BMF - IV B 2 - S 1300/21/10024 :005 BStBl 2023 I S. 2179

Steuerliche Behandlung des Arbeitslohns nach den Doppelbesteuerungsabkommen

Bezug: BStBl 2021 I S. 2212

Bezug: BStBl 2006 I S. 340

Bezug: BStBl 2013 I S. 1325

Bezug: BStBl 2013 I S. 980

Bezug: BStBl 2017 I S. 473

Bezug: BStBl 2019 I S. 1082

Bezug: BStBl 2019 I S. 480

Bezug: BStBl 2006 I S. 304

Bezug: BStBl 2004 I S. 173

Bezug: BStBl 2023 I S. 1093

Bezug: BStBl 2022 I S. 997

Bezug: BStBl 1999 I S. 1076

Bezug: BStBl 2000 I S. 1509

Bezug: BStBl 2004 I S. 917

Bezug: BStBl 2009 I S. 888

Bezug: BStBl 2010 I S. 354

Bezug: BStBl 2014 I S. 1258

Bezug: BStBl 2017 I S. 182

Bezug: BStBl 2011 I S. 849

Bezug: BStBl 2011 I S. 621

Bezug: BStBl 2011 I S. 576

Bezug: BStBl 2021 I S. 2308

Bezug: BStBl 2009 I S. 1286

Bezug: BStBl 2019 I S. 874

Bezug: BStBl 2013 I S. 1610

Bezug: BStBl 2021 I S. 1495

Bezug: BStBl 2018 I S. 643

Bezug: BStBl 2020 I S. 483

Im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt für die Besteuerung der Einkünfte aus unselbständiger Arbeit nach den DBA Folgendes:

Abkürzungsverzeichnis


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abs.
Absatz / Absätze
abzgl.
abzüglich
a. F.
alte Fassung
AOA
Authorized OECD Approach (OECD autorisierter Ansatz)
Art.
Artikel
ATE
Auslandstätigkeitserlass
BFH
Bundesfinanzhof
BFH/NV
Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs
BMF
Bundesministerium der Finanzen
BGBl.
Bundesgesetzblatt
BStBl
Bundessteuerblatt
bzw.
beziehungsweise
DBA
Doppelbesteuerungsabkommen
d. h.
das heißt
Einkommensteuerhandbuch
etc.
et cetera
EU
Europäische Union
EWR
Europäischer Wirtschaftsraum
ff.
folgende Randnummern
ggf.
gegebenenfalls
GmbH
Gesellschaft mit beschränkter Haftung
i. d. F.
in der Fassung
i. d. R.
in der Regel
i. H.
in Höhe
i. H. v.
in Höhe von
i. S.
im Sinne
i. V. m.
in Verbindung mit
Kj.
Kalenderjahr(e)
KonvVerAUTV
Deutsch-Österreichische Konsultationsvereinbarungsverordnung
NATO
North Atlantic Treaty Organization (Organisation des Nordatlantikvertrags)
Nr.
Nummer
OECD
Organisation for Economic Co-operation and Development
(Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung)
OECD-MK
Kommentar zum OECD-MA
R
Richtlinie
Rn.
Randnummer
S.
Seite
s.
siehe
SGB
Sozialgesetzbuch
sog.
sogenannte / sogenannten
Tz.
Textziffer / Textziffern
u. a.
unter anderem
UNO
United Nations Organization (Organisation der Vereinten Nationen)
VAE
Vereinigte Arabische Emirate
vgl.
vergleiche
VZ
Veranlagungszeitraum
z. B.
zum Beispiel
zzgl.
zuzüglich

1 Allgemeines

1.1 Regelungsbereich eines DBA / des OECD-MA

1Ein DBA enthält Regelungen über die Zuweisung des Besteuerungsrechts sowie zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung im Verhältnis der beiden vertragschließenden Staaten (Vertragsstaaten) zueinander. Ein DBA begründet selbst keinen Besteuerungsanspruch. Das Abkommen wird regelmäßig durch ein Protokoll zum DBA, eine Denkschrift, Briefwechsel oder andere Dokumente ergänzt und erläutert. Das Protokoll zum DBA ist Bestandteil des Abkommens und in gleicher Weise verbindlich.

2Im Nachfolgenden wird die abkommensrechtliche Behandlung der Vergütungen aus unselbständiger Arbeit anhand des OECD-MA dargestellt. Sowohl das OECD-MA als auch der OECD-MK werden vom Steuerausschuss der OECD laufend weiterentwickelt. Das OECD-MA entfaltet selbst keine rechtliche Bindungswirkung; die von Deutschland abgeschlossenen und rechtlich wirksamen DBA orientieren sich jedoch nach Inhalt und Aufbau i. d. R. am OECD-MA. Im konkreten Einzelfall sind die jeweiligen Vorschriften des anzuwendenden DBA maßgeblich, nicht das OECD-MA. Soweit im Einzelfall Anknüpfungspunkte zu mehreren Staaten bestehen, können verschiedene DBA nebeneinander zu beachten sein (z. B. bei Berufskraftfahrern, s. Tz. 7, Rn. 380 ff.).

3Bei der steuerlichen Beurteilung von Vergütungen aus unselbständiger Arbeit sind daher insbesondere die Vorschriften des innerstaatlichen Rechts und die des jeweils anzuwendenden DBA zu beachten. Die Regelungen des OECD-MA und die Aussagen des OECD-MK, sind unter Berücksichtigung der nachfolgenden Grundsätze bei der Auslegung der DBA zu berücksichtigen, soweit diese dem OECD-MA im Wesentlichen inhaltlich entsprechen.

4Beispiel 1: Wohnsitz in Deutschland

Der Arbeitnehmer ist nur in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig. Er ist in Österreich und Belgien tätig.

Lösung:

Es sind die DBA zwischen Deutschland und dem jeweiligen Tätigkeitsstaat (DBA-Österreich und DBA-Belgien) zu prüfen.

5Beispiel 2: kein Wohnsitz in Deutschland

Der Arbeitnehmer ist nur in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig. Er ist in Deutschland und zusätzlich in Belgien tätig. Er erstellt Marktanalysen und erzielt daraus Vergütungen, mit denen er insgesamt nach § 1 Abs. 4 EStG i. V. m. § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe a EStG beschränkt steuerpflichtig ist ( BStBl II 1987 S. 379).

Lösung:

Es ist aus deutscher Sicht ausschließlich das DBA zwischen Österreich und Deutschland zu prüfen, da nur für dieses DBA eine Abkommensberechtigung nach Art. 4 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 DBA-Österreich vorliegt. Soweit die Vergütungen auf die in Belgien ausgeübte Tätigkeit entfallen, steht Deutschland nach Art. 15 Abs. 1 Satz 1 DBA-Österreich kein Besteuerungsrecht zu. Das DBA zwischen Deutschland und Belgien kommt für die in Belgien ausgeübte Tätigkeit mangels Abkommensberechtigung des Arbeitnehmers nicht zur Anwendung.

6Durch ein DBA mit einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet (§ 2 StAbwV) werden deutsche Besteuerungsrechte für den Zeitraum nicht berührt, in dem das Steueroasen-Abwehrgesetz bezogen auf dieses Steuerhoheitsgebiet Anwendung findet (§ 3 i. V. m. § 1 Abs. 3 Satz 2 StAbwG).

1.2 OECD-Musterabkommen

1.2.1 Bestimmung der Ansässigkeit - Art. 4 OECD-MA

7Für die Anwendung eines DBA ist der Staat zu bestimmen, in dem der Arbeitnehmer und ggf. der Arbeitgeber entsprechend Art. 1 i. V. m. Art. 4 OECD-MA ansässig sind. Die Tatbestandsvoraussetzungen der Ansässigkeit nach Art. 4 OECD-MA sind unabhängig von der Vorlage einer Ansässigkeitsbescheinigung eines Vertragsstaats oder einer entsprechenden steuerlichen Behandlung in einem Vertragsstaat zu prüfen (s. Rn. 12 ff.). Der abkommensrechtliche Begriff der Ansässigkeit entspricht nicht dem im innerstaatlichen Recht verwendeten Begriff der unbeschränkten Steuerpflicht.

8Während die unbeschränkte Steuerpflicht nach innerstaatlichem Recht eine umfassende Steuerpflicht begründet, führt die Ansässigkeit einer Person in einem der Vertragsstaaten zu ihrer Abkommensberechtigung (Art. 1 OECD-MA). Zugleich wird mit der Bestimmung der Ansässigkeit einer Person in einem Vertragsstaat dieser Staat für die Anwendung des Abkommens zum Ansässigkeitsstaat der Person; der andere Vertragsstaat ist der Quellen- bzw. bei Einkünften aus unselbständiger Arbeit i. S. des Art. 15 Abs. 1 Satz 1 zweiter Halbsatz OECD-MA auch der Tätigkeitsstaat. Eine Person kann zwar in beiden Vertragsstaaten (z. B. aufgrund eines doppelten Wohnsitzes) unbeschränkt steuerpflichtig sein, dagegen kann sie nur in einem der beiden Vertragsstaaten als ansässig i. S. eines DBA gelten (s. Rn. 12 ff.). Die abkommensrechtliche Bestimmung der Ansässigkeit hat keine Auswirkung auf eine bestehende inländische Steuerpflicht. Die Ansässigkeit i. S des Art. 4 OECD-MA kann sich während eines VZ auch ändern.

9Eine natürliche Person ist nach Art. 4 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA in einem Vertragsstaat ansässig, wenn sie dort aufgrund ihres Wohnsitzes, ihres ständigen Aufenthalts oder eines anderen ähnlichen Merkmals steuerpflichtig ist (s. Tz. 2.1, Rn. 42 ff. zur Steuerpflicht nach dem EStG). Eine Ansässigkeit in einem Vertragsstaat wird nach Art. 4 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA jedoch nicht begründet, wenn die Person in diesem Staat nur mit Einkünften aus Quellen in diesem Staat oder mit in diesem Staat gelegenen Vermögen steuerpflichtig ist, die Person nach deutschem Rechtsverständnis dort also nur einer beschränkten Steuerpflicht unterliegt. Dies gilt auch für Abkommen, in denen der deklaratorische Zusatz des Art. 4 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA nicht enthalten ist. Die Ansässigkeit nach Art. 4 Abs. 1 OECD-MA setzt damit eine unbeschränkte Steuerpflicht nach dem jeweiligen innerstaatlichen Recht der Vertragsstaaten voraus. Die unbeschränkte Steuerpflicht auf Antrag nach § 1 Abs. 3 EStG begründet hingegen keine Ansässigkeit in Deutschland.

10Zu beachten sind außerdem die Besonderheiten, die sich durch die speziellen Regelungen in einzelnen DBA (z. B. Art. 4 Abs. 3, 4 und 6 DBA-Schweiz, Art. 4 Abs. 1 Buchstabe b DBA-VAE (Letzteres anzuwenden bis ), Special Tax-Regime Spanien (Protokoll Ziffer II zum DBA-Spanien)) bzw. durch den Rückgriff auf das jeweilige innerstaatliche Recht der Vertragsstaaten (z. B. China, Südafrika) ergeben können.

11Nach China entsandte Arbeitnehmer eines inländischen Arbeitgebers können unter Berücksichtigung des chinesischen Einkommensteuerrechts auch dann in China i S. des Art. 4 Abs. 1 Satz 1 DBA-China ansässig sein, wenn sie der dortigen unbeschränkten Steuerpflicht unterliegen, aber in den ersten sechs Kj. der Entsendung die dortige Steuerbefreiungsvorschrift für Ausländer in Anspruch nehmen. Ab dem VZ 2019 ist Voraussetzung für die unbeschränkte Steuerpflicht in China, dass sich der Arbeitnehmer an mindestens 183 Tagen im Kj. in China aufhält. In diesem Fall sind sie zwar dem Grunde nach unbeschränkt steuerpflichtig, werden aber lediglich mit ihren Einkünften aus chinesischen Quellen (Arbeitstage in China sowie Arbeitstage außerhalb Chinas, soweit der Lohn von einem chinesischen Arbeitgeber / einer chinesischen Betriebsstätte wirtschaftlich getragen wurde) besteuert.

12Eine Person kann für die Anwendung des DBA nur in einem Vertragsstaat als ansässig gelten. Ist die Person nach Art. 4 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA in beiden Vertragsstaaten ansässig (sog. doppelte Ansässigkeit), ist nach der in Art. 4 Abs. 2 OECD-MA festgelegten Prüfungsreihenfolge festzustellen, in welchem Vertragsstaat die Person als ansässig gilt.

13Verfügt die Person nur in einem Staat über eine ständige Wohnstätte, so gilt sie nur in diesem Staat als ansässig. Unter einer ständigen Wohnstätte sind Räumlichkeiten zu verstehen, die nach Art und Einrichtung zum Wohnen geeignet sind, die ständig genutzt werden können und die tatsächlich regelmäßig genutzt werden. Eine als Familienwohnung genutzte Wohnung ist dabei bis zum Ende des Mietverhältnisses bzw. dem tatsächlichen Auszug der Familie als eine ihr zur Verfügung stehende ständige Wohnstätte i. S. des Art. 4 Abs. 2 OECD-MA anzusehen. Es handelt sich um eine in den allgemeinen Lebensrhythmus der Person einbezogene Anlaufstelle ( BStBl II 1986 S. 133, vom , BStBl II 1999 S. 207 und vom , BStBl 2007 II S. 812).

14Vorausgesetzt, die Person verfügt in beiden Staaten über eine ständige Wohnstätte, so gilt sie als nur in dem Staat ansässig, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat (Mittelpunkt der Lebensinteressen). Dabei sind die persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen nach objektiven Anhaltspunkten des jeweiligen Einzelfalls gegeneinander abzuwägen ( BStBl II 1991 S. 562). Die persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen sind grundsätzlich gleichrangig und im Rahmen des Gesamtbildes der Verhältnisse zu gewichten, um im Einzelfall den für eine Person bedeutungsvolleren Ort festzustellen ( BStBl 1971 II S. 758). Werden im Veranlagungsverfahren im Rahmen der erhöhten Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 2 AO die hierfür erforderlichen Informationen nicht vorgelegt, sind die für den Steuerpflichtigen nachteiligen steuerlichen Konsequenzen zu ziehen ( BStBl 1989 II S. 462).

15Bei den persönlichen Beziehungen sind sämtliche persönlichen Verhältnisse aus der privaten Lebensführung einer Person, insbesondere die familiären und gesellschaftlichen Beziehungen, die politische, kulturelle und sonstige Verwurzelung, die Ausstattung und Größe der Wohnung, private Aktivitäten, Mitgliedschaften in Parteien und Vereinen zu berücksichtigen. Wird eine weitere Wohnstätte in einem Vertragsstaat begründet und die bisherige Wohnstätte im anderen Vertragsstaat beibehalten, spricht dies für das Fortbestehen gewichtiger persönlicher Beziehungen im Vertragsstaat der bisherigen Wohnstätte. Die Würdigung der persönlichen Beziehungen einer Person in einem Vertragsstaat erfordert die Berücksichtigung der jeweiligen gesellschaftlichen und politischen Gegebenheiten der Vertragsstaaten.

16Wirtschaftliche Beziehungen richten sich grundsätzlich nach den Einnahmen und dem Vermögen einer Person ( BStBl II 1991 S. 562):

  • Hierfür sind sämtliche Einnahmequellen und deren Herkunft festzustellen. Bei einer unselbständigen Arbeit muss neben dem Ort der Tätigkeitsausübung und dem zivilrechtlichen Arbeitsverhältnis auch berücksichtigt werden, ob der Arbeitnehmer befristet in einem anderen Staat tätig wird bzw. ob auf eine Absicht geschlossen werden kann, in den Vertragsstaat der bisherigen Wohnstätte zurückzukehren. Wird in einem Vertragsstaat eine Wohnstätte beibehalten und besteht in demselben Staat ein ruhendes Arbeitsverhältnis, ist z. B. bei einer befristeten Entsendung mit Rückkehrzusage davon auszugehen, dass eine Rückkehrabsicht besteht und damit wirtschaftliche Interessen in diesem Staat vorliegen. In diesem Zusammenhang sind die Dauer der befristeten Tätigkeit im anderen Staat sowie die Dauer der zuvor in dem Vertragsstaat der beibehaltenen Wohnstätte ausgeübten Tätigkeit (berufliche Verwurzelung) in die Beurteilung miteinzubeziehen.

