Gewinnrealisierung bei Abschlagszahlungen nach § 8 Abs. 2 HOAI
Leitsatz
1. Die Gewinnrealisierung tritt bei Planungsleistungen eines Ingenieurs nicht erst mit der Abnahme oder Stellung der Honorarschlussrechnung ein, sondern bereits dann, wenn der Anspruch auf Abschlagszahlung nach § 8 Abs. 2 HOAI entstanden ist.
2. Abschlagszahlungen nach § 8 Abs. 2 HOAI sind nicht wie Anzahlungen auf schwebende Geschäfte zu bilanzieren.
Gesetze: EStG § 4 Abs. 1HGB § 252 Abs. 1 Nr. 4 2. HalbsatzBGB § 631BGB § 640HOAI § 8 Abs. 2
Instanzenzug: (EFG 2012, 816) (Verfahrensverlauf),
Gründe
I.
1 Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine KG, betreibt ein Ingenieurbüro für Bautechnik. Sie ermittelt ihren Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). In ihrer Bilanz auf den aktivierte sie „unfertige Leistungen” in Höhe von 8.481.829,85 DM und passivierte „erhaltene Anzahlungen” in Höhe von 11.041.615,56 DM als Verbindlichkeiten, da sie davon ausging, dass insoweit eine Gewinnrealisierung noch nicht eingetreten sei. Nach einer Außenprüfung vertrat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) die Auffassung, dass ein wesentlicher Teil der Leistungen, die die Klägerin in ihrer Bilanz als unfertige Leistungen ausgewiesen hatte, bereits wirtschaftlich erfüllt und der Gewinn auch insoweit realisiert sei. Für mögliche Belastungen durch Restarbeiten und Planungsfehler setzte es eine Rückstellung in Höhe der Differenz zwischen den Honorarforderungen und den erhaltenen Anzahlungen an und erhöhte in dem geänderten Feststellungsbescheid für 2000 vom den Gesamthandsgewinn der Klägerin auf 3.984.378 DM. Nach Abzug der Sonderbetriebsausgaben beliefen sich die festgestellten Einkünfte aus selbständiger Arbeit auf 3.959.445 DM.
2 Nach erfolglosem Einspruchsverfahren hat das Finanzgericht (FG) der Klage in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 816 veröffentlichten Urteil vom 13 K 3413/07 F teilweise stattgegeben. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, dass der Gewinn nur insoweit realisiert worden sei, als die Planungsleistungen der Klägerin (fiktiv oder konkludent) abgenommen worden seien. Der Gewinnfeststellungsbescheid sei insoweit rechtswidrig, als in dem festgestellten Gewinn Abschlagszahlungen für Projekte erfasst worden seien, die am Bilanzstichtag noch nicht abgenommen worden seien. Das FG setzte den Gesamthandsgewinn der Klägerin auf 2.132.062 DM herab und übertrug die Aufteilung des Gewinns auf die Gesellschafter dem FA. Während des Revisionsverfahrens erließ das FA für das Streitjahr geänderte Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom und (letzteren nur wegen erneut geänderter Gewinnverteilung), in denen es den Gesamthandsgewinn nach Maßgabe des FG-Urteils erneut feststellte und auf die Gesellschafter verteilte.
3 Zur Begründung ihrer Revision macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, die Erhöhung des Gesamthandsgewinns sei rechtswidrig. Eine Gewinnrealisierung sei nicht eingetreten, da weder Honorarschlussrechnungen gestellt noch die Planungsleistungen abgenommen worden seien. Entgegen der Auffassung des FG könne eine Teilabnahme nicht fingiert werden.
4 Die Klägerin beantragt,
das , die Einspruchsentscheidung vom sowie die geänderten Bescheide zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2000 vom , vom und vom aufzuheben.
5 Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen sowie die Klage gegen die Änderungsbescheide vom und abzuweisen.
II.
6 Auf die Revision der Klägerin ist das angefochtene Urteil aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg, sodass die Klage gegen die Änderungsbescheide abzuweisen ist.
7 1. Das angefochtene Urteil ist aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben. Das FG hat über den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2000 vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom entschieden. Das FA hat sich nicht darauf beschränkt, nach Maßgabe des FG-Urteils das Ergebnis der Neuaufteilung des Gesamthandsgewinns festzustellen, sondern hat in den geänderten Bescheiden über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2000 vom und auch den Gesamthandsgewinn festgestellt. Die Bescheide sind an die Stelle des ursprünglich mit der Klage angefochtenen Bescheides getreten, sodass dem Urteil des FG ein nicht mehr existierender Bescheid zugrunde liegt und es deshalb keinen Bestand haben kann (, BFHE 204, 166, BStBl II 2006, 7, m.w.N.).
