Gründe
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist eine Kommanditgesellschaft, deren Kommanditisten der Prozessbevollmächtigte im Hauptsacheverfahren und seine Ehefrau sind. Die Gesellschaft vercharterte in den Streitjahren 1984 und 1986 bis 1990 eine Segelyacht. Die erzielten Verluste erkannte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) wegen Liebhaberei nicht an. Gegen die negativen Gewinnfeststellungsbescheide hat die Klägerin im Februar 1996 Klage erhoben.
In der Klageschrift hatte der Prozessbevollmächtigte angekündigt, eine ”abschließende Begründung” nachzureichen. Nach zwei Erinnerungen durch den Berichterstatter, Richter am Finanzgericht X, stellte der Prozessbevollmächtigte bis zum insgesamt 11 Fristverlängerungsanträge, zuletzt für eine Einreichung der Klagebegründung bis zum . Am erinnerte der Berichterstatter telefonisch an die Klagebegründung, worauf am eine 18-seitige Klagebegründung einging, die mit der Ankündigung schloss, die Fortsetzung ab Seite 19 umgehend nachzureichen. Dies geschah mit Seiten 19 bis 34 am , schließend mit dem Vermerk ”Die restliche Begründung folgt umgehend”. Am wurde nochmals um Fristverlängerung bis zum gebeten.
Mit Schreiben vom lehnte der Prozessbevollmächtigte den Berichterstatter wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Unter Vorlage eidesstattlicher Versicherungen seiner selbst sowie seines Büroangestellten L begründete er das Ablehnungsgesuch wie folgt:
1. Am 18. (richtig: 19.) August 1999 habe der Berichterstatter telefonisch angefragt, ob die Einreichung einer Klage noch beabsichtigt sei. Die Arbeit könne sich der Prozessbevollmächtigte sparen, weil die Klage aussichtslos sei. Er kenne doch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Liebhaberei bei Vercharterung von Segelyachten. Wenn er erfahren wolle, wie der Senat solche Fälle handhabe, könne er am an einer mündlichen Verhandlung über eine ebenso aussichtslose Klage als Zuhörer teilnehmen.
2. In mehreren Telefonaten mit L habe sich der Berichterstatter lautstark darüber beschwert, dass in zahlreichen Fällen keine Fristen eingehalten und ständig neue Fristverlängerungsanträge gestellt würden. Er habe angedroht, sich weitere Schritte zu überlegen und Maßnahmen zu ergreifen.
Am habe der Berichterstatter gesagt: ”So geht das nicht weiter. Offensichtlich ist Herr A nicht in der Lage, seine Praxis so zu organisieren, dass Fristen eingehalten werden können. Bei den ständigen Abwesenheiten ist dies auch kein Wunder. Auch das Finanzamt hat schon überlegt, die Kammer einzuschalten.” Am folgenden Tag habe der Berichterstatter in einem Telefonat betreffend eine Aussetzungssache B erregt erklärt: ”Alles was aus dem Hause A kommt, ist eine einzige Katastrophe.”
3. In einem Telefonat mit dem Prozessbevollmächtigten, das ebenfalls die Sache B betroffen habe, habe der Berichterstatter zu einem 29-seitigen Fax des Prozessbevollmächtigten gesagt: ”Sie nehmen doch wohl nicht ernstlich an, dass ich 29 Seiten Fax in dieser AdV-Sache lesen werde?”
Aus diesen Vorfällen ergebe sich die Besorgnis der Befangenheit. Der vor Eingehen der Klagebegründung erfolgte Hinweis auf die Erfolglosigkeit der Klage sei eine ”Vorwegverurteilung”. In den Telefonaten mit L habe der Berichterstatter eine negative Einstellung gegenüber der Klägerin und dem Prozessbevollmächtigten erkennen lassen. Die Bemerkung, alles aus seinem Hause sei eine Katastrophe, stelle eine persönliche Beleidigung dar, die schon für sich die Besorgnis der Befangenheit begründe. Die in der Sache B gefallene Äußerung, er werde den Schriftsatz nicht lesen, lasse befürchten, dass der Berichterstatter vorliegend mit der Klagebegründung ebenso verfahren werde, zumal diese noch umfangreicher sei.