  • Auf der Vermögensebene ist insbesondere die Belegenheit von Grundbesitz und sonstigem Vermögen (z. B. Gesellschaftsbeteiligungen, Aktiendepot, Bankguthaben, Barmittel, Fahrzeuge etc.) in die Beurteilung einzubeziehen. Je nach Intensität der Vermögensverwaltung kann auch der Ort von Bedeutung sein, von dem aus die Person ihr Vermögen verwaltet. Das vorhandene Vermögen ist anhand seiner wirtschaftlichen Bedeutung gegenüber der Einnahmenseite abzuwägen.

17Beispiel 1: Entsendung ohne Familienbegleitung

Der Arbeitnehmer begründet während seines Aufenthalts im ausländischen Tätigkeitsstaat einen Wohnsitz. Die Familie ist dem Arbeitnehmer nicht in den Tätigkeitsstaat gefolgt. Es liegt tatbestandlich sowohl im Inland als auch im Ausland eine ständige Wohnstätte i. S. von Art. 4 Abs. 2 Buchstabe a OECD-MA vor.

Lösung:

Der Arbeitnehmer unterhält sowohl im Inland als auch im Ausland eine ständige Wohnstätte. Die Ansässigkeit in einem Vertragsstaat richtet sich dann danach, in welchem Vertragsstaat sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen befindet (Art. 4 Abs. 2 Buchstabe a OECD-MA). Dieser befindet sich für den Arbeitnehmer i. d. R. auch während seines Aufenthalts im Ausland weiterhin im Inland. Insbesondere unterhält der Arbeitnehmer nach wie vor persönliche Beziehungen zu seiner Familie im Inland. Demgegenüber treten etwaige persönliche Beziehungen, die der Arbeitnehmer im Ausland unterhält, in aller Regel zurück.

18Die Dauer des befristeten Aufenthalts im Tätigkeitsstaat kann bei Innehaben einer weiteren ständigen Wohnstätte in diesem Vertragsstaat, als Indiz bei der Gewichtung der persönlichen Interessen herangezogen werden. Je länger ein Aufenthalt in einem Staat andauert, umso mehr kann davon ausgegangen werden, dass sich auch dort persönliche Interessen ergeben. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Verhältnisse. Bei einem nur vorübergehenden Aufenthalt ( BStBl II 1986 S. 133) im Tätigkeitsstaat kann davon ausgegangen werden, dass sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen weiterhin in dem Vertragsstaat der beibehaltenen Wohnstätte befindet. Eine Person wird bei einem nur vorübergehenden Aufenthalt in einem anderen Staat i. d. R. weiterhin im Staat der beibehaltenen Wohnstätte gewichtigere wirtschaftliche Beziehungen unterhalten, wie z. B. Grundbesitz, Kapitalvermögen, Gehaltskonto, Arbeitsverhältnis zu einem Arbeitgeber im Staat der beibehaltenen Wohnstätte. Die wirtschaftlichen Beziehungen im anderen Staat werden hingegen i. d. R. nur von vorübergehender Dauer sein. Bei einer befristeten Entsendung von fünf Jahren oder mehr besteht eine widerlegbare Vermutung, dass sich die gewichtigeren persönlichen Beziehungen einer Person in den Entsendestaat verlagern. Bei einer Entsendung von bis zu einem Jahr besteht hingegen die widerlegbare Vermutung, dass die persönlichen Beziehungen einer Person in dem Staat der beibehaltenen Wohnstätte verbleiben.

19Beispiel 2: Entsendung bis zu einem Jahr

Der Arbeitnehmer begründet während seines auf bis zu einem Jahr befristeten Aufenthalts im ausländischen Tätigkeitsstaat einen Wohnsitz. Die Wohnung in Deutschland wird beibehalten. Es liegt sowohl im Inland als auch im Ausland tatbestandlich eine ständige Wohnstätte i. S. von Art. 4 Abs. 2 Buchstabe a OECD-MA vor. Das Arbeitsverhältnis zum bisherigen Arbeitgeber besteht fort.

  1. Der Arbeitnehmer ist alleinstehend.

  2. Die Familie ist dem Arbeitnehmer in den Tätigkeitsstaat gefolgt.

Lösung:

Der Mittelpunkt der Lebensinteressen befindet sich - unabhängig vom Familienstand - in aller Regel weiterhin im Inland ( BStBl 1985 II S. 133), da bei einem auf ein Jahr befristeten Aufenthalt im Tätigkeitsstaat und dem Fortbestehen des bisherigen Arbeitsverhältnisses sowie der Beibehaltung der bisherigen Wohnung in Deutschland die persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen zu Deutschland zumeist gewichtiger sind als die zum anderen Staat.

20Beispiel 3: Zeitpunkt des Ansässigkeitswechsels

Der alleinstehende Arbeitnehmer begründet während seines auf zwei Jahre befristeten Aufenthalts im ausländischen Tätigkeitsstaat einen Wohnsitz. Die Wohnung in Deutschland wird beibehalten. Es liegt sowohl im Inland als auch im Ausland tatbestandlich eine ständige Wohnstätte i. S. des Art. 4 Abs. 2 Buchstabe a OECD-MA vor. Das Arbeitsverhältnis zum bisherigen Arbeitgeber besteht aufgrund einer Rückkehrzusage fort. Während seines zweiten Entsendejahres verlängert er die Auslandstätigkeit auf insgesamt sechs Jahre. Der Arbeitnehmer verfügt über kein nennenswertes Vermögen in beiden Vertragsstaaten.

Lösung:

Der Mittelpunkt der Lebensinteressen verlagert sich in solchen Fällen i. d. R. zu dem Zeitpunkt in den ausländischen Tätigkeitsstaat, an dem objektive Gründe darauf schließen lassen, dass die Absicht besteht, den Auslandsaufenthalt auf eine gewisse Dauer auszuweiten. Dies ist regelmäßig das Datum der schriftlichen Verlängerung der Auslandsentsendung.

21Beispiel 4: Kettenentsendung

Der alleinstehende Arbeitnehmer ist im Rahmen einer „Kettenentsendung“ in verschiedenen Staaten tätig und wird bei den ausländischen Tochtergesellschaften seines zivilrechtlichen inländischen Arbeitgebers wie folgt eingesetzt: 01 in Indien, 02 in den USA, 03 in China und 04 in Mexiko. Der Arbeitnehmer begründet in den jeweiligen Staaten für die Dauer seines Aufenthalts jeweils einen Wohnsitz. Die Wohnung in Deutschland wird beibehalten. In den jeweiligen Zeiträumen liegt sowohl im Inland als auch in den jeweiligen Entsendestaaten tatbestandlich eine ständige Wohnstätte i. S. des Art. 4 Abs. 2 Buchstabe a OECD-MA vor. Nach Beendigung der jeweiligen Entsendung hat der Arbeitnehmer die Möglichkeit am deutschen Stammsitz seines Arbeitgebers zu arbeiten.

Lösung:

Der Mittelpunkt der Lebensinteressen wird bei einer Kettenentsendung regelmäßig im Inland verbleiben. Aufgrund der absehbaren vorübergehenden Aufenthaltsdauer in den jeweiligen Entsendestaaten, können sich keine gewichtigen persönlichen oder wirtschaftlichen Beziehungen des Arbeitnehmers im jeweiligen Einsatzstaat ergeben. Die persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen zu Deutschland bleiben hingegen unverändert bestehen. Ein Wechsel der Ansässigkeit in den jeweiligen Entsendestaat findet daher nicht statt.

22Beispiel 5: auf fünf Jahre befristete Entsendung / unbefristete Entsendung

Der Arbeitnehmer begründet während seines fünfjährigen / unbefristeten Aufenthalts im ausländischen Tätigkeitsstaat einen Wohnsitz. Die Familie ist zusammen mit dem Arbeitnehmer in den Tätigkeitsstaat umgezogen. Die Wohnung in Deutschland steht der Familie jederzeit zur Nutzung zur Verfügung. Es liegt sowohl im Inland als auch im Ausland tatbestandlich eine ständige Wohnstätte i. S. von Art. 4 Abs. 2 Buchstabe a OECD-MA vor.

Lösung:

Der Mittelpunkt der Lebensinteressen befindet sich in einem solchen Fall i. d. R. im Tätigkeitsstaat, da dort nach dem Gesamtbild der Verhältnisse insbesondere die persönlichen Interessen des Arbeitnehmers (u. a. wegen der Familienbegleitung) liegen werden.

23Beispiel 6: auf weniger als fünf Jahre befristete Entsendung

Der Arbeitnehmer ist in Deutschland aufgewachsen und seit vielen Jahren für seinen in Deutschland ansässigen Arbeitgeber tätig (Bruttojahresvergütung 100.000 €). Seine Eltern und Geschwister leben ebenfalls in Deutschland. Er bewohnt mit seiner Familie ein in seinem Eigentum stehendes Einfamilienhaus (Verkehrswert: 750.000 €). Außerdem vermietet er eine im Inland belegene Eigentumswohnung (Verkehrswert 350.000 €, jährliche Mieteinnahmen: 12.000 €). Während seiner auf drei Jahre befristeten Auslandsentsendung zu einer Tochtergesellschaft seines Arbeitgebers begründet er einen ausländischen Wohnsitz, dessen Kosten vom Arbeitgeber übernommen werden. Zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer wird eine Rückkehrzusage vereinbart. Das inländische Arbeitsverhältnis ruht für die Dauer der Entsendung. Die Familie ist zusammen mit dem Arbeitnehmer in den Tätigkeitsstaat umgezogen. Der inländische Familienwohnsitz wird nicht vermietet, sondern steht der Familie jederzeit zur Verfügung. Es liegt sowohl im Inland als auch im Ausland tatbestandlich eine ständige Wohnstätte i. S. des Art. 4 Abs. 2 Buchstabe a OECD-MA vor.

Die Sprache, Kultur und Gesellschaft des ausländischen Staats sind dem Arbeitnehmer fremd. Bereits Monate vor Ablauf der befristeten Entsendung, trifft der Arbeitnehmer Vorkehrungen für die Rückkehr nach Deutschland (Umzug, Einschulung seiner Kinder etc.). Von den durchschnittlichen 230 Arbeitstagen pro Jahr, verbringt der Arbeitnehmer rund 30 Arbeitstage in Deutschland. Der Weihnachtsurlaub wird jährlich in Deutschland verbracht.

Lösung:

Der Mittelpunkt der Lebensinteressen ist nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu bestimmen. Dabei sind die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Arbeitnehmers in den beiden Vertragsstaaten zu gewichten, um den für den Arbeitnehmer bedeutungsvolleren Ort zu ermitteln. Zwar verfügt der Arbeitnehmer über gewichtige persönliche Interessen im Ausland, doch sind diese nicht auf Dauer angelegt. Die persönlichen Anknüpfungspunkte im Inland (Eltern, Geschwister, Freundeskreis, kulturelle Verwurzelung etc.) gehen durch den Auslandsaufenthalt nicht verloren. Es steht zu Beginn der Entsendung fest, dass der Arbeitnehmer nach Beendigung seiner Tätigkeit im Ausland sofort wieder an seinen Arbeitsplatz in Deutschland zurückkehren wird. Der Umstand, dass der Familienwohnsitz während der vorübergehenden Auslandstätigkeit zur Nutzung bereitgehalten wurde, belegt die persönlichen Interessen des Arbeitnehmers in Deutschland.

Bei der Gewichtung der wirtschaftlichen Interessen in den beiden Vertragsstaaten ist zu berücksichtigen, dass die durch Tätigkeitsausübung im Ausland erzielten Einnahmen nur von vorübergehender Dauer sind, die nach Beendigung der Entsendung wieder entfallen (lediglich gegenwartsbezogen). Das zivilrechtliche Arbeitsverhältnis zum inländischen Arbeitgeber bleibt bestehen und die Tätigkeit wird nach der Rückkehr fortgeführt (berufliche Verwurzelung zum Inland). Daneben erzielt der Arbeitnehmer dauerhaft Mieterträge aus Deutschland. Zudem befindet sich sein gesamtes Vermögen in Deutschland. Die inländischen Einnahmen und das inländische Vermögen übersteigen die während des Auslandsaufenthalts erzielten Einnahmen. Nach der Gewichtung aller persönlichen und wirtschaftlichen Interessen des Arbeitnehmers, ist davon auszugehen, dass der bedeutungsvollere Ort für den Arbeitnehmer in Deutschland liegt. Der Mittelpunkt der Lebensinteressen befindet sich in Deutschland. Der Arbeitnehmer ist nach Art. 4 Abs. 2 Buchstabe a OECD-MA in Deutschland ansässig.

24Lässt sich die Ansässigkeit nicht anhand der ständigen Wohnstätte bestimmen, weil eine Person in keinem Vertragsstaat über eine ständige Wohnstätte verfügt oder der Mittelpunkt der Lebensinteressen nicht bestimmt werden kann, sind zunächst der gewöhnliche Aufenthalt und zuletzt die Staatsangehörigkeit heranzuziehen. Kann die Ansässigkeit auch nach dem letztgenannten Kriterium nicht bestimmt werden, weil die Person die Staatsangehörigkeit beider Staaten oder keines der Staaten besitzt, regeln die betreffenden Staaten die Ansässigkeit in gegenseitigem Einvernehmen.

1.2.2 Vergütungen aus unselbständiger Arbeit
1.2.2.1 Art. 15 OECD-MA

25Nach Art. 15 Abs. 1 OECD-MA können die Vergütungen aus unselbständiger Arbeit nur im Ansässigkeitsstaat des Arbeitnehmers besteuert werden, es sei denn, die Tätigkeit wird im anderen Vertragsstaat (Tätigkeitsstaat) ausgeübt. Wird die unselbständige Arbeit im anderen Staat ausgeübt, steht grundsätzlich diesem Staat das Besteuerungsrecht für die hierfür bezogenen Vergütungen zu (sog. Arbeitsortprinzip). Die bloße Verwertung einer unselbständigen Arbeit (§ 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe a 2. Alternative EStG) stellt keine Tätigkeit i. S. der DBA dar.

26Abweichend hiervon steht unter den Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 2 OECD-MA (sog. 183-Tage-Klausel) das Besteuerungsrecht für solche Vergütungen nur dem Ansässigkeitsstaat des Arbeitnehmers zu (s. Tz. 4, Rn. 101 ff.).

27Art. 15 Abs. 3 OECD-MA enthält eine gesonderte Bestimmung für Vergütungen des Bordpersonals von Schiffen und Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr (s. Tz 4.3.4.2, Rn. 203, Tz. 8, Rn. 392 ff.).

28Die Begriffe „Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen aus unselbständiger Arbeit“ sind im OECD-MA nicht definiert. Soweit sich aus dem anzuwendenden DBA nichts anderes ergibt oder die zuständigen Behörden der beiden Staaten nicht eine andere Bedeutung vereinbaren (Art. 25 Abs. 3 OECD-MA), ist die Bedeutung maßgebend, die dem Begriff im Anwendungszeitraum nach dem Recht des Anwenderstaates zukommt (Art. 3 Abs. 2 OECD-MA). In Deutschland sind die Vorschriften der §§ 1 und 2 LStDV einschlägig. Zur Abgrenzung selbständiger von nichtselbständiger Arbeit wird auf H 19.0 bis H 19.2 LStH verwiesen. Im Falle einer unterschiedlichen Auslegung der Begriffe durch die Vertragsstaaten (Qualifikationskonflikt) ist § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG zu prüfen (s. Tz. 2.4, Rn. 85).

