Reform Radar - Mittwoch, 13.03.2024

Viertes Bürokratieentlastungsgesetz

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Aktueller Stand:

  • : Bundesregierung beschließt BEG IV

  • : BMJ veröffentlicht Referentenentwurf des BEG IV auf seiner Homepage

Hintergrund: Im Koalitionsvertrag "Mehr Fortschritt wagen" für die 20. Legislaturperiode haben die Regierungsparteien vereinbart, überflüssige Bürokratie zu bekämpfen, und in diesem Rahmen auch ein weiteres Bürokratieentlastungsgesetz vorzuschlagen (Koalitionsvertrag Zeilen 970 ff.). Mit dem Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Entlastung der Bürgerinnen und Bürger, der Wirtschaft sowie der Verwaltung von Bürokratie (BEG IV) und einer Sammelverordnung zum Bürokratieabbau auf Ebene des Verordnungsrechts hat die Bundesregierung ein Maßnahmenpaket auf den Weg gebracht, das Bürger, Wirtschaft und Verwaltung von unnötiger Bürokratie entlasten sollt, um wirtschaftliche, gesellschaftliche und soziale Potenziale zu heben, ohne hierbei auf notwendige Schutzstandards zu verzichten.

Folgende Maßnahmen sind vorgesehen:

1. Verkürzung der Aufbewahrungsfristen für Buchungsbelege im Steuer- und Handelsrecht:

Nach bisher geltendem Recht sind Buchungsbelege grundsätzlich zehn Jahre aufzubewahren. Die Aufbewahrungsfrist für diese Belege soll auf acht Jahre verkürzt werden. Im Einzelnen betrifft dies Änderungen des HGB, des Einführungsgesetzes zum HGB, der AO und des EGAO sowie des UStG.

2. Zentrale Vollmachtsdatenbank für steuerberatende Berufe:

Eine zentrale Vollmachtsdatenbank der Steuerberater soll es künftig ermöglichen, dass Arbeitgeber ihren Steuerberatern nicht mehr zahlreiche schriftliche Vollmachten für die jeweiligen Träger der sozialen Sicherung ausstellen müssen, sondern eine Generalvollmacht genügt, die in der Vollmachtsdatenbank elektronisch eingetragen und von allen Trägern der sozialen Sicherung abgerufen werden kann

3. Abbau von Melde- und Informationspflichten

Die Hotelmeldepflicht für deutsche Staatsangehörige soll entfallen.

Daneben soll durch die Anhebung von Schwellenwerten in § 18 UStG (Artikel 5 Nr. 2) die Anzahl der abzugebenden Umsatzsteuer-Voranmeldungen reduziert werden. Ebenfalls ist im Entwurf die Anhebung der Bagatellgrenze bei der Differenzbesteuerung in § 25a Abs. 4 UStG enthalten (Artikel 5 Nummer 3).

Darüber hinaus sieht der Entwurf die Abschaffung von Anzeige- beziehungsweise Informationspflichten in weiteren Bereichen vor. Dazu gehört die Aufhebung einer Nachweisführungspflicht in der WPO (Artikel 32), einer Anzeigepflicht nach dem Mess- und Eichgesetz (MessEG; Artikel 35) sowie einer Informationspflicht nach dem Fünften Vermögensbildungsgesetz (5. VermBG; Artikel 43).

4. Maßnahmen zur Förderung der Digitalisierung

Der digitale Wandel soll insbesondere durch den Verzicht oder die Absenkung von Formerfordernissen im Zivilrecht gefördert werden. So soll beispielsweise das Schriftformerfordernis für Gewerberaum-Mietverträge gestrichen und auf die Textform nach § 126b BGB herabgestuft werden. Weitere Erleichterungen im Hinblick auf Formerfordernisse betreffen das Vereinsrecht und das Schuldrecht. Auch im Wirtschaftsrecht und in verschiedenen berufsrechtlichen Bestimmungen sollen Schriftformerfordernisse herabgestuft werden; dort soll dann künftig überwiegend die Textform gelten.

Darüber hinaus soll die Digitalisierung insbesondere durch folgende Maßnahmen gefördert werden:

  • Änderungen im Passgesetz: Bei der Flugabfertigung sollen Reisepässe künftig digital ausgelesen werden können.

