Verfassungskonforme Beschränkung der Kindergeldberechtigung von Ausländern
Leitsatz
1. Es ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, dass Ausländer, deren Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland lediglich geduldet ist, auch nach der Neuregelung der Kindergeldberechtigung (§ 62 Abs. 2 EStG i.d.F. des AuslAnsprG vom , BGBl I 2006, 1915) keinen Anspruch auf Kindergeld haben (Festhalten am Senatsurteil vom III R 93/03, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, BFH/NV 2007, 1234).
2. Ebenso wenig begegnet es verfassungsrechtlichen Bedenken, dass die Anspruchsberechtigung von Ausländern mit bestimmten Aufenthaltstiteln (§ 62 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c EStG n.F.) an die Integration in den deutschen Arbeitsmarkt geknüpft ist.
Gesetze: AufenthG § 25 Abs. 5AufenthG § 60aAufenthG § 101AuslG 1990 § 30 Abs. 3AuslG 1990 § 55AuslG 1990 § 56EStG § 52 Abs. 61a Satz 2EStG § 62 Abs. 2FGO § 74GG Art. 3 Abs. 1GG Art. 20 Abs. 3
Instanzenzug: (EFG 2003, 49) (Verfahrensverlauf),
Gründe
I.
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger), der die Staatsangehörigkeit des Staates Bosnien und Herzegowina besitzt, reiste im Jahr 1994 mit seiner Ehefrau und dem 1990 geborenen Sohn A in die Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) ein. Zunächst war er nach § 55 Abs. 2 des Ausländergesetzes (AuslG 1990) ausländerrechtlich geduldet. Ab April 1995 begann er eine sozialversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit. Im Februar 1998 erlitt er einen Arbeitsunfall und ist seither erwerbsunfähig. Vom bis zum erhielt der Kläger Verletztengeld nach § 45 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII), danach wurde ihm gemäß § 62 Abs. 1 SGB VII eine Rente als vorläufige Entschädigung zuerkannt. Ab bewilligte die Berufsgenossenschaft gemäß § 62 Abs. 2 SGB VII eine Rente auf unbestimmte Zeit. Am erhielt der Kläger eine Aufenthaltsbefugnis nach § 30 Abs. 3 AuslG 1990.
Der Kläger beantragte im März 2001 Kindergeld für A, für die im August 1995 geborene Tochter E sowie für den im April 2000 geborenen Sohn B. Die Beklagte und Revisionsbeklagte (Familienkasse) entschied über den Antrag durch zwei Bescheide vom . Sie bewilligte zum einen für A und E Kindergeld ab Juli 1997, zum anderen hob sie diese Festsetzung gemäß § 70 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ab September 1999 wieder auf.
Gegen den Aufhebungsbescheid wandte sich der Kläger ohne Erfolg mit Einspruch und Klage. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2003, 49 veröffentlicht.
Zur Begründung der Revision trägt der Kläger vor, er sei allein wegen seines Arbeitsunfalls nicht erwerbstätig gewesen. Bei einer teleologischen Auslegung des § 62 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b EStG n.F. müsse eine ausländerrechtliche Erlaubnis der Erwerbstätigkeit genügen. Diese liege vor.
Der Kläger beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil, die Einspruchsentscheidung vom sowie den Aufhebungsbescheid vom aufzuheben.
Die Familienkasse beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II.
1. Das Revisionsverfahren war nicht im Hinblick auf den (EFG 2007, 1247), mit dem dieses dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Frage der Vereinbarkeit des § 62 Abs. 2 EStG n.F. mit dem Grundgesetz (GG) vorgelegt hat, auszusetzen. Zwar ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) die Aussetzung eines Klageverfahrens entsprechend § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) geboten, wenn vor dem BVerfG bereits ein nicht als aussichtslos erscheinendes Musterverfahren gegen eine im Streitfall anzuwendende Norm anhängig ist, den FG und dem BFH zahlreiche Parallelverfahren (Massenverfahren) vorliegen und keiner der Beteiligten ein besonderes berechtigtes Interesse an einer Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit der umstrittenen gesetzlichen Regelung trotz des beim BVerfG anhängigen Verfahrens hat (z.B. Senatsbeschluss vom III B 24, 25/91, BFHE 166, 418, BStBl II 1992, 408). Ein derartiges Interesse ist im Streitfall jedoch zu bejahen, da erstmals nach Ergehen des zitierten Vorlagebeschlusses eine Entscheidung des BFH zur Verfassungsmäßigkeit des § 62 Abs. 2 Nr. 3 EStG n.F. herbeigeführt werden soll (vgl. Senatsbeschluss in BFHE 166, 418, BStBl II 1992, 408, unter 3. e).