1.2.2.2 Grenzgängerregelung

29Abweichend vom OECD-MA enthalten einzelne DBA besondere Regelungen für grenzüberschreitend Beschäftigte. Dies sind derzeit [Stand 2023] die DBA mit Frankreich (Art. 13 Abs. 5 - i. d. R. Besteuerung im Ansässigkeitsstaat), Österreich (Art. 15 Abs. 6 - i. d. R. Besteuerung im Ansässigkeitsstaat) und der Schweiz (Art. 15a - begrenzte Quellenbesteuerung im Tätigkeitsstaat und Besteuerung im Ansässigkeitsstaat (in Deutschland mit Anrechnung begrenzter Quellensteuer).

1.2.2.3 Besondere Regelungen bezüglich der Zuweisung des Besteuerungsrechts

30Das OECD-MA bzw. die einzelnen DBA enthalten für bestimmte Arbeitnehmer, bestimmte Vergütungen bzw. bestimmte Tätigkeiten von Art. 15 OECD-MA abweichende Regelungen, insbesondere für das für die Geschäftsführung eines Unternehmens verantwortliche Personal (s. Tz. 6.1, Rn. 353), für Künstler und Sportler (Art. 17 OECD-MA), für Ruhegehaltszahlungen (Art. 18 OECD-MA), für Arbeitnehmer der Gebietskörperschaften (Art. 19 OECD-MA), teilweise auch für weitere öffentlich-rechtliche Körperschaften (z. B. Art. 19 Abs. 1 DBA-Schweiz) sowie für Vergütungen, die im Rahmen eines Programms der wirtschaftlichen Zusammenarbeit eines Vertragsstaates gezahlt werden (z. B. Art. 19 Abs. 3 DBA-Indonesien), für Studenten, Schüler, Lehrlinge und sonstige Auszubildende (Art. 20 OECD-MA), für Hochschullehrer und Lehrer (z. B. Art. 21 DBA-Italien, Art. 20 DBA-Österreich, Art. 20 DBA-USA) sowie für Mitglieder diplomatischer Missionen und konsularischer Vertretungen (Art. 28 OECD-MA). Diese Regelungen gehen i. d. R Art. 15 OECD-MA bzw. der entsprechenden Vorschriften im anzuwendenden DBA vor.

31Darüber hinaus enthalten einzelne DBA sog. Förderstaatsklauseln (z. B. Art. 17 Abs. 3 DBA-Vereinigtes Königreich, Art. 17 Abs. 3 DBA-Luxemburg, Art. 17 Abs. 3 DBA-Spanien). Danach ist die Besteuerung von Renten und Ruhegehältern in der Auszahlungsphase davon abhängig, in welchem Vertragsstaat eine Förderung in der Aufbauphase erfolgte.

1.2.2.4 Vergütungen eines Mitunternehmers für seine Tätigkeit im Dienst der Gesellschaft

32Vergütungen, die ein Gesellschafter (Mitunternehmer) einer Personengesellschaft für seine Tätigkeit im Dienst der Gesellschaft bezieht (Tätigkeitsvergütung; § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1, zweiter Halbsatz EStG), gehören für Deutschland als Anwenderstaat zu den Unternehmensgewinnen (Art. 7 OECD-MA, § 50d Abs. 10 EStG), unabhängig davon, ob es sich um Vergütungen des im Inland ansässigen Gesellschafters einer ausländischen Personengesellschaft oder um Vergütungen des im Ausland ansässigen Gesellschafters einer inländischen Personengesellschaft handelt. Dies gilt nicht für Vergütungen, die insbesondere für eine Tätigkeit bei einer gewerblich geprägten Personengesellschaft gezahlt werden (§ 50d Abs. 10 Satz 7 Nr. 1 EStG, BStBl 2014 II S. 1258, Tz. 5.1).

33Einzelne DBA enthalten auch eine Regelung, die Tätigkeitsvergütungen bereits abkommensrechtlich den Unternehmensgewinnen zuweisen, wenn diese Vergütungen nach dem Steuerrecht des Vertragsstaats, in dem die Betriebsstätte der gewerblich tätigen Personengesellschaft liegt, den Einkünften des Gesellschafters aus dieser Betriebsstätte zugerechnet werden (z. B. Art. 7 Abs. 7 DBA-Österreich, Art. 7 Abs. 7 DBA-Schweiz, BStBl 2014 II S. 1258, Tz. 5.2).

34Eine Zuordnung von Tätigkeitsvergütungen zu den Unternehmensgewinnen (Art. 7 OECD-MA) scheidet aus, wenn eine Personenhandelsgesellschaft oder eine Partnerschaftsgesellschaft zur Körperschaftsbesteuerung optiert hat. Soweit ein Dienstverhältnis (§ 1 LStDV) vorliegt und die Leistungen der Gesellschaft an den Gesellschafter aufgrund dieses Dienstverhältnisses erbracht werden, führen die Vergütungen zu Einkünften i. S. des § 19 EStG (§ 1a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 KStG, BStBl 2021 I S. 2212, Rn. 81 ff.). Abkommensrechtlich liegen i. d. R. dann Einkünfte i. S. des Art. 15 OECD-MA vor.

1.2.3 Vermeidung der Doppelbesteuerung - Art. 23 OECD-MA

35Soweit das Besteuerungsrecht nach dem DBA dem anderen Vertragsstaat zusteht, vermeidet Deutschland als Ansässigkeitsstaat bei Einkünften aus unselbständiger Arbeit die Doppelbesteuerung i. d R. durch Freistellung der Einkünfte (Freistellungsmethode) unter Berücksichtigung des § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG (Progressionsvorbehalt). Die Steuerfreistellung setzt allerdings i. d. R. die ausländische Besteuerung voraus. Diesbezüglich wird auf die Ausführungen zu § 50d Abs. 8 bzw. 9 EStG und zu den Rückfallklauseln in den DBA verwiesen (s. Tz. 2.3, Rn. 59 ff., Tz 2.4, Rn. 83 ff. und Tz. 9, Rn. 418 ff.).

36Nach einzelnen DBA werden die Einkünfte nicht von der Besteuerung freigestellt. Stattdessen wird die Doppelbesteuerung durch Steueranrechnung nach Maßgabe des § 34c EStG vermieden (Anrechnungsmethode). Dies gilt u. a. für Fälle der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung (z. B. DBA mit Dänemark, Frankreich, Italien, Norwegen, Polen oder Schweden) oder für Vergütungen des Bordpersonals von Schiffen und Luftfahrzeugen (s. Tz. 8.2, Rn. 410, 411, 415). In einigen Fällen sehen DBA grundsätzlich die Anrechnungsmethode vor (z. B. Art. 23 Abs. 1 Buchstabe b Doppelbuchstabe ee DBA-Liechtenstein, Art. 23 Abs. 2 Buchstabe a DBA-Mauritius, Art. 23 Abs. 2 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc DBA-Norwegen, Art. 22 Abs. 1 DBA-Zypern). Bei Einkünften aus unselbständiger Arbeit bestehen keine Bedenken, aus Billigkeitsgründen für die voraussichtlich abzuführende ausländische Abzugsteuer einen Freibetrag für das Lohnsteuerabzugsverfahren zu bilden. Der Freibetrag darf jedoch die Einnahmen, die unter die Anrechnungsmethode fallen, nicht übersteigen. Zu den Einzelheiten dieser Billigkeitsregelung s. Tz. 4.3.4.2, Rn. 207.

37Ist Deutschland der Ansässigkeitsstaat und wird dem ausländischen Vertragsstaat in der Verteilungsnorm ein ausschließliches Besteuerungsrecht zugewiesen, wird die Doppelbesteuerung für diese Einkünfte regelmäßig durch Freistellung (mit Progressionsvorbehalt) vermieden, auch wenn das DBA im Methodenartikel grundsätzlich die Anrechnungsmethode vorsieht (z. B. Art. 22 Abs. 1 und 2 i. V. m. Art. 14 Abs. 4 DBA-Zypern). Dies schließt jedoch nicht die Anwendung von Rückfallklauseln aus (s. Tz. 2.3, Rn. 59 ff., Tz 2.4, Rn. 83 ff. und Tz. 9, Rn. 418 ff).

38Eine besondere Regelung enthält Punkt 11 des Schlussprotokolls zu Art. 23 DBA-Belgien i. d. F. des Zusatzabkommens von 2002. Im Hinblick auf die von belgischen Gemeinden und Agglomerationen erhobene Zusatzsteuer wird die in Deutschland auf Einkünfte nach Art. 15 oder 19 DBA-Belgien erhobene Einkommensteuer pauschal um 8 % der auf die betreffenden Einkünfte erhobene deutsche Einkommensteuer gemindert. Die nach dieser Minderung verbleibende deutsche Einkommensteuer ist Bemessungsgrundlage für die Kirchensteuer und den Solidaritätszuschlag. Die pauschale Minderung erfolgt nur, soweit Belgien als Ansässigkeitsstaat des Arbeitnehmers anzusehen ist, Deutschland als Quellenstaat für die der deutschen Steuer zugrundeliegenden Einkünfte nach Art. 15 oder 19 DBA-Belgien das Besteuerungsrecht hat und Belgien diese Einkünfte grundsätzlich nach Art. 23 Abs. 2 Nr. 1 DBA-Belgien freistellt. Unterfallen die Einkünfte aus unselbständiger Arbeit, für die Deutschland das Besteuerungsrecht zusteht, einem anderen Artikel, z. B. Art. 16 DBA-Belgien, greift die vorgenannte Minderung nicht.

39Die Anrechnung ausländischer Steuern entsprechend § 36 EStG stellt eine Ausnahme dar (z. B. Art. 15a Abs. 3 Buchstabe a DBA-Schweiz, Grenzgängerregelung).

1.2.4 Abgrenzung zu anderen Abkommen und Bestimmungen

40Vor Anwendung eines DBA sind weitere zwischenstaatliche Abkommen bzw. Vereinbarungen zu beachten, nach denen u. a. Arbeitnehmer von deutschen Steuern befreit sein können (z. B. bei Tätigkeiten für die EU, UNO oder NATO). Der jährlich erscheinende „Fundstellennachweis B“ des BGBl. enthält die von Deutschland und seinen Rechtsvorgängern abgeschlossenen und noch geltenden völkerrechtlichen Vereinbarungen, die insbesondere im BGBl. und Bundesanzeiger veröffentlicht wurden.

41Z. B. unterliegen nach Art. 12 des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der EU (Amtsblatt der EU C 202 vom , S. 266 - 272 - EU-Privilegienprotokoll [Protokoll (Nr. 7 ) über die Vorrechte und Befreiung der EU]) Gehälter, Löhne und andere Bezüge, welche die EU ihren eigenen Beamten und sonstigen Bediensteten zahlt und von denen die EU eine EU-interne Steuer erhebt (EU-Verordnung Nr. 260 /68 vom , Amtsblatt der EU L 56 vom , S. 8 – 10), nicht der nationalen Steuer in den EU-Mitgliedstaaten. Soweit Einkünfte danach in Deutschland freizustellen sind, unterliegen sie nicht dem Progressionsvorbehalt gemäß § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG, weil das EU-Privilegienprotokoll keinen entsprechenden Vorbehalt vorsieht. Vergütungen für eine Tätigkeit bei einem Organ bzw. einer Einrichtung der EU oder im Rahmen eines EU-Projektes, die an Personen gezahlt werden, die keine EU-Beamten oder sonstigen Bediensteten der EU sind (z. B. nationale Sachverständige), fallen i. d. R. nicht unter eine unionsrechtliche Befreiungsvorschrift. Hier ist regelmäßig die Anwendung eines DBA zu prüfen (s. BStBl 2006 I S. 340, zur steuerlichen Behandlung des EU-Tagesgeldes).

2 Besteuerung im Inland

2.1 Steuerpflicht nach dem Einkommensteuergesetz

42Steuerliche Sachverhalte mit Auslandsbezug, die nach dem innerstaatlichen Recht der Besteuerung im Inland unterliegen, können nur dann uneingeschränkt besteuert werden, wenn ein jeweils anzuwendendes DBA das deutsche Besteuerungsrecht nicht ganz oder teilweise ausschließt oder das dem Ausland zugewiesene Besteuerungsrecht nach innerstaatlichem Recht an Deutschland zurückfällt (s. Tz. 2.3, Rn. 59 ff., Tz. 2.4, Rn. 83 ff., Tz. 9, Rn. 418 ff.).

43Hat ein Arbeitnehmer einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, unterliegt er als unbeschränkt Steuerpflichtiger grundsätzlich mit seinem gesamten Welteinkommen der inländischen Besteuerung (§ 1 Abs. 1 i. V. m. § 2 Abs. 1 EStG).

44Fehlt es sowohl an einem Wohnsitz als auch an einem gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, ist ein Arbeitnehmer, der inländische Einkünfte i. S. des § 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG erzielt, grundsätzlich nach § 1 Abs. 4 EStG beschränkt einkommensteuerpflichtig. Die Erzielung inländischer Einkünfte nach § 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG ist allein vom dort definierten inländischen Anknüpfungspunkt und nicht von einem Mindestaufenthalt im Inland abhängig.

45Auf die unbeschränkte Steuerpflicht nach § 1 Abs. 2 und 3 EStG sowie § 1a EStG wird hingewiesen. Für EU- / EWR-Staatsangehörige mit Wohnsitz in der Schweiz wird auf das BStBl 2013 I S. 1325 verwiesen.

46Beispiel:

Der in Dänemark wohnhafte Arbeitnehmer A ist für den in Flensburg ansässigen Arbeitgeber B tätig. A übt seine Tätigkeit zu 60 % in Deutschland und zu 40 % in Dänemark aus. Die in Dänemark ausgeübte Tätigkeit wird nicht in Deutschland verwertet.

Lösung:

Soweit A seine Tätigkeit im Inland ausübt, erzielt er inländische Einkünfte i. S. des § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe a EStG. Nur für den auf diese Tätigkeit entfallenden Arbeitslohn besteht eine beschränkte Steuerpflicht nach § 1 Abs. 4 EStG.

47Der Arbeitnehmer kann ggf. bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen nach § 1 Abs. 3 EStG auf Antrag als unbeschränkt Steuerpflichtiger behandelt werden und zusätzliche Vergünstigungen gemäß § 1a EStG in Anspruch nehmen.

48Besteht während eines Kj. sowohl unbeschränkte als auch beschränkte Einkommensteuerpflicht, so sind die während der beschränkten Einkommensteuerpflicht erzielten inländischen Einkünfte in eine Veranlagung zur unbeschränkten Einkommensteuerpflicht einzubeziehen (§ 2 Abs. 7 Satz 3 EStG). Die materiell-rechtliche Behandlung der jeweiligen Einkunftsteile bleibt hiervon unberührt.

2.2 Progressionsvorbehalt

49Hat ein zeitweise oder während des gesamten VZ unbeschränkt Steuerpflichtiger oder ein beschränkt Steuerpflichtiger, auf den § 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 EStG Anwendung findet, ausländische Einkünfte, die im VZ nicht der deutschen Einkommensteuer unterlegen haben, oder Einkünfte, die nach einem DBA oder nach einem sonstigen zwischenstaatlichen Übereinkommen steuerfrei sind, oder in den Fällen von § 1 Abs. 3, § 1a oder § 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 EStG Einkünfte, die nicht der deutschen Einkommensteuer oder einem Steuerabzug unterliegen, so ist für diese Einkünfte entsprechend den nachfolgenden Grundsätzen der Progressionsvorbehalt anzuwenden:

50Bei einer im VZ nur zeitweise bestehenden unbeschränkten Steuerpflicht sind die ausländischen Einkünfte, die vom deutschen Steuerrecht nicht erfasst werden und damit im VZ nicht der deutschen Einkommensteuer unterlegen haben, in den Progressionsvorbehalt einzubeziehen (§ 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG).

51Einkünfte, die nach einem DBA in Deutschland steuerfrei sind, unterliegen dem Progressionsvorbehalt nach § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG. Die Vorschrift ist unabhängig davon anzuwenden, ob ein DBA Deutschland als Ansässigkeits- oder Quellenstaat ein Besteuerungsrecht mit Progressionsvorbehalt einräumt. Die Anwendung des Progressionsvorbehalts setzt lediglich voraus, dass ein DBA die Berücksichtigung des Progressionsvorbehalts nicht verbietet ( BStBl II 2011 S. 628). Eine Freistellung ist aber nur dann zu gewähren, wenn weder nach DBA (s. Tz. 9, Rn. 418 ff.) noch nach innerstaatlichem Recht (z. B. § 50d Abs. 8 bzw. 9 EStG) eine Rückfallklausel anzuwenden ist (s. Tz. 2.3, Rn. 59 ff. und Tz. 2.4, Rn. 83 ff.).

