Zu § 19 UStG
19.1. Steuerbefreiung für inländische Kleinunternehmer [1]
(1) 1Nach § 19 Abs. 1 UStG sind die in § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG bezeichneten Umsätze (einschließlich unentgeltliche Wertabgaben – vgl. Abschnitte 3.2 bis 3.4), die ein im Inland oder in den in § 1 Abs. 3 UStG genannten Gebieten ansässiger Kleinunternehmer ausführt, von der Steuer befreit. 2Die Einfuhr von Gegenständen (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG) sowie der innergemeinschaftliche Erwerb (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 UStG, vgl. auch Abschnitt 1a.1 Abs. 2) durch einen Kleinunternehmer sind nicht von § 19 Abs. 1 UStG erfasst. 3Die Vorschrift hat darüber hinaus keine Auswirkung auf die nach § 13a Abs. 1 Nr. 6, § 13b Abs. 5, § 14c und § 25b Abs. 2 UStG von Kleinunternehmern geschuldete Steuer. 4Dies gilt auch für die Steuer, die nach § 16 Abs. 5 UStG von der zuständigen Zolldienststelle im Wege der Beförderungseinzelbesteuerung erhoben wird (vgl. Abschnitt 16.2).
(2) 1Voraussetzung für die Anwendung des § 19 Abs. 1 UStG ist, dass der tatsächliche Gesamtumsatz (vgl. Abschnitt 19.2) im Vorjahr die Grenze von 25 000 € nicht überschritten hat und im laufenden Kalenderjahr die Grenze von 100 000 € nicht überschreitet. 2Hat der Gesamtumsatz im Vorjahr die Grenze von 25 000 € überschritten, sind die Umsätze des Unternehmers im laufenden Kalenderjahr auch dann nicht nach § 19 Abs. 1 UStG steuerfrei, wenn der Gesamtumsatz im laufendem Kalenderjahr die Grenze von 25 000 € nicht überschreiten wird (vgl. , BStBl 2008 II S. 263). 3Hat der Gesamtumsatz im Vorjahr die Grenze von 25 000 € nicht überschritten, sind die Umsätze des Kleinunternehmers im laufenden Kalenderjahr von der Steuer befreit, solange die Grenze von 100 000 € nicht überschritten wird. 4Bereits der Umsatz, mit dem diese Grenze überschritten wird, ist nicht mehr nach § 19 Abs. 1 UStG steuerfrei.
1Unternehmer A hat im Vorjahr einen Gesamtumsatz in Höhe von 20 000 € erzielt. 2Im laufenden Kalenderjahr hat er bislang einen Gesamtumsatz in Höhe von 80 000 € erzielt. 3Er kann einen neuen Kunden gewinnen, der einen Gegenstand für 40 000 € bestellt und sofort bezahlt.
4Mit Vereinnahmung des Entgelts für diesen Umsatz überschreitet A im laufenden Kalenderjahr die Grenze von 100 000 €. 5Bereits dieser Umsatz ist nicht mehr nach § 19 Abs. 1 UStG steuerbefreit und unterliegt in voller Höhe der Regelbesteuerung. 6A hat die entsprechenden Folgen, z. B. bei Rechnungsstellung, Beurteilung des Vorsteuerabzugs und bei der Abgabe von Voranmeldungen, zu beachten.
(3) 1Nimmt der Unternehmer seine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit im Laufe eines Kalenderjahres im Inland oder in den in § 1 Abs. 3 UStG genannten Gebieten neu auf, ist in diesen Fällen allein auf den tatsächlichen inländischen Gesamtumsatz (Abschnitt 19.2) des laufenden Kalenderjahres abzustellen (vgl. , BStBl II S. 400). 2Entsprechend der Zweckbestimmung des § 19 Abs. 1 UStG ist im Jahr der Aufnahme der Tätigkeit die Grenze von 25 000 € und nicht die Grenze von 100 000 € maßgebend (vgl. Rn. 16 des , BStBl 1985 II S. 142 zu § 19 UStG a. F.).
(4) 1Bei einem Unternehmer, der mit der Verpachtung seines landwirtschaftlichen Betriebes beginnt und dessen unternehmerische Betätigung im Bereich der Landwirtschaft sich in dieser Verpachtung erschöpft, so dass die Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG nicht mehr angewendet werden kann, werden die vor der Verpachtung erzielten Umsätze, die unter die Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG fallen, bei der Ermittlung des Gesamtumsatzes für Zwecke des § 19 Abs. 1 UStG aus Vereinfachungsgründen nicht berücksichtigt. 2Für die Ermittlung des Gesamtumsatzes für Zwecke der Kleinunternehmerregelung nach § 19 Abs. 1 UStG sind demnach für den Bereich der Landwirtschaft ausschließlich die Verpachtungsumsätze maßgeblich. 3Diese Vereinfachungsregelung gilt nicht für die Ermittlung des Jahresumsatzes im Gemeinschaftsgebiet nach § 19a UStG.