2. Die Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Die Familienkasse hat zu Recht die Festsetzung von Kindergeld für die Zeit ab September 1999 aufgehoben.
a) Nach § 62 Abs. 2 Satz 1 EStG i.d.F. des Jahressteuergesetzes 1996 hing der Anspruch eines Ausländers auf Kindergeld davon ab, dass er im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung (§ 27 AuslG 1990) oder Aufenthaltserlaubnis (§ 15 AuslG 1990) war. Eine Aufenthaltsbewilligung (§§ 28, 29 AuslG 1990), Aufenthaltsbefugnis (§ 30 AuslG 1990) oder eine Duldung (§§ 55, 56 AuslG 1990) reichte nicht aus. Diese Regelung war nach Ansicht des BVerfG für die nahezu wortgleiche Regelung in § 1 Abs. 3 des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) i.d.F. des Ersten Gesetzes zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms vom (BGBl I 1993, 2353) insoweit unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG, als die Gewährung von Kindergeld allein von der Art des Aufenthaltstitels abhing (, BVerfGE 111, 160, BFH/NV 2005, Beilage 2, 114). Das BVerfG hat in dem zitierten Beschluss das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel, Kindergeld nur solchen Ausländern zu gewähren, von denen zu erwarten war, dass sie auf Dauer in der Bundesrepublik bleiben würden (s. BTDrucks 12/5502, S. 44), nicht beanstandet, sondern nur die zur Erreichung dieses Ziels getroffenen gesetzlichen Unterscheidungskriterien, die allein an die Qualität des ausländerrechtlichen Titels anknüpften und deshalb nach Ansicht des BVerfG sachlich nicht gerechtfertigt waren.
b) Der Gesetzgeber hat daraufhin § 62 Abs. 2 EStG durch Art. 2 des Gesetzes zur Anspruchsberechtigung von Ausländern wegen Kindergeld, Erziehungsgeld und Unterhaltsvorschuss vom (BGBl I 2006, 1915) geändert. Die Regelung ist mit Wirkung vom in Kraft getreten und erfasst alle Sachverhalte, bei denen —wie im Streitfall— das Kindergeld noch nicht bestandskräftig festgesetzt worden ist (§ 52 Abs. 61a Satz 2 EStG). Ausländer, die nach §§ 55, 56 AuslG 1990 bzw. nach § 60a des ab geltenden Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) geduldet sind, haben auch nach der Neufassung des § 62 Abs. 2 EStG keinen Anspruch auf Kindergeld. Der Senat hat mit Urteilen vom III R 93/03 (BFH/NV 2007, 1234, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt) sowie III R 54/05 (BFH/NV 2007, 1298) zur Kindergeldberechtigung geduldeter Ausländer entschieden, dass die vom Gesetzgeber getroffene Differenzierung sachlich gerechtfertigt und mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist, da keine langfristige Integration geduldeter Ausländer und ihrer Familien in der Bundesrepublik beabsichtigt ist. An diesen Grundsätzen hält der Senat fest.
c) In Fällen, in denen ein Ausländer im Besitz einer wegen eines Krieges in seinem Heimatland erteilten Aufenthaltsgenehmigung nach § 23 Abs. 1 AufenthG ist oder in denen er eine Aufenthaltsgenehmigung wegen eines Härtefallersuchens (§ 23a AufenthG), zur Gewährung vorübergehenden Schutzes (§ 24 AufenthG) oder aus humanitären Gründen (§ 25 Abs. 3 bis 5 AufenthG) erhalten hat, hängt der Anspruch auf Kindergeld nach der Neuregelung gemäß § 62 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c i.V.m. Abs. 2 Nr. 3 EStG davon ab, dass der Ausländer sich seit mindestens drei Jahren rechtmäßig, gestattet oder geduldet im Bundesgebiet aufhält (§ 62 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a EStG) und darüber hinaus berechtigt erwerbstätig ist, laufende Geldleistungen nach dem SGB III bezieht oder Elternzeit nach §§ 15 ff. des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes vom (BGBl I 2006, 2748) in Anspruch nimmt (§ 62 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b EStG). Das Gesetz stellt auf die Integration von Ausländern in den deutschen Arbeitsmarkt ab. Damit ist der Gesetzgeber den Vorgaben des BVerfG nachgekommen, das beanstandet hatte, dass die frühere Regelung nur ausländische Eltern benachteiligte, die legal in der Bundesrepublik lebten und bereits in den Arbeitsmarkt integriert waren (s. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 111, 160, BFH/NV 2005, Beilage 2, 114, unter B. III. 4.). Bei Ausländern, denen keine Erwerbstätigkeit erlaubt ist, ging er wie das BVerfG davon aus, dass das Existenzminimum ihrer Kinder durch staatliche Fürsorgeleistungen in ausreichendem Maße gesichert ist (BTDrucks 16/1368, S. 9).
