Online-Nachricht - Donnerstag, 02.09.2021

Einkommensteuer | Kürzung der Verpflegungspauschalen bei Arbeitnehmern ohne erste Tätigkeitsstätte (BFH)

Die Verpflegungspauschalen sind auch dann nach § 9 Abs. 4a Satz 8 EStG zu kürzen, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Mahlzeiten zur Verfügung stellt, der Arbeitnehmer aber nicht über eine erste Tätigkeitsstätte verfügt (; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Mehraufwendungen des Arbeitnehmers für die Verpflegung sind nach Maßgabe von § 9 Abs. 4a EStG als Werbungskosten abziehbar. Wird der Arbeitnehmer außerhalb seiner Wohnung und ersten Tätigkeitsstätte beruflich tätig (auswärtige berufliche Tätigkeit), ist nach § 9 Abs. 4a Sätze 2 und 3 EStG zur Abgeltung der ihm tatsächlich entstandenen, beruflich veranlassten Mehraufwendungen eine nach Abwesenheitszeiten gestaffelte Verpflegungspauschale anzusetzen. Hat der Arbeitnehmer keine erste Tätigkeitsstätte, gelten die Sätze 2 und 3 entsprechend (§ 9 Abs. 4a Satz 4 Halbsatz 1 EStG). Gem. § 9 Abs. 4a Satz 8 EStG sind die u.a. nach Satz 3 ermittelten Verpflegungspauschalen um 20 % für Frühstück und um jeweils 40 % für Mittag- und Abendessen zu kürzen, wenn dem Arbeitnehmer anlässlich oder während einer Tätigkeit außerhalb seiner ersten Tätigkeitsstätte vom Arbeitgeber eine Mahlzeit zur Verfügung gestellt wird.

Sachverhalt: Der Kläger erzielte im Streitjahr (2014) als nautischer Offizier Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Er war auf See an Bord von Schiffen tätig. An Bord der Schiffe stellte der Arbeitgeber dem Kläger unentgeltlich Mahlzeiten zur Verfügung. An "Hafentagen" nahm der Kläger die zur Verfügung gestellte Bordverpflegung teilweise nicht in Anspruch. An einzelnen Tagen musste sich die Mannschaft in Häfen selbst versorgen.

In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte der Kläger u.a. Verpflegungsmehraufwendungen als Werbungskosten geltend. Das FA ließ die Verpflegungsmehraufwendungen nicht zum Abzug zu.

Das FG gab der Klage teilweise statt und wies sie im Übrigen ab (). Dem Kläger stünden Verpflegungsmehraufwendungen für die Tage zu, an denen der Arbeitgeber diesem ausnahmsweise an Hafentagen keine Mahlzeiten zur Verfügung gestellt habe. Für alle anderen Tage habe das FA zu Recht nach § 9 Abs. 4a Satz 8 EStG keinen Verpflegungsmehraufwand zum Abzug zugelassen.

Der BFH hat die Revision als unbegründet zurückgewiesen:

  • Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger dem Grunde nach Verpflegungsmehraufwendungen als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abziehen kann. Zwar verfügte er im Streitjahr als nautischer Offizier, der auf See tätig war, nicht über eine erste Tätigkeitsstätte i. S. des § 9 Abs. 4 EStG; gem. § 9 Abs. 4a Satz 4 Halbsatz 1 EStG gelten die Sätze 2 und 3 für Auswärtstätigkeiten von Arbeitnehmern ohne erste Tätigkeitsstätte jedoch entsprechend.

  • Das FG hat weiter zu Recht entschieden, dass die Verpflegungspauschalen nach § 9 Abs. 4a Satz 8 EStG im Hinblick auf die vom Arbeitgeber des Klägers zur Verfügung gestellten Mahlzeiten an Bord zu kürzen sind.

  • Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Norm. Während § 9 Abs. 4a Satz 2 EStG die auswärtige berufliche Tätigkeit definiert, legt § 9 Abs. 4a Satz 3 EStG die in diesem Fall anzusetzenden Pauschbeträge für Verpflegungsmehraufwendungen fest. § 9 Abs. 4a Satz 4 Halbsatz 1 EStG stellt durch die Anordnung der entsprechenden Geltung der Sätze 2 und 3 sodann klar, dass der Ansatz von pauschalierten Verpflegungsmehraufwendungen auch erfolgt, wenn der Steuerpflichtige über keine erste Tätigkeitsstätte verfügt. § 9 Abs. 4a Satz 8 EStG legt wiederum fest, inwiefern im Fall der Mahlzeitengestellung die in Satz 3 der Vorschrift geregelten Verpflegungspauschalen zu kürzen sind. Satz 8 ist mithin als Modifikation der Sätze 2 und 3 ausgestaltet. Die Geltungsanordnung in § 9 Abs. 4 Satz 4 Halbsatz 1 EStG erstreckt sich damit für den Arbeitnehmer, der keine erste Tätigkeitsstätte hat, nicht nur auf die entsprechende Anwendung der Verpflegungspauschalen für Mehraufwendungen des Arbeitnehmers, der außerhalb seiner Wohnung und ersten Tätigkeitsstätte tätig wird, gem. § 9 Abs. 4a Sätze 2 und 3 EStG, sondern zugleich auf die entsprechende Anwendung der Modifikation dieser Verpflegungspauschalen nach Satz 8, soweit ihm eine Mahlzeit zur Verfügung gestellt wird.

