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Steuerliche Immobilienbewertung: vom Einheitswert zum Verkehrswert
Teil IV: Verfahren zur Wertermittlung für Ertragsteuern und Grundsteuer im Bundesmodell ab 1.1.2022
[i]Teil I s. Nagel, NWB 32/2021 S. 2377Die Beitragsreihe erläutert die Anwendung und Durchführung der Verfahren der steuerlichen Immobilienbewertung und ermöglicht eine kritische Auseinandersetzung mit ihrer Ausgestaltung durch den Steuergesetzgeber. [i]Teil II s. Nagel, NWB 33/2021 S. 2464Der abschließende Teil IV beschäftigt sich mit der Adaption für die ertragsteuerliche Kaufpreisaufteilung sowie für das ab gültige Bundesmodell der Grundsteuer [i]Teil III s. Nagel, NWB 35/2021 S. 2613und stellt die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu den marktgängigen Bewertungsverfahren heraus.
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Weitere Beiträge zur steuerliche Immobilienbewertung von Nagel finden Sie hier:
S. 2689
I. Ertragsteuern
1. Grundsätzliches
[i]Keine konkrete gesetzliche Vorgabe zur Immobilienwertermittlung für ESt/KStWenn sich für ertragsteuerliche Zwecke die Notwendigkeit einer Immobilienbewertung ergibt, lassen sich meistens keine direkten gesetzlichen Verweise auf das BewG oder andere Wertermittlungsmethoden finden. Die analoge Anwendung zu den Bewertungsanlässen für ertragsteuerliche Zwecke wurde daher von Verwaltung und Rechtsprechung erarbeitet und ist deswegen streitanfällig.
So ist die Ermittlung des gemeinen Werts oder des Teilwerts einer Immobilie z. B. bei Umwandlungen oder der Frage nach einem außerplanmäßigen Abschreibungsbedarf von Bedeutung (s. auch III, 2, c in Teil I, NWB 32/2021 S. 2377). Der häufigste Anwendungsfall stellt sich bei der Frage nach der Aufteilung eines Gesamtkaufpreises auf die Wirtschaftsgüter Grund und Boden und Gebäude; zum einen im Anschaffungsfall für die Bestimmung der AfA-Bemessungsgrundlage des planmäßig abschreibungsfähigen Wirtschaftsguts Gebäude, zum anderen kann es im Veräußerungsfall bei der Übertragung von Veräußerungsgewinnen nach § 6b Abs. 1 bis 3 EStG auf andere Wirtschaftsgüter erforderlich werden festzustellen, welcher Anteil eines einheitlichen Veräußerungspreises auf Grund und Boden bzw. auf das Gebäude entfällt. Zwar ist grundsätzlich einer im notariellen Kaufvertrag vorgenommenen Aufteilung zu folgen. Sofern diese aber die realen Wertverhältnisse in grundsätzlicher Weise verfehlt und wirtschaftlich nicht haltbar erscheint, stellt sich die Frage nach der korrekten Aufteilungsmethode für die Besteuerung (vgl. , BStBl 2021 II S. 372). In diesen Fällen ist dann nicht der gemeine Wert des Grundstücks selbst von Interesse, sondern das Verhältnis zwischen dem Bodenwert und dem Wert des Gebäudes jeweils zum Gesamtwert. In diesem Zusammenhang erhält die Frage nach der Eignung des verwendeten Verfahrens einen völlig anderen Blickwinkel.
2. Die Arbeitshilfe der Finanzverwaltung zur Aufteilung eines Gesamtkaufpreises
a) Entstehung der aktuellen Arbeitshilfe
[i]Veröffentlichung einer leicht handhabbaren Arbeitshilfe ist grundsätzlich zu begrüßenDa die gesetzlichen Grundlagen zur Kaufpreisaufteilung für ertragsteuerliche Zwecke dürftig sind, bedurfte es zur Reduzierung von Streitigkeiten zwischen Steuerpflichtigen und Finanzverwaltung einer pragmatischen Lösung. Daher ist es grundsätzlich zu begrüßen, dass hier seitens des BMF zur allgemeinen Verwendung durch die Finanzämter eine öffentlich zugängliche Arbeitshilfe bereitgestellt wurde. Die BFH-Rechtsprechung hatte in verschiedenen Urteilen zur Kaufpreisaufteilung (z. B. , BStBl 2001 II S. 183; v. - IX R 81/83, BStBl 1985 II S. 252) stets die Residualwertmethode (Ermittlung des Gebäudewerts durch Abzug des anhand des Bodenrichtwerts und der Fläche ermittelten Bodenwerts vom Gesamtkaufpreis) verworfen und eine Aufteilung anhand der Verkehrswerte gefordert. Für die Ermittlung der Verkehrswerte wurde explizit die Sachwertberechnung nach der (damals noch geltenden) WertV 1988 als mögliche Aufteilungsgrundlage genannt. Auch vor diesem Hintergrund ist es grundsätzlich nachvollziehbar, dass die Finanzverwaltung in ihrer Berechnungslogik auf die Sachwertberechnung nach der ImmoWertV und SW-RL (als Nachfolgeregelungen der WertV) zurückgriff. Die Arbeitshilfe des BMF berechnete anhand einiger Daten des zu bewertenden Grundstücks einen vorläufigen Sachwert. Das prozentuale Verhältnis, in dem sich der Bodenwert und der Gebäudewert in diesem Sachwertverfahren zum Gesamtwert ermitteln, wurde dann auf den Gesamtkaufpreis der Immobilie angewandt.
[i]Erheblichster Mangel der Arbeitshilfe war lt. BFH die Verwendung nicht ortsangepasster NHK für den GebäudesachwertDie Kaufpreisaufteilung nach dieser Arbeitshilfe hat der (BStBl 2021 II S. 372) als nicht sachgerecht verworfen. Zum einen kritisierte der BFH die Verengung der Verkehrswertermittlung in der Arbeitshilfe auf das Sachwertverfahren,S. 2690 zum anderen bemängelte er die fehlende Berücksichtigung lokaler Anpassungsfaktoren bei den typisierten Herstellungskosten. Zwar ist es rechnerisch richtig – wie die Finanzverwaltung in den Erläuterungen zur Arbeitshilfe ausführte –, dass die Anwendung des lokalen Sachwertfaktors den Boden- und den Gebäudeanteil in gleichem Maß beeinflusst und deshalb auf die prozentuale Verteilung der beiden Werte keine Wirkung hat. Jedoch erfolgt durch die Verwendung der lokal ermittelten Bodenrichtwerte für den Bodenanteil sehr wohl eine Marktanpassung, während die NHK 2010 weiterhin einen Bundesdurchschnitt darstellen (so auch BFH IX R 26/19, unter II.3.c). [i]Graf/Nacke, NWB 52/2020 S. 3874Dies wurde selbst von Sachverständigen bei der Verwendung der NHK 2010 bei der marktgängigen Bewertung bereits kritisiert.