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Grundlagen vom

Jahresabschlussanalyse 1: Begriff, Ziele und rechtliche Rahmenbedingungen der Jahresabschlussanalyse

Prof. Dr. Mathias Graumann

In zwölf Grundlagen-Beiträgen werden anhand eines durchgängigen Fallbeispiels Ideen, Methoden, praktische Umsetzung sowie die besonders wichtige Interpretation der Kennzahlen praxisnah erläutert.

1. Begriffsbestimmungen

1.1 Jahresabschluss

1Der Jahresabschlussbegriff ist in § 242 Abs. 3 HGB kodifiziert. Demnach wird der Jahresabschluss der Kaufleute, die nicht Einzelkaufleute i. S. des § 241a HGB sind, durch die Bilanz als das Verhältnis des Vermögens und der Schulden zum Ende des Geschäftsjahres (§ 242 Abs. 1 HGB) und die Gewinn- und Verlustrechnung als Gegenüberstellung der Aufwendungen und Erträge des Geschäftsjahres (§ 242 Abs. 2 HGB) gebildet.

2Der Jahresabschluss beinhaltet damit eine

  • Zeitpunktrechnung: Ermittlung von Beständen und Bestandsdifferenzen, bezogen auf jeweils das Ende eines Geschäftsjahres, und eine

  • Zeitraumrechnung: Ermittlung eines Erfolgsbegriffs als Saldo zwischen Erträgen und Aufwendungen eines Geschäftsjahres.

3Kapitalgesellschaften müssen den Jahresabschluss um einen Anhang erweitern, der mit der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung eine Einheit bildet (§ 264 Abs. 1 Satz 1 HGB). Kapitalgesellschaften, die nicht klein i. S. des § 267 Abs. 1 HGB sind, haben überdies einen Lagebericht aufzustellen, der rechtssystematisch außerhalb des Jahresabschlusses steht.

Hinweis:

Für Anforderungen an die Rechnungslegung den Kapitalgesellschaften gleichgestellt sind die in § 264a HGB aufgeführten Gesellschaftsformen (sog. „Kapitalgesellschaften und Co.“), wobei die Befreiungsvorschriften des § 264b HGB zu beachten sind.

4Kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaften i. S. des § 264d HGB, die nicht schon nach §§ 290 ff. HGB zur Aufstellung eines Konzernabschlusses verpflichtet sind, haben zusätzlich den Jahresabschluss um eine Kapitalflussrechnung und einen Eigenkapitalspiegel zu erweitern, die mit der Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung und dem Anhang eine Einheit bilden; sie können den Jahresabschluss um eine Segmentberichterstattung erweitern (§ 264 Abs. 1 Satz 2 HGB).

5Gemäß der sog. Generalnorm muss der Jahresabschluss der Kapitalgesellschaft unter Beachtung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Kapitalgesellschaft vermitteln (§ 264 Abs. 2 Satz 1 HGB). Aus der Generalnorm werden die Erkenntnisziele der Jahresabschlussanalyse abgeleitet. Hierbei ist der Begriff „Ertragslage“ im betriebswirtschaftlichen Sinne irreführend, da die erzielten Erträge durch höhere Aufwendungen überkompensiert werden können, so dass ein Verlust entsteht. Gemeint ist mithin die „Erfolgslage“.

6Die größenabhängig abgestuften Anforderungen an den Jahresabschluss der Kapitalgesellschaften lassen sich wie folgt tabellarisch zusammenfassen (§ 267 HGB):


Tabelle in neuem Fenster öffnen

ABB. 1: Größenklassen des § 267 HGB und ihre Auswirkungen

Unternehmenskategorie
Kleine
Kapitalgesellschaft
Mittelgroße
Kapitalgesellschaft
Große
Kapitalgesellschaft
Abgrenzungsmerkmale
(§ 267 HGB i. d. F. des BilRuG)
Bilanzsumme
≤ 6 Mio. €
≤ 20 Mio. €
> 20 Mio. €
Umsatzerlöse
≤ 12 Mio. €
≤ 40 Mio. €
> 40 Mio. €
Arbeitnehmer
≤ 50
≤ 250
> 250
Rechnungslegungs-
erfordernisse
Jahresabschluss
Verkürzte Form
Ungekürzte Form
Ungekürzte Form
GuV (§§ 275, 276 HGB)
Verkürzte Form
(leicht) verkürzte Form
Ungekürzte Form
Anhang (§§ 274a, 288 HGB)
Verkürzte Form
(leicht) verkürzte Form
Ungekürzte Form
Lagebericht (§ 264 Abs. 1 i. V. mit § 289 HGB)
Keinen
Ungekürzte Form
Ungekürzte Form
Aufstellungsfrist
(§ 264 Abs. 1 HGB)
sechs Monate nach
Ende Geschäftsjahr
drei Monate nach
Ende Geschäftsjahr
drei Monate nach
Ende Geschäftsjahr
Offenlegungspflicht
(§§ 325 ff. HGB)
Bestandteile
Bilanz, Anhang (nicht GuV)
Jahresabschluss
(verkürzte Form),
Lagebericht, BestV,
AR-Bericht
Jahresabschluss
(ungekürzte Form),
Lagebericht, BestV,
AR-Bericht
Publizitätsorgan
Registergericht
Registergericht;
Angabe HReg und Einreichungsnummer im Bundesanzeiger
Bundesanzeiger
Publizitätsfrist
zwölf Monate nach
Ende Geschäftsjahr
zwölf Monate nach
Ende Geschäftsjahr
zwölf Monate nach
Ende Geschäftsjahr
Prüfungspflicht
(§ 316 Abs. 1 HGB)
Keine
Uneingeschränkt
Uneingeschränkt

7Die Bilanzsumme setzt sich aus den Posten zusammen, die in den Buchstaben A bis E des § 266 Abs. 2 HGB aufgeführt sind. Ein auf der Aktivseite ausgewiesener Fehlbetrag (§ 268 Abs. 3 HGB) wird nicht in die Bilanzsumme einbezogen (§ 267 Abs. 4a HGB).

8Mit dem Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (BilRUG) wurden die Vorgaben der EU-Richtlinie 2013/34/EU in deutsches Recht umgesetzt. Das als Artikelgesetz abgefasste BilRUG induzierte vornehmlich Änderungen des HGB, AktG und GmbHG. .

9Insbesondere wurden die Schwellenwerte zur Klassifizierung kleiner, mittelgroßer und großer Kapitalgesellschaften und diesen gleichgestellte Personenhandelsgesellschaften angehoben

10In die Umsatzerlöse werden seither sämtliche Erträge aus dem Verkauf von Produkten und der Erbringung von Dienstleistungen einbezogen, auch wenn sie nicht für die gewöhnliche Geschäftstätigkeit der Gesellschaft typisch sind (§ 277 Abs. 1 HGB). Damit sind sonstige betriebliche Erträge aus Nebentätigkeiten in die Umsatzerlöse umzugliedern. Der Ausweis außerordentlicher Positionen in der GuV entfällt (§ 275 HGB).

11Umfangreiche Änderungen adressierten die Angabepflichten im Anhang. Für zahlreiche Wahlpflichtangaben, die vormals wahlweise in der Bilanz oder im Anhang gemacht werden konnten, wurde eine Anhangberichterstattung verpflichtend. Dies gilt z. B. für den Anlagespiegel oder die in § 251 HGB bezeichneten Haftungsverhältnisse (nunmehr §§ 284 Abs. 3, 285 Nr. 3a HGB).

12Im Anhang ist zudem über außergewöhnliche und periodenfremde Posten zu berichten, soweit sie nicht von untergeordneter Bedeutung sind (§ 285 Nr. 31, 32 HGB). Somit kann grundsätzlich das außergewöhnliche Periodenergebnis berechnet und vom Periodenergebnis lt. GuV in Abzug gebracht werden.

13Erweiterte Angabepflichten sind hinsichtlich Genussscheinen, Genussrechten, Wandelschuldverschreibungen, Optionsscheinen, Optionen, Besserungsscheinen oder vergleichbaren Wertpapieren oder Rechten, latenten Steuersalden und deren Bewegungen im Geschäftsjahr und des Ergebnisverwendungsvorschlags entstanden.

14Kleine Kapitalgesellschaften wurden von einer Reihe von Anhangangaben befreit (§ 288 Abs. 1 HGB). Sie müssen allerdings nunmehr die durchschnittlich beschäftigten Arbeitnehmer angeben (§ 285 Nr. 7 HGB i. V. mit § 288 Abs. 1 HGB).

15Schließlich wurde die Berichterstattung über Vorgänge von besonderer Bedeutung nach Schluss des Geschäftsjahres vom Lagebericht in den Anhang verlagert (§ 285 Nr. 33 HGB).

16Rechtsformunabhängig und allein aufgrund der Erfüllung bestimmter Größenmerkmale kann sich eine Pflicht zur Aufstellung eines Jahresabschlusses in analoger Anwendung der §§ 264 ff. HGB aufgrund der §§ 1 Abs. 1, 5 PublG ergeben.

17Genossenschaften haben ebenfalls einen im Wesentlichen den Vorschriften für Kapitalgesellschaften entsprechenden Jahresabschluss aufzustellen (§ 336 Abs. 1 und 2 HGB).

Hinweis:

Die Anforderungen an Umfang und Publizität des Jahresabschlusses variieren somit nach der Rechtsform und der Größe von Unternehmen.

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