8 Die geänderten Feststellungsbescheide vom und sind nach § 68 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden. Da sich hinsichtlich der streitigen Punkte keine Änderungen ergeben haben und die Klägerin auch keinen weiter gehenden Antrag gestellt hat, bedarf es keiner Zurückverweisung der Sache gemäß § 127 FGO. Das finanzgerichtliche Verfahren leidet nicht an einem Verfahrensmangel, sodass die vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen durch die Aufhebung des Urteils nicht weggefallen sind; sie bilden daher nach wie vor die Grundlage für die Entscheidung des Senats (, BFHE 201, 269, BStBl II 2004, 43).
9 2. Aufgrund seiner Befugnis aus den §§ 121 und 100 FGO entscheidet der Senat in der Sache selbst. Die Klage ist unbegründet und deshalb abzuweisen. Der zuletzt ergangene Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2000 vom , der die vorangegangenen Bescheide in sich aufnimmt, ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, da der festgestellte Gewinn zum Abschlussstichtag bereits in voller Höhe realisiert worden war.
10 a) Der Zeitpunkt der Aktivierung von Forderungen bestimmt sich auch bei der Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs. 1 EStG nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung —GoB— (, BFHE 186, 429, BStBl II 1999, 21; vom VIII R 110/79, BFHE 140, 74, BStBl II 1984, 227; Schmidt/ Heinicke, EStG, 33. Aufl., § 4 Rz 44). Zu diesen GoB gehört das in § 252 Abs. 1 Nr. 4 2. Halbsatz des Handelsgesetzbuchs geregelte Realisationsprinzip, demzufolge Gewinne nur dann zu berücksichtigen sind, wenn sie am Abschlussstichtag realisiert sind (, BFH/NV 2010, 2033). Bei Lieferungen und anderen Leistungen wird Gewinn realisiert, wenn der Leistungsverpflichtete die von ihm geschuldeten Erfüllungshandlungen „wirtschaftlich erfüllt” hat und ihm die Forderung auf die Gegenleistung (die Zahlung) —von den mit jeder Forderung verbundenen Risiken abgesehen— so gut wie sicher ist (vgl. , BFH/NV 2013, 1548; vom I R 94/03, BFHE 210, 398, BStBl II 2006, 20; vom XI R 1/93, BFHE 171, 448, BStBl II 1993, 786; vom IV 226/58 S, BFHE 71, 111, BStBl III 1960, 291, jeweils m.w.N.). In diesem Fall reduziert sich das Zahlungsrisiko des Leistenden darauf, dass der Empfänger Gewährleistungsansprüche geltend macht oder sich als zahlungsunfähig erweist. Ohne Bedeutung ist hingegen, ob am Bilanzstichtag die Rechnung bereits erteilt ist, ob die geltend gemachten Ansprüche noch abgerechnet werden müssen oder ob die Forderung erst nach dem Bilanzstichtag fällig wird (vgl. BFH-Urteil in BFHE 210, 398, BStBl II 2006, 20, m.w.N.).
11 b) Eine Dienst- oder Werkleistung ist „wirtschaftlich erfüllt”, wenn sie —abgesehen von unwesentlichen Nebenleistungen— erbracht worden ist (vgl. BFH-Urteile in BFHE 71, 111, BStBl III 1960, 291). Zwar bedarf es bei Werkverträgen i.S. des § 631 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) grundsätzlich der Übergabe und der Abnahme des Werks durch den Besteller (§ 640 BGB), um die handels- und steuerrechtliche Gewinnrealisierung herbeizuführen (vgl. , BFHE 220, 385, BStBl II 2008, 428; vom IV R 40/04, BFHE 211, 206, BStBl II 2006, 26, jeweils m.w.N.). Dies kann uneingeschränkt jedoch nur dann gelten, wenn die Wirkungen der Abnahme für das Entstehen des Entgeltanspruchs des Unternehmers nicht durch Sonderregelungen, wie etwa eine Gebührenordnung, modifiziert werden (vgl. , BFHE 129, 380, BStBl II 1980, 239).
