlinien Landwirtschaft – LandR 78 – vom 28. Juli 1978 (BAnz Nr. 181a vom 26. September 1978).
1.1 GESETZLICHE REGELUNGEN UND ANDERE VORSCHRIFTEN
Als Grundlage für die Wertermittlung von Grundstücken sind insbesondere folgende Gesetze und Vorschriften in ihrer jeweils geltenden Fassung von besonderer Bedeutung:
Bundeshaushaltsordnung (BHO)
Baugesetzbuch (BauGB)
Wohnraumförderungsgesetz (WoFG)
Baunutzungsverordnung (BauNVO)
Verordnung über die Aufstellung von Betriebskosten (BetrKV)
Verordnung zur Berechnung der Wohnfläche (WoFlV)
Zweite Berechnungsverordnung (II. BV)
Bundeskleingartengesetz (BKleingG)
Bundes-Bodenschutzgesetz (BBodSchG)
In den neuen Bundesländern sind darüber hinaus die besonderen vermögensrechtlichen Gesetze und Verordnungen zu beachten, insbesondere:
Sachenrechtsbereinigungsgesetz (SachenRBerG)
Schuldrechtsanpassungsgesetz (SchuldRAnpG)
Grundstücksrechtsbereinigungsgesetz (GrundRBerG)
Nutzungsentgeltverordnung (NutzEV)
Verkehrsflächenbereinigungsgesetz (VerkFlBerG)
Weiterhin sind insbesondere folgende Normen zu beachten:
DIN 276 Kosten von Hochbauten
DIN 277 Grundflächen und Rauminhalte von Bauwerken im Hochbau
1.2 GUTACHTENERSTELLUNG UND VERWENDUNG DER ANLAGEN 1 UND 2
Die Anlagen 1 und 2 dieser Richtlinien können insbesondere bei einfachen Fällen der Wertermittlung und bei Massenbewertungen Anwendung finden.
Die nachstehenden Ausführungen folgen der Systematik dieser Anlagen.
Für die Gutachtenerstellung ist grundsätzlich eine Ortsbesichtigung vorzunehmen.
Die Ergebnisse der Wertermittlung sind zusammenfassend darzustellen.
1.3 DEFINITION DES VERKEHRSWERTS (MARKTWERTS)
Nach § 194 BauGB wird der Verkehrswert (Marktwert) von Grundstücken durch den Preis bestimmt, der in dem Zeitpunkt, auf den sich die Ermittlung bezieht (Wertermittlungsstichtag), im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach den rechtlichen Gegebenheiten und tatsächlichen Eigenschaften, der sonstigen Beschaffenheit und der Lage des Grundstücks oder des sonstigen Gegenstands der Wertermittlung ohne Rücksicht auf ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse zu erzielen wäre.
1.4 GEGENSTAND DER WERTERMITTLUNG
Nach § 2 WertV können Gegenstand der Wertermittlung das Grundstück oder ein Grundstücksteil einschließlich seiner Bestandteile, wie Gebäude, Außenanlagen und sonstige Anlagen sowie das Zubehör sein. Gegenstand der Wertermittlung können auch besondere Betriebseinrichtungen sein.
Bestandteile eines Grundstücks sind insbesondere Rechte, die mit dem Eigentum an einem Grundstück verbunden sind, seien sie privatrechtlicher Art, wie Dienstbarkeiten oder öffentlich-rechtlicher Art, wie Baulasten.
Auch Belastungen und ihr wertmindernder Einfluss können Gegenstand der Wertermittlung sein.
Einzelne Bestandteile von Grundstücken können auch selbständig Gegenstand der Wertermittlung sein.
1.5 GRUNDLAGEN DER WERTERMITTLUNG 1.5.1 STICHTAG FÜR DIE ALLGEMEINEN WERTVERHÄLTNISSE UND DEN MAßGEBLICHEN GRUNDSTÜCKSZUSTAND (NR. 0.4 DER ANLAGE 1 BZW. NR. 0.7 DER ANLAGE 2)
Nach § 3 WertV sind zur Ermittlung des Verkehrswerts eines Grundstücks
die allgemeinen Wertverhältnisse auf dem Grundstücksmarkt in dem Zeitpunkt zu Grunde zu legen, auf den sich die Wertermittlung bezieht (Wertermittlungsstichtag) und
der maßgebliche, der Wertermittlung zu Grunde liegende Zustand des Grundstücks festzustellen und zu beschreiben.