3. Der Senat teilt nicht die im Vorlagebeschluss des FG Köln in EFG in 2007, 1247 geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Neufassung des § 62 Abs. 2 EStG.
a) Art. 3 Abs. 1 GG gebietet es nicht, in Fällen, in denen ein Ausländer rechtmäßig oder rechtswidrig in die Bundesrepublik einreist und —z.B. wegen eines tatsächlichen Abschiebungshindernisses— damit zu rechnen ist, dass er auf absehbare Zeit nicht mehr ausreist, von Anfang an oder nach einer gewissen Zeit Kindergeld zu gewähren, weil von einem Daueraufenthalt auszugehen sei. Vielmehr kann bei der nach dem BVerfG-Beschluss in BVerfGE 111, 160, BFH/NV 2005, Beilage 2, 114 anzustellenden Prognose über die Dauer des Aufenthalts zunächst erwartet werden, dass sich ein Ausländer, dessen Aufenthalt lediglich geduldet ist, rechtstreu verhält und wieder ausreist oder dass ein Ausländer, der wegen eines Krieges in seinem Heimatland eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG oder eine Erlaubnis nach §§ 23a, 24, 25 Abs. 3 bis 5 AufenthG erhalten hat, nach Wegfall der Gründe, die einer Rückkehr in sein Herkunftsland entgegengestanden waren, wieder heimkehrt. Der Gesetzgeber handelte verfassungskonform und im Rahmen des ihm zustehenden Gestaltungsspielraums, als er typisierend gemäß § 62 Abs. 2 Nr. 3 EStG einen Daueraufenthalt erst bei einem mindestens dreijährigen Aufenthalt im Bundesgebiet und bei Integration in den Arbeitsmarkt unterstellte. Nach der nicht zu beanstandenden Einschätzung des Gesetzgebers bietet eine derartige Integration eine Perspektive für einen dauerhaften Aufenthalt in der Bundesrepublik.
b) Entgegen der im Vorlagebeschluss in EFG 2007, 1247 geäußerten Ansicht des FG Köln ist das in § 62 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b EStG verwendete Abgrenzungskriterium der Erwerbstätigkeit nicht derart unbestimmt, dass es gegen das Rechtsstaatsprinzip verstößt (Art. 20 Abs. 3 GG). Es handelt sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der auslegungsbedürftig ist. Dies allein steht dem rechtsstaatlichen Erfordernis nach Normenbestimmtheit nicht entgegen (z.B. , BVerfGE 21, 209, BStBl III 1967, 357, unter B. I.). Unüberwindliche Auslegungsprobleme sind für den Senat nicht ersichtlich.
c) Der Senat ist auch nicht der Ansicht, die in § 52 Abs. 61a Satz 2 EStG angeordnete Rückwirkung der Neufassung des § 62 Abs. 2 EStG auf noch nicht bestandskräftig entschiedene Fälle sei verfassungswidrig, weil der Gesetzgeber den bis zum befristeten Regelungsauftrag bis zu diesem Zeitpunkt nicht erfüllt habe (so , EFG 2007, 1254). Der Fall, der dem Beschluss des BVerfG in BVerfGE 111, 160, BFH/NV 2005, Beilage 2, 114 zugrunde lag, betraf § 1 Abs. 3 BKGG 1993. Die vom BVerfG getroffene Anordnung, wonach das bis zum geltende Recht anzuwenden sei (§ 1 Abs. 3 BKGG i.d.F. des Gesetzes zur Neuregelung des Ausländerrechts vom , BGBl I 1990, 1354), falls der Gesetzgeber bis zum die verfassungswidrige Norm nicht durch eine Neuregelung ersetzen sollte, gilt nur für § 1 Abs. 3 BKKG 1993, nicht aber für das ab 1996 nach §§ 62 ff. EStG zu gewährende Kindergeld. Auch wenn § 1 Abs. 3 BKGG 1993 und § 62 Abs. 2 EStG 1996 nahezu wortgleich waren, folgt daraus nicht, dass die vom BVerfG angeordnete Sanktion des Wieder-In-Kraft-Setzens der bis zum geltenden kindergeldrechtlichen Anspruchsvoraussetzungen auch für das steuerrechtliche Kindergeld gilt. § 1 Abs. 3 BKGG in der bis zum geltenden Fassung kann im steuerlichen Kindergeldrecht keine (Wieder-) Geltung erlangen.
