BFH Urteil v. - XI R 4/08

Voraussetzung zur Herabsetzung der Haftungsschuld wegen Erlösminderung beim Steuerschuldner; Uneinbringlichkeit von Forderungen

Leitsatz

Eine Umsatzsteuer-Haftungsschuld kann nur dann wegen Uneinbringlichkeit von Forderungen herabgesetzt werden, wenn die Uneinbringlichkeit im Haftungszeitraum eingetreten ist. Die objektive Beweislast hierfür trifft den Haftungsschuldner.

Gesetze: AO § 34, AO § 35, AO § 37, AO § 69, AO § 191 Abs. 1, UStG § 17 Abs. 1, UStG § 17 Abs. 2

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

1

I. Die Klägerinnen und Revisionsklägerinnen (Klägerinnen) und ihr inzwischen verstorbener Vater bzw. Ehemann (im Folgenden: E), waren Gesellschafter der früheren B-GmbH (im Folgenden: GmbH). Die Klägerin zu 2. und E, dessen Rechtsnachfolgerin die Klägerin zu 1. ist, waren jeweils alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführer.

2

Die GmbH stellte mit Wirkung zum ihren Geschäftsbetrieb ein. Mit notariellem Vertrag vom verkauften die Gesellschafter ihre Geschäftsanteile von nominal 100.000 DM zu einem Kaufpreis von 500 € an die I-GmbH mit Sitz in M. In der Gesellschafterversammlung vom selben Tage wurden die Firma der GmbH in A-GmbH geändert, die bisherigen Geschäftsführer abberufen und eine neue Geschäftsführerin bestellt. Am wurde die Löschung der vermögenslosen GmbH von Amts wegen im Handelsregister eingetragen.

3

Die GmbH hatte zunächst Umsatzsteuer-Voranmeldungen für die Monate Januar bis Dezember 2001 abgegeben, in denen keine Minderungen der Bemessungsgrundlage wegen Uneinbringlichkeit des vereinbarten Entgelts berücksichtigt waren. Nach Abschluss einer ersten Umsatzsteuer-Sonderprüfung gab die GmbH im Jahre 2002 berichtigte Voranmeldungen ab, in denen sie für das Jahr 2001 insgesamt Minderungen der Bemessungsgrundlage in Höhe von 315.211 DM geltend machte. In dem Bericht vom über die zweite Umsatzsteuer-Sonderprüfung heißt es unter Tz. 9, dass die GmbH ab Juni 2001 Erlösminderungen (Debitorenverluste) in Höhe von insgesamt 315.211,69 DM geltend gemacht habe. Die GmbH sei darauf hingewiesen worden, dass die Forderungen erst abgeschrieben werden könnten, wenn zweifelsfrei feststehe, dass der Schuldner zahlungsunfähig und überschuldet sei. Da es sich ggf. auch um Entgeltsminderungen wegen Mängel handele, werde dieser Sachverhalt vom Steuerberater der GmbH im Rahmen des Jahresabschlusses für 2001 genau geprüft werden. Eine abschließende Überprüfung bleibe einer ggf. später durchzuführenden Betriebsprüfung vorbehalten. Auf der Basis dieser Feststellungen erließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) am einen Bescheid über die Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Monat Dezember 2001, in dem die Umsatzsteuer ohne Berücksichtigung der Entgeltsminderungen von netto 180.616 DM festgesetzt wurde.

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Die GmbH zahlte die festgesetzte oder angemeldete Umsatzsteuer nicht. Die Pfändung des Kontos der GmbH führte nicht zum Erfolg.

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Die am eingereichte Umsatzsteuererklärung der GmbH für das Jahr 2001 enthielt ausweislich der beigefügten Erläuterungen keine Minderung der Bemessungsgrundlage wegen Uneinbringlichkeit von Forderungen. Das FA teilte mit Schreiben vom mit, dass der Umsatzsteuererklärung, die eine negative Umsatzsteuer von 14.096 € auswies, zugestimmt werde. Nach dem Abrechnungsteil ergab sich nach Abzug des bereits erstatteten Betrags von 50.019,14 € eine Zahllast von 35.923,14 € zuzüglich der bereits entstandenen Säumniszuschläge. Die Vollstreckungsversuche im September 2002 gegenüber der GmbH blieben ohne Erfolg.

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Bei der GmbH begann am eine Betriebsprüfung, die sich u.a. auch auf die Umsatzsteuer der Jahre 1999 bis 2001 erstreckte. An der Schlussbesprechung am nahmen die Klägerin zu 2. als ehemalige Geschäftsführerin und der Steuerberater der GmbH teil. Die Berechtigung zur Minderung der Bemessungsgrundlage wegen der Uneinbringlichkeit von Forderungen wurde nicht geprüft und blieb unberücksichtigt. Nach Tz. 1.1.3.2 des Berichts über die Betriebsprüfung vom wurde Einigung in allen Punkten erzielt. Die Prüfung führte zu einer Nachforderung von Umsatzsteuer für das Jahr 2001. Der Bescheid vom ist an die A-GmbH in M. adressiert.

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Mit Bescheiden vom nahm das FA die Klägerin zu 2. und E gemäß § 191 i.V.m. §§ 69, 34, 35 der Abgabenordnung (AO) als Haftungsschuldner in Anspruch. Dem jeweiligen Haftungsbescheid lag der sich aus der Aufstellung vom ergebende Betrag von 35.576,81 € zuzüglich der inzwischen auf 4.242,84 € angestiegenen Säumniszuschläge zugrunde.

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In den Einspruchsentscheidungen vom reduzierte das FA den Haftungsbetrag auf eine Haftungsquote von 75 % und auf Säumniszuschläge bis zum .

9

Im Klageverfahren machten die Klägerinnen geltend, es seien im Jahr 2001 Entgeltsminderungen wegen Uneinbringlichkeit von Forderungen in Höhe von insgesamt 315.211 DM eingetreten. Sie verwiesen zur Begründung auf ein umfangreiches, erläutertes Anlagenkonvolut mit Rechnungen und Belegen aus den Jahren 1998 bis 2001. Daraus geht hervor, welcher Kunde welche Rechnung nicht gezahlt hat. Das FA erkannte an, dass in geringem Umfang eine Uneinbringlichkeit im Jahr 2001 eingetreten sei (Positionen 5, 6 und 15 der von den Klägerinnen im Klageverfahren eingereichten Liste A).

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Das Finanzgericht (FG) gab der Klage hinsichtlich der vom FA anerkannten Positionen statt und wies sie im Übrigen ab. Es verwies darauf, dass nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) Berichtigungsansprüche gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) die Höhe der Umsatzsteuerschuld (Primärschuld) nur dann mindern könnten, wenn die Uneinbringlichkeit der betreffenden Forderungen gerade in dem Besteuerungszeitraum eingetreten sei, für den der betreffende Geschäftsführer im Haftungsbescheid in Anspruch genommen werde (vgl. Urteil vom VII R 108/79, BFH/NV 1985, 19, unter 2.b). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen lasse sich für diejenigen Positionen, die vom FA nicht anerkannt worden seien, nicht feststellen. Schon die bis in das Jahr 1998 zurückreichenden Rechnungsdaten sprächen dagegen, dass der nach § 17 Abs. 1 oder 2 UStG maßgebliche Zeitpunkt in das Streitjahr 2001 falle. Bei den Rechnungskürzungen der Firma D. lasse sich teilweise sogar eindeutig feststellen, dass die Änderung der Bemessungsgrundlage im Jahr 2000 oder früher vorgenommen worden sei. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 1438 veröffentlicht.

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Die Klägerinnen machen zur Begründung ihrer Revision im Wesentlichen geltend, das FG habe seine Entscheidung zu Unrecht auf das BFH-Urteil in BFH/NV 1985, 19 gestützt. Denn dort habe anders als im Streitfall festgestanden, dass die Uneinbringlichkeit nicht im Haftungszeitraum eingetreten sei. Dagegen habe das FG hier lediglich entschieden, es sei nicht feststellbar, dass die Uneinbringlichkeit i.S. des § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG gerade im Jahr 2001 eingetreten sei. Im Streitfall habe sich jedoch für die umstrittenen Forderungen die Uneinbringlichkeit im Sinne der Rechtsprechung des BFH erst im Jahr 2001 herausgestellt. Das FG habe einen Verfahrensfehler dadurch begangen, dass es nicht ermittelt habe, aus welchem Grund oder auf welcher Basis ein anderer Zeitpunkt für die Uneinbringlichkeit hätte bestimmt werden müssen. Diese Feststellungen würden dazu führen, dass kein ausreichender Grund dafür vorliege, nicht das Jahr 2001 als Zeitpunkt für den Forderungsausfall zu bestimmen.

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Die Klägerinnen beantragen sinngemäß,

die Vorentscheidung und die jeweiligen Haftungsbescheide vom in Gestalt der Einspruchsentscheidungen aufzuheben.

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Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

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II. Die Revision der Klägerinnen ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

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1. Nach §§ 69 i.V.m. 34, 35 AO haften die Geschäftsführer einer GmbH u.a., soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 AO) infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt oder soweit infolgedessen Steuervergütungen oder Steuererstattungen ohne rechtlichen Grund gezahlt worden sind.

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a) Im Streitfall hat die Umsatzsteuerklärung der GmbH für das Jahr 2001 zu einer negativen Steuerschuld (Steuerüberschuss) geführt. Die sich gleichwohl ergebende Zahlungsverpflichtung der GmbH beruhte darauf, dass ihr aufgrund ihrer Voranmeldungen höhere Vorsteuerüberschüsse erstattet worden waren, als ihr nach der Jahreserklärung für 2001 zustanden. Daraus ergab sich ein Rückforderungsanspruch des FA gemäß § 18 Abs. 4 UStG. Dieser Rückforderungsanspruch gehört zu den Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis i.S. des § 37 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 AO (vgl. z.B. , BFH/NV 1996, 5).

17

b) Das FG hat rechtsfehlerfrei entschieden, dass sich der Rückforderungsanspruch des FA wegen der Umsatzsteuer für das Jahr 2001 aufgrund der Uneinbringlichkeit von Forderungen der GmbH nur insoweit mindert, als die Uneinbringlichkeit im Jahr 2001 eingetreten ist.

18

Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG hat der Unternehmer, wenn sich die Bemessungsgrundlage für einen von ihm ausgeführten steuerpflichtigen Umsatz i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG geändert hat, den dafür geschuldeten Steuerbetrag zu berichtigen. Die Berichtigung ist gemäß § 17 Abs. 1 Satz 3 UStG für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem die Änderung der Bemessungsgrundlage eingetreten ist. Gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG gilt Abs. 1 u.a. dann sinngemäß, wenn das vereinbarte Entgelt für eine steuerpflichtige Lieferung oder sonstige Leistung uneinbringlich geworden ist.

19

Danach ist die Berichtigung für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem das vereinbarte Entgelt uneinbringlich geworden ist. Deshalb konnte sich im Streitfall der Rückforderungsanspruch des FA gegenüber der GmbH wegen der Umsatzsteuer für 2001 nur wegen solcher Forderungen mindern, die im Jahr 2001 uneinbringlich geworden waren oder bei denen sich im Jahr 2001 die Bemessungsgrundlage geändert hatte.

20

c) Die Entscheidung des FG darüber, bei welchen der von den Klägerinnen aufgeführten Forderungen die Uneinbringlichkeit im Jahr 2001 eingetreten ist, lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Das FG hat seiner Entscheidung diejenigen abstrakten Rechtsgrundsätze zugrunde gelegt, die in der Rechtsprechung des BFH zur Uneinbringlichkeit einer Forderung aufgestellt worden sind (vgl. die vom FG zitierten , BFHE 179, 465, BStBl II 1996, 208; vom V R 72/03, BFHE 205, 525, BStBl II 2004, 684; vom V R 13/04, BFHE 214, 471, BStBl II 2007, 22). Die Klägerinnen haben in der Revisionsbegründung nicht substantiiert dargelegt, hinsichtlich welcher der Forderungen, die in den von ihnen im Klageverfahren eingereichten Listen bezeichnet sind, das FG aus welchen Gründen die in der Rechtsprechung zur Uneinbringlichkeit aufgestellten Grundsätze fehlerhaft angewendet haben soll.

21

d) Das FG hat auch zutreffend entschieden, dass die Klägerinnen die objektive Beweislast (Feststellungslast) für die Tatsachen trifft, aus denen sich ergibt, dass das vereinbarte Entgelt gerade im Jahr 2001 uneinbringlich geworden ist. Es entspricht der gefestigten Rechtsprechung des BFH, dass jeder Beteiligte die Feststellungslast für das Vorhandensein aller Voraussetzungen derjenigen Normen trägt, ohne deren Anwendung sein Prozessbegehren keinen Erfolg haben kann. Nach der sog. Beweislastgrundregel trifft die Finanzbehörde die Feststellungslast für die steuerbegründenden und -erhöhenden Tatsachen und den Steuerpflichtigen für die steuerentlastenden oder -mindernden Tatsachen (vgl. , BFHE 192, 241, BStBl II 2001, 9; Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 96 Rz 23).

22

Darin liegt entgegen der Auffassung der Klägerinnen auch keine Abweichung von dem BFH-Urteil in BFH/NV 85, 19. Denn dieses Urteil befasst sich nicht mit der Frage der Feststellungslast, weil dort zweifelsfrei feststand, dass die Uneinbringlichkeit bzw. Änderung der Bemessungsgrundlage in einem anderen Besteuerungszeitraum eingetreten war. Deshalb schränkt dieses Urteil nicht den allgemeinen Grundsatz ein, dass denjenigen, der eine Minderung der Steuerschuld oder eines Rückforderungsanspruchs und damit wegen der in § 69 AO begründeten Akzessorietät eine Herabsetzung der Haftungsschuld erstrebt, die objektive Feststellungslast für das Vorliegen der dafür erforderlichen Tatsachen trifft.

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Deshalb hat das FA auch keinen Verfahrensfehler dadurch begangen, dass es die Frage, in welchem anderen Besteuerungszeitraum die Uneinbringlichkeit eingetreten ist, nicht entschieden hat.

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2. Die Vorentscheidung verletzt die Klägerinnen auch nicht insoweit in ihren Rechten, als das FG nicht geprüft hat, ob ihre Inanspruchnahme ermessensfehlerhaft sein könnte, falls und soweit der GmbH für die Besteuerungszeiträume vor 2001 Erstattungsansprüche wegen der Änderung der Bemessungsgrundlage oder der Uneinbringlichkeit von Forderungen zugestanden haben sollten, gegen die das FA mit der Rückforderung der Umsatzsteuer für 2001 hätte aufrechnen können (§ 226 AO).

25

Gemäß § 191 Abs. 1 Satz 1 AO kann, wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet (Haftungsschuldner), durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden. Danach liegt es im Ermessen der Finanzbehörde, ob sie von der ihr durch § 191 AO eingeräumten Möglichkeit Gebrauch macht.

26

a) Der BFH hat in einem Fall, in dem über das Vermögen einer KG im November 1975 das Konkursverfahren eröffnet worden war, entschieden, dass die Haftung für die Umsatzsteuervorauszahlung für Mai 1975 entfalle, wenn in einem späteren Besteuerungszeitraum wegen einer Änderung der Bemessungsgrundlage oder Uneinbringlichkeit des vereinbarten Entgelts eine Berichtigung durchzuführen sei. Der Kläger könne nicht für Umsatzsteuer haftbar gemacht werden, welche die KG selbst letztlich nicht schulde. Die als Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens gedachte Vorschrift des § 17 Abs. 1 Satz 2 UStG 1973, wonach die Berichtigung in dem Besteuerungszeitraum vorzunehmen sei, in dem die Änderung der Bemessungsgrundlage eingetreten sei, stehe dem nicht entgegen (, BFHE 133, 121, BStBl II 1981, 627).

27

Aus diesem Urteil ließe sich möglicherweise ableiten, dass bei einer Haftung für Umsatzsteuer im Hinblick auf die Änderung der Bemessungsgrundlage oder die Uneinbringlichkeit einer Forderung im Rahmen der Ermessensausübung Umstände zu berücksichtigen sind, die zwar nicht zu einer Änderung der Steuerfestsetzung für den Haftungszeitraum führen, aber gleichwohl die Inanspruchnahme des Haftungsschuldners in Höhe der festgesetzten Steuer als unverhältnismäßig erscheinen lassen.

28

b) Ob im Streitfall im Rahmen der Ermessensausübung des FA zu berücksichtigen gewesen wäre, dass sich für die GmbH möglicherweise aufgrund von Berichtigungsansprüchen gemäß § 17 UStG Erstattungsansprüche ergeben hätten, mit denen sie gegenüber dem Rückforderungsanspruch für das Jahr 2001 die Aufrechnung (§ 226 AO) hätte erklären können, kann aber offenbleiben (vgl. zur Ermessensausübung bei einer möglichen Aufrechnungslage im Falle des Konkurses , BFHE 138, 487, BStBl II 1983, 592).

29

Denn anders als bei der Frage nach der Höhe der Primärschuld, für die gemäß § 69 AO gehaftet wird, ist maßgeblicher Zeitpunkt für die gerichtliche Überprüfung der Ermessensentscheidung der Verwaltung gemäß § 102 FGO die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (vgl. z.B. , BFH/NV 2001, 882, unter 1.). Im Streitfall ist daher auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Einspruchsentscheidungen abzustellen. Zu diesem Zeitpunkt musste das FA nicht davon ausgehen, dass der GmbH Berichtigungsansprüche nach § 17 UStG und daraus resultierende Erstattungsansprüche zugestanden haben, mit denen sie die Aufrechnung gegen den Rückforderungsanspruch für das Jahr 2001 hätte erklären können. Denn die GmbH hatte weder in ihrer Umsatzsteuererklärung für 2001 noch während der Betriebsprüfung für die Jahre 1999 bis 2001, in der ausweislich des Prüfungsberichts vom Einigung erzielt worden war, geltend gemacht, dass Forderungen aus bereits versteuerten Umsätzen uneinbringlich geworden seien oder sich die Bemessungsgrundlage für versteuerte Umsätze geändert habe. Insbesondere hatten die Klägerin zu 2. und E ihren Einspruch gegen den jeweiligen Haftungsbescheid nicht begründet und während des Einspruchsverfahrens nicht auf eventuelle Berichtigungsansprüche der GmbH wegen der Uneinbringlichkeit von Forderungen hingewiesen. Sie haben dies vielmehr erstmals im Klageverfahren getan. Ohne einen entsprechenden Hinweis durch die bei der Betriebsprüfung durch einen Steuerberater vertretene GmbH oder die Klägerin zu 2. oder E bestand für das FA im Verwaltungsverfahren aber kein Anlass, der Frage nach einer möglichen Aufrechnungslage bei der GmbH nachzugehen. Deshalb kann es dem FA auch nicht als Ermessensfehler angelastet werden, dass es sich im Rahmen seiner Ermessensausübung nicht mit der Frage von möglichen Erstattungsansprüchen der GmbH in den Jahren vor oder nach 2001 auseinandergesetzt hat.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2010 S. 393 Nr. 3
HAAAD-37050