  • Aus der Gesetzeshistorie, der Systematik sowie dem Sinn und Zweck des Gesetzes ergibt sich nichts anderes. Auch danach ist § 9 Abs. 4a Satz 8 EStG nicht isoliert, sondern im Kontext des gesamten Abs. 4a sowie des § 8 Abs. 2 Sätze 8 und 9 EStG zu betrachten.

  • Danach waren die dem Kläger dem Grunde nach zustehenden Verpflegungspauschalen wegen der ihm von seinem Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Mahlzeiten (Frühstück, Mittag- und Abendessen) gem. § 9 Abs. 4a Satz 8 EStG um insgesamt 100 % auf 0 € zu kürzen. Soweit dem Kläger an einzelnen Hafentagen vom Arbeitgeber tatsächlich keine Mahlzeiten zur Verfügung gestellt wurden, hat das FG folgerichtig von einer Kürzung abgesehen und für diese Tage Verpflegungsmehraufwendungen gewährt.

Anmerkung von Dr. Stephan Geserich, Richter im VI. Senat des BFH:

Erhalten Seeleute an Bord (Auswärtstätigkeit) Mahlzeiten, für die nach § 8 Abs. 2 Satz 8 EStG eine Versteuerung mit dem Sachbezugswert vorzunehmen ist, ist der von dem Ausschuss der Berufsgenossenschaft für Transport und Verkehrswirtschaft festgesetzte Wert des Sachbezugs für die Besteuerung des Arbeitslohns zugrunde zu legen. Ein Ansatz des Wertes einer Mahlzeit - und damit die Besteuerung als Arbeitslohn - unterbleibt, wenn für die Seeleute für ihnen entstehende Mehraufwendungen für Verpflegung nach § 9 Abs. 4a Satz 1 bis 7 EStG ein Werbungskostenabzug in Betracht käme (§ 8 Absatz 2 Satz 9 EStG). Der Werbungskostenabzug ist insoweit nach § 9 Abs. 4a Satz 8 ff. EStG ausgeschlossen (, Rz. 64 und 73 ff.). Dies gilt ausweislich der Besprechungsentscheidung auch wenn der Steuerpflichtige - wie ein Seemann oder -frau - nicht über eine erste Tätigkeitsstätte verfügt. Erhalten Seeleute keine Bordverpflegung oder nur eine Teilverpflegung an Bord, können sie unter den in § 9 Abs. 4a EStG genannten Voraussetzungen für die Mehraufwendungen für Verpflegung eine Verpflegungspauschale gem. § 3 Nr. 16 EStG steuerfrei vom Arbeitgeber erhalten oder entsprechend den (Differenz-)Betrag als Werbungskosten geltend machen (§ 9 Abs. 4a Sätze 8 ff EStG). Zudem können Seeleute eine Barvergütung, für Verpflegung erhalten (z. B. bei tageweiser auswärtiger Beschäftigung, bei tariflich vorgesehener Umschaufrist, bei Krankheit oder für die Zeit des Urlaubs - auch wenn mehrere Urlaubsansprüche in einem Kalenderjahr zusammenfallen). Soweit die Voraussetzungen für die Gewährung einer Verpflegungspauschale nach § 9 Abs. 4a EStG nicht vorliegen, ist die Barvergütung in voller Höhe steuerpflichtig. Soweit in diesen Fällen die Barvergütung mit dem Sachbezugswert angesetzt wird, die der zuständige Ausschuss der Berufsgenossenschaft für Transport und Verkehrswirtschaft mit Wirkung ab

  • für alle Bereiche in der Seefahrt (Kauffahrtei und Fischerei) auf monatlich 228 €,

  • für die Teilverpflegung in der Kauffahrtei sowie in der Kleinen Hochsee- und Küstenfischerei monatlich für Frühstück auf 48,00 € bzw. Mittag- und Abendessen jeweils auf 90,00 € und

  • für die Beköstigung der Kanalsteurer auf monatlich 45,00 €, für halbpartfahrende Kanalsteurer auf monatlich 22,50 € und für Kanalsteureranwärter auf monatlich 24,00 €

festgesetzt hat, beanstanden die Finanzbehörden dies nicht.

Ein Ansatz mit dem Sachbezugswert ist nur zulässig, wenn die Vergütung anstelle der vorgesehenen Sachbezüge nur gelegentlich oder vorübergehend bar ausgezahlt wird. Dies gilt jedoch nicht, wenn bei Beendigung des Heuerverhältnisses Verpflegungsgeld für abgegoltene Urlaubstage ausgezahlt wird (z. B. FinMin des Landes Mecklenburg-Vorpommern, Erlass v. , BStBl 2015 I S. 512). Die Dreimonatsfrist für die Beurteilung, ob Verpflegungsmehraufwendungen als Werbungskosten berücksichtigt oder steuerfrei erstattet werden können, kommt bei Fahrtätigkeiten nicht zur Anwendung (, Rz. 56).

Quelle: ; NWB Datenbank (RD)

Fundstelle(n):
BAAAH-88129