d) Eine Übertragung der vom BVerfG für § 1 Abs. 3 BKGG 1993 angeordneten Sanktion auf das steuerrechtliche Kindergeld lässt sich entgegen der Rechtsansicht des (EFG 2006, 751) sowie des FG Köln im Urteil in EFG 2007, 1254 auch nicht mit einem Hinweis auf das (BFHE 206, 273, BStBl II 2005, 26) begründen. Nach dieser Entscheidung sind wegen Unvereinbarkeit des Verlustausgleichs- und Abzugsverbots in § 23 Abs. 4 Satz 3 EStG a.F. mit Art. 3 Abs. 1 GG für Altfälle die allgemeinen einkommensteuerrechtlichen Regelungen über Verlustausgleich und Verlustabzug anzuwenden. Eine Vorlage an das BVerfG wegen der Verfassungswidrigkeit der Regelung hielt der BFH ausnahmsweise für entbehrlich, weil das BVerfG bereits das (vergleichbare) Verlustausgleichsverbot in § 22 Nr. 3 Satz 3 EStG a.F. wegen Unvereinbarkeit mit Art. 3 Abs. 1 GG für nichtig erklärt hatte mit der Folge, dass die Verluste entsprechend den allgemeinen Regeln über Verlustausgleich und Verlustabzug zu behandeln waren (, BVerfGE 99, 88). Im Streitfall handelt es sich dagegen nicht um einschränkende Regelungen systematisch zusammenhängender Vorschriften eines Gesetzes, deren Nichtigkeit zur Anwendbarkeit der allgemeinen gesetzlichen Regeln führt, sondern es sind Vorschriften verschiedener Gesetze (BKGG und EStG) betroffen. Das BVerfG hat in seiner Entscheidung in BVerfGE 111, 160, BFH/NV 2005, Beilage 2, 114 § 1 Abs. 3 BKGG i.d.F. für die Jahre 1993 bis 1995 für unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG erklärt und angeordnet, dass auf noch nicht abgeschlossene Verfahren § 1 Abs. 3 BKGG in der bis geltenden Fassung anzuwenden ist, wenn der Gesetzgeber die verfassungswidrige Regelung nicht bis zum ersetzen sollte. Diese nur für § 1 Abs. 3 BKGG geltende Sanktion des BVerfG kann der BFH trotz Wortgleichheit der Vorschriften nicht in eigener Zuständigkeit auf § 62 Abs. 2 EStG übertragen. Dies fällt ausschließlich in die Kompetenz des BVerfG.
e) Eine Beschränkung des Kindergeldanspruchs durch § 62 Abs. 2 EStG n.F. steht entgegen der Rechtsansicht des FG Köln im Beschluss in EFG 2007, 1247 auch nicht in Widerspruch zum Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom in der Sache 59140/00, Okpisz/Deutschland (BFH/NV 2006, Beilage 3, 357). Dieses ist, ebenso wie die Entscheidung des BVerfG in BVerfGE 111, 160, BFH/NV 2005, Beilage 2, 114 zu § 1 Abs. 3 BKGG 1993 ergangen, nicht aber zu § 62 Abs. 2 EStG n.F. Ebenso wenig lässt sich ein Anspruch auf Kindergeld aus dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom C-262/96 (Slg. 1999, I-2685) herleiten, das den Beschluss des Assoziationsrates EWG-Türkei Nr. 3/80 betrifft (s. Senatsurteil in BFH/NV 2007, 1234).