52Zu beachten ist, dass der nach § 32b Abs. 1 Satz 2 EStG angeordnete Ausschluss des Progressionsvorbehalts lediglich für Fälle des § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG gilt und Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nicht betrifft.

53Einkünfte, die nach einem sonstigen zwischenstaatlichen Übereinkommen steuerfrei sind (vgl. Tz. 1.2.4, Rn. 40 ff.), werden nach § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG in den Progressionsvorbehalt einbezogen, wenn in dem jeweiligen Übereinkommen die Anwendung des Progressionsvorbehalts ausdrücklich zugelassen worden ist.

54Bei Arbeitnehmern, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, ist in den Fällen der Veranlagung gemäß § 1 Abs. 3, § 1a und § 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 EStG zu beachten, dass die nicht der deutschen Einkommensteuer oder dem Steuerabzug unterliegenden Einkünfte grundsätzlich dem Progressionsvorbehalt zu unterwerfen sind (§ 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 EStG).

55Die Höhe der Einkünfte, die dem Progressionsvorbehalt unterliegen, ist nach deutschem Steuerrecht zu ermitteln ( BStBl II 2007 S. 756 und vom , BStBl II 2010 S. 536). Dies bedeutet, dass beispielsweise Werbungskostenpauschalen oder Steuerbefreiungsvorschriften nach ausländischem Recht nicht zu berücksichtigen sind. Die steuerfreien Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit i. S. des § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 5 EStG sind als Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu berechnen.

56Bei der Ermittlung der Einkünfte i. S. des § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 5 EStG

57Beispiel 1:

Der inländische steuerpflichtige Arbeitslohn im Kj. beträgt 20.230 €; die Werbungskosten betragen 500 €. Der nach DBA unter Progressionsvorbehalt steuerfreie Arbeitslohn beträgt 10.000 €; im Zusammenhang mit der Erzielung des steuerfreien Arbeitslohns sind Werbungskosten i. H. v. 400 € tatsächlich angefallen.

Lösung:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Inländischer steuerpflichtiger Arbeitslohn
20.230 €
./. Werbungskosten im Zusammenhang mit steuerpflichtigem Arbeitslohn,
./. 1.230 €
mindestens Arbeitnehmer-Pauschbetrag (§ 9a Satz 1 Nr. 1 Buchstabe a EStG)
Steuerpflichtige Einkünfte gemäß § 19 EStG
19.000 €
Ausländische dem Progressionsvorbehalt unterliegende Einnahmen
10.000 €
./. Gesamtwerbungskosten abzgl. bereits in Anspruch genommener Arbeitnehmer-Pauschbetrag oder abzgl. tatsächliche inländische Werbungskosten, sofern diese höher sind als der Arbeitnehmer-Pauschbetrag
0 €
Für den Progressionsvorbehalt maßgebende Einkünfte
10.000 €

58Beispiel 2:

Sachverhalt wie Beispiel 1 (Werbungskosten Inland 500 €), jedoch sind im Zusammenhang mit der Erzielung des steuerfreien Arbeitslohns tatsächlich Werbungskosten i. H. v. 800 € angefallen. Die Summe der tatsächlichen Werbungskosten beträgt somit 1.300 €. Sie überschreitet den Arbeitnehmer-Pauschbetrag um 70 €.

Lösung:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Inländischer steuerpflichtiger Arbeitslohn
20.230 €
./. Werbungskosten im Zusammenhang mit steuerpflichtigem Arbeitslohn, mindestens Arbeitnehmer-Pauschbetrag (§ 9a Satz 1 Nr. 1 Buchstabe a EStG)
./. 1.230 €
Steuerpflichtige Einkünfte gemäß § 19 EStG
19.000 €
Ausländische dem Progressionsvorbehalt unterliegende Einnahmen
10.000 €
./. Gesamtwerbungskosten
1.300 €
abzgl. bereits bei den stpfl. Einkünften in Anspruch genommener
./. 1.230 €
Arbeitnehmer-Pauschbetrag oder abzgl. tatsächlicher inländischer Werbungskosten, sofern diese höher sind als der Arbeitnehmer-Pauschbetrag
./. 70 €
Für den Progressionsvorbehalt maßgebenden Einkünfte (§ 32b Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 EStG)
9.930 €

2.3 Anwendung des § 50d Abs. 8 EStG

2.3.1 Anwendungsbereich

59Bei Einkünften oder Einkunftsteilen aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG), die nach einem DBA in einem ausländischen Staat besteuert werden können, wird die unter Progressionsvorbehalt (§ 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG) erfolgende Freistellung von der deutschen Steuer eines unbeschränkt Steuerpflichtigen bei der Einkommensteuerveranlagung nach der Regelung des § 50d Abs. 8 EStG nur unter bestimmten Voraussetzungen gewährt. Der Steuerpflichtige muss für die nach DBA vorgesehene Freistellung nachweisen, dass die in dem ausländischen Staat festgesetzten Steuern entrichtet wurden oder dass dieser Staat auf sein Besteuerungsrecht verzichtet hat. Die Regelung des § 50d Abs. 8 EStG ist nicht anzuwenden, soweit das anzuwendende DBA das Besteuerungsrecht an Deutschland zurückverweist, weil der ausländische Staat von dem ihm zugewiesenen Besteuerungsrecht insoweit keinen Gebrauch macht (z. B. Art. 13 Abs. 2 DBA-Frankreich, Art. 15 Abs. 4 DBA-Österreich, Art. 15 Abs. 3 und 4 DBA-Schweiz) oder die Besteuerung von der Überweisung der Einkünfte in den Tätigkeitsstaat abhängig macht (z. B. Art. 29 DBA-Irland, Art. 24 DBA-Vereinigtes Königreich). Die im jeweiligen DBA enthaltenen Rückfallklauseln (s. Tz. 9, Rn. 418 ff.) gehen grundsätzlich den nationalen Rückfallklauseln vor (§ 2 Abs. 1 AO, BStBl 2013 I S. 980, Tz. 1).

60Die Anwendung des § 50d Abs. 8 EStG erfordert nicht, dass Deutschland als Ansässigkeitsstaat anzusehen ist, sondern knüpft allein an die unbeschränkte Steuerpflicht im Inland an. § 50d Abs. 8 EStG ist auch anzuwenden, wenn sich die Freistellung nicht aus dem Methodenartikel, sondern bereits aus der Verteilungsnorm ergeben sollte. § 50d Abs. 8 EStG wird nicht durch ein zeitlich nachfolgendes DBA überschrieben ( BStBl II 2017 S. 1185).

2.3.2 Nachweispflicht

61Aufgrund seiner erhöhten Mitwirkungspflicht gemäß § 90 Abs. 2 AO bei Auslandssachverhalten hat der Steuerpflichtige nachzuweisen, dass seine Einkünfte im Ausland (ggf. in einem anderen VZ) der Besteuerung unterworfen wurden bzw. werden oder dass der Staat, dem nach dem DBA das Besteuerungsrecht zusteht, auf dieses Besteuerungsrecht verzichtet hat (s. Tz. 2.3.2.2, Rn. 68).

62Bei der Anforderung und Prüfung von Nachweisen sind die objektiven Umstände des Einzelfalles und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten.

63Die Nachweispflicht gemäß § 50d Abs. 8 EStG besteht erst im Veranlagungsverfahren. Sie gilt nicht für das Lohnsteuerabzugsverfahren (s. BStBl 2017 I S. 473). Das Betriebsstättenfinanzamt kann daher unverändert auf Antrag des Arbeitnehmers oder des Arbeitgebers (§ 38 EStG) ein Lohnsteuerabzugsmerkmal erteilen (§ 39 Abs. 4 Nr. 5 EStG). In der Bescheinigung über die Freistellung des Arbeitslohns vom Steuerabzug aufgrund eines DBA ist ein Hinweis auf die abschließende Prüfung im Rahmen der Veranlagung enthalten.

2.3.2.1 Besteuerung im ausländischen Staat
2.3.2.1.1 Ermittlung und Nachweis der Höhe der Einkünfte

64Die Einkünfte i. S. des § 50d Abs. 8 EStG sind nach den Vorschriften des deutschen Steuerrechts zu ermitteln. Aufgrund der unterschiedlichen Steuersysteme und Begriffsbestimmungen können sich bei den der ausländischen und deutschen Besteuerung zugrunde gelegten Einkünften Abweichungen ergeben. Diese können u. a. entstehen, weil der ausländische Staat ein vom Kj. abweichendes Steuerjahr (s. Tz. 4.2.5, Rn. 128 ff.) hat oder Sachverhalte zeitlich abweichend von den Regelungen des deutschen Rechts erfasst. Daneben können Abweichungen aus der Definition der Begriffe „Arbeitslohn“ und „Werbungskosten“, aus der Zuordnung von Bezügen zu steuerpflichtigen oder steuerfreien Einnahmen, der Bewertung von Sachbezügen und nachträglichen Bonuszahlungen oder der Behandlung von Altersteilzeitmodellen resultieren.

65Soweit der Steuerpflichtige die Ursachen eventueller Abweichungen glaubhaft macht (z. B. Kopie der ausländischen Steuererklärung/en und/oder Steuerbescheid/e, Berechnungsschema/ta), gilt der Nachweis über die Höhe der Einkünfte für den jeweiligen VZ als erbracht.

2.3.2.1.2 Nachweis über die Festsetzung und Entrichtung der Steuern

66Der Nachweis über die Entrichtung der festgesetzten Steuern ist grundsätzlich durch Vorlage des Steuerbescheids der ausländischen Behörde und des Zahlungsbelegs (Überweisungs- bzw. Einzahlungsbeleg der Bank oder Finanzbehörde) zu erbringen. Sofern der andere Staat ein Selbstveranlagungsverfahren vorsieht und daher keinen Steuerbescheid erlässt (z. B. USA), reicht die Vorlage des Zahlungsbelegs und einer Kopie der Steuererklärung aus.

67Wenn der Steuerpflichtige aus tatsächlichen Gründen nicht in der Lage ist, die zuvor genannten Nachweise zu erbringen, oder in Fällen, in denen ein Quellen- oder Lohnsteuerabzug mit Abgeltungswirkung im anderen Staat vorgenommen wird (z. B. Italien, Österreich, Spanien) und somit keine Veranlagung zur Einkommensteuer erfolgt oder diese Einkünfte wegen des Steuerabzugs nicht in die Veranlagung einbezogen werden, kann die tatsächliche Besteuerung im anderen Staat durch eine behördliche Bescheinigung oder eine Bescheinigung des zivilrechtlichen oder wirtschaftlichen Arbeitgebers (s. Tz. 4.3.3.3, Rn. 151 ff.) über den Steuerabzug (z. B. Quellen- oder Lohnsteuerbescheinigung, ausländische Gehaltsabrechnungen mit Ausweis der abgeführten Quellensteuern) nachgewiesen werden. Dabei ist die ausländische Finanzbehörde, an die die Quellen- oder Lohnsteuer abgeführt wurde, und die dortige Steuer- oder Ordnungsnummer zu benennen. Darüber hinaus müssen aus der Bescheinigung insbesondere die Höhe der im jeweiligen VZ zugeflossenen Einnahmen, die vom Arbeitgeber abgeführten Steuern, einschließlich der dafür maßgeblichen steuerpflichtigen Einkünfte (steuerliche Bemessungsgrundlage) und der Zeitraum der Tätigkeit im Ausland hervorgehen. Eine tatsächliche Besteuerung im anderen Staat ist auch dann anzunehmen, wenn eine pauschale Steuer abgeführt wurde, die der Arbeitgeber getragen hat.

2.3.2.2 Verzicht des ausländischen Staates auf sein Besteuerungsrecht

68Wenn der ausländische Staat auf das ihm zugewiesene Besteuerungsrecht verzichtet, hat der Steuerpflichtige Unterlagen vorzulegen, aus denen sich der Verzicht ergibt. Es kann sich hierbei um einen Verzicht gegenüber Einzelpersonen, bestimmten Personengruppen oder um einen generellen Verzicht handeln (z. B. Erlass, Steuerbefreiung, genereller Verzicht auf die Steuererhebung, völkerrechtlicher Vertrag).

69Der Eintritt der Festsetzungsverjährung im ausländischen Staat ist kein Verzicht i. S. des § 50d Abs. 8 Satz 1 EStG ( BFH/NV 2019, 394).

70In Staaten, in denen generell auf die Erhebung von Ertragsteuern verzichtet wird (z. B. VAE (DBA-VAE anzuwenden bis ) und Kuwait) ist von einem Nachweis über den Verzicht des ausländischen Staates auf das Besteuerungsrecht abzusehen, sofern die Ausübung der Tätigkeit in einem dieser Staaten nachgewiesen wurde (z. B. Arbeitgeberbescheinigung oder Reisekostenabrechnung).

2.3.3 Entwicklungszusammenarbeit
2.3.3.1 Besteuerungsrecht des Kassenstaates (Deutschland)

71Sofern Vergütungen im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit gezahlt werden, ist zunächst zu prüfen, ob das anzuwendende DBA durch die Kassenstaatsklausel (Art. 19 Abs. 1 OECD-MA) oder eine sog. Entwicklungshilfeklausel (z. B. Art. 19 Abs. 3 DBA-Bangladesch, Art. 18 Abs. 2 DBA-Bolivien, Art. 18 Abs. 2 DBA-Ecuador, Art. 19 Abs. 4 DBA-Indien, Art. 19 Abs. 3 DBA-Indonesien, Art. 19 Abs. 3 DBA-Pakistan) Deutschland als Kassenstaat das Besteuerungsrecht zuweist und damit eine Anwendung des § 50d Abs. 8 EStG insoweit ausscheidet.

72Bei DBA mit Entwicklungshelferklausel können Vergütungen, die im Rahmen eines Entwicklungshilfeprogramms eines Vertragsstaats aus Mitteln, die ausschließlich von diesem Staat bereitgestellt werden, an Fachkräfte oder freiwillige Helfer gezahlt werden, die in den anderen Vertragsstaat mit dessen Zustimmung entsandt worden sind, nur im erstgenannten Staat (Kassenstaat) besteuert werden ( BStBl II 2016 S. 14, vgl. auch BStBl 2019 I S. 1082).

73Auf die Notifizierungsverordnung DBA-Türkei vom (BStBl I 2019 S. 209), wonach unter das geltende Abkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Republik Türkei über die technische Zusammenarbeit vom in der Änderungsfassung vom fallende Einkünfte, die trotz Besteuerungsrecht nach Art. 15 DBA-Türkei von der Republik Türkei nicht besteuert werden können, in Deutschland durch einen Wechsel von der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode zu besteuern sind, wird hingewiesen.

2.3.3.2 Besteuerungsrecht des Tätigkeitsstaates / Freistellung im Tätigkeitsstaat

74Soweit Arbeitnehmer im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit aufgrund von zwischenstaatlichen oder diesen vergleichbaren Abkommen oder Vereinbarungen in dem jeweiligen ausländischen Staat von der Steuer befreit sind (Verzicht auf das Besteuerungsrecht), ist dies durch geeignete Unterlagen nachzuweisen.

75Als Nachweis ist dabei eine Bescheinigung des jeweiligen Arbeitgebers i. V. m. einem Auszug aus dem geltenden Abkommen (Rahmenabkommen zur technischen oder finanziellen Zusammenarbeit, Abkommen zu Entwicklungszusammenarbeit) bzw. der Vereinbarung anzuerkennen (vgl. Anlage 1). Der Besteuerungsverzicht des ausländischen Staates in diesen zwischenstaatlichen oder diesen vergleichbaren Abkommen oder Vereinbarungen wird i. d. R. auf die Mittel beschränkt, die aus inländischen öffentlichen Kassen gezahlt werden. Soweit auch Zahlungen von dritter Seite in den Vergütungen enthalten sind und diese unversteuert bleiben, ist hierfür die Vorlage eines gesonderten Nachweises des Besteuerungsverzichts bzw. der Besteuerung erforderlich (s. Tz. 2.3.2.1, Rn. 64 ff.).

