FortschR 6.

6. Wertverhältnisse und tatsächliche Verhältnisse bei der Bewertung des Grundvermögens (§ 27 BewG 1965)

(1) Bei Fortschreibungen und Nachfeststellungen der Einheitswerte für das Grundvermögen sind die Wertverhältnisse vom 1. Januar 1964 und die tatsächlichen Verhältnisse im Fortschreibungszeitpunkt oder im Nachfeststellungszeitpunkt zugrunde zu legen.

(2) Beim Grundvermögen umfaßt der Begriff der Wertverhältnisse vor allem die wirtschaftlichen Verhältnisse, die ihren Niederschlag in den Grundstücks- und Baupreisen und im allgemeinen Mietniveau gefunden haben. Bei der Bewertung unbebauter Grundstücke ist von den durchschnittlichen Werten auszugehen, die zum 1. Januar 1964 für vergleichbare Grundstücke ermittelt worden sind. Wertänderungen, die auf einem Bebauungsplan, auf Erschließungsmaßnahmen oder auf einer Änderung der besonderen Verkehrsverhältnisse beruhen, sind als Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse zu berücksichtigen. Bei der Bewertung bebauter Grundstücke im Ertragswertverfahren ist von dem am 1. Januar 1964 geltenden Mietniveau auszugehen. Dabei sind die Vorschriften des Artikels 2 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes zur Änderung des Bewertungsgesetzes vom 13. August 1965 (Bundesgesetzbl. I S. 851) zu beachten. Bei der Bewertung bebauter Grundstücke im Sachwertverfahren sind die für die Hauptfeststellung 1964 maßgebenden Preise zugrunde zu legen.

(3) Bei der Bewertung bebauter Grundstücke im Ertragswertverfahren ist nicht die im Fortschreibungszeitpunkt oder Nachfeststellungszeitpunkt geltende Miete, sondern diejenige Miete zugrunde zu legen, die für das Grundstück am 1. Januar 1964 unter Berücksichtigung des tatsächlichen Zustandes des Grundstücks im Feststellungszeitpunkt anzusetzen gewesen wäre. Für öffentlich geförderte Wohnungen ist demnach von der preisrechtlich zulässigen Miete auszugehen, die am 1. Januar 1964 gegolten hätte.

(4) Die für das jeweilige Baujahr geltenden Vervielfältiger der Anlagen 3 bis 8 zu § 80 BewG 1965 müssen grundsätzlich bei Fortschreibungen und Nachfeststellungen beibehalten werden. Hat sich die Lebensdauer eines Gebäudes durch nach dem 1. Januar 1964 eingetretene Umstände wesentlich verlängert oder verkürzt (§ 80 Abs. 3 BewG 1965), so ist das fiktive Baujahr nach Abschnitt 27 BewR Gr zu ermitteln. Bei einem Gebäude, das nach dem 1. Januar 1964 errichtet worden ist, ist im Fall der Verkürzung für die Ermittlung des fiktiven Baujahrs vom tatsächlichen Baujahr, nicht vom 1. Januar 1964 auszugehen.

Beispiel:

Das Gebäude eines Mietwohngrundstücks in einer Gemeinde über 500 000 Einwohner ist im Jahre 1968 errichtet worden. Es handelt sich um einen Massivbau. Der Vervielfältiger wäre demnach 9,1 (Teil A der Anlage 3 des Gesetzes, Teil A der Anlage 8 der BewR Gr). Infolge nichtbehebbarer Schäden ist die restliche Lebensdauer um 30 Jahre verkürzt. Als zugrunde zu legendes fiktives Baujahr ergibt sich (1968 ./. 30  =) 1938. Die Jahresrohmiete des Grundstücks ist demnach mit 7,7 zu vervielfachen.

Ist der Vervielfältiger nach einem durchschnittlichen Baujahr zu bestimmen (§ 80 Abs. 4 Satz 2 BewG 1965), so ist dieses Baujahr nach Abschnitt 28 Abs. 3 BewR Gr zu ermitteln. Bei einem nach dem 1. Januar 1964 errichteten Gebäude oder Gebäudeteil sind dabei als bisherige Lebensdauer Null Jahre anzusetzen.

Beispiel:

Von einem im Jahre 1910 als Massivbau errichteten Geschäftsgebäude mit Läden, Lagerräumen und einer Gastwirtschaft in einer Gemeinde von 60 000 Einwohnern ist der rechte Gebäudeflügel durch Brand zerstört und im Jahre 1967 wiederaufgebaut worden. Die nach dem Wiederaufbau zu zahlenden Mieten lassen sich nicht aufteilen. Beträgt der nichtzerstörte Teil etwa ⅔ und der wiederaufgebaute Teil etwa ⅓ des ganzen Gebäudes, so kommt als durchschnittliches Baujahr in Betracht:

Nichtzerstörter Teil, errichtet 1910, somit bisherige Lebensdauer bis zum Hauptfeststellungszeitpunkt 54 Jahre.

