Online-Nachricht - Donnerstag, 16.05.2024

Verfahrensrecht | Pflicht zur Nutzung des beSt auch bei Klageerhebung über das beklagte Finanzamt (FG)

§ 47 Abs. 2 FGO dispensiert nicht von der Einhaltung der Formvorschriften aus §§ 52a, 52d FGO, so dass ein zur elektronischen Einreichung verpflichteter Steuerberater die Klage nicht fristwahrend in Schriftform gemäß § 64 Abs. 1 FGO beim Finanzamt anbringen kann ( sowie 13 K 115/23).

Sachverhalte: Streitig ist, ob ein Steuerberater nach Einführung des besonderen Steuerberaterpostfaches (beSt) wirksam Klage durch Einwurf der Klageschrift in den Briefkasten des Finanzamtes erheben konnte: In den Streitfällen wandte sich der Berater im Auftrag seiner Mandanten gegen Änderungsbescheide nach Durchführung einer Außenprüfung. Der Steuerberater erhob die Klage in Papierform, indem er diese am letzten Tag der Klagefrist in den Briefkasten des beklagten Finanzamtes einlegte. Das Finanzamt übermittelte die Klage sodann gemäß § 47 Abs. 2 Satz 2 FGO - nach Fristablauf - an das Finanzgericht.

Nach Auffassung der Kläger habe der steuerliche Berater die Klagefrist nach § 47 Abs. 2 FGO gewahrt. Die Möglichkeit einer Klageeinreichung durch den Steuerberater in Papierform beim Finanzamt bestehe auch nach den kürzlich erfolgten Gesetzesänderungen fort, insbesondere suspendiere die Vorschrift des § 52d FGO unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt die Sondernorm des § 47 Abs. 2 FGO. Ferner sei dem anbringenden Steuerberater ein fristwahrendes Alternativverhalten mittels Übertragung eines elektronischen Dokuments unter Verwendung des beSt zum Zeitpunkt der Klageeinreichung nicht möglich gewesen, da diesem von der BStBK noch kein beSt empfangsbereit zur Verfügung gestellt worden sei. Das beklagte Finanzamt vertrat demgegenüber die Auffassung, die Klage sei unzulässig, da für den steuerlichen Berater eine aktive Nutzungspflicht des beSt gemäß § 52d Satz 2 i.V.m. Satz 1 i.V.m. § 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Var. 2 FGO i.V.m. § 86d Abs. 1 Satz 1 StBerG bestanden habe.

Die Richter des Niedersächsischen FG sind den Argumenten der Kläger nicht gefolgt und haben die Klagen als unzulässig verworfen:

  • Die Klagen sind unzulässig, da sie nicht innerhalb der Klagefrist erhoben worden sind. Sie konnten durch Einwurf in den Briefkasten des Finanzamts nicht fristwahrend erhoben werden.

  • Zwar gilt die Frist für die Erhebung der Klage gemäß § 47 Abs. 2 FGO auch dann als gewahrt, wenn die Klage bei der Behörde, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, innerhalb der Frist angebracht wird. Der Steuerberater hat die Klagen in Papierform jedoch nicht fristwahrend i.S.d. § 47 Abs. 2 FGO „anbringen" können.

  • Denn auch für die fristwahrende Übermittlung an das Finanzamt nach § 47 Abs. 2 FGO ist die Einhaltung der geltenden Formvorschriften und damit stets die elektronische Form erforderlich.

  • Unzutreffend ist die Auffassung der Kläger, das „Anbringen" nach § 47 Abs. 2 FGO müsse nur wenn es elektronisch erfolge, den Anforderungen des § 52a FGO entsprechen und könne daneben weiterhin mittels eines eigenhändig unterschriebenen Dokuments, mithin in Schriftform, erfolgen.

  • Richtigerweise dispensiert § 47 Abs. 2 FGO jedoch nicht von der nunmehr geltenden elektronischen Einreichungspflicht nach § 52d FGO. Mit anderen Worten: Derjenige, den die elektronische Einreichungspflicht gegenüber dem Gericht gemäß § 52d FGO trifft, muss die elektronische Übermittlung gemäß § 52a FGO auch bei Beschreiten des von § 47 Abs. 2 FGO eröffneten Weges über das Finanzamt wählen. Es sind keine Gründe dafür erkennbar, an eine beim Finanzamt eingereichte Klage geringere Formalanforderungen zu stellen. Vielmehr sprechen mehrerlei Gründe gegen einen Dispens.

  • So streitet bereits die systematische Stellung des § 47 Abs. 2 FGO recht deutlich dafür, dass ihm keine Regelung zur Form innewohnt. Denn § 47 FGO regelt lediglich die Klagefrist.

  • Ferner wären die Bemühungen des Gesetzgebers, den elektronischen Rechtsverkehr zu stärken und für bestimmte Gruppen als verpflichtend zu erklären auch obsolet, wenn die Klage über den Weg der Anbringung gemäß § 47 Abs. 2 FGO weiterhin per Brief erhoben werden könnte.

  • Und schließlich kommt dem Sinn der Vorschrift des § 47 Abs. 2 FGO die entscheidende Bedeutung zu. Der Gesetzgeber hat für den von einem Verwaltungsakt betroffenen Bürger den Zugang zu den Finanzgerichten erleichtern wollen. Der Bürger hat die gesetzliche Klagefrist bis zum letzten Augenblick - ggf. auch durch einen Bevollmächtigten - dadurch nutzen können sollen, dass er die Zeit der Postbeförderung bis zu dem in der Regel auswärtigen Finanzgericht nicht habe beachten müssen und die Klage in den Briefkasten des regelmäßig näher gelegenen Finanzamts habe einwerfen können.

  • Aus diesem Grund wird allenthalben auch hervorgehoben, dass das Finanzamt durch § 47 Abs. 2 FGO gleichsam zum Briefkasten des Finanzgerichts wird. In diesem Lichte erscheint es widersinnig, wenn der gegenüber dem Finanzgericht zur elektronischen Übermittlung verpflichtete Berufsträger wegen der erstrebten Erleichterung, den Postlauf nicht beachten zu müssen, von seiner Pflicht wieder befreit würde. Denn der verpflichtete Berufsträger ist aufgrund der ihm zur Verfügung stehenden elektronischen Infrastruktur auf die Erleichterung gerade nicht angewiesen, weil er durch diese im Rahmen der Kommunikation mit dem Gericht von dem Postlauf nicht mehr abhängig ist.

  • Schließlich ist der Steuerberater im konkreten Fall auch zur Einreichung in der Form des § 52a FGO verpflichtet gewesen, da ihm nach der finanzgerichtlichen Rechtsprechung ein sicherer Übermittlungsweg "zur Verfügung" gestanden hat, zu dessen Nutzung er nach § 52d Satz 2 FGO verpflichtet war.

Hinweis:

Die Volltexte der Entscheidungen sind in der Rechtsprechungsdatenbank des Landes Niedersachsen veröffentlicht (13 K 114/23 und 13 K 115/23).

Quelle: FG Niedersachsen, Newsletter v. (il)

Fundstelle(n):
XAAAJ-67118