12 c) Dies ist bei den von der Klägerin erbrachten Planungsleistungen der Fall, da für deren Abrechnung die Bestimmungen der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) gelten. Nach § 8 Abs. 2 HOAI in der im Streitjahr geltenden Fassung vom (BGBl I 1995, 1174) hat der Werkunternehmer in angemessenen zeitlichen Abständen für bereits nachgewiesene Leistungen einen Anspruch auf Abschlagszahlungen. Dieser setzt weder voraus, dass eine Teilabnahme vereinbart worden ist, noch, dass eine solche tatsächlich erfolgt ist. Erforderlich ist lediglich, dass der Auftragnehmer die (Teil-)Leistung abnahmefähig erbracht und eine prüfbare Rechnung wie bei der Schlussrechnung vorgelegt hat. Zweck der Regelung ist es, dem Auftragnehmer die Nachteile der bestehenden Vorleistungspflicht zu nehmen, da es sachlich nicht gerechtfertigt ist, dem Auftragnehmer einen beträchtlichen Teil des Honorars für eine längere Zeit vorzuenthalten, wenn die zu vergütende Leistung bereits erbracht worden ist (, BGHZ 165, 332, m.w.N.; Korbion/Mantscheff/Vygen, HOAI, 7. Aufl., § 8 Rz 22, 54; Locher/Koeble/Frik, Kommentar zur HOAI, 7. Aufl., § 8 Rz 58 ff.; Pott/Dahlhoff, HOAI, 5. Aufl., § 8 Rz 10).
13 Da weder die Abnahme der Planungsleistung noch die Stellung einer Honorarschlussrechnung für die Entstehung des Honoraranspruchs nach § 8 Abs. 2 HOAI von Bedeutung sind, ist mit der auftragsgemäßen Erbringung der Planungsleistung die Abschlagszahlung bereits verdient (vgl. BFH-Urteile in BFHE 129, 390, BStBl II 1980, 239; vom IV R 62/05, BFHE 220, 85, BStBl II 2008, 557; in BFHE 71, 111, BStBl III 1960, 291). Sie ist dem Leistenden auch „so gut wie sicher”, da eine Rückforderung geleisteter Abschlagszahlungen ausgeschlossen ist, wenn der Auftragnehmer durch Überreichung einer prüfbaren Honorarschlussrechnung nachweist, dass der Honoraranspruch in der bereits abgerechneten Höhe entstanden ist (, Neue Juristische Wochenschrift-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht 2008, 328, m.w.N.; Korbion/Mantscheff/Vygen, a.a.O., § 8 Rz 61). Der Auftragnehmer hat es danach —unabhängig von der Abnahme des Werkes— selbst in der Hand, ob er das bereits verdiente Entgelt behalten kann. Es besteht somit kein Grund, Abschlagszahlungen nach § 8 Abs. 2 HOAI wie Anzahlungen auf schwebende Geschäfte zu bilanzieren.
14 d) Nach diesen Grundsätzen ergibt sich ein höherer als der vom FA im Bescheid vom festgestellte Gewinn, da in diesem nicht alle von der Klägerin bis zum gemäß § 8 Abs. 2 HOAI vereinnahmten Abschlagszahlungen mit gewinnrealisierender Wirkung erfasst worden sind. Das Verbot der reformatio in peius schließt indessen die Feststellung eines höheren Gewinns aus (vgl. , BFHE 157, 44, BStBl II 1989, 708). Die Klage ist daher abzuweisen.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
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Fundstelle(n):
BStBl 2014 II Seite 968
BB 2014 S. 2609 Nr. 43
BB 2015 S. 47 Nr. 1
BBK-Kurznachricht Nr. 21/2014 S. 993
BFH/NV 2014 S. 1820 Nr. 11
BFH/PR 2014 S. 410 Nr. 12
BStBl II 2014 S. 968 Nr. 20
DB 2014 S. 2684 Nr. 47
DB 2014 S. 6 Nr. 41
DStR 2014 S. 2010 Nr. 41
DStRE 2014 S. 1339 Nr. 21
DStZ 2014 S. 818 Nr. 23
EStB 2014 S. 390 Nr. 11
FR 2014 S. 1136 Nr. 24
HFR 2014 S. 1044 Nr. 12
KSR direkt 2014 S. 3 Nr. 11
KÖSDI 2014 S. 19068 Nr. 11
NWB-Eilnachricht Nr. 42/2014 S. 3138
NWB-Eilnachricht Nr. 43/2014 S. 3216
StB 2014 S. 373 Nr. 11
StBW 2014 S. 849 Nr. 22
StBW 2014 S. 857 Nr. 22
StuB-Bilanzreport Nr. 20/2014 S. 778
Ubg 2014 S. 721 Nr. 11
WPg 2014 S. 1164 Nr. 22
HAAAE-74907