In einer dienstlichen Äußerung zu dem Befangenheitsantrag führte der Berichterstatter aus, das vorliegende Verfahren sei das älteste seines Dezernats gewesen. Die Anrufe hätten dazu gedient, den Verfahrensfortgang zu beschleunigen. Sein Unmut habe darin bestanden, dass der Prozessbevollmächtigte auch großzügig bemessene und teilweise abgesprochene Fristen nicht eingehalten habe. Der Prozessbevollmächtigte habe das Gericht mit Fristverlängerungsanträgen überhäuft und (außerdem) nicht immer nach Ablauf der Fristen neue Anträge gestellt. Bei Telefongesprächen am 18. und habe er, der Berichterstatter, nach der Klagebegründung gefragt. Anlässlich dieser Gespräche habe er auf die Rechtsprechung hingewiesen, wonach die Gewinnerzielungsabsicht bei Segelyachtvercharterungen schwierig zu begründen sei. Zu den Erfolgsaussichten im vorliegenden Verfahren habe er mangels Klagebegründung keine Aussagen gemacht.
In der Sache sei er, der Berichterstatter, nicht voreingenommen und halte sich nicht für befangen. Wie der Prozessbevollmächtigte seine Fristen kontrolliere, könne er nicht beurteilen. In einem Altfall sei es für ihn, den Berichterstatter, wichtig, dass die Fristen eingehalten würden, weil er eine Verpflichtung zur Verfahrensförderung habe. Die fachliche Qualifikation des Prozessbevollmächtigten habe er keinesfalls angreifen wollen. Es sei darauf hinzuweisen, dass er, der Berichterstatter, mit dem Prozessbevollmächtigten als Bevollmächtigten in der Zeit vom bis zum 11 Verfahren erledigt habe.
Das Finanzgericht (FG) lehnte den Antrag ohne Mitwirkung des Berichterstatters mit Beschluss vom ab. Zur Begründung seiner Entscheidung führte es im Wesentlichen aus:
1. Der Antrag sei unzulässig, soweit er auf das Telefonat vom gestützt werde. Das Ablehnungsrecht sei verwirkt, weil die Klägerin sich nach dem wiederholt zur Sache eingelassen und Fristverlängerungsanträge gestellt habe. Ein Fristverlängerungsantrag werde vom BFH als ”Einlassen in eine Verhandlung” beurteilt (, BFH/NV 1996, 232).
Im Übrigen sei der Antrag insoweit aber auch unbegründet. Mache ein Berichterstatter vorsorglich darauf aufmerksam, dass eine Klage aus bestimmten Gründen keinen Erfolg haben könne, handele er damit im Rahmen der richterlichen Aufklärungspflicht. Der Hinweis auf die Rechtsprechung des BFH zur Anerkennung von Verlusten aus der Vercharterung von Segelyachten sei objektiv richtig gewesen und habe im wohlverstandenen Interesse der Klägerin gestanden. Ein Ablehnungsgrund hätte sich daraus allenfalls ergeben, wenn die Ansicht des Berichterstatters im konkreten Fall damit unumstößlich festgestanden hätte. Das sei aber nicht der Fall, weil infolge des Fehlens der Klagebegründung eine abschließende Beurteilung gar nicht möglich gewesen sei.
2. Auch die übrigen vorgebrachten Gründe rechtfertigten nicht die Besorgnis, der Berichterstatter werde nicht ordnungsgemäß unvoreingenommen entscheiden.
Das Telefonat vom stehe mit dem hier zugrunde liegenden Verfahren nicht in Zusammenhang. Für einen objektiven Beobachter liege es auf der Hand, dass aus Äußerungen dazu, wie ein Schriftsatz in einem Verfahren wegen Aussetzung der Vollziehung (AdV) behandelt werde, keine Rückschlüsse darauf gezogen werden könnten, wie in einem Hauptsacheverfahren generell und im vorliegenden Verfahren speziell verfahren werde.
Auch die Äußerungen in den übrigen Telefongesprächen, wenn sie denn tatsächlich so gefallen seien, begründeten nicht die Besorgnis der Befangenheit. Es komme nicht darauf an, ob der Berichterstatter gegen das richterliche Mäßigungs- und Zurückhaltungsgebot verstoßen habe. Maßgeblich sei allein, ob aus der Sicht der Beteiligten bei objektiver Betrachtung Anlass zu der Besorgnis gegeben sei, der Berichterstatter werde nicht unvoreingenommen entscheiden.
Dabei sei zunächst zu berücksichtigen, dass der Berichterstatter —wie von ihm dargelegt und dem Senat bekannt— unter Beteiligung des Prozessbevollmächtigten in den vergangenen Jahren eine Vielzahl von Verfahren in sachlicher Weise, nicht selten auch einvernehmlich erledigt habe. Dies relativiere den Aussagegehalt der Äußerung, alles aus dem Hause des Prozessbevollmächtigten sei eine Katastrophe.
