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Außergewöhnliche Belastungen
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Außergewöhnliche Belastungen – Gerichtsentscheidungen, NWB Online-Beitrag
Zeitschriften
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Haupt, Zumutbare Belastung – (Kein) Ende der Diskussion, DStR 16/2016 S. 902;
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Bücher/Kommentare
KKB/Bleschick, § 33 EStG, 8. Aufl. 2023.
A. Problemanalyse
I. Allgemeine Erläuterungen
1 Ausgangslage
Dem Grundsatz, wonach betrieblich bzw. beruflich veranlasste Aufwendungen das steuerliche Einkommen mindern dürfen, dagegen Kosten der Lebensführung unberücksichtigt zu bleiben haben, hat der Gesetzgeber einige Ausnahmen beigefügt. Neben den Sonderausgaben und haushaltsnahen Dienstleistungen sind es vor allem die außergewöhnlichen Belastungen, denen unter bestimmten gesetzlichen – und durch die Rechtsprechung herausgearbeiteten – Voraussetzungen eine solche „Abzugserlaubnis“ gewährt wird.
2Grundinformationen
Zwangsläufige größere Aufwendungen, welche die zumutbare Belastung übersteigen, werden auf Antrag des Steuerpflichtigen steuermindernd berücksichtigt (§ 33 Abs. 1 EStG). Nach der Legaldefinition ist von Zwangsläufigkeit auszugehen, wenn der Steuerpflichtige sich den Aufwendungen weder aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen entziehen kann (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG). Die Nachrangigkeit der außergewöhnlichen Belastungen gegenüber den Betriebsausgaben, Werbungskosten und Sonderausgaben regelt § 33 Abs. 2 Satz 2 EStG. Darüber hinaus können nach dem Gesetzeswortlaut Aufwendungen, die für eine Diätverpflegung entstehen, nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden (§ 33 Abs. 2 Satz 3 EStG). Mit dieser Einzelfallregelung wollte der Gesetzgeber die Rechtsprechung wieder zurückführen. Grundsätzlich können ebenfalls Prozesskosten nicht als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenz zu verlieren (§ 33 Abs. 2 Satz 4 EStG). Diese Einzelfallregelung ist als Antwort des Gesetzgebers auf die Rechtsprechung zu werten. Eine Ermächtigungsgrundlage für den Erlass einer Rechtsverordnung (RVO), und zwar für den Nachweis außergewöhnlicher Belastungen, findet sich abschließend am Ende der Vorschrift (§ 33 Abs. 4 EStG). Davon hat der Gesetzgeber zur Bestimmung des Nachweises von Krankheitskosten ausführlich Gebrauch gemacht.
3Zumutbare Belastung
Die zumutbare Belastung ist tabellarisch geregelt, und zwar nach dem Gesamtbetrag der Einkünfte, dem Familienstand und der Anzahl der Kinder.
4Schematischer Aufbau der Vorschrift
Eine Steuerermäßigung wegen außergewöhnlicher Belastung kann abgezogen werden, wenn
einem Steuerpflichtigen
zwangsläufig, d. h., er kann sich ihnen aus
rechtlichen,
tatsächlichen oder
sittlichen Gründen nicht entziehen,
und die Aufwendungen sind den Umständen nach notwendig und
übersteigen einen angemessenen Betrag nicht,
größere Aufwendungen erwachsen
als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen
gleicher Einkommensverhältnisse,
gleicher Vermögensverhältnisse und
gleichen Familienstands.
Ist dies erfüllt, kann
auf Antrag
der Teil der Aufwendungen,
der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung übersteigt,
vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden.
5Grundgedanke
Grundgedanke der außergewöhnlichen Belastung ist, dass die subjektive Leistungsfähigkeit des einzelnen Steuerpflichtigen teilweise berücksichtigt wird. Die außergewöhnlichen nichtdisponiblen Aufwendungen sollen berücksichtigt werden. Über die Aufwendungen außergewöhnlicher Art, welche das Existenzminimum betreffen, werden darüber hinaus Aufwendungen erfasst, die die individuelle Lebenssituation berücksichtigen.
6Antragserfordernis
Außergewöhnliche Belastungen können nur in den Fällen steuerliche Beachtung finden, in denen ein Antrag des Steuerpflichtigen vorliegt. Im Wege der Gesamtrechtsnachfolge kann der Erbe, der die Einkommensteuererklärung für den Erblasser abgibt, einen Antrag hinsichtlich der Berücksichtigung außergewöhnlicher Belastungen stellen.
Der Antrag kann bis zum Ende der Tatsacheninstanz, also bis zum Ende des Verfahrens (Erlass des FG-Urteils) vor dem Finanzgericht, gestellt werden.