In den meisten Wertermittlungsfällen sind der Zustand des Grundstücks und die allgemeinen Wertverhältnisse am Grundstücksmarkt auf denselben Zeitpunkt (Wertermittlungsstichtag) zu beziehen, es sei denn, dass aus rechtlichen oder sonstigen Gründen der Zustand des Grundstücks zu einem anderen Zeitpunkt (Qualitätsstichtag) maßgebend ist.
Insbesondere bei Wertermittlungen zur Feststellung von Enteignungsentschädigungen ist häufig vom Zustand des Grundstücks in einem zurückliegenden Zeitpunkt auszugehen, während die Wertverhältnisse zum aktuellen Wertermittlungsstichtag zu Grunde zu legen sind. Von Bedeutung ist dies auch im Rahmen von Wertermittlungen bei Umlegungsverfahren, sowie Entwicklungs- und Sanierungsverfahren.
1.5.2 ZUSTAND – ALLGEMEINES
Nach § 3 Abs. 2 WertV bestimmt sich der Zustand eines Grundstücks nach der Gesamtheit der den Verkehrswert beeinflussenden Umstände, insbesondere den rechtlichen Gegebenheiten und tatsächlichen Eigenschaften, der sonstigen Beschaffenheit und der Lage des Grundstücks. Hierzu gehören insbesondere der Entwicklungszustand (§ 4 WertV), die Art und das Maß der baulichen Nutzung, die wertbeeinflussenden Rechte und Belastungen, der beitrags- und abgabenrechtliche Zustand, die Wartezeit bis zu einer baulichen oder sonstigen Nutzung, die Bodenbeschaffenheit, die Eigenschaft des Grundstücks und die Lagemerkmale (§ 5 WertV).
Die künftige Nutzbarkeit des Grundstücks auf Grund absehbarer Änderung ist zu berücksichtigen, sofern dies nicht rechtlich auszuschließen ist (vgl. Nr. 3.1.4.1).
Der Entwicklungszustand bestimmt sich insbesondere durch den planungsrechtlichen Zustand eines Grundstücks und ist bei bebauten und unbebauten Grundstücken gleichermaßen von Bedeutung.
In § 4 WertV werden folgende Entwicklungszustände definiert:
Flächen der Land- oder Forstwirtschaft,
Bauerwartungsland,
Rohbauland,
Baureifes Land.
1.5.3 ALLGEMEINE WERTVERHÄLTNISSE
Nach § 3 Abs. 3 WertV bestimmen sich die allgemeinen Wertverhältnisse auf dem Grundstücksmarkt nach der Gesamtheit der am Wertermittlungsstichtag für die Preisbildung von Grundstücken im gewöhnlichen Geschäftsverkehr für Angebot und Nachfrage maßgebenden Umstände, wie die allgemeine Wirtschaftssituation, der Kapitalmarkt und die Entwicklungen am Ort (Marktlage).
Es handelt sich bei den allgemeinen Wertverhältnissen um eine Vielzahl von Umständen, die zum Teil ganz allgemein und überall vorliegen (z. B. Entwicklung des Zinsniveaus) oder nur örtlich anzutreffen sind sowie solche, die nur Grundstücksmärkte bestimmter Grundstücksarten betreffen.
Die Vergleichspreise und sonstigen Daten der Wertermittlung sind möglichst auf der Grundlage geeigneter Indexreihen und Umrechnungskoeffizienten an die maßgeblichen allgemeinen Wertverhältnisse auf dem Grundstücksmarkt anzupassen.
1.5.4 UNGEWÖHNLICHE ODER PERSÖNLICHE VERHÄLTNISSE
Nach § 6 WertV dürfen zur Wertermittlung und zur Ableitung erforderlicher Daten für die Wertermittlung grundsätzlich nur Daten herangezogen werden, die nicht durch ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse beeinflusst worden sind, es sei denn, dass die Auswirkungen auf die Kaufpreise und die anderen Daten sicher erfasst werden können.