76Arbeitgeber sind Organisationen und Firmen, die direkt oder indirekt durch die Bundesregierung, Landesregierungen oder andere deutsche staatliche Stellen mit der Durchführung personeller Leistungen im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit beauftragt worden sind. Weitere Auftraggeber sind z. B. die Europäische Union, internationale Finanzierungsinstitute und Regierungen anderer Staaten.

2.3.4 Festsetzungsverfahren
2.3.4.1 Festsetzung im Falle eines fehlenden Nachweises

77Soweit die nach Tz. 2.3.2, Rn. 61 ff. und Tz. 2.3.3.2, Rn. 74, 75 erforderlichen Nachweise nicht oder nicht vollständig vorgelegt werden, ist die Steuer unter Einbeziehung der betroffenen Einkünfte festzusetzen. Der Einkommensteuerbescheid ist gemäß § 50d Abs. 8 Satz 2 EStG zugunsten des Steuerpflichtigen zu ändern, sobald die tatsächliche Besteuerung oder der Verzicht auf die Besteuerung im Ausland nachgewiesen wird. Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Jahres, in dem der Nachweis erbracht wird (§ 50d Abs. 8 Satz 3 EStG). Die Verzinsung richtet sich nach § 233a Abs. 1 und 2 AO.

2.3.4.2 Bagatellgrenze

78Aus Vereinfachungsgründen ist die Freistellung von der deutschen Einkommensteuer unter Progressionsvorbehalt auch ohne das Erbringen von Nachweisen zu gewähren, wenn der maßgebende, nach deutschem Recht ermittelte Arbeitslohn, der nach einem oder mehreren DBA freizustellen wäre, in dem jeweiligen VZ insgesamt nicht mehr als 10.000 € beträgt. Diese Bagatellgrenze gilt nicht pro Staat, sondern insgesamt nur einmal je VZ.

79Bei Ortskräften diplomatischer Vertretungen mit Staatsangehörigkeit der jeweiligen Staatenvertretung kann auf den Besteuerungsnachweis nach § 50d Abs. 8 EStG verzichtet werden. Die Ausführungen in der Tz. 2.4, Rn. 83 ff. zu § 50d Abs. 9 EStG bleiben unberührt.

2.3.5 Informationsaustausch

80Auf das Merkblatt zur zwischenstaatlichen Amtshilfe durch Informationsaustausch in Steuersachen vom BStBl 2019 I S. 480 (Amtshilfe-Merkblatt) wird hingewiesen.

81Hat der Steuerpflichtige die Nachweise i. S. des § 50d Abs. 8 EStG erbracht, sind diesbezüglich weder Auskunftsersuchen zu stellen noch Spontanauskünfte zu erteilen.

82Bestehen Zweifel hinsichtlich der Zahlung der im Ausland festgesetzten Steuer bzw. des Verzichts des ausländischen Staates auf sein Besteuerungsrecht, ist die Steuer unter Einbeziehung der betroffenen Einkünfte festzusetzen (s. Tz. 2.3.4.1, Rn. 77) und - vorbehaltlich einer innerstaatlichen Rechtsgrundlage - eine Spontanauskunft an den ausländischen Staat zu übermitteln. Entsprechendes gilt, soweit unklar ist, ob sämtliche steuerfrei zu stellenden Gehaltsbestandteile (z. B. Gratifikationen, Tantiemen, Urlaubsgeld) im ausländischen Staat zur Besteuerung herangezogen wurden. In diesen Fällen kann nach Tz. 3.1.2 des Amtshilfe-Merkblattes auf eine Anhörung des Steuerpflichtigen verzichtet werden, sofern die Informationen auf Angaben beruhen, die der Steuerpflichtige in einem Antrag oder einer Erklärung gemacht hat. Gleichwohl kann der Steuerpflichtige gegen die Übermittlung aufgrund seiner Angaben aus der Einkommensteuererklärung an den anderen Staat Einwendungen erheben (Tz. 3.2.1 des Amtshilfe-Merkblattes).

2.4 Anwendung des § 50d Abs. 9 EStG

2.4.1 Anwendungsbereich

83Bei Einkünften oder Einkunftsteilen, die nach einem DBA in einem ausländischen Staat besteuert werden können, wird bei einem unbeschränkt Steuerpflichtigen die Steuerfreistellung nach DBA unter den Voraussetzungen des § 50d Abs. 9 EStG nicht gewährt.

84Die Anwendung des § 50d Abs. 9 EStG erfordert nicht, dass Deutschland als Ansässigkeitsstaat anzusehen ist, sondern knüpft allein an die unbeschränkte Steuerpflicht im Inland an. § 50d Abs. 9 EStG ist auch anzuwenden, wenn sich die Freistellung nicht aus dem Methodenartikel, sondern aus der (abschließenden) Verteilungsnorm ergibt.

85Fällt das Besteuerungsrecht nicht bereits nach einer Bestimmung des DBA an Deutschland zurück (vgl. Tz. 9, Rn. 418 ff.), sind nach § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG Einkünfte nicht freizustellen, soweit die Nichtbesteuerung oder niedrige Besteuerung im anderen Staat die Folge eines Qualifikationskonfliktes ist. Qualifikationskonflikte haben ihre Ursache in einer nicht übereinstimmenden Anwendung der Bestimmungen eines DBA durch die Vertragsstaaten, weil diese

  • von unterschiedlichen Sachverhalten ausgehen,

  • Abkommensbestimmungen unterschiedlich auslegen oder

  • Abkommensbegriffe, die im DBA nicht definiert sind, nach ihrem nationalen Recht unterschiedlich auslegen (s. Art. 3 Abs. 2 OECD-MA).

86Soweit das Besteuerungsrecht nicht durch eine im DBA einschlägige Regelung an Deutschland zurückfällt (vgl. Tz. 9, Rn. 418 ff.), sind Einkünfte nach § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG nicht von der Besteuerung auszunehmen, soweit im anderen Staat eine Nichtbesteuerung darauf zurückzuführen ist, dass sich dieser an der Ausübung seines DBA-Besteuerungsrechts durch sein innerstaatliches Recht, das diese Einkünfte ganz oder teilweise im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht nicht erfasst, gehindert sieht. Eine Nichtbesteuerung i. S. dieser Vorschrift liegt auch vor, wenn Einkünfte oder Einkunftsteile nur deshalb im anderen Vertragsstaat besteuert werden, weil der Steuerpflichtige es versäumt hat, einen Antrag auf Erstattung der erstattungsfähigen Steuer zu stellen. § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG verhindert auch dann eine vom DBA angeordnete Steuerfreistellung, wenn der andere Vertragsstaat das ihm abkommensrechtlich zugewiesene Besteuerungsrecht an den Einkünften im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht nur für einen Teil der Einkünfte wahrnimmt.

2.4.2 Verhältnis zu anderen Rückfallklauseln

87§ 50d Abs. 9 EStG kann auch dann zur Besteuerung von Einkünften aus unselbständiger Arbeit führen, wenn die Einkünfte nach § 50d Abs. 8 EStG oder einer DBA-Rückfallklausel steuerfrei belassen werden können. Die Regelungen des § 50d Abs. 8 und 9 EStG sind insoweit nebeneinander anzuwenden (§ 50d Abs. 9 Satz 3 EStG).

88In den Fällen der Besteuerung von Einkunftsteilen, auf die eine DBA-Rückfallklausel anzuwenden ist, kommt es zu einem Rückfall des Besteuerungsrechts für den unversteuerten Teil der Einkünfte, selbst wenn die vorrangig anzuwendende DBA-Rückfallklausel konditional („wenn“) formuliert ist (§ 50d Abs. 9 Satz 4 EStG, s. Tz. 9, Rn. 418 ff.).

2.4.3 Nachweispflicht

89Die Ausführungen zu den Nachweispflichten im Zusammenhang mit § 50d Abs. 8 EStG (s. Tz. 2.3.2.1.2, Rn. 66, 67) gelten für Einkünfte aus unselbständiger Arbeit entsprechend. Der Steuerpflichtige muss für die Freistellung regelmäßig nachweisen, dass seine ausländischen Einkünfte und Einkunftsteile im ausländischen Staat besteuert wurden und er die ausländischen Steuern entrichtet hat. Weist der Steuerpflichtige nach, dass der ausländische Staat die Einkünfte, die er im ausländischen Staat erzielt hat, wegen der dortigen beschränkten Steuerpflicht nicht erfassen kann, die entsprechenden Einkünfte aber bei unbeschränkt Steuerpflichtigen ebenfalls nicht besteuert werden, ist § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG nicht anzuwenden. In diesen Fällen bleibt es bei der Freistellung der ausländischen Einkünfte und Einkunftsteile von der deutschen Einkommensteuer.

90Aus Vereinfachungsgründen kann im Rahmen des Lohnsteuerabzugsverfahrens auf die Prüfung der Anwendung des § 50d Abs. 9 EStG verzichtet werden (s. Tz. III. des BStBl 2017 I S. 473).

91Sind Einkünfte nach § 50d Abs. 9 EStG nicht von der Besteuerung auszunehmen, sind § 34c Abs. 1 bis 3 sowie Abs. 6 Satz 6 EStG entsprechend anzuwenden (§ 34c Abs. 6 Satz 5 EStG).

92Beispiel:

K ist in Deutschland ansässig und sowohl bei seinem Arbeitgeber in Deutschland als auch bei einer Schwestergesellschaft in einem anderen DBA-Staat tätig. Im Jahr 01 hält sich K an 150 Tagen im anderen DBA-Staat auf. Der Arbeitslohn wird vom deutschen Arbeitgeber bezahlt und - soweit er auf die Tätigkeit im anderen DBA-Staat entfällt - der Schwestergesellschaft im anderen DBA-Staat weiterberechnet. Der Steuerberater beantragt die Freistellung des Arbeitslohns, der auf die Tätigkeit im anderen DBA-Staat entfällt, unter Hinweis auf Art. 15 Abs. 2 Buchstabe b des DBA (wirtschaftlicher Arbeitgeber, s. Tz. 4.3.3.3, Rn. 151 ff.). Die Einkommensteuer im anderen DBA-Staat wird mit 0 € festgesetzt. Der Steuerberater weist nach, dass es im anderen DBA-Staat das Rechtsinstitut des wirtschaftlichen Arbeitgebers i. S. des DBA nicht gibt.

Lösung:

Die Höhe der im anderen DBA-Staat festgesetzten Steuer beträgt 0 €. Der Steuerpflichtige hat somit nachgewiesen, dass die festgesetzte Steuer „entrichtet“ wurde (§ 50d Abs. 8 Satz 1 zweite Alternative EStG). Nach § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG kann die Steuerfreistellung in Deutschland nicht gewährt werden, soweit der andere Staat die Bestimmungen des DBA so anwendet, dass die Einkünfte in diesem Staat von der Besteuerung auszunehmen sind.

Da die Nichtbesteuerung im anderen DBA-Staat ihre Ursache in einer nicht übereinstimmenden Anwendung von DBA-Bestimmungen hat (Qualifikationskonflikt), entfällt nach § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG die Freistellung des Arbeitslohns.

2.5 Abzugsbeschränkungen

93Gemäß § 3c Abs. 1 EStG dürfen Ausgaben, die mit steuerfreien Einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, nicht als Werbungskosten abgezogen werden (z. B. Kosten für die Unterkunft im Ausland, Kosten für Sprachkurse, Fahrtkosten und Mehraufwendungen für Verpflegung). Sind Einkünfte aufgrund eines DBA freizustellen, sind regelmäßig nicht nur die Einnahmen, sondern auch die damit zusammenhängenden Werbungskosten von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer auszunehmen ( BStBl II 2010 S. 536). Darunter fallen sowohl laufende Werbungskosten, die durch steuerfreie Auslandseinkünfte veranlasst sind, als auch vorweggenommene Werbungskosten, die sich auf steuerfreie Auslandseinkünfte beziehen ( BStBl II 2007 S. 756). Gleiches gilt für nachträgliche Werbungskosten.

94Lassen sich die Werbungskosten nicht eindeutig zuordnen, sind diese nach den zu § 3c Abs. 1 EStG entwickelten Kriterien aufzuteilen. Hierbei sind die Werbungskosten den steuerfreien Einnahmen in dem Verhältnis zuzuordnen, in dem die steuerfreien Einnahmen zu den gesamten Einnahmen stehen, die der Steuerpflichtige im betreffenden Zeitraum bezogen hat ( BStBl 2002 II S. 823). Eine Aufteilung der Werbungskosten nach den tatsächlichen Arbeitstagen scheidet damit grundsätzlich aus.

95Vorsorgeaufwendungen i. S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 , 3 und 3a EStG, die mit steuerfreien Einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, sind nach § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 erster Halbsatz EStG grundsätzlich nicht als Sonderausgaben abziehbar. Sie mindern auch nicht die Höhe der im Rahmen des Progressionsvorbehalts zu berücksichtigenden Einkünfte ( BStBl 2012 II S. 721).

§ 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 zweiter Halbsatz EStG regelt abweichend von diesem Grundsatz, in welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen entsprechende Vorsorgeaufwendungen als Sonderausgaben zu berücksichtigen sind. Demnach sind Vorsorgeaufwendungen i. S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 , 3 und 3a EStG jeweils als Sonderausgaben abzugsfähig, soweit sie in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit Einnahmen aus nichtselbständiger Tätigkeit stehen, die in einem Mitgliedstaat der EU, einem Vertragsstaat des EWR-Abkommens oder in der Schweiz erzielt wurden, soweit diese Einnahmen nach einem DBA im Inland steuerfrei sind und soweit der Tätigkeitsstaat keinerlei steuerliche Berücksichtigung dieser Vorsorgeaufwendungen bei der Besteuerung dieser Einnahmen zulässt. Diese Voraussetzungen müssen kumulativ erfüllt sein.

96Die Aufteilung der abziehbaren und nichtabziehbaren Vorsorgeaufwendungen hat im Verhältnis des steuerpflichtigen Arbeitslohns zum gesamten Arbeitslohn, unabhängig von der Beitragsbemessungsgrenze, zu erfolgen. Vergütungsbestandteile, die unabhängig von der Beitragsbemessungsgrenze nicht der Sozialversicherungspflicht unterliegen (z. B. Entlassungsabfindungen), sind nicht in die Verhältnisrechnung einzubeziehen. Die Verhältnisrechnung ist auch durchzuführen, wenn der steuerpflichtige Arbeitslohn im VZ die für die Beitragsberechnung maßgebende Beitragsbemessungsgrenze übersteigt.

97Ein Arbeitnehmer kann während seiner Auslandstätigkeit ausschließlich dem Sozialversicherungsrecht des Ansässigkeits-, des Tätigkeitsstaates oder dem Sozialversicherungsrecht beider Staaten unterworfen sein. Bei Letzterem unterliegt der Arbeitslohn sowohl dem Sozialversicherungsrecht des Ansässigkeitsstaates als auch dem Sozialversicherungsrecht des Tätigkeitsstaates. Dabei kann das jeweilige Sozialversicherungsrecht insbesondere eine verpflichtende Renten-, Arbeitslosen- oder Krankenversicherung, aber auch Wahlrechte und freiwillige Versicherungen umfassen. Vom Arbeitgeber geleistete Beiträge bzw. Zuschüsse zu einer Renten-, Arbeitslosen- oder Krankenversicherung stellen regelmäßig Arbeitslohn dar.

98Beispiel:

Der im Inland wohnhafte Arbeitnehmer ist im Jahr 01 für seinen Arbeitgeber sowohl im Ansässigkeitsstaat als auch im ausländischen Tätigkeitsstaat tätig. Der auf den Ansässigkeitsstaat entfallende Arbeitslohnanteil beträgt brutto 25.000 €. Enthalten sind sowohl direkt als auch nicht direkt zuordenbare Lohnbestandteile. Die Steuer im Ansässigkeitsstaat beträgt 5.000 €. Sie wird vom Arbeitgeber nicht übernommen. Der auf den ausländischen Tätigkeitsstaat entfallende Arbeitslohnanteil beträgt brutto 50.000 €. Enthalten sind auch hier sowohl direkt als auch nicht direkt zuordenbare Lohnbestandteile. Die hierauf entfallende Steuer beläuft sich im Tätigkeitsstaat auf 10.000 €. Sie wird vom Arbeitgeber ebenfalls nicht übernommen. Der Sozialversicherungsbeitrag beträgt - bezogen auf das gesamte Kj. 15.000 €.