Zwar sei nach der Rechtsprechung die Besorgnis der Befangenheit gegeben, wenn sich ein Richter einer evident unangemessenen und beleidigenden Sprache bedient habe (, BFH/NV 1999, 661). Eine sachgerechte Bewertung der vorliegend beanstandeten Äußerungen könne jedoch nicht isoliert erfolgen, sondern müsse im Kontext des gesamten Verfahrensablaufs gewürdigt werden.
In diesem Zusammenhang halte es der Senat für einen ebenso bemerkenswerten wie außergewöhnlichen Umstand, dass der Prozessbevollmächtigte erst drei Jahre nach Klageerhebung mit der Begründung der Klage begonnen habe. Im Rahmen seiner prozessleitenden Aufgaben habe der Berichterstatter die Entscheidungsreife in angemessener Frist herbeiführen müssen. Der Berichterstatter habe sich intensiv um den Verfahrensfortgang bemüht. Dass er dabei großzügige Fristen eingeräumt habe, obwohl es die Verfahrensordnung im Hinblick auf die unzureichende Mitwirkung des Prozessbevollmächtigten nahe gelegt hätte, die Verfahrensdauer durch Ausschlussfristen abzukürzen, erweise sich als besonderes Entgegenkommen gegenüber der Klägerin, was allenfalls für das FA Misstrauen gegen die Unparteilichkeit hätte auslösen können. Nach alledem lasse sich aus dem Umstand, dass dem Berichterstatter offensichtlich der ”Geduldsfaden gerissen” sei, bei objektiver und vernünftiger Betrachtung aus der Sicht der Klägerin kein ernstliches Indiz dafür ableiten, dass der Berichterstatter der Klägerin gegenüber nicht unvoreingenommen sei und die Besorgnis einer unsachlichen oder willkürlichen Entscheidung bestehe.
Mit ihrer Beschwerde, der das FG nicht abgeholfen hat, trägt die Klägerin vor:
1. Der Befangenheitsantrag sei zulässig. Eine Verwirkung sei nicht durch Stellung des Fristverlängerungsantrags eingetreten. Dieser Antrag sei nicht an den abgelehnten Richter gerichtet worden. Dem Prozessbevollmächtigten sei unbekannt gewesen, ob über den Antrag der Vorsitzende oder das Kollegium entscheiden werde. Für den Fall einer Kollegialentscheidung sei nicht bekannt gewesen, ob der abgelehnte Richter beteiligt sein würde. Zwar sei dieser 1999 vermutlich der Berichterstatter gewesen. Zu Jahresbeginn 2000 seien aber die Verfahren im Senat nach Eintritt zweier neuer Richter teilweise neu verteilt worden.
2. Das FG verkenne, dass die Besorgnis der Befangenheit nicht allein aus dem Telefonat vom folge, sondern sich aus dem Gesamtbild einer Vielzahl von Äußerungen ergebe. Im Übrigen werde zu Unrecht der Eindruck erweckt, der Berichterstatter habe in jenem Gespräch fürsorglich auf die Rechtsprechung des BFH hingewiesen. Tatsächlich habe der Berichterstatter unzweifelhaft die Aussichtslosigkeit der Klage zum Ausdruck gebracht und klargestellt, dass das Ergebnis der Entscheidung unumstößlich feststehe. Dass eine Klagebegründung noch nicht vorgelegen habe, stehe dem nicht entgegen. Vielmehr gründe sich der Verdacht der Befangenheit darauf, dass sich der Richter mangels Klagebegründung noch kein abschließendes Bild habe machen dürfen. Der Inhalt des Gesprächs sei unstreitig, denn der Berichterstatter habe in seiner dienstlichen Stellungnahme dazu keine Ausführungen gemacht.
3. Auch die übrigen Äußerungen des Berichterstatters seien unstreitig, denn die Darstellung der Klägerin werde in keinem Fall dezidiert bestritten, sondern indirekt bestätigt. Bezüglich des Faxes in der AdV-Sache B gehe das FG von einem falschen Sachverhalt aus. Der Schriftsatz habe nur drei Seiten umfasst; ihm seien lediglich 23 Seiten als Anlage beigefügt gewesen.
Die rechtliche Würdigung gehe zu Unrecht von einer objektiven Betrachtung aus. Dies sei unzutreffend, denn der Befangenheitsantrag sei schon dann begründet, wenn aus der subjektiven Sicht bei Anlegung objektiver Maßstäbe eine Voreingenommenheit zu befürchten sei.
Fehlerhaft weise das FG darauf hin, dass in der Vergangenheit zahlreiche Verfahren mit dem Prozessbevollmächtigten in sachlicher Weise durchgeführt worden seien. In den meisten Fällen habe sich die Hauptsache erledigt, nachdem die Finanzverwaltung den Anträgen des Prozessbevollmächtigten gefolgt sei bzw. eine Einigung stattgefunden habe. Zu der gütlichen Beendigung der Verfahren habe die Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten geführt. An ein Urteil unter Mitwirkung des Berichterstatters könne sich der Prozessbevollmächtigte nicht erinnern.
4. Wenn das FG ausführe, es sei verständlich, dass dem Berichterstatter der ”Geduldsfaden gerissen” sei, werde damit die Besorgnis der Befangenheit bestätigt. Wenn sich der Richter in diesem Zusammenhang zu einer beleidigenden Äußerung hinreißen lasse, entstehe nach objektiver Betrachtung der Eindruck der Voreingenommenheit. Dabei komme es nicht darauf an, ob das Verhalten des Richters verständlich sei oder nicht.
Bei der Äußerung sei es im Übrigen nicht um einen Fristverlängerungsantrag gegangen. Der Richter sei vielmehr wegen eines inhaltlichen Schriftsatzes ungehalten gewesen. Ohnehin seien die gestellten Fristverlängerungsanträge kein Grund für eine Verärgerung gewesen, da die früheren Verfahren jeweils einvernehmlich beendet worden seien. Es habe danach keinen objektiv nachvollziehbaren Grund für den Richter gegeben derartig ”auszurasten”.
Vorsorglich werde darauf hingewiesen, dass die beleidigende Äußerung durch den Prozessbevollmächtigten weder in der Sache noch in der Form provoziert worden sei, wie auch vom Berichterstatter nicht behauptet werde.
Aus der Äußerung ergebe sich, dass der Berichterstatter mittlerweile bei jeder Handlung des Prozessbevollmächtigten ”rot” sehe. Ausdrücklich habe er erklärt, ”alles” aus dem Hause des Prozessbevollmächtigten sei eine Katastrophe. Das beziehe sich nicht nur auf Fristverlängerungsanträge —die in jenem Verfahren gar nicht gestellt worden seien—, sondern auf alle Eingaben in allen Rechtsstreitigkeiten.
5. Auf die übrigen Äußerungen des Berichterstatters gehe das FG nicht ein, obwohl diese bei einer Betrachtung des Gesamtbildes berücksichtigt werden müssten. Daraus ergebe sich, dass der Berichterstatter gegenüber Eingaben des Prozessbevollmächtigten und seiner Mandanten eine negative Einstellung habe. Dieses Bild habe der Richter in dem Gespräch vom selbst bestätigt und auf den Punkt gebracht.
6. Der Befangenheitsantrag sei aus mehreren Gründen berechtigt. Einerseits reiche die beleidigende Äußerung für sich genommen bereits für die Besorgnis der Befangenheit aus. Andererseits ergebe sich diese aus der Gesamtheit der negativen Äußerungen.
Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung dem Ablehnungsantrag gegen Richter am FG X stattzugeben.
Das FA hat keinen Antrag gestellt und erklärt, es sehe sich zu einer Stellungnahme nicht im Stande.
II. Die Beschwerde ist begründet. Die Klägerin konnte den Richter am FG X wegen Besorgnis der Befangenheit in diesem Verfahren ablehnen.
1. Die Beschwerde ist statthaft. Zwar kann nach § 128 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in der Fassung des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) vom (BGBl I 2000, 1757) ein Beschluss über die Ablehnung von Gerichtspersonen nicht mehr mit der Beschwerde angefochten werden. Gemäß Art. 4 2.FGOÄndG richtet sich die Zulässigkeit eines Rechtsbehelfs gegen eine gerichtliche Entscheidung aber nach den bis zum geltenden Vorschriften, wenn die Entscheidung vor dem verkündet oder von Amts wegen anstelle einer Verkündung zugestellt worden ist. Vorliegend ist der angefochtene Beschluss vor dem zugestellt worden.
2. Nach § 51 Abs. 1 FGO i.V.m. § 42 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung (ZPO) findet die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Gründe für ein solches Misstrauen sind gegeben, wenn ein Beteiligter von seinem Standpunkt aus bei vernünftiger, objektiver Betrachtung davon ausgehen kann, dass der Richter nicht unvoreingenommen entscheiden wird. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob die Entscheidung wirklich von Voreingenommenheit beeinflusst ausfiele. Ausschlaggebend ist vielmehr, ob der Beteiligte, der das Ablehnungsgesuch angebracht hat, von seinem Standpunkt aus bei Anlegung des angeführten objektiven Maßstabs Anlass hat, Voreingenommenheit zu befürchten (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom V B 3/85, BFHE 144, 144, BStBl II 1985, 555, und vom IV B 104/93, BFH/NV 1995, 629).
Freimütige oder saloppe Formulierungen geben grundsätzlich keinen Anlass zur Besorgnis der Befangenheit (vgl. etwa BFH-Beschlüsse in BFH/NV 1999, 661; vom VIII B 64-76/94, BFH/NV 1995, 526, und vom IV B 101/86, BFH/NV 1989, 169). Evident unsachliche oder unangemessene sowie herabsetzende und beleidigende Äußerungen des Richters können aber die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen, wenn sie den nötigen Abstand zwischen Person und Sache vermissen lassen (BFH-Beschlüsse vom IX B 12/84, BFH/NV 1987, 656; vom V B 119/88, BFH/NV 1990, 45, und vom V B 157/91, BFH/NV 1992, 479). Das gilt auch bei Äußerungen gegenüber dem Prozessbevollmächtigten eines Verfahrensbeteiligten, wenn die ablehnende Einstellung des Richters zum Prozessbevollmächtigten gegenüber dem Beteiligten in Erscheinung getreten ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom I B 112/97, BFH/NV 1998, 1360, unter II. 1., m.w.N., und vom I B 16/99, nicht veröffentlicht).
3. Im zugrunde liegenden Rechtsstreit hat der Richter am FG X als Berichterstatter eine Haltung gegenüber dem Prozessbevollmächtigten —der zugleich Gesellschafter der Klägerin ist— erkennen lassen, die aus der Sicht der Klägerin bei Anlegen objektiver Maßstäbe die Besorgnis rechtfertigt, der Richter werde in der Sache nicht unvoreingenommen entscheiden. Die anlässlich der Telefonate am 8. und gefallenen und vom Berichterstatter nicht in Abrede gestellten Äußerungen können nicht mehr als freimütig formulierte, aber sachbezogene Erklärungen zur Förderung der betroffenen Verfahren angesehen werden. Sie machen vielmehr deutlich, dass ein gespanntes persönliches Verhältnis zwischen dem Richter und dem Prozessbevollmächtigten entstanden und eine Trennung zwischen Person und Sache nicht mehr gewährleistet ist.
In einem solchen Fall besteht die Besorgnis der Befangenheit, selbst wenn den Richter an dieser Entwicklung kein Verschulden trifft (vgl. BFH in BFH/NV 1998, 1360). Im Streitfall kann kein Zweifel daran bestehen, dass der Prozessbevollmächtigte seine Pflicht zur Prozessförderung grob verletzt und den Eindruck erweckt hat, den Prozess verschleppen zu wollen. Die großzügige Einräumung von Fristen durch den Berichterstatter ist vom Prozessbevollmächtigten nicht honoriert worden. So verständlich es ist, dass einem Richter in dieser Situation mit den Worten des FG ”der Geduldsfaden reißt”, macht dies doch zugleich deutlich, dass spätestens in diesem Augenblick eine rein sachlich bestimmte Bearbeitung des Rechtsstreits durch den Richter nicht mehr zweifelsfrei gewährleistet ist. Das gilt jedenfalls, wenn der betreffende Richter —wie hier— zum Berichterstatter berufen ist. Eine sachbezogene prozessleitende Maßnahme wäre demgegenüber gewesen, durch Setzen von Ausschlussfristen die Entscheidungsreife herbeizuführen und sodann zügig über den Rechtsstreit zu entscheiden.
Im Übrigen ist auch zu berücksichtigen, dass sich das zwischen dem Richter und dem Prozessbevollmächtigten bestehende Spannungsverhältnis im Streitfall, auch soweit es auf Vorgängen in anderen Verfahren beruht, unmittelbar auswirken könnte. Der Prozessbevollmächtigte tritt hier nicht für einen fremden Dritten auf; er ist gleichzeitig Gesellschafter der von ihm vertretenen Klägerin.
4. Bei dieser Sachlage braucht der Senat nicht mehr darauf einzugehen, ob sich aus dem Gesamtbild der von der Klägerin zitierten Äußerungen des Berichterstatters die Besorgnis der Befangenheit ergibt. Es kann ferner dahinstehen, ob die Klägerin ihren Befangenheitsantrag auch noch auf das Telefonat vom stützen könnte.
5. Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen. Die Kosten fallen dem im Klageverfahren unterliegenden Beteiligten zur Last (vgl. , BFH/NV 1995, 634, unter 3.).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2001 S. 1431 Nr. 11
OAAAA-66993