BFH Urteil v. - III R 78/04

Anspruch auf Kindergeld für ein Kind mit Einkünften aus geringfügiger Beschäftigung

Gesetze: EStG § 32 Abs. 4 Nr. 2c

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Die 1984 geborene Tochter (T) der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) beendete im Juli 2002 die Realschule mit der mittleren Reife. Ab arbeitete sie als geringfügig Beschäftigte für einen monatlichen Lohn von 325 €, ab Mai 2003 von 400 €. Von November 2002 bis August 2003 absolvierte sie außerdem (ohne Entgelt) ein Praktikum bei einem Rundfunksender. Im Februar und März 2003 bewarb sie sich für das Schuljahr 2003/2004 bei verschieden Fachoberschulen. Seit September 2003 besucht sie eine Fachoberschule.

Im Mai 2003 beantragte die Klägerin für T Kindergeld für die Zeit ab August 2002. Die Beklagte und Revisionsklägerin (Familienkasse) lehnte die Kindergeldfestsetzung mit der Begründung ab, wegen der ab ausgeübten Erwerbstätigkeit sei T nicht als Kind anzuerkennen, das einen Ausbildungsplatz suche. Für sie könne daher erst ab Beginn der Schulausbildung Kindergeld gezahlt werden. Der dagegen eingelegte Einspruch blieb ohne Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage zum Teil statt. Es führte im Wesentlichen aus, T sei ab Februar 2003 nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu berücksichtigen, da sie sich durch Bewerbungen bei verschiedenen Schulen um einen Ausbildungsplatz an einer Fachoberschule bemüht habe. Unerheblich sei, dass T vor ihrer Bewerbung keinen Tatbestand des § 32 Abs. 4 Satz 1 EStG erfüllt und eine geringfügige Beschäftigung ausgeübt habe. Eine Berücksichtigung sei nur bei einer Vollzeiterwerbstätigkeit ausgeschlossen. Da T außer den Einnahmen aus der geringfügigen Beschäftigung keine weiteren Einkünfte und Bezüge gehabt habe, sei der anteilige Jahresgrenzbetrag nach § 32 Abs. 4 Sätze 2 und 7 EStG nicht überschritten. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2004, 1620 abgedruckt.

Mit der Revision trägt die Familienkasse im Wesentlichen vor: Die Berücksichtigung eines Kindes nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG, weil es mangels Arbeitsplatzes keine Berufsausbildung beginnen könne, sei nicht nur bei einer Vollzeiterwerbstätigkeit, sondern auch bei einer geringfügigen Beschäftigung ausgeschlossen. Die Unterhaltssituation sei nicht mit der eines nicht erwerbstätigen Kindes vergleichbar. Die vom Gesetz vorausgesetzte Lebenssituation sei von der intensiven Suche nach einem Ausbildungsplatz gekennzeichnet, die keinen Raum für eine geregelte Erwerbstätigkeit lasse, so dass die Ausbildungswilligkeit in dieser Lage typischerweise in Zweifel zu ziehen sei, es sei denn, es handele sich um eine Erwerbstätigkeit in einem völlig unerheblichen Umfang.

Die Familienkasse beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist unbegründet. Sie wird zurückgewiesen (§ 126 Abs. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

Das FG hat zutreffend entschieden, dass die Klägerin ab Februar 2003 Anspruch auf Kindergeld hat, weil T ab diesem Zeitpunkt nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG als Kind zu berücksichtigen ist.

Die Berücksichtigung als Kind setzt nach dieser Vorschrift voraus, dass das Kind eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen kann. Zwischen den Beteiligten ist nicht im Streit, dass T die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG ab Februar 2003 grundsätzlich erfüllt, weil sie sich ab Februar 2003 mehrfach um einen Ausbildungsplatz an einer Fachoberschule beworben hat, den sie nach einer entsprechenden Zusage erst im September 2003 antreten konnte. Streitig ist allein, ob T aufgrund ihrer geringfügigen Beschäftigung während der Wartezeit auf den Ausbildungsplatz nicht zu berücksichtigen ist. Entgegen der Auffassung der Familienkasse steht die gleichzeitige Ausübung einer geringfügigen Beschäftigung in dieser Zeit der Berücksichtigung von T nicht entgegen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist der Anspruch auf Kindergeld nach § 62, § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG nur ausgeschlossen, wenn das Kind während des Wartens auf den Ausbildungsplatz einer Vollzeiterwerbstätigkeit nachgeht. Dies beruht auf der typisierenden Annahme, dass wegen der Einkünfte des Kindes eine Unterhaltspflicht der Eltern nicht mehr besteht. Geht das Kind dagegen nur einer geringfügigen Beschäftigung oder einer Teilzeitbeschäftigung nach, besteht weiterhin eine typische Unterhaltssituation, die es rechtfertigt, das Kind zu berücksichtigen (, BFH/NV 2006, 1390, und III R 8, 46/05, BFH/NV 2006, 1391).

Bei den von T erzielten Einkünften ist der anteilige Jahresgrenzbetrag gemäß § 32 Abs. 4 Sätze 2 und 7 EStG nicht überschritten.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 2248 Nr. 12
KÖSDI 2006 S. 15307 Nr. 11
AAAAC-17984