Die Lohnabrechnung sieht wie folgt aus:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Bruttoarbeitslohn Ansässigkeitsstaat
25.000 €
Bruttoarbeitslohn Tätigkeitsstaat
50.000 €
Abzgl. Steuer Ansässigkeitsstaat
5.000 €
Abzgl. Steuer Tätigkeitsstaat
10.000 €
Abzgl. Sozialversicherungsbeitrag
15.000 €
(einheitlich für das gesamte Kj.)
Nettoauszahlungsbetrag
45.000 €

Lösung:

Der Bruttoarbeitslohn wird abkommensrechtlich zu 1/3 dem Ansässigkeitsstaat und zu 2/3 dem ausländischen Tätigkeitsstaat zugerechnet. In diesem Verhältnis - 1/3 zu 2/3 - wird auch der Sozialversicherungsbeitrag verteilt (bezüglich der Abzugsbeschränkungen von Sonderausgaben im Zusammenhang mit steuerfreien Einkünften, s. Tz. 2.5, Rn. 95).

3 Besteuerung im Tätigkeitsstaat - Art. 15 Abs. 1 OECD-MA

99Nach Art. 15 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA können die Vergütungen aus unselbständiger Arbeit ausschließlich im Ansässigkeitsstaat des Arbeitnehmers besteuert werden, es sei denn, die Tätigkeit wird im anderen Staat ausgeübt (Tätigkeitsstaat). Wird die unselbständige Arbeit im anderen Staat ausgeübt, steht grundsätzlich diesem Staat auch ein Besteuerungsrecht für die Vergütungen zu, die für die im Ausland ausgeübte Tätigkeit bezogen werden (Art. 15 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA).

100Der Ort der Arbeitsausübung ist grundsätzlich der Ort, an dem sich der Arbeitnehmer zur Ausführung seiner Tätigkeit tatsächlich persönlich aufhält ( BStBl II 2015 S. 448). Unerheblich ist, woher oder wohin die Zahlung des Arbeitslohns geleistet wird oder wo der Arbeitgeber ansässig ist.

4 Besteuerung im Ansässigkeitsstaat - Art. 15 Abs. 2 OECD-MA (sog. 183-Tage-Klausel)

4.1 Voraussetzungen

101Abweichend von Art. 15 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA steht nach Art. 15 Abs. 2 OECD-MA dem Ansässigkeitsstaat des Arbeitnehmers das ausschließliche Besteuerungsrecht für eine nicht in diesem Staat ausgeübte unselbständige Arbeit zu, wenn

  • der Arbeitnehmer sich insgesamt nicht länger als 183 Tage innerhalb eines im jeweiligen DBA näher beschriebenen Zeitraums im Tätigkeitsstaat aufgehalten oder die Tätigkeit dort ausgeübt hat (s. Tz. 4.2, Rn. 105 ff.) und

  • der Arbeitgeber, der die Vergütungen wirtschaftlich trägt oder hätte tragen müssen, nicht im Tätigkeitsstaat ansässig ist (s. Tz. 4.3, Rn. 141 ff.) und

  • der Arbeitslohn nicht von einer Betriebsstätte, die der Arbeitgeber im Tätigkeitsstaat hat, wirtschaftlich getragen wurde oder zu tragen gewesen wäre (s. Tz. 4.4, Rn. 213 ff.).

102Nur wenn alle drei Voraussetzungen zusammen vorliegen, steht dem Ansässigkeitsstaat des Arbeitnehmers das Besteuerungsrecht für Vergütungen, die für eine im Ausland ausgeübte Tätigkeit gezahlt werden, zu. Liegen dagegen nicht sämtliche Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 2 OECD-MA zusammen vor, steht nach Art. 15 Abs. 1 OECD-MA auch dem Tätigkeitsstaat ein Besteuerungsrecht für die Einkünfte aus der vom Arbeitnehmer dort ausgeübten unselbständigen Arbeit zu. Für Tätigkeiten, die im Ansässigkeitsstaat ausgeübt werden, verbleibt das Besteuerungsrecht nach dem Grundsatz des Art. 15 Abs. 1 OECD-MA ausschließlich beim Ansässigkeitsstaat.

103Nach dem DBA-Norwegen ist eine weitere Voraussetzung, dass der Arbeitgeber im selben Staat wie der Arbeitnehmer ansässig ist (Art. 15 Abs. 2 Buchstabe b DBA-Norwegen).

104Steht dem ausländischen Tätigkeitsstaat auch ein Besteuerungsrecht zu, sind die Vergütungen i. d. R. im Inland freizustellen und nur im Rahmen des Progressionsvorbehalts zu berücksichtigen (Ausnahme s. Tz. 1.2.3, Rn. 36). Dies gilt nicht, soweit eine DBA-Rückfallklausel, § 50d Abs. 8 oder 9 EStG anzuwenden ist (s. Tz. 2.3, Rn. 59 ff., Tz. 2.4, Rn. 83 ff. und Tz. 9, Rn. 418 ff.).

4.2 183-Tage-Frist - Art. 15 Abs. 2 Buchstabe a OECD-MA

4.2.1 Ermittlung der Aufenthalts-/Ausübungstage

105Die in den DBA genannte 183-Tage-Frist bezieht sich häufig auf den Aufenthalt im Tätigkeitsstaat (s. Tz. 4.2.2). Nach einigen DBA ist jedoch die Dauer der Ausübung der unselbständigen Arbeit im Tätigkeitsstaat maßgebend (s. Tz. 4.2.3).

106Abhängig vom anzuwendenden DBA kann sich die 183-Tage-Frist entweder auf das Steuerjahr, auf das Kj. oder auch auf einen Zeitraum von zwölf Monaten beziehen.

4.2.2 183-Tage-Frist - Dauer des Aufenthalts im Tätigkeitsstaat

107Wird in einem DBA bei der 183-Tage-Frist auf den Aufenthalt im Tätigkeitsstaat abgestellt (z. B. Art. 13 Abs. 4 Nr. 1 DBA-Frankreich; Art. 15 Abs. 2 Buchstabe a DBA-Italien; Art. 15 Abs. 2 Buchstabe a DBA-Österreich), so ist hierbei nicht die Dauer der beruflichen Tätigkeit maßgebend, sondern allein die körperliche Anwesenheit im Tätigkeitsstaat. Es kommt darauf an, ob der Arbeitnehmer an mehr als 183 Tagen im Tätigkeitsstaat anwesend war. Dabei ist auch eine nur kurzfristige Anwesenheit an einem Tag als voller Aufenthaltstag im Tätigkeitsstaat zu berücksichtigen. Es muss sich nicht um einen zusammenhängenden Aufenthalt im Tätigkeitsstaat handeln; mehrere Aufenthalte im selben Tätigkeitsstaat sind zusammenzurechnen.

108Als volle Tage des Aufenthalts im Tätigkeitsstaat werden u. a. mitgezählt:

  • der Ankunfts- und Abreisetag,

  • alle Tage der Anwesenheit im Tätigkeitsstaat unmittelbar vor, während und unmittelbar nach der Tätigkeit, z. B. Samstage, Sonntage, gesetzliche Feiertage,

  • Tage der Anwesenheit im Tätigkeitsstaat während Arbeitsunterbrechungen, z. B. bei Streik, Aussperrung, Ausbleiben von Lieferungen oder Krankheit, es sei denn, die Krankheit steht der Abreise des Arbeitnehmers entgegen und er hätte ohne sie die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung im Tätigkeitsstaat erfüllt,

  • Urlaubstage, die unmittelbar vor, während und nach oder in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit der Tätigkeit im Tätigkeitsstaat verbracht werden (s. Beispiel 3, Rn. 115).

109Tage, die ausschließlich außerhalb des Tätigkeitsstaates verbracht werden, unabhängig davon, ob aus beruflichen oder privaten Gründen, werden nicht mitgezählt. Auch Tage des Transits in einem Durchreisestaat zählen nicht als Aufenthaltstage für diesen Staat (s. Beispiel 4, Rn. 116). Eine Ausnahme hiervon gilt für Berufskraftfahrer (s. Tz. 7.2, Rn. 383).

110Kehrt der Arbeitnehmer täglich zu seinem Wohnsitz im Ansässigkeitsstaat zurück, so ist er täglich im Tätigkeitsstaat anwesend ( BStBl II 1997 S. 15).

111Zur Ermittlung der Aufenthaltstage nach dem DBA-Frankreich wird auf die Verständigungsvereinbarung mit Frankreich vom ( BStBl 2006 I S. 304 und § 6 KonsVerFRAV vom , BStBl I 2011 S. 104) verwiesen, wonach unter bestimmten Voraussetzungen bei mehrtägigen Dienstreisen grundsätzlich auch Sonn- und Feiertage, Urlaubs- und Krankheitstage sowie kurze Unterbrechungen im Zusammenhang mit Reisen in den Heimatstaat oder in Drittstaaten als Tage des Aufenthalts im Tätigkeitsstaat mitgezählt werden.

112Bei Arbeitnehmern, die - ohne Grenzgänger i. S. des Art. 13 Abs. 5 DBA-Frankreich zu sein - arbeitstäglich in den Tätigkeitsstaat fahren und nach Erbringung der Arbeitsleistung wieder in den Wohnsitzstaat zurückkehren (sog. Grenzpendler), ist jedoch auf die tatsächlich im anderen Staat verbrachten Tage abzustellen ( BStBl II 2012 S. 548). Beim Grenzpendler zählt jeder einzelne Tätigkeitstag als ein abgeschlossener Aufenthaltstag. Ein sich über mehrere Arbeitstage oder Wochen erstreckender Aufenthalt im anderen Staat liegt nicht vor.

113Beispiel 1: Zu Wochenendheimfahrten

A ist für seinen deutschen Arbeitgeber mehrere Monate lang jeweils von Montag bis Freitag in den Niederlanden tätig. Seine Wochenenden verbringt er bei seiner Familie in Deutschland. Dazu fährt er an jedem Freitag nach Arbeitsende nach Deutschland. Er verlässt Deutschland jeweils am Montagmorgen, um in den Niederlanden seiner Berufstätigkeit nachzugehen.

Lösung:

Die Tage von Montag bis Freitag sind jeweils als volle Aufenthaltstage in den Niederlanden zu berücksichtigen, weil sich A dort zumindest zeitweise aufgehalten hat. Dagegen können die Samstage und Sonntage mangels Aufenthaltes in den Niederlanden nicht als Aufenthaltstage i. S. der 183-Tage-Klausel berücksichtigt werden.

114Beispiel 2: Zu Wochenendheimfahrten

Wie Beispiel 1, jedoch fährt A an jedem Samstagmorgen von den Niederlanden nach Deutschland und an jedem Sonntagabend zurück in die Niederlande.

Lösung:

Bei diesem Sachverhalt sind auch die Samstage und Sonntage als volle Aufenthaltstage in den Niederlanden i. S. der 183-Tage-Klausel zu berücksichtigen, weil sich A an diesen Tagen zumindest zeitweise dort aufgehalten hat.

115Beispiel 3: Berechnung der Urlaubstage

B ist für seinen deutschen Arbeitgeber vom 1. Januar bis 15. Juni in Schweden tätig. Im Anschluss hieran hält er sich zu Urlaubszwecken bis einschließlich 24. Juni in Deutschland auf. Vom 25. Juni bis 24. Juli verbringt er seinen weiteren Urlaub in Schweden.

Lösung:

Die Urlaubstage, die B im Anschluss an seine Tätigkeit in Schweden verbringt, stehen in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit dieser Tätigkeit und werden daher für die Aufenthaltsdauer in Schweden berücksichtigt.

116Beispiel 4: Transittage

C (kein Berufskraftfahrer) fährt für seinen deutschen Arbeitgeber an einem Montag mit dem Pkw von Hamburg nach Mailand, um dort eine Montagetätigkeit auszuüben. Er unterbricht seine Fahrt in Österreich, wo er übernachtet. Am folgenden Tag fährt C weiter nach Mailand. Am Freitag fährt C von Mailand über Österreich nach Hamburg zurück.

Lösung:

C durchquert Österreich lediglich für Zwecke des Transits. Zur Berechnung der Aufenthaltstage in Österreich werden daher die Tage, die C auf seiner Fahrt von und nach Mailand in Österreich verbringt, nicht gezählt; damit sind für Italien vier Tage zu zählen, für Österreich ist kein Tag zu berücksichtigen.

4.2.3 183-Tage-Frist - Dauer der Ausübung der unselbständigen Arbeit im Tätigkeitsstaat

117Wird in einem DBA bei der 183-Tage-Frist auf die Dauer der Ausübung der unselbständigen Arbeit im Tätigkeitsstaat abgestellt (z. B. Art. 15 Abs. 2 Buchstabe a DBA-Dänemark), so ist hierbei jeder Tag zu berücksichtigen, an dem sich der Arbeitnehmer, und sei es auch nur für kurze Zeit, in dem anderen Vertragsstaat zur Arbeitsausübung tatsächlich aufgehalten hat.

118Tage der Anwesenheit im Tätigkeitsstaat, an denen eine Ausübung der beruflichen Tätigkeit ausnahmsweise nicht möglich ist, werden mitgezählt, z. B. bei Streik, Aussperrung, Ausbleiben von Lieferungen oder Krankheit, es sei denn, die Krankheit steht der Abreise des Arbeitnehmers entgegen und er hätte ohne sie die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung im Tätigkeitsstaat erfüllt. Abweichend von Tz. 4.2.2 sind alle arbeitsfreien Tage der Anwesenheit im Tätigkeitsstaat vor, während und nach der Tätigkeit, z. B. Samstage, Sonntage, öffentliche Feiertage, Urlaubstage, nicht zu berücksichtigen (s. Beispiel 1, Rn. 119).

119Beispiel 1: Wochenendheimfahrten

A ist für seinen deutschen Arbeitgeber mehrere Monate lang jeweils von Montag bis Freitag in Dänemark tätig. Seine Wochenenden verbringt er bei seiner Familie in Deutschland. Dazu fährt er an jedem Samstagmorgen von Dänemark nach Deutschland und an jedem Sonntagabend zurück nach Dänemark.

Lösung:

Die Tage von Montag bis Freitag sind jeweils als volle Tage in Dänemark zu berücksichtigen, weil A an diesen Tagen dort seine berufliche Tätigkeit ausgeübt hat. Dagegen können die Samstage und Sonntage mangels Ausübung der Tätigkeit in Dänemark nicht als Tage i. S. der 183-Tage-Klausel berücksichtigt werden.

120Im Verhältnis zu Belgien gilt die Besonderheit, dass für die Berechnung der 183-Tage-Frist Tage der Arbeitsausübung und übliche Arbeitsunterbrechungen auch dann mitgezählt werden, wenn sie nicht im Tätigkeitsstaat verbracht werden, z. B. Tage wie Samstage, Sonntage, Krankheits- und Urlaubstage, soweit sie auf den Zeitraum der Auslandstätigkeit entfallen (Art. 15 Abs. 2 Nr. 1 DBA-Belgien, s. Beispiel 2 Rn. 122).

121Dies gilt aber nicht für den Anreise- und Abreisetag, wenn an diesen Tagen nicht gearbeitet wird. Insofern handelt es sich nicht um Arbeitsunterbrechungen.

122Beispiel 2: Besonderheiten Belgien

B ist für seinen deutschen Arbeitgeber zwei Wochen in Belgien tätig. Hierzu reist B am Sonntag nach Brüssel und nimmt dort am Montag seine Tätigkeit auf. Am folgenden arbeitsfreien Wochenende fährt B am Samstag nach Deutschland und kehrt am Montagmorgen zurück nach Brüssel. Nach Beendigung seiner Tätigkeit am darauffolgenden Freitag kehrt B am Samstag nach Deutschland zurück.