Kriterien für eine mögliche Beeinflussung der Kaufpreise durch ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse enthält § 6 Abs. 2 und 3 WertV. Entscheidender Anhaltspunkt für das Vorliegen einer solchen Beeinflussung des Kaufpreises und anderer Daten der Wertermittlung ist eine erhebliche Abweichung von vergleichbaren Daten.
Die Höhe dieser „erheblichen” Abweichungen ist nicht fest definierbar, sondern abhängig von der Homogenität bzw. Heterogenität des jeweiligen Grundstücksmarkts.
Stammen die Vergleichsdaten aus Auskünften nach § 195 Abs. 3 BauGB oder Veröffentlichungen von Gutachterausschüssen für Grundstückswerte, so kann in der Regel davon ausgegangen werden, dass diese Daten von ungewöhnlichen oder persönlichen Verhältnissen nicht beeinflusst oder nach § 6 Abs. 1 Satz 2 WertV bereinigt worden sind.
1.5.5 ALLGEMEINES ZU DEN WERTERMITTLUNGSVERFAHREN
Der Verkehrswert ist mit Hilfe geeigneter Verfahren zu ermitteln. Neben den in § 7 WertV genannten Verfahren (Vergleichs-, Ertrags- und Sachwertverfahren) können auch andere Wertermittlungsverfahren angewandt werden, wenn diese zu sachgerechten Ergebnissen führen und das Wertbild nicht verzerren.
Das Vergleichswertverfahren wird angewandt, wenn sich der Grundstücksmarkt an Vergleichspreisen orientiert. Es ist das Regelverfahren für die Ermittlung des Bodenwerts unbebauter sowie bebauter Grundstücke. [1]
Das Ertragswertverfahren ist vor allem für Verkehrswertermittlungen von Grundstücken heranzuziehen, die im gewöhnlichen Geschäftsverkehr im Hinblick auf ihre Rentierlichkeit gehandelt werden (z. B. Mietwohnhäuser, Gewerbeimmobilien, Sonderimmobilien). [2]
Das Sachwertverfahren steht im Vordergrund, wenn im gewöhnlichen Geschäftsverkehr der verkörperte Sachwert und nicht die Erzielung von Erträgen für die Preisbildung ausschlaggebend ist, insbesondere bei eigengenutzten Ein- und Zweifamilienhäusern. [3]
Insbesondere bei Anwendung des Sach- oder Ertragswertverfahrens führen die Verfahren nicht unmittelbar zum Verkehrswert, sondern lediglich zum Ertrags- oder Sachwert.
Der Verkehrswert ist aus dem Ergebnis oder den Ergebnissen der angewandten Verfahren unter Berücksichtigung der Lage auf dem Grundstücksmarkt abzuleiten. Liegen aus mehreren angewandten Verfahren verschiedene Ergebnisse vor, so sind diese nach § 7 WertV bei der Bemessung des Verkehrswerts entsprechend ihrer Aussagefähigkeit unter Beachtung der Lage auf dem Grundstücksmarkt zu würdigen.
Zu weiteren Aussagen zu den einzelnen Wertermittlungsverfahren und deren Anwendung vgl. unter Nr. 2 (Wertermittlung unbebauter Grundstücke) und unter Nr. 3 (Wertermittlung bebauter Grundstücke).
Fundstelle(n):
zur Änderungsdokumentation
IAAAD-21508
1Anm. d. Red.: Nr. 1.5.5 Abs. 2 ersetzt gem. Nr. 1 Abs. 1 Vergleichswertrichtlinie (VW-RL) v. 20.3.2014 (BAnz AT 11.4.2014 B3) mit Wirkung v. 20.3.2014.
2Anm. d. Red.: Nr. 1.5.5 Abs. 3 ersetzt gem. Nr. 1 Abs. 1 Ertragswertrichtlinie (EW-RL) v. 12.11.2015 (BAnz AT 4.12.2015 B4) mit Wirkung v. 12.11.2015.
3Anm. d. Red.: Nr. 1.5.5 Abs. 4 ersetzt gem. Nr. 1 Abs. 3 Sachwertrichtlinie (SW-RL) v. 5.9.2012 (BAnz AT 18.10.2012 B1) mit Wirkung v. 5.9.2012.