AEBewGrSt A 253.1 (Zu § 253 BewG)

Zu § 253 BewG

A 253.1 Ermittlung des kapitalisierten Reinertrags; Restnutzungsdauer

(1) 1Die Restnutzungsdauer ist grundsätzlich der Unterschiedsbetrag zwischen der wirtschaftlichen Gesamtnutzungsdauer, die sich aus Anlage 38 zum BewG ergibt, und dem Alter des Gebäudes im Hauptfeststellungszeitpunkt. 2Es bestehen aus Vereinfachungsgründen keine Bedenken, das Alter des Gebäudes durch Abzug des Jahres der Bezugsfertigkeit des Gebäudes (Baujahr) vom Jahr des Hauptfeststellungszeitpunkts zu bestimmen.

(2) 1Die typisierte wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauer eines Gebäudes ist der Anlage 38 zum BewG zu entnehmen. 2Sie richtet sich nach der Grundstücksart im Sinne des § 250 BewG und den in der Anlage 38 zum BewG ausgewiesenen Gebäudearten. 3Die wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauer beträgt für Wohngrundstücke einheitlich 80 Jahre. 4Dies gilt unabhängig davon, ob im Gebäude enthaltene Räume (z. B. Verkaufsräume oder Büros) für Zwecke genutzt werden, für die eine abweichende wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauer anzunehmen wäre.

(3) 1Sind nach der Bezugsfertigkeit des Gebäudes Veränderungen eingetreten, die die wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauer des Gebäudes wesentlich verlängert haben, ist von einer der Verlängerung entsprechenden Restnutzungsdauer auszugehen. 2Von einer wesentlichen Verlängerung der wirtschaftlichen Gesamtnutzungsdauer ist nur bei einer Kernsanierung auszugehen. 3Eine Kernsanierung liegt vor, wenn nicht nur der Ausbau (u. a. Heizung, Fenster und Sanitäreinrichtungen) umfassend modernisiert, sondern auch der Rohbau jedenfalls teilweise erneuert worden ist. 4Bauliche Maßnahmen an nicht tragenden Bauteilen (z. B. Neugestaltung der Fassade) verlängern die Gesamtnutzungsdauer allein nicht wesentlich. 5Durch eine Kernsanierung wird das Gebäude in einen Zustand versetzt, der nahezu einem neuen Gebäude entspricht. 6Dazu wird das Gebäude zunächst bis auf die tragende Substanz zurückgebaut. 7Decken, Außenwände, tragende Innenwände und ggf. der Dachstuhl bleiben dabei in der Regel erhalten; ggf. sind diese zu ertüchtigen und/oder instand zu setzen. 8Voraussetzungen für das Vorliegen einer Kernsanierung sind insbesondere die komplette Erneuerung der Dacheindeckung, der Fassade, der Innen- und Außenwände mit Ausnahme der tragenden Wände, der Fußböden, der Fenster, der Innen- und Außentüren sowie sämtlicher technischen Systeme wie z. B. der Heizung einschließlich aller Leitungen, des Abwassersystems einschließlich der Grundleitungen, der elektrischen Leitungen und der Wasserversorgungsleitungen, sofern diese technisch einwandfrei und als neubauähnlich und neuwertig zu betrachten sind. 9Im Einzelfall müssen nicht zwingend alle der vorgenannten Kriterien gleichzeitig erfüllt sein. 10Dies gilt insbesondere für solche Gebäude und Gebäudeteile, bei denen aufgrund baurechtlicher Vorgaben eine weitreichende Veränderung nicht zulässig ist (z. B. unter Denkmalschutz stehende Gebäude und Gebäudeteile). 11Im Jahr der Kernsanierung beträgt die Restnutzungsdauer aus Vereinfachungsgründen 90 Prozent der wirtschaftlichen Gesamtnutzungsdauer des Gebäudes. 12Mit dem pauschalen Abschlag in Höhe von 10 Prozent wird die teilweise noch verbliebene alte Bausubstanz berücksichtigt. 13Als Jahr der Kernsanierung gilt das Jahr, in dem die Kernsanierung abgeschlossen wurde.

Beispiel:

Baujahr 1970, Kernsanierung 2008, wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauer 80 Jahre.

Restnutzungsdauer im Jahr der Kernsanierung:

wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauer (80 Jahre) ./. 10 Prozent der wirtschaftlichen Gesamtnutzungsdauer (8 Jahre) = 72 Jahre.

Restnutzungsdauer im Feststellungszeitpunkt:

72 Jahre ./. (2022 ./. 2008) = 58 Jahre.

(4) 1Die Restnutzungsdauer eines noch nutzbaren Gebäudes beträgt mindestens 30 Prozent der wirtschaftlichen Gesamtnutzungsdauer. 2Bei den Wohngrundstücken beträgt die Mindest-Restnutzungsdauer daher einheitlich 24 Jahre. 3Die Regelung unterstellt einen durchschnittlichen Erhaltungszustand und macht insbesondere bei älteren Gebäuden die Prüfung entbehrlich, ob die restliche Lebensdauer infolge baulicher Maßnahmen verlängert wurde. 4Bei bestehender Abbruchverpflichtung für das Gebäude kann die Mindest-Restnutzungsdauer unterschritten werden.

(5) 1Eine Verkürzung der Restnutzungsdauer kommt nur bei bestehender Abbruchverpflichtung für das Gebäude in Betracht. 2Insbesondere Baumängel und Bauschäden oder wirtschaftliche Gegebenheiten führen nicht zu einer Verkürzung der Restnutzungsdauer bei der Ermittlung des Grundsteuerwertes. 3Dies gilt auch für nicht behebbare Baumängel oder Bauschäden (z. B. Gründungsmängel, Kriegsschäden, Bergschäden), die selbst durch Ausbesserung nicht auf Dauer beseitigt werden können.

Beispiel:

Baujahr 1982, Abbruchverpflichtung 2030, wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauer 80 Jahre.

Gesamtnutzungsdauer aufgrund der Abbruchverpflichtung:

Gesamtnutzungsdauer: Jahr der Abbruchverpflichtung 2030 ./. Baujahr 1982 = 48 Jahre.

Restnutzungsdauer unter Berücksichtigung der Abbruchverpflichtung:

48 Jahre ./. Alter im Hauptfeststellungszeitpunkt 1. Januar 2022 (2022 ./. 1982 = 40 Jahre) = 8 Jahre.

Die Mindest-Restnutzungsdauer von 24 Jahren (30 Prozent von 80 Jahren) ist unbeachtlich.

4Eine erst nach dem Hauptfeststellungszeitpunkt vereinbarte Abbruchverpflichtung ist als eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse nach § 228 Absatz 2 BewG dem Finanzamt anzuzeigen und kann unter den weiteren Voraussetzungen des § 222 Absatz 1 BewG zu einer Wertfortschreibung führen.

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JAAAI-03875