Lösung:

Der Anreisetag sowie der Abreisetag werden nicht als Tage der Arbeitsausübung in Belgien berücksichtigt, weil B an diesen Tagen dort seine berufliche Tätigkeit nicht ausgeübt hat und eine Arbeitsunterbrechung nicht gegeben ist. Die Tage von Montag bis Freitag sind jeweils als Tage der Arbeitsausübung in Belgien zu berücksichtigen, weil B an diesen Tagen dort seine berufliche Tätigkeit ausgeübt hat. Das dazwischenliegende Wochenende wird unabhängig vom Aufenthaltsort als Tage der Arbeitsausübung in Belgien berücksichtigt, weil eine übliche Arbeitsunterbrechung vorliegt. Somit sind für die 183-Tage-Frist zwölf Tage zu berücksichtigen.

123Eine dem DBA-Belgien ähnliche Regelung ist in den Abkommen mit der Côte d’Ivoire (Art. 15 Abs. 2 Buchstabe a) und Marokko (Art. 15 Abs. 2 Nr. 1 ) vereinbart. Diese Abkommen beziehen sich zwar auf die Dauer des Aufenthalts, jedoch werden auch hier gewöhnliche Arbeitsunterbrechungen bei der Berechnung der 183-Tage-Frist berücksichtigt.

4.2.4 Anwendung der 183-Tage-Frist auf einen Zwölf-Monats-Zeitraum

124Wird in einem DBA bei der 183-Tage-Frist (Art. 15 Abs. 2 OECD-MA) auf einen „Zeitraum von zwölf Monaten“ abgestellt, so sind hierbei alle denkbaren Zwölf-Monats-Zeiträume in Betracht zu ziehen, auch wenn sie sich zum Teil überschneiden. Wenn sich der Arbeitnehmer in einem beliebigen Zwölf-Monats-Zeitraum an mehr als 183 Tagen in dem anderen Vertragsstaat aufhält, steht diesem für die Einkünfte, die auf diese Tage entfallen, das Besteuerungsrecht zu. Mit jedem Aufenthaltstag des Arbeitnehmers in dem anderen Vertragsstaat ergeben sich somit neue zu beachtende Zwölf-Monats-Zeiträume.

125Ein Zwölf-Monats-Zeitraum wurde z. B. mit folgenden Staaten vereinbart (Stand: ):


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Albanien
(ab ),
Algerien
(ab ),
Armenien
(ab ),
Aserbaidschan
(ab ),
Australien
(ab ),
Belarus (Weißrussland)
(ab ),
Bulgarien
(ab ),
China
(ab ),
Costa Rica
(ab ),
Finnland
(ab ),
Georgien
(ab ),
Ghana
(ab ),
Irland
(ab ),
Israel
(ab ),
Japan
(ab ),
Kanada
(ab ),
Kasachstan
(ab ),
Kirgisistan
(ab ),
Korea
(ab ),
Kroatien
(ab ),
Liberia
(ab ),
Liechtenstein
(ab ),
Luxemburg
(ab ),
Malaysia
(ab ),
Malta
(ab ),
Mauritius
(ab ),
Mazedonien
(ab ),
Mexiko
(ab ),
Niederlande
(ab ),
Norwegen
(ab ),
Philippinen
(ab ),
Polen
(ab ),
Rumänien
(ab ),
Russland
(ab ),
Singapur
(ab ),
Slowenien
(ab ),
Spanien
(ab ),
Syrien
(ab ),
Tadschikistan
(ab ),
Taiwan
(ab ),
Tunesien
(ab ),
Türkei
(ab ),
Turkmenistan
(ab ),
Ungarn
(ab ),
Uruguay
(ab ),
Usbekistan
(ab ),
Vereinigtes Königreich
(ab ),
Zypern
(ab ).

126Beispiel 1:

A ist für seinen deutschen Arbeitgeber vom 1. April bis für 20 Tage, zwischen dem und dem für 90 Tage sowie vom bis zum für 97 Tage in Spanien tätig.

Lösung:

Für die Vergütungen, die innerhalb des Zeitraums bis auf Tage entfallen, an denen sich A in Spanien aufhält, hat Spanien das Besteuerungsrecht, da sich A innerhalb eines Zwölf-Monats-Zeitraums dort an insgesamt mehr als 183 Tagen (insgesamt 187 Tage) aufgehalten hat. Das Besteuerungsrecht für die Einkünfte, die auf den Zeitraum 1. bis entfallen, steht dagegen Deutschland zu, da sich A in allen auf diesen Zeitraum bezogenen denkbaren Zwölf-Monats-Zeiträumen an nicht mehr als 183 Tagen in Spanien aufgehalten hat.

127Beispiel 2:

B ist für seinen deutschen Arbeitgeber zwischen dem und dem sowie vom bis zum für jeweils monatlich 20 Tage in Spanien tätig.

Lösung:

Das Besteuerungsrecht für die Vergütungen, die innerhalb des Zeitraums bis auf Tage entfallen, an denen sich B in Spanien aufhält, hat Spanien, da sich B innerhalb eines Zwölf-Monats-Zeitraums dort an insgesamt mehr als 183 Tagen (insgesamt 240 Tage) aufgehalten hat. Gleiches gilt für den Zeitraum bis , da sich B auch innerhalb des Zwölf-Monats-Zeitraums bis an insgesamt mehr als 183 Tagen (insgesamt 200 Tage) in Spanien aufgehalten hat.

4.2.5 Anwendung der 183-Tage-Frist auf das Steuerjahr/Kalenderjahr

128Wird in einem DBA bei der 183-Tage-Frist anstelle eines Zwölf-Monats-Zeitraums auf das Steuerjahr oder Kj. abgestellt, so sind die Aufenthalts-/Ausübungstage für jedes Steuerjahr oder Kj. gesondert zu ermitteln. In Deutschland entspricht das Steuerjahr dem Kj. Entspricht das Steuerjahr des anderen Vertragsstaats ebenfalls dem Kj., ergeben sich keine Besonderheiten, wenn das entsprechende DBA für die Berechnung der 183-Tage-Frist auf das Steuerjahr abstellt (z. B. DBA-Frankreich, DBA-Griechenland, DBA-Italien). Weicht das Steuerjahr des anderen Vertragsstaats vom Steuerjahr Deutschlands (= Kj.) ab, ist jeweils das Steuerjahr des Vertragsstaats maßgebend, in dem die Tätigkeit ausgeübt wird.

129Folgende Vertragsstaaten haben z. B. ein vom Kj. abweichendes Steuerjahr und keinen Zwölf-Monats-Zeitraum (s. Tz. 4.2.4, Rn. 124 ff.): (Stand: ):


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Bangladesch
1. Juli bis 30. Juni
Indien
1. April bis 31. März
Iran
21. März bis 20. März
Namibia
1. März bis 28./29. Februar
Neuseeland
1. April bis 31. März
Pakistan
1. Juli bis 30. Juni
Sri Lanka
1. April bis 31. März
Südafrika
1. März bis 28./29. Februar

130Das Kj. wurde z. B. mit folgenden Staaten (Stand 1. Januar 2023) vereinbart:

  • Belgien

  • Dänemark

  • Island

  • Österreich

  • Portugal

  • Schweden

  • Schweiz

  • USA

131Beispiel 1: Kalenderjahr

A ist vom bis für seinen deutschen Arbeitgeber in Schweden tätig. In dieser Zeit hält sich A an jedem Tag in Schweden auf.

Lösung:

Die Aufenthaltstage sind für jedes Kj. getrennt zu ermitteln. A hält sich weder im Kj. 01 (92 Tage) noch im Kj. 02 (151 Tage) länger als 183 Tage in Schweden auf.

132Beispiel 2: Steuerjahr

B ist für seinen deutschen Arbeitgeber vom bis in Indien (Steuerjahr 1. April bis 31. März) tätig. In dieser Zeit hält sich B an jedem Tag in Indien auf.

Lösung:

Die Aufenthaltstage sind für jedes Steuerjahr getrennt zu ermitteln. Maßgeblich ist das Steuerjahr des Tätigkeitsstaates. Da das Steuerjahr 01/02 in Indien am endet, hält sich B weder im Steuerjahr 01/02 (90 Tage) noch im Steuerjahr 02/03 (122 Tage) länger als 183 Tage in Indien auf.

4.2.6 Besonderheiten beim Wechsel des Bezugszeitraums im DBA und Wechsel der Ansässigkeit

133Beim Wechsel des Bezugszeitraums vom Steuerjahr auf einen Zwölf-Monats-Zeitraum durch Änderung eines DBA ist - soweit im DBA nichts anderes vereinbart ist - ab Anwendbarkeit des neuen DBA auch dann ein Zwölf-Monats-Zeitraum zu betrachten, wenn dessen Beginn in den Anwendungszeitraum des alten DBA hineinreicht.

134Beispiel 1:

Ein deutscher Arbeitgeber entsendet seinen in Deutschland ansässigen Mitarbeiter A vom bis (insgesamt 198 Tage) nach Großbritannien.

Lösung:

Das DBA-Vereinigtes Königreich 2010 ist nach Art. 32 Abs. 2 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb ab 1. Januar 2011 anzuwenden und enthält als maßgeblichen Bezugszeitraum einen Zwölf-Monats-Zeitraum, der während des bestehenden Steuerjahres (6. April bis 5. April) beginnt bzw. endet. Für den VZ 2010 bedeutet das, dass zur Ermittlung der Aufenthaltstage nach Art. XI Abs. 3 DBA-Vereinigtes Königreich 1964 auf das britische Steuerjahr ( bis ) abzustellen ist. In diesem Zeitraum hielt sich A an 142 Tagen und somit nicht länger als 183 Tage in Großbritannien auf. In 2010 verbleibt somit das Besteuerungsrecht für die in 2010 erhaltenen Einkünfte des A in Deutschland. Für den VZ 2011 ist allerdings nach Art. 14 Abs. 2 des DBA-Vereinigtes Königreich 2010 zu prüfen, ob sich A insgesamt länger als 183 Tage innerhalb eines Zwölf-Monats-Zeitraums, der in 2010 beginnt und im Steuerjahr 2011 endet, in Großbritannien aufgehalten hat. A hat sich 198 Tage in Großbritannien aufgehalten. In 2011 erhält somit Großbritannien das Besteuerungsrecht für die vom bis vereinnahmten Einkünfte des A.

135Bei einem Wechsel der Ansässigkeit innerhalb der vorgenannten Bezugszeiträume sind bei der Berechnung der 183 Aufenthalts-/Ausübungstage diejenigen Tage, an denen der Steuerpflichtige im Tätigkeitsstaat ansässig ist, nicht zu berücksichtigen (s. Tz. 5.1 OECD-MK zu Art. 15 OECD-MA).

136Beispiel 2: (s. Tz. 5.1 OECD-MK zu Art. 15 OECD-MA)

Vom bis ist A in Polen ansässig. Am wird A von einem in Deutschland ansässigen Arbeitgeber eingestellt und ist ab diesem Zeitpunkt in Deutschland ansässig. A wird vom 15. bis von seinem deutschen Arbeitgeber nach Polen entsandt.

Lösung:

Das DBA-Polen sieht als maßgeblichen Bezugszeitraum für die 183-Tage-Frist den Zwölf-Monats-Zeitraum vor. A hält sich zwischen dem und dem insgesamt 292 Tage in Polen auf. Da er aber zwischen dem und dem in Polen ansässig war, kann dieser Zeitraum für die Berechnung der 183 Tage nicht berücksichtigt werden.

A hat sich somit zwischen dem und nur 17 Tage ( bis ) in Polen aufgehalten, ohne zugleich dort ansässig zu sein.

137Beispiel 3: (s. Tz. 5.1 OECD-MK zu Art. 15 OECD-MA)

Vom 15. bis hält sich A, der in Polen ansässig ist, in Deutschland auf, um dort die Erweiterung der Geschäftstätigkeit der X-AG, die in Polen ansässig ist, vorzubereiten. Am zieht A nach Deutschland, wo er ansässig wird und für eine in Deutschland neu gegründete Tochtergesellschaft der X-AG arbeitet.

Lösung:

In diesem Fall hält sich A zwischen dem und dem insgesamt 184 Tage in Deutschland auf. Da er aber zwischen dem und dem in Deutschland ansässig war, wird dieser letztere Zeitraum für die Berechnung der nach Art. 15 Abs. 2 Buchstabe a DBA-Polen genannten Zeiträume nicht berücksichtigt.

A hat sich somit zwischen dem und dem nur 17 Tage ( bis ) in Deutschland aufgehalten, ohne zugleich dort ansässig zu sein.

138Beispiel 4:

Vom bis war A in Deutschland und vom bis in den USA ansässig.

Bis zum war A bei einem deutschen Arbeitgeber beschäftigt. Vom 1. März bis war A für seinen deutschen Arbeitgeber in den USA tätig. Der deutsche Arbeitgeber hatte in den USA keine Betriebsstätte.

Lösung:

Deutschland hat für den Zeitraum bis zum das Besteuerungsrecht, weil Deutschland der Ansässigkeitsstaat war, sich A nicht mehr als 183 Tage in den USA aufgehalten hat (der Zeitraum bis wird insoweit nicht mitgerechnet, weil A in diesem Zeitraum in den USA ansässig war), und der Arbeitslohn nicht von einem US-amerikanischen Arbeitgeber oder einer US-amerikanischen Betriebsstätte getragen wurde.

4.2.7 Nachträgliche Änderung der Zuweisung des Besteuerungsrechts

139Bei der Anwendung der 183-Tage-Frist auf einen Zwölf-Monats-Zeitraum (s. Tz. 4.2.4, Rn. 124 ff.) kann eine einmal vorgenommene Zuordnung des Besteuerungsrechts durch weitere, nach der Veranlagung des Vorjahres durchgeführte Auslandseinsätze abweichend zu beurteilen sein.

140Beispiel:

A, wohnhaft und ansässig im Inland, wird für seinen im Inland ansässigen Arbeitgeber vom bis in Spanien tätig. A hält sich während dieses Zeitraums ausschließlich in Spanien auf (153 Aufenthaltstage). Aufgrund unvorhersehbarer Umstände muss A nochmals in der Zeit vom bis in Spanien tätig werden (37 Aufenthaltstage). A gibt seine Einkommensteuererklärung für 01 im März 02 ab. Die Veranlagung erfolgt

  1. am (Bescheid vom ),

  2. am (Bescheid vom ).

In beiden Fällen wurde der in Spanien erzielte Arbeitslohn der deutschen Besteuerung unterworfen, da - nach den Kenntnissen des Finanzamts am Veranlagungstag - alle drei Bedingungen der 183-Tage-Regelung (Art. 14 Abs. 2 DBA-Spanien) erfüllt waren. A informiert das Finanzamt am über seinen erneuten Arbeitsaufenthalt in Spanien und beantragt, die Veranlagung 01 in der Weise zu ändern, dass der in Spanien erzielte Arbeitslohn steuerfrei gestellt und nur noch dem Progressionsvorbehalt unterworfen wird.

Lösung:

Durch den erneuten Aufenthalt in Spanien hat sich A in dem Zwölf-Monats-Zeitraum, der am beginnt und am endet, an mehr als 183 Tagen in Spanien aufgehalten (190 Aufenthaltstage).

  1. Im Veranlagungszeitpunkt war die inländische Besteuerung des in der Zeit vom bis 31. Dezember 01 in Spanien erzielten Arbeitslohns zutreffend. Durch den nach der Veranlagung erfolgten erneuten Aufenthalt in Spanien erweist sich diese Zuordnung des Besteuerungsrechts nunmehr als unzutreffend, da A seinen Aufenthalt insgesamt an mehr als 183 Tagen in einem Zwölf-Monats-Zeitraum ( bis ) in Spanien hatte. Die Veranlagung 01 ist deshalb antragsgemäß nach § 50d Abs. 8 Satz 2 EStG zu ändern, sofern A die Besteuerung dieses Arbeitslohns in Spanien nach § 50d Abs. 8 Satz 1 EStG nachweist.