(5) 1Geht ein Unternehmen im Wege der Erbfolge auf den Unternehmer über, sind ab dem Zeitpunkt der Fortführung der Tätigkeit des Rechtsvorgängers die Grundsätze des einheitlichen Unternehmens zu beachten. 2Daher gelten die Grenzen des § 19 Abs. 1 UStG für das einheitliche Unternehmen. 3Der Unternehmer kann in diesen Fällen die Besteuerung für das laufende Kalenderjahr nicht so fortführen, wie sie für den jeweiligen Teil des Unternehmens ohne Berücksichtigung der Gesamtumsatzverhältnisse anzuwenden wäre.
(6) Im Falle der dezentralen Besteuerung von Organisationseinheiten der Gebietskörperschaften Bund bzw. Länder (§ 18 Abs. 4f und 4g UStG) gelten die in § 19 Abs. 1 UStG bezeichneten Grenzen von 25 000 € und 100 000 € als überschritten (§ 18 Abs. 4f Satz 6 UStG).
(7) 1Die Vorschriften über die Erklärungspflichten nach § 18 Abs. 1 bis 4 UStG finden mit Ausnahme der in § 18 Abs. 4a UStG genannten Fälle keine Anwendung. 2Darüber hinaus kann das Finanzamt nach § 149 Abs. 1 Satz 2 AO eine Steuererklärung gesondert anfordern. 3Werden die Grenzen (vgl. Abschnitt 19.1 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 2) unterjährig überschritten, gelten ab diesem Zeitpunkt die allgemeinen Erklärungspflichten.
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zur Änderungsdokumentation
XAAAD-54581
1Anwendungsregelung: Abschnitt 19.1 neu gefasst durch (BStBl I S. 742). Die Grundsätze dieser Regelung sind auf Umsätze anzuwenden, die nach dem erbracht werden.
Die vorherige Fassung des Abschnitts 19.1 lautete:
„19.1. Nichterhebung der Steuer
(1) 1Nach § 19 Abs. 1 UStG ist die Steuer, die ein im Inland oder in den in § 1 Abs. 3 UStG genannten Gebieten ansässiger Kleinunternehmer für seine steuerpflichtigen Umsätze schuldet, unter bestimmten Voraussetzungen nicht zu erheben. 2Die EU-rechtlich vorgegebene Beschränkung der Regelung auf im Inland oder in den in § 1 Abs. 3 UStG genannten Gebieten ansässige Kleinunternehmer und deren in diesen Gebieten erzielten Umsätze verstößt nicht gegen die Dienstleistungsfreiheit nach Artikel 56 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (vgl. , Schmelz). 3Die Regelung bezieht sich auf die Steuer für die in § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG bezeichneten Lieferungen und sonstigen Leistungen (einschließlich unentgeltliche Wertabgaben – vgl. Abschnitte 3.2 bis 3.4). 4Die Steuer für die Einfuhr von Gegenständen (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG), für den innergemeinschaftlichen Erwerb (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 UStG, vgl. auch Abschnitt 1a.1 Abs. 2) sowie die nach § 13a Abs. 1 Nr. 6, § 13b Abs. 5, § 14c Abs. 2 und § 25b Abs. 2 UStG geschuldete Steuer hat der Kleinunternehmer hingegen abzuführen. 5Das gilt auch für die Steuer, die nach § 16 Abs. 5 UStG von der zuständigen Zolldienststelle im Wege der Beförderungseinzelbesteuerung erhoben wird (vgl. Abschnitt 16.2).
(2) 1Bei der Ermittlung der in § 19 Abs. 1 UStG bezeichneten Grenzen von 22 000 € und 50 000 € ist jeweils von dem Gesamtumsatz im Sinne des § 19 Abs. 3 UStG auszugehen (vgl. Abschnitt 19.3). 2Der Gesamtumsatz ist hier jedoch stets nach vereinnahmten Entgelten zu berechnen. 3Außerdem ist bei der Umsatzermittlung nicht auf die Bemessungsgrundlagen im Sinne des § 10 UStG abzustellen, sondern auf die vom Unternehmer vereinnahmten Bruttobeträge. 4In den Fällen des § 10 Abs. 4 und 5 UStG ist der jeweils in Betracht kommenden Bemessungsgrundlage ggf. die darauf entfallende Umsatzsteuer hinzuzurechnen. 5Sofern Umsätze, für die eine andere Person als Leistungsempfänger Steuerschuldner nach § 13b Abs. 5 UStG ist, ausgeführt werden, ist dem in der Rechnung oder Gutschrift ausgewiesenen Betrag die Umsatzsteuer hinzuzurechnen.
(3) 1Hat der Gesamtumsatz im Vorjahr die Grenze von 22 000 € überschritten, ist die Steuer für das laufende Kalenderjahr auch dann zu erheben, wenn der Gesamtumsatz in diesem Jahr die Grenze von 22 000 € voraussichtlich nicht überschreiten wird (vgl. , BStBl 2008 II S. 263). 2Bei der Grenze von 50 000 € kommt es darauf an, ob der Unternehmer diese Bemessungsgröße voraussichtlich nicht überschreiten wird. 3Maßgebend ist die zu Beginn eines Jahres vorzunehmende Beurteilung der Verhältnisse für das laufende Kalenderjahr. 4Dies gilt auch, wenn der Unternehmer in diesem Jahr sein Unternehmen erweitert (vgl. , BStBl II S. 562). 5Ist danach ein voraussichtlicher Umsatz zuzüglich der Steuer von nicht mehr als 50 000 € zu erwarten, ist dieser Betrag auch dann maßgebend, wenn der tatsächliche Umsatz zuzüglich der Steuer im Laufe des Kalenderjahres die Grenze von 50 000 € überschreitet (vgl. auch Absatz 4). 6Bei einer Änderung der Unternehmensverhältnisse während des laufenden Kalenderjahres durch Erbfolge ist Absatz 5 zu beachten. 7Der Unternehmer hat dem Finanzamt auf Verlangen die Verhältnisse darzulegen, aus denen sich ergibt, wie hoch der Umsatz des laufenden Kalenderjahres voraussichtlich sein wird.
(4) 1Nimmt der Unternehmer seine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit im Laufe eines Kalenderjahres neu auf, ist in diesen Fällen allein auf den voraussichtlichen Umsatz (vgl. Absatz 3) des laufenden Kalenderjahres abzustellen (vgl. , BStBl II S. 400). 2Entsprechend der Zweckbestimmung des § 19 Abs. 1 UStG ist hierbei die Grenze von 22 000 € und nicht die Grenze von 50 000 € maßgebend. 3Es kommt somit nur darauf an, ob der Unternehmer nach den Verhältnissen des laufenden Kalenderjahres voraussichtlich die Grenze von 22 000 € nicht überschreitet (, BStBl 1985 II S. 142).
(4a) 1Bei einem Unternehmer, der seinen landwirtschaftlichen Betrieb verpachtet und dessen unternehmerische Betätigung im Bereich der Landwirtschaft sich in dieser Verpachtung erschöpft, so dass die Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG nicht mehr angewendet werden kann, kann zu Beginn der Verpachtung für die Anwendung des § 19 Abs. 1 UStG aus Vereinfachungsgründen auf den voraussichtlichen Gesamtumsatz des laufenden Kalenderjahres abgestellt werden. 2Beginnt die Verpachtung im Laufe eines Jahres, werden ebenfalls zur Vereinfachung die vor der Verpachtung erzielten Umsätze, die unter die Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG fallen, bei der Ermittlung des Gesamtumsatzes des laufenden Jahres nicht berücksichtigt.
(5) 1Geht ein Unternehmen im Wege der Erbfolge auf den Unternehmer über, ist zu berücksichtigen, dass er keinen Einfluss auf den Zeitpunkt der Änderung seiner Unternehmensverhältnisse hatte. 2Zur Vermeidung einer unbilligen Härte kann daher der Unternehmer in diesen Fällen die Besteuerung für das laufende Kalenderjahr so fortführen, wie sie für den jeweiligen Teil des Unternehmens ohne Berücksichtigung der Gesamtumsatzverhältnisse anzuwenden wäre. 3Hat z. B. der Unternehmer für sein bisheriges Unternehmen die Besteuerung nach den allgemeinen Vorschriften angewendet, der Rechtsvorgänger aber für den anderen Unternehmensteil auf Grund der dafür bestehenden Verhältnisse von § 19 Abs. 1 UStG Gebrauch gemacht, kann der Unternehmer diese beiden Besteuerungsformen bis zum Ablauf des Kalenderjahres fortführen, in dem die Erbfolge eingetreten ist. 4Dem Unternehmer bleibt es allerdings überlassen, für das ganze Unternehmen einheitlich die Besteuerung nach den allgemeinen Vorschriften anzuwenden.
(6) 1Bei der Ermittlung der maßgeblichen Grenzen von 22 000 € und 50 000 € bleiben die Umsätze von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens unberücksichtigt. 2Das gilt sowohl bei einer Veräußerung als auch bei einer Entnahme für nichtunternehmerische Zwecke. 3Ob ein Wirtschaftsgut des Anlagevermögens vorliegt, ist nach den für das Einkommensteuerrecht maßgebenden Grundsätzen zu beurteilen. 4Die Ausnahme erstreckt sich auch auf entsprechende Wirtschaftsgüter, die einkommensteuerrechtlich nicht zu einem Betriebsvermögen gehören, z. B. bei der Veräußerung von Einrichtungsgegenständen durch einen nichtgewerblichen Vermieter von Ferienwohnungen.
(7) Im Falle der dezentralen Besteuerung von Organisationseinheiten der Gebietskörperschaften Bund bzw. Länder (§ 18 Abs. 4f und 4g UStG) gelten die in § 19 Abs. 1 UStG bezeichneten Grenzen von 22 000 € und 50 000 € als überschritten (§ 18 Abs. 4f Satz 6 UStG).“