  • Änderungen des BGB, des HGB, der BNotO und der Versteigererverordnung sollen es künftig erlauben, öffentliche Versteigerungen online per Live-Stream mit Online-Gebotsabgaben oder in hybrider Form (vor Ort und virtuell) durchzuführen.

  • Vermieter sollen künftig bei Betriebskostenabrechnungen Belege auch digital zur Einsichtnahme bereitstellen können.

  • Zeugnisse über Dienst- und Arbeitsverhältnisse sollen künftig auch in elektronischer Form (§ 126a BGB) erteilt werden können.

  • Das Berufsrecht der Wirtschaftsprüfer soll künftig zum Zweck der Förderung der Digitalisierung die elektronische Durchführung von schriftlichen Examensprüfungen ermöglicht werden. Zudem soll die elektronische Kommunikation der Wirtschaftsprüferkammer und ihren Mitgliedern gefördert werden (Artikel 32).

  • Im Nachweisgesetz (NachwG) soll im Hinblick auf die Erbringung des Nachweises der wesentlichen Vertragsbedingungen ein Nachweisersatz auch durch in elektronischer Form (§ 126a BGB) geschlossene Arbeits- und Änderungsverträge ermöglicht werden.

  • Die Einführung der Textform für Anträge auf Elternzeit soll die Kommunikation zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern erleichtern. Zudem soll der automatisierte Datenabruf bei den Standesämtern den Nachweis von Geburten bei der Beantragung von Elterngeld erleichtern.

  • Auch Änderungen im Arbeitszeitgesetz und im Jugendarbeitsschutzgesetz sollen die stärkere Nutzung digitaler Verfahren widerspiegeln.

  • Die Änderung des SGB II und des SGB IV soll die elektronische Übertragung der Daten über die Arbeitsunfähigkeit von Empfängern von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende von den gesetzlichen Krankenkassen an die zuständigen Behörden erlauben.

5. Projekte zur Verwaltungsvereinfachung und -beschleunigung

Weitere Änderungen zielen auf eine Vereinfachung von Verwaltungsabläufen beziehungsweise deren Beschleunigung ab. Dies betrifft insbesondere folgende Regelungen:

  • Die Änderungen des Unterhaltsvorschussgesetzes sollen Beginn und Dauer der Unterhaltsleistungen klarstellen. Außerdem sollen die für die Vorschussgewährung zuständigen Stellen das Recht erhalten, bei Wegfall einer Anspruchsvoraussetzung die Leistung vorläufig einzustellen, ohne zuvor einen Bescheid zu erlassen. Darüber hinaus soll es wieder möglich sein, auf das Land übergegangene Unterhaltsansprüche gegenüber den barunterhaltspflichtigen Elternteilen, die Grundsicherung für Arbeitssuchende erhalten, zu verfolgen.

  • Durch die Einführung der Möglichkeit der angemessenen Verkürzung der Äußerungsfirst im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung soll die Durchführung der Öffentlichkeitsbeteiligung in Zulassungsverfahren mit Umweltverträglichkeitsprüfung, in denen aufgrund von Änderungen des Vorhabens eine erneute Beteiligung der Öffentlichkeit erforderlich ist, beschleunigt werden.

  • Durch eine Ergänzung der BNotO soll klargestellt werden, dass Notare, die Erklärungen im Zusammenhang mit einer Unternehmensgründung beurkunden oder beglaubigen, befugt sind, für die Beteiligten Anzeigen zu erstatten, Mitteilungen vorzunehmen und Anträge zu stellen, die im Zusammenhang mit der Gründung stehen.

  • Durch die Änderung des Investmentsteuergesetzes (InvStG; Artikel 29) soll ein unbeabsichtigt entstandener Zusatzaufwand bei der Veranlagung von Spezial-Investmentfonds korrigiert und ein ähnlicher Rechtszustand wie vor dem Kreditzweitmarkförderungsgesetz hergestellt werden.