7Anwendungsbereich
Außergewöhnliche Belastungen können durch unbeschränkt einkommensteuerpflichtige Personen geltend gemacht werden. Für beschränkt Steuerpflichtige ist der Anwendungsbereich der Vorschrift grundsätzlich nicht eröffnet ( § 50 Abs. 1 Satz 3 EStG); die persönlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen werden bereits in dessen Wohnsitzstaat berücksichtigt.
Auf Antrag können beschränkt Steuerpflichtige als unbeschränkt Steuerpflichtige behandelt werden und ihre außergewöhnlichen Belastungen zum Ansatz bringen (§ 1 Abs. 3 und § 1a EStG). Diese Ausnahme besteht für beschränkt Steuerpflichtige mit im Wesentlichen inlandsbesteuerten Einkünften. Dafür müssen bestimmte Voraussetzungen gestellt werden und es ist ein Antrag erforderlich.
8Zeitpunkt des Abzugs
Außergewöhnliche Belastungen sind grundsätzlich in dem Jahr steuerlich zu berücksichtigen, in dem die Aufwendungen geleistet worden sind. Eine abweichende Steuerfestsetzung nach § 163 AO ist atypischen Ausnahmefällen vorbehalten. Sie kommt nicht in Betracht, wenn sich Aufwendungen im Veranlagungszeitraum der Verausgabung nicht in vollem Umfang steuermindernd ausgewirkt haben.
Es kommt auf den Zeitpunkt der Verausgabung an (§ 11 Abs. 2 EStG = Abflussprinzip).
Nach der Rechtsprechung gilt dies auch in den Fällen, in denen das zu Grunde liegende Ereignis oder der Rechtsgrund für die Ausgaben in einem früheren VZ eingetreten ist oder die Mittel früher angesammelt worden sind.
Bei einer Überweisung ist, ausreichende Kontodeckung vorausgesetzt, der Zeitpunkt der Erteilung des Überweisungsauftrags (Eingang bei der Bank) maßgeblich.
Fallen besonders hohe Aufwendungen um den Jahreswechsel, beispielsweise durch teure ärztliche Behandlungen, die nicht durch die Krankenkasse getragen werden, an, oder ist eine Anschaffung von medizinischen Hilfsmitteln erforderlich, kann sich das Vorziehen der Zahlung in das alte Kalenderjahr oder die Verschiebung in das neue Jahr lohnen. Somit kann möglicherweise die Grenze der zumutbaren Belastung durch die Zusammenfassung der Ausgaben in einem Kalenderjahr überschritten werden.
9Durchbrechung des Abflussprinzips
Nach einem FG-Urteil können die Auswirkungen des Abflussprinzips bei der Berücksichtigung außergewöhnlicher Belastungen in besonderen Einzelfällen durch die Anwendung des § 163 AO korrigiert werden. Ein solcher Ausnahmefall kann vorliegen, falls eine besonders kostenintensive außergewöhnliche Belastung – etwa der Umbau eines Hauses – ohne Verteilung auf mehrere Veranlagungszeiträume zum ganz überwiegenden Teil steuerlich wirkungslos bliebe. Im Fall von Baumaßnahmen erscheint eine Verteilung auf bis zu fünf Jahre angemessen. Auch in einem anderen Fall hat es der BFH für denkbar gehalten, die Aufwendungen aus Billigkeitsgründen über den Nutzungszeitraum verteilt abzuziehen.
10Abzugsberechtigung bei Ehegatten
Aufwendungen für außergewöhnliche Belastungen werden bei der Zusammenveranlagung insgesamt berücksichtigt. Es ist unerheblich, bei welchem Ehegatten die Aufwendungen entstanden sind und welcher Ehegatte sie getragen hat. Der Grundsatz der Individualbesteuerung gilt gerade nicht, da bei der Zusammenveranlagung beide Ehegatten wie ein Steuerpflichtiger behandelt werden (§ 26b EStG). Bei der Einzelveranlagung von Ehegatten werden die außergewöhnlichen Belastungen hingegen demjenigen zugerechnet, der diese wirtschaftlich trägt. Die zumutbare Belastung bestimmt sich in diesen Fällen nach dem Gesamtbetrag der Einkünfte des jeweiligen Ehegatten und nicht nach dem Gesamtbetrag der Einkünfte beider Ehegatten.
Gleiches gilt bei der Ehegatteneinzelveranlagung ebenfalls für den Sonderausgabenabzug und die Steuerermäßigung für haushaltsnahe Dienstleistungen. Hier werden diese dem Ehegatten zugerechnet, der diese wirtschaftlich trägt. Als Ausnahme zur Ausnahme gilt, dass alle Aufwendungen wiederum auf übereinstimmenden Antrag der Ehegatten jeweils zur Hälfte abgezogen werden können (§ 26a Abs. 2 Satz 1 und 2 EStG).