Wiederaufgebauter Teil, errichtet 1967, somit bisherige Lebensdauer bis zum Hauptfeststellungszeitpunkt 0 Jahre.

Bisherige durchschnittliche Lebensdauer des gesamten Gebäudes:


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54 × ⅔ 
=
36
0 × ⅓ 
=
  0
  
=
36 Jahre.

Durchschnittliches Baujahr: 1964 (Hauptfeststellungszeitpunkt) ./. 36 Jahre = 1928.

Vervielfältiger 8.

(5) Die Vervielfältiger bestimmen sich auch bei Fortschreibungen und Nachfeststellungen nach der Einwohnerzahl der Belegenheitsgemeinde oder des gemeindefreien Gebiets am 1. Januar 1964. Eine Änderung der Einwohnerzahl nach dem 1. Januar 1964 bleibt deshalb ebenso unbeachtlich wie eine Eingemeindung oder die Zusammenlegung von mehreren Gemeinden zu einer neuen Gemeinde.

(6) Bei der Bewertung bebauter Grundstücke im Sachwertverfahren ist für die seit dem 1. Januar 1964 bis zum Fortschreibungszeitpunkt oder Nachfeststeilungszeitpunkt abgelaufene Zeit keine Alterswertminderung zu berücksichtigen (§ 86 Abs. 1 Satz 1 BewG 1965). Ist die gewöhnliche Lebensdauer eines vor dem 1. Januar 1964 errichteten Gebäudes durch nicht behebbare oder nur mit unverhältnismäßig hohen Kosten zu beseitigende Baumängel oder Bauschäden verkürzt (Abschnitt 41 Abs. 6 BewR Gr), so ist die Wertminderung wegen Alters nach der tatsächlichen Lebensdauer des Gebäudes und seinem Alter am 1. Januar 1964 zu berechnen. Die tatsächliche Lebensdauer ergibt sich dadurch, daß die voraussichtliche Restlebensdauer im Feststellungszeitpunkt dem Alter des Gebäudes in diesem Zeitpunkt hinzugerechnet wird.

Beispiel:

Bei einem Gebäude mit einer gewöhnlichen Lebensdauer von 100 Jahren und einem Alter im Hauptfeststellungszeitpunkt vom 1. Januar 1964 von 40 Jahren hat sich im Jahre 1973 ein nicht behebbarer Bergschaden ergeben. Dadurch ist die Lebensdauer des Gebäudes verkürzt. Die voraussichtliche Restlebensdauer im Fortschreibungszeitpunkt 1. Januar 1974 beträgt nur noch 30 Jahre. Tatsächliche Lebensdauer (voraussichtliche Restlebensdauer + Alter im Fortschreibungszeitpunkt) 30 + 50 = 80 Jahre. Die Wertminderung wegen Alters beträgt demnach

100
80
× 40 = 50 v. H. des Gebäudenormalherstellungswerts.

(7) Ist die restliche Lebensdauer eines vor dem 1. Januar 1964 errichteten Gebäudes durch bauliche Maßnahmen verlängert worden, so ist Abschnitt 41 Abs. 8 BewR Gr entsprechend anzuwenden. Dabei ist ein dem Ausmaß der baulichen Erneuerung entsprechendes geringeres Alter, bezogen auf den 1. Januar 1964, zugrunde zu legen.

Beispiel:

Ein Gebäude mit einer gewöhnlichen Lebensdauer von 80 Jahren und einem Alter im Hauptfeststellungszeitpunkt 1. Januar 1964 von 30 Jahren ist im Jahre 1973 durchgreifend erneuert worden. Dadurch ist das Gebäude um 20 Jahre verjüngt. Die Wertminderung wegen Alters beträgt demnach nur noch

100
80
× 10 = 12,5 v. H. des Gebäudenormalherstellungswerts.

(8) Bei einem nach dem 1. Januar 1964 errichteten Gebäude kann bei der Alterswertminderung weder eine Verkürzung noch eine Verlängerung der Lebensdauer berücksichtigt werden. Für nicht behebbare oder nur mit unverhältnismäßig hohen Kosten zu beseitigende Baumängel und Bauschäden kann deshalb nur ein Abschlag nach § 87 BewG 1965 in Betracht kommen. Wegen der Höhe des Abschlags vgl. Abschnitt 42 Abs. 2 BewR Gr.

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OAAAD-61767