  • Durch Änderung des EStG soll die Geltungsdauer von Freistellungsbescheinigungen bei der Kapitalertragsteuer und beim Steuerabzug bei beschränkt Steuerpflichtigen gemäß §50a EStG von drei auf fünf Jahre verlängert werden (Artikel 30). Hierdurch soll sowohl der Verwaltungsaufwand für die Beantragung von Freistellungsbescheinigungen bei Steuerpflichtigen wie der Steuerverwaltung reduziert werden.

  • Im Bundesberggesetz soll klargestellt werden, dass oberflächennahe Geothermie bis 400 Meter Tiefe grundsätzlich nicht dem Bergrecht unterfällt. Dies soll die Bergbehörden von Prüfungen entlasten und die Nutzung geothermischer Energie erleichtern.

  • Im Bundesnaturschutzgesetz soll der Erlass allgemeiner Verwaltungsvorschriften geregelt werden, um so die artenschutzrechtliche Prüfung in Bezug auf ausgewählte und im Schienenbereich besonders relevante Arten fachgerecht zu standardisieren. Hierdurch soll das Prüfungsverfahren im Rahmen der Ertüchtigung des Schienennetzes vereinfacht werden, ohne dass der Schutzumfang abgesenkt wird.

  • Klarstellungen im BEEG und eine Folgeänderung in der Elternzeitverordnung für Soldaten sollen nicht nur Rechtsklarheit für Bürger schaffen, sondern auch das Verfahren bei den zuständigen Behörden vereinfachen.

  • Mit der Änderung des SGB VI sowie Folgeänderungen im Finanzverwaltungsgesetz sollen Stichprobenprüfungen von Einkünften aus Kapitalvermögen bei der Grundrente abgeschafft werden. Die Annahmen, dass diese Stichproben erforderlich seien, haben sich nicht bestätigt.

  • Die Reformen im SGB VII und die Folgeänderungen in der Unfallversicherungs-Anzeigeverordnung sollen einen vereinfachten, einheitlichen Meldeweg für Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung (Arbeitsunfälle, Berufskrankheiten) schaffen.

  • Durch die Anpassung des Seesicherheits-Untersuchungs-Gesetz und die Folgeänderungen soll das Seeamtsverfahren und das Verfahren der Vorprüfstelle als gesondertes Verwaltungsverfahren aufgegeben und durch das standardisierte Verwaltungsverfahren nach der See-BV abgelöst werden, das dem Fahrerlaubnisentzug bei anderen Verkehrsträgern entspricht.

5. Weitere Erleichterungen, insbesondere Streichung überflüssiger Regelungen

Weitere geplante Änderungen dienen der Bereinigung des Bundesrechtes und damit dem Abbau unnötiger Bürokratie. Hierzu zählen unter anderem Änderungen des Heimarbeitsgesetzes, die Aufhebung des Gesetzes zur Abwicklung des Ausgleichsfonds nach dem Dritten Verstromungsgesetz (VerstromG3AbwG), des Steinkohlebeihilfengesetzes (VerstromG 5) sowie der entbehrlich gewordenen Verordnung über die Gründung, Tätigkeit und Umwandlung von Produktionsgenossenschaften des Handwerks (HwPGV).

Quelle: Regierungsentwurf des BEG IV (Stand: ) (il)

Nachrichten zum BEG IV

Aufsätze zum BEG IV

  • Hofele, Auswirkungen des BEG IV auf das Mietrecht,

  • Zimmermann, Viertes Bürokratieentlastungsgesetz – Verkürzung der Aufbewahrungsfristen für Buchführungsbelege,

    Jahn, Gesetzentwurf für das Vierte Bürokratieentlastungsgesetz liegt vor,

  • Wenzel, Was bedeutet die geplante Verkürzung der Aufbewahrungsfristen für die Selbstanzeige?

Blog-Beiträge zum BEG IV

Stellungnahmen zum Referentenentwurf (Auswahl)

Gesetzesmaterialien

  • Regierungsentwurf (Stand: ), veröffentlicht auf der Homepage des BMJ

  • Referentenentwurf eines Wachstumschancengesetzes (Stand ), veröffentlicht auf der Homepage des BMJ

Sonstiges

Fundstelle(n):
NWB LAAAJ-58786