  2. Nach den tatsächlichen Verhältnissen im Veranlagungszeitpunkt lagen die Voraussetzungen für eine inländische Besteuerung des in der Zeit vom bis in Spanien erzielten Arbeitslohns objektiv nicht vor, da A sich in dem Zwölf-Monats-Zeitraum an mehr als 183 Tagen in Spanien aufgehalten hat. Dem Finanzamt war der zweite Spanienaufenthalt am Veranlagungstag allerdings nicht bekannt. Nach § 50d Abs. 8 Satz 2 EStG ist die Veranlagung 01 zu ändern. Die Festsetzungsfrist beginnt nach § 50d Abs. 8 Satz 3 EStG i. V. m. § 175 Abs. 1 Satz 2 AO erst mit Ablauf des Kj., in dem der Nachweis nach § 50d Abs. 8 Satz 1 EStG geführt wird. So hat der Steuerpflichtige ausreichend Zeit, die entsprechende steuerliche Behandlung herbeizuführen.

4.3 Zahlung der Vergütung durch einen oder für einen im Tätigkeitsstaat ansässigen Arbeitgeber - Art. 15 Abs. 2 Buchstabe b OECD-MA

4.3.1 Allgemeines

141Erfolgt die Zahlung durch einen oder für einen im Tätigkeitsstaat ansässigen Arbeitgeber, sind die Voraussetzungen für die Besteuerung im Ansässigkeitsstaat nach Art. 15 Abs. 2 Buchstabe b OECD-MA nicht erfüllt.

142Die im Ausland ausgeübte unselbständige Tätigkeit eines Arbeitnehmers kann für seinen zivilrechtlichen Arbeitgeber (s. Tz. 4.3.2, Rn. 146 ff.), für seinen wirtschaftlichen Arbeitgeber im Rahmen einer Arbeitnehmerentsendung zwischen verbundenen Unternehmen (s. Tz. 4.3.3, Rn. 149 ff.) oder aber für einen nicht verbundenen Unternehmer (s. Tz. 4.3.4, Rn. 188 ff. und Tz. 4.3.5, Rn. 209 ff.) erfolgen. Dabei wird eine Vergütung auch insoweit i. S. des Art. 15 Abs. 2 Buchstabe b OECD-MA von einem Arbeitgeber „gezahlt“, als dieser die Vergütung entsprechend dem Fremdvergleichsgrundsatz wirtschaftlich trägt oder entsprechend diesem Grundsatz hätte tragen müssen. Soweit ein anderer als der unmittelbar Zahlende (i. d. R. der zivilrechtliche Arbeitgeber) die Vergütung wirtschaftlich entsprechend dem Fremdvergleichsgrundsatz trägt oder hätte tragen müssen, kann auch dies eine Zahlung i. S. des Art. 15 Abs. 2 Buchstabe b OECD-MA darstellen ( BStBl 2005 II S. 547). Dies ist insbesondere im Rahmen der grenzüberschreitenden Arbeitnehmerentsendung zwischen verbundenen Unternehmen (s. Tz. 4.3.3) von Bedeutung.

143Ist eine Personengesellschaft Arbeitgeberin, bestimmt sich deren Ansässigkeit für Zwecke des Art. 15 Abs. 2 Buchstabe b OECD-MA grundsätzlich nach dem Ort der Geschäftsleitung. Entsprechendes gilt für eine Personengesellschaft, die im anderen Staat wie eine Kapitalgesellschaft besteuert wird.

144Eine Betriebsstätte kommt zivilrechtlich nicht als Arbeitgeberin i. S. des DBA in Betracht ( BStBl 1986 II S. 442 und BStBl 1986 II S. 513), s. Tz. 4.4, Rn. 213 ff.

145Beispiel:

A ist Arbeitnehmer eines britischen Unternehmens B. Er wohnt seit Jahren in Deutschland und ist bei einer deutschen Betriebsstätte des B in Hamburg beschäftigt. Im Jahr 01 befindet er sich an fünf Arbeitstagen bei Kundenbesuchen in der Schweiz und an fünf Arbeitstagen bei Kundenbesuchen in Norwegen.

Lösung:

Für den Aufenthalt in der Schweiz ist das DBA-Schweiz maßgeblich, da A in Deutschland ansässig ist (Art. 1, 4 Abs. 1 DBA-Schweiz) und die „Quelle“ der Einkünfte aus unselbständiger Arbeit in dem Staat liegt, in dem die Tätigkeit ausgeübt wird. Nach Art. 15 Abs. 2 DBA-Schweiz hat Deutschland das Besteuerungsrecht, da neben der Erfüllung der weiteren Voraussetzungen dieser Vorschrift A von einem Arbeitgeber entlohnt wird, der nicht in der Schweiz ansässig ist.

Für den Aufenthalt in Norwegen ist das DBA-Norwegen maßgeblich. Norwegen hat das Besteuerungsrecht für die Vergütungen aus der Tätigkeit in Norwegen. Zwar hält sich A nicht länger als 183 Tage in Norwegen auf. Das ausschließliche Besteuerungsrecht würde Deutschland nach Art. 15 Abs. 2 Buchstabe b DBA-Norwegen nur dann zustehen, wenn der Arbeitgeber in dem Staat ansässig ist, in dem auch der Arbeitnehmer ansässig ist. Arbeitgeber ist hier das britische Unternehmen B; die inländische Betriebsstätte kann nicht Arbeitgeber i. S. des DBA sein. Deutschland vermeidet in diesem Fall die Doppelbesteuerung der Lohneinkünfte durch Anrechnung der in Norwegen gezahlten Steuern (Art. 23 Abs. 2 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc DBA-Norwegen).

4.3.2 Auslandstätigkeit für den zivilrechtlichen Arbeitgeber

146Sofern der im Inland ansässige Arbeitnehmer für seinen zivilrechtlichen Arbeitgeber, der nicht im Tätigkeitsstaat ansässig ist (z. B. im Rahmen einer Lieferung, Werk- oder Dienstleistung), bei einem Unternehmen im Ausland tätig ist, ist regelmäßig davon auszugehen, dass der zivilrechtliche Arbeitgeber auch der Arbeitgeber i. S. des DBA ist. Sofern in diesem Fall auch keine Betriebsstätte des Arbeitgebers im Tätigkeitsstaat vorliegt, die die Vergütungen wirtschaftlich trägt, steht das Besteuerungsrecht erst dann dem ausländischen Tätigkeitsstaat zu, wenn die 183-Tage-Frist überschritten wird (Art. 15 Abs. 2 Buchstabe a und c OECD-MA).

147Entsprechendes gilt für einen im Ausland ansässigen Arbeitnehmer, der für seinen ausländischen zivilrechtlichen Arbeitgeber im Inland tätig ist.

148Beispiel: Werkleistungsverpflichtung

Das ausschließlich in Spanien ansässige Unternehmen S ist spezialisiert auf die Installation von Computeranlagen. Das in Deutschland ansässige, nicht mit S verbundene Unternehmen D hat kürzlich eine neue Computeranlage angeschafft und schließt für die Durchführung der Installation dieser Anlage einen Werkleistungsvertrag mit S ab. Der in Spanien ansässige Angestellte X wird für vier Monate an den Firmensitz von D im Inland gesandt, um die vereinbarte Installation durchzuführen. S berechnet D für die Installationsleistungen (einschließlich Reisekosten des Angestellten X, Gewinnaufschlag etc.) einen pauschalen Betrag. Der Arbeitslohn des Angestellten X ist dabei lediglich ein nicht gesondert ausgewiesener Preisbestandteil im Rahmen der Preiskalkulation des Unternehmens S.

Lösung:

Angestellter X wird im Rahmen einer Werkleistungsverpflichtung und nicht im Rahmen einer Arbeitnehmerentsendung des Unternehmens S bei Unternehmen D tätig. Vorausgesetzt, Angestellter X hält sich nicht mehr als 183 Tage während des betreffenden Zwölf-Monats-Zeitraums in Deutschland auf und Unternehmen S hat in Deutschland keine Betriebsstätte, der die Gehaltszahlungen an X zuzurechnen sind, weist Art. 14 Abs. 2 DBA-Spanien das Besteuerungsrecht für die Vergütungen aus unselbständiger Arbeit dem Ansässigkeitsstaat von X Spanien zu.

Angestellter X ist in Deutschland nach innerstaatlichem Recht beschränkt steuerpflichtig, weil die Tätigkeit in Deutschland ausgeübt wurde (§ 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe a EStG). Da Deutschland für den entsprechenden Arbeitslohn nach Art. 14 Abs. 2 DBA-Spanien kein Besteuerungsrecht hat, ergibt sich für den Angestellten X keine Einkommensteuer. Der Lohnsteuerabzug für die in Deutschland ausgeübte Tätigkeit kann bereits deshalb unterbleiben, weil in Deutschland kein inländischer Arbeitgeber vorliegt und darüber hinaus auch auf der Abkommensebene Deutschland kein Besteuerungsrecht zusteht. Unternehmen S ist kein in § 38 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 EStG genannter abzugspflichtiger Arbeitgeber. Eine Abzugsverpflichtung ergibt sich in Deutschland auch nicht nach § 38 Abs. 1 Satz 2 EStG, weil X im Rahmen einer Werkleistungsverpflichtung tätig wird. Für den Fall, dass Unternehmen S und Unternehmen D verbundene Unternehmen sind, ergibt sich keine abweichende Lösung.

4.3.3 Grenzüberschreitende Arbeitnehmerentsendung zwischen verbundenen Unternehmen
4.3.3.1 Definition der Arbeitnehmerentsendung

149Eine grenzüberschreitende Arbeitnehmerentsendung (Personalentsendung) ist die Entsendung eines Arbeitnehmers für eine bestimmte Zeit seitens eines Unternehmens (entsendendes Unternehmen) an ein anderes Unternehmen (aufnehmendes Unternehmen) derselben multinationalen Unternehmensgruppe in einem anderen Staat. Der Arbeitnehmer wird, ohne dass der bisherige Arbeitsvertrag mit dem entsendenden Unternehmen beendet wird (ruhender Arbeitsvertrag), bei einem aufnehmenden Unternehmen tätig und

  • schließt mit diesem Unternehmen einen (weiteren) Arbeitsvertrag,

  • trifft mit diesem Unternehmen eine Nebenabrede zum bestehenden Arbeitsvertrag, oder

  • dieses Unternehmen gilt als wirtschaftlicher Arbeitgeber (s. Tz. 4.3.3.3, Rn. 151 ff.).

4.3.3.2 Abgrenzung – keine Arbeitnehmerentsendung

150Eine Arbeitnehmerentsendung liegt nicht vor, wenn ein Arbeitnehmer zur Erfüllung einer Dienst- oder Werkleistungsverpflichtung des entsendenden Unternehmens bei einem anderen Unternehmen tätig wird und sein Arbeitslohn Preisbestandteil der Dienst- oder Werkleistung ist (z. B. beim gewerblichen Arbeitnehmerverleih oder bei Werkleistungen). Liegt keine Arbeitnehmerentsendung vor, ist Tz. 4.3.2, Rn. 146 ff. anwendbar. Bei einer gewerblichen Arbeitnehmerüberlassung gilt Tz. 4.3.4, Rn. 188 ff.

4.3.3.3 Wirtschaftlicher Arbeitgeber

151Arbeitgeber i. S. eines DBA kann nicht nur der zivilrechtliche Arbeitgeber, sondern auch eine andere natürliche oder juristische Person sein, die die Vergütung für die ihr geleistete unselbständige Tätigkeit wirtschaftlich trägt oder hätte tragen müssen ( BStBl 2005 II S. 547). Entsprechendes gilt für Personengesellschaften (s. Tz. 4.3.1, Rn. 143). Wird die unselbständige Tätigkeit eines im Inland ansässigen Arbeitnehmers bei einem im Ausland ansässigen verbundenen Unternehmen (Art. 9 OECD-MA) ausgeübt, ist zu prüfen, welches dieser Unternehmen als Arbeitgeber i. S. des DBA und damit als wirtschaftlicher Arbeitgeber anzusehen ist. Hierbei ist auf den wirtschaftlichen Gehalt und die tatsächliche Durchführung der zugrundeliegenden Vereinbarungen abzustellen. Entsprechendes gilt, wenn ein im Ausland ansässiger Arbeitnehmer bei einem im Inland ansässigen verbundenen Unternehmen (Art. 9 OECD-MA) tätig ist.

152Das aufnehmende Unternehmen wird zum Arbeitgeber im abkommensrechtlichen Sinne (wirtschaftlicher Arbeitgeber), wenn

  • der Arbeitnehmer in das aufnehmende Unternehmen eingebunden (s. Tz. 4.3.3.3.1, Rn. 155 ff.) ist, z. B. weil das aufnehmende Unternehmen über Art und Umfang der täglichen Arbeit entscheidet und ggf. erforderliche Arbeitsmittel zur Verfügung stellt und

  • das aufnehmende Unternehmen den Arbeitslohn (infolge seines eigenen betrieblichen Interesses an der Entsendung des Arbeitnehmers) für die ihm geleistete unselbständige Arbeit wirtschaftlich trägt oder nach dem Fremdvergleichsgrundsatz hätte tragen müssen (s. Tz. 4.3.3.3.2, Rn. 159 ff.). Hierbei ist es unerheblich, ob die Vergütungen unmittelbar dem betreffenden Arbeitnehmer ausgezahlt werden, oder ein anderes Unternehmen mit diesen Arbeitsvergütungen in Vorlage tritt ( BStBl II 1986 S. 4). Eine „willkürliche“ Weiterbelastung des Arbeitslohns führt nicht zur Begründung der Arbeitgebereigenschaft, ebenso wie eine unterbliebene Weiterbelastung die Arbeitgebereigenschaft beim aufnehmenden Unternehmen nicht verhindern kann.

153Zu einem Wechsel der abkommensrechtlichen Arbeitgeberstellung bedarf es weder einer förmlichen Änderung des Arbeitsvertrages zwischen dem Arbeitnehmer und dem entsendenden Unternehmen noch ist der Abschluss eines zusätzlichen Arbeitsvertrages zwischen dem Arbeitnehmer und dem aufnehmenden Unternehmen oder eine im Vorhinein getroffene Verrechnungspreisabrede zwischen den betroffenen verbundenen Unternehmen erforderlich ( BStBl 2005 II S. 547).

154In den Fällen der Arbeitnehmerentsendung ist der wirtschaftliche Arbeitgeber i. S. des Abkommensrechts auch der zum Lohnsteuerabzug verpflichtete inländische Arbeitgeber i. S. des § 38 Abs. 1 Satz 2 EStG, BStBl 2004 I S. 173, Tz. III.1 (vgl. auch Rz. 165 u. 166).

4.3.3.3.1 Einbindung des Arbeitnehmers in das aufnehmende Unternehmen

155Für die Entscheidung, ob der Arbeitnehmer in das aufnehmende Unternehmen eingebunden ist, ist das Gesamtbild der Verhältnisse maßgebend. Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, ob

  • das aufnehmende Unternehmen die Verantwortung oder das Risiko für die durch die Tätigkeit des Arbeitnehmers erzielten Ergebnisse trägt und

  • der Arbeitnehmer den fachlichen Weisungen des aufnehmenden Unternehmens unterworfen ist.

156Darüber hinaus kann für die vorgenannte Entscheidung u. a. zu berücksichtigen sein, wer über die Höhe der Bezüge, die Teilnahme an einem etwaigen Erfolgsbonus und Aktienerwerbsplan des Konzerns oder die Urlaubsgewährung entscheidet, das Risiko für eine Lohnzahlung im Nichtleistungsfall trägt, das Recht der Entscheidung über Kündigung oder Entlassung hat, oder für die Sozialversicherungsbelange des Arbeitnehmers verantwortlich ist, in wessen Räumlichkeit die Arbeit erbracht wird, welchen Zeitraum das Tätigwerden im aufnehmenden Unternehmen umfasst, wem gegenüber Abfindungs- und Pensionsansprüche erwachsen und mit wem der Arbeitnehmer Meinungsverschiedenheiten aus dem Arbeitsvertrag auszutragