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Steuerberaterhaftung für Umsatzsteuer des Mandanten und Bindung an Strafurteil
Bedeutung des für die Praxis
[i]Geißler, Haftung des Steuerhinterziehers und des Steuerhehlers, infoCenter, NWB UAAAB-83022 Aufgrund der niedrigen Anforderungen an den Eventualvorsatz geraten Steuerberater in der Praxis öfter in die Fallstricke eines Steuerstrafverfahrens und einer Haftungsinanspruchnahme wegen Beihilfe zur Hinterziehung zugunsten des Mandanten. Wenn hier nicht durch den Steuerstrafverteidiger sowohl das strafrechtliche als auch das steuerliche Haftungsverfahren koordiniert werden, drohen auch bei unberechtigten Vorwürfen im Einzelfall wirtschaftlich existenzvernichtende Haftungsbescheide. Das FG Köln hat die steuerliche Haftung eines Steuerberaters bestätigt [i]Webel, Steuerstrafrecht und strafbefreiende Selbstanzeige, Grundlagen, NWB VAAAE-82580 und sich im Wesentlichen auf das rechtskräftige Strafurteil gegen den – sich zwischenzeitlich sogar in Untersuchungshaft befindenden – Steuerberater gestützt (, NWB MAAAH-44254). Das Finanzgericht verkennt dabei die Voraussetzungen einer strafrechtlichen Garantenpflicht als Voraussetzung einer Unterlassungsstrafbarkeit. Das Urteil betrifft zwar ein Umsatzsteuer-Karussell. Die Rechtsfragen einer Beihilfestrafbarkeit eines Steuerberaters sind jedoch allgemeingültig. In der Praxis besteht bei strafrechtlichen Vorfragen im steuerlichen Verfahren öfters das Risiko, dass eine undogmatische und ergebnisorientierte Entscheidung droht.
Eine Kurzfassung des Beitrags finden Sie .
I.
[i]FG Köln, Urteil v. 10.4.2019 - 9 K 167/15, NWB MAAAH-44254 Der Fall gab dem , NWB MAAAH-44254) Gelegenheit, zu mehreren Aspekten einer steuerlichen Haftung gem. § 71 AO wegen Beihilfe durch Unterlassen zur Steuerhinterziehung des Mandanten Stellung zu nehmen. Streitig war ein steuerlicher Haftungsbescheid in Höhe von rund 1,3 Mio. € Umsatzsteuer. Im Kern [i]Beihilfe durch Unterlassen?ging es um die Frage, ob das Finanzgericht im steuerlichen Haftungsverfahren das rechtskräftige Strafurteil gegen den Steuerberater zugrunde legen durfte und ob eine Garantenpflicht (strafrechtliche Handlungspflicht) des Steuerberaters bestand, da ein Unterlassen nur dann strafbar ist.
1. Sachverhalt
[i]Umsatzsteuer auf AusgangsrechnungenSteuerberater S ist durch das LG Wuppertal wegen Beihilfe zur Umsatzsteuerhinterziehung rechtskräftig zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr zur Bewährung verurteilt worden. Dem Urteil lag als Sachverhalt zugrunde, dass S Voranmeldungen für die R-GmbH (als Leistende) und für die O-GmbH (als Leistungsempfängerin) abgeben sollte. Beide Gesellschaften handelten mit Computerteilen und gehörten nach den Urteilsfeststellungen des Landgerichts zu einem Umsatzsteuer-Karussell, wobei die R-GmbH die Computerteile der O-GmbH lieferte und es sich nach Ansicht des Landgerichts S. 2149hierbei nur um Scheingeschäfte handelte. Die Geschäftsführer der R-GmbH und der O-GmbH wurden wegen Umsatzsteuerhinterziehung verurteilt. [i]Ebber, Karussellgeschäfte, infoCenter, NWB PAAAB-14440 S habe Warnhinweise erhalten, dass es sich um Karussellgeschäfte handele. Das Landgericht sah es u. a. als bewiesen an, dass S vorsätzlich keine Voranmeldungen für die R-GmbH abgab, obwohl er durch die Eingangsrechnungen der O-GmbH wusste, dass die Rechnungsausstellerin R die entsprechende Umsatzsteuer schuldete. Das Landgericht wertete den Sachverhalt als Beihilfe durch Unterlassen zur Hinterziehung zugunsten der R-GmbH. Das LG Wuppertal nahm an, dass S für beide Gesellschaften (R-GmbH und O-GmbH) persönlich mandatiert war. Weiterhin stützte sich das Landgericht auf ein als solches bezeichnetes „Geständnis“ des S, welches jedoch im Urteil nicht wörtlich wiedergegeben wird. Zuvor hatte S ausweislich eines Protokolls während einer Untersuchungshaft mitgeteilt: „Ich bin damit einverstanden, dass mein Verfahren [...] mit einem Strafbefehl lautend auf eine Freiheitsstrafe von einem Jahr zur Bewährung beendet wird.“
[i]Klage gegen Haftungsbescheid wegen Beihilfe zur SteuerhinterziehungNach Rechtskraft des Strafurteils erging ein Haftungsbescheid gegen S gem. § 71 AO wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung der R-GmbH in Höhe von rund 1,3 Mio. € (Voranmeldungen März bis Dezember 2008). Nach erfolglosem Einspruchsverfahren klagte S gegen diesen Haftungsbescheid. Er machte geltend, dass ihn keine strafrechtlich relevante Handlungspflicht zur Erklärungsabgabe oder Mandatsniederlegung getroffen habe. Er sei auch nicht persönlich von der R-GmbH mandatiert gewesen, sondern habe dieses Mandat vielmehr bei seinem Arbeitgeber, einer Steuerberatungsgesellschaft, eingebracht. Zudem führte S aus, dass er von der R-GmbH trotz Aufforderung keine Buchführungsunterlagen erhalten habe und daher die Voranmeldungen für die R-GmbH nicht habe abgeben können. S widerrief im finanzgerichtlichen Verfahren seine geständigen Einlassungen aus dem Strafverfahren, da diese unter dem Eindruck der Untersuchungshaft erfolgt seien. Er habe in Freiheit bleiben wollen und für eine Bewährungsstrafe sei er bereit gewesen, den Tatvorwurf zu bestätigen.