4. a) Im Streitfall war der Kläger bis zum ausländerrechtlich lediglich geduldet; für diesen Zeitraum stand ihm bereits nach den Grundsätzen der Senatsurteile in BFH/NV 2007, 1234 sowie in BFH/NV 2007, 1298 kein Kindergeld zu.
b) Auch für die Zeit danach bestand kein Anspruch. § 62 Abs. 2 EStG n.F. verlangt u.a. einen Aufenthaltstitel, der auf dem seit geltenden AufenthG beruht. Betrifft der Sachverhalt —wie im Streitfall— einen Zeitraum vor 2005, in dem noch das AuslG 1990 galt, sind Aufenthaltsgenehmigungen i.S. des § 5 AuslG 1990 entsprechend den Fortgeltungsregelungen in § 101 AufenthG als Aufenthaltstitel im Sinne des AufenthG zu behandeln (Senatsurteil in BFH/NV 2007, 1234; , EFG 2007, 1615).
Der Kläger, der unanfechtbar ausreisepflichtig war, erhielt eine Aufenthaltsbefugnis nach § 30 Abs. 3 AuslG 1990, weil seiner freiwilligen Ausreise und seiner Abschiebung Hindernisse entgegenstanden, die er nicht zu vertreten hatte. Diese Aufenthaltsgenehmigung entspricht einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG, die erteilt werden kann, wenn ein ausreisepflichtiger Ausländer aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen ohne Verschulden an der Ausreise gehindert ist und mit dem Wegfall des Hindernisses in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist (ebenso , EFG 2007, 605, sowie , EFG 2007, 1700). Die Kindergeldberechtigung des Klägers richtet sich deshalb nach § 62 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c EStG, der Aufenthaltsbefugnisse nach § 25 Abs. 5 AufenthG aufführt, sowie nach § 62 Abs. 2 Nr. 3 EStG. Hiernach scheidet ein Anspruch auf Kindergeld aus, weil der Kläger —wenn auch aufgrund eines Arbeitsunfalls— nicht erwerbstätig war; auch bezog er keine Leistungen zur Arbeitsförderung nach dem SGB III oder nahm Elternzeit in Anspruch (§ 62 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b EStG).
5. Das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit vom (BGBl II 1969, 1439) i.d.F. des Änderungsabkommens vom (BGBl II 1975, 390) —SozSichAbk YUG— begründet ebenso wenig einen Anspruch des Klägers auf Kindergeld. Nach Art. 28 Abs. 1 dieses Abkommens können Personen Kindergeld beanspruchen, die in der Bundesrepublik beschäftigt sind und den in der Bundesrepublik geltenden Rechtsvorschriften unterliegen oder nach Beendigung ihres Beschäftigungsverhältnisses Geldleistungen aus der Krankenversicherung wegen vorübergehender Arbeitsunfähigkeit oder Leistungen der Arbeitslosenversicherung beziehen.
Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht gegeben. Beschäftigte Personen im Sinne dieses Abkommens sind nur Arbeitnehmer (Senatsurteile in BFH/NV 2007, 1234, sowie in BFH/NV 2007, 1298). Der Kläger war im fraglichen Zeitraum jedoch nicht beschäftigt, auch bezog er keine Leistungen aus der Kranken- oder Arbeitslosenversicherung, sondern eine Rente der Berufsgenossenschaft. Da die Anspruchsvoraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 SozSichAbk YUG nicht erfüllt sind, braucht der Senat auf die Frage der Fortgeltung des Abkommens nicht einzugehen (s. hierzu den Vorlagebeschluss des Bundessozialgerichts an das BVerfG gemäß Art. 100 Abs. 2 GG vom B 13 RJ 17/05 R, Die Sozialgerichtsbarkeit 2007, 227, betreffend das Verhältnis zu Bosnien und Herzegowina).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BStBl 2009 II Seite 913
BB 2008 S. 303 Nr. 7
BFH/NV 2008 S. 457 Nr. 3
BStBl II 2009 S. 913 Nr. 22
DB 2008 S. 501 Nr. 10
DStRE 2008 S. 416 Nr. 7
DStZ 2008 S. 163 Nr. 6
EStB 2008 S. 94 Nr. 3
FR 2008 S. 485 Nr. 10
GStB 2008 S. 14 Nr. 4
HFR 2008 S. 353 Nr. 4
KÖSDI 2008 S. 15933 Nr. 3
NWB-Eilnachricht Nr. 6/2008 S. 416
StB 2008 S. 60 Nr. 3
StBW 2008 S. 3 Nr. 4
StuB-Bilanzreport Nr. 5/2008 S. 196
VAAAC-69474