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Grundlagen vom

Jahresabschlussanalyse 12: Jahresabschlussanalyse bei Anwendung des MicroBilG

Prof. Dr. Mathias Graumann

In zwölf Grundlagen-Beiträgen werden anhand eines durchgängigen Fallbeispiels Ideen, Methoden, praktische Umsetzung sowie die besonders wichtige Interpretation der Kennzahlen praxisnah erläutert.

1. Anwendungsbereich und Zielsetzung des MicroBilG

1017Kleinstkapitalgesellschaften konnten bislang aufgrund EU-rechtlicher Vorgaben nicht – wie beispielsweise kleine Einzelkaufleute – von der Erfüllung bestimmter, sie unverhältnismäßig belastender Anforderungen an die Rechnungslegung befreit werden. Die EU-Richtlinie 2012/6/EU vom zur Änderung der Richtlinie 78/660/EWG erlaubt seither, solche Kleinstkapitalgesellschaften von den derzeit geltenden Vorgaben für die Rechnungslegung zu entlasten, insbesondere in der Weise, dass auf die Aufstellung eines Anhangs verzichtet werden kann.

1018Das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2012/6/EU über den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen hinsichtlich Kleinstbetrieben (Kleinstkapitalgesellschaften-Bilanzrechtsänderungsgesetz – MicroBilG) trat am in Kraft und gab die Entlastungsoptionen im weitest möglichen Umfang an die Kleinstkapitalgesellschaften weiter. Es handelt sich um ein Artikelgesetz, in dem Art. 1 die hier diskutierten Änderungen des HGB enthält.

1019Nach Maßgabe des neugefassten § 267a Abs. 1 HGB sind Kleinstkapitalgesellschaften kleine Kapitalgesellschaften, die mindestens zwei der drei nachstehenden Merkmale nicht überschreiten:

  • 350.000 € Bilanzsumme nach Abzug eines auf der Aktivseite ausgewiesenen Fehlbetrags (§ 268 Abs. 3 HGB),

  • 700.000 € Umsatzerlöse in den zwölf Monaten vor dem Abschlussstichtag,

  • im Jahresdurchschnitt zehn Arbeitnehmer,

  • mit den Ausnahmen des § 267a Abs. 3 HGB.

1020Hierbei setzt sich die Bilanzsumme aus den Posten zusammen, die in den Buchstaben A bis E des § 266 Abs. 2 HGB aufgeführt sind, wobei bei Ausübung des in § 274a Nr. 5 HGB geregelten Wahlrechts hinsichtlich der Befreiung kleiner Kapitalgesellschaften von der Abgrenzung latenter Steuern der betreffende Buchstabe nicht berücksichtigt wird. § 267 Abs. 4 bis 6 HGB gilt entsprechend.

1021Die im HGB für kleine Kapitalgesellschaften i. S. des § 267 Abs. 1 HGB vorgesehenen besonderen Regelungen gelten für Kleinstkapitalgesellschaften entsprechend, soweit nichts anderes geregelt ist, so z. B. die Vereinfachungen der §§ 274a, 276 HGB.

2. Auswirkungen auf die publizierten Jahresabschlüsse

2.1 Bilanz

1022Nach § 266 Abs. 1 Satz 4 HGB brauchen Kleinstkapitalgesellschaften nur eine verkürzte Bilanz aufzustellen, in die nur die in den Abs. 2 und 3 mit Buchstaben bezeichneten Posten gesondert und in der vorgeschriebenen Reihenfolge aufgenommen werden.


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Aktiva
Passiva
A. Anlagevermögen
B. Umlaufvermögen
C. Rechnungsabgrenzungsposten
D. Aktive latente Steuern
E. Aktiver Unterschiedsbetrag aus der Vermögensverrechnung
A. Eigenkapital
B. Rückstellungen
C. Verbindlichkeiten
D. Rechnungsabgrenzungsposten
E. Passive latente Steuern

1023Die kleine Kapitalgesellschaft muss demgegenüber die mit Buchstaben und römischen Ziffern gekennzeichneten Positionen in der Bilanz ausweisen (§ 266 Abs. 1 Satz 3 HGB).


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Aktiva
Passiva
A. Anlagevermögen
I. Immaterielle Vermögensgegenstände
II. Sachanlagen
III. Finanzanlagen
B. Umlaufvermögen
I. Vorräte
II. Forderungen und sonstige Vermögens-
gegenstände
III. Wertpapiere
IV. Kassenbestand, Bundesbankguthaben, Guthaben bei Kreditinstituten und Schecks
C. Rechnungsabgrenzungsposten
D. Aktive latente Steuern
E. Aktiver Unterschiedsbetrag aus der Vermögensverrechnung
A. Eigenkapital
I. Gezeichnetes Kapital
II. Kapitalrücklage
III. Gewinnrücklagen
IV. Gewinnvortrag/Verlustvortrag
V. Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag
B. Rückstellungen
C. Verbindlichkeiten
D. Rechnungsabgrenzungsposten
E. Passive latente Steuern

1024Kleinstkapitalgesellschaften dürfen nach § 253 Abs. 1 Satz 5 HGB eine Bewertung zum beizulegenden Zeitwert nur mit den dort genannten Einschränkungen vornehmen. Da es sich hierbei im Wesentlichen um die Verrechnung von sog. Planvermögen mit Altersversorgungsverpflichtungen handelt (vgl. § 246 Abs. 2 Satz 2 HGB), sollte dieser Tatbestand wenig Praxisrelevanz entfalten; von einer tieferen Behandlung wird deshalb abgesehen.

1025Nach § 274a HGB gilt schon für kleine Kapitalgesellschaften eine Befreiung von der

1026Damit lässt sich die Bilanzstruktur regelmäßig reduzieren auf:


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Aktiva
Passiva
A. Anlagevermögen
B. Umlaufvermögen
C. Rechnungsabgrenzungsposten
A. Eigenkapital
B. Rückstellungen
C. Verbindlichkeiten
D. Rechnungsabgrenzungsposten

1027Neben den Angaben des Anlagespiegels (§ 284 Abs. 3 i. V. mit § 288 Abs. 1 HGB) und des Anhangs (§ 264 Abs. 1 Satz 5 HGB) fehlen auch die für kleine Kapitalgesellschaften vorgeschriebenen, für die Jahresabschlussanalyse bedeutsamen Angaben des Betrags der in den Bilanzen häufig in Form von davon-Vermerken vorzufindenden

1028Nach Ansicht des Gesetzgebers ist das Erfordernis des § 247 Abs. 1 HGB, in der Bilanz das Anlage- und Umlaufvermögen, das Eigenkapital, die Schulden sowie die Rechnungsabgrenzungsposten gesondert auszuweisen und hinreichend aufzugliedern, bei Kleinstkapitalgesellschaften regelmäßig erfüllt, wenn sie eine auf Buchstabenposten verkürzte Gliederung verwenden.

Hinweis:

Dies stimmt kritisch, sind doch insbesondere kleine Kapitalgesellschaften überproportional häufig vom Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit bedroht. Für deren Beurteilung ist insbesondere die Fristenkongruenz im Kurzfristbereich bedeutsam, welche durch den Wegfall der o. g. Angaben künftig nach MicroBilG nicht mehr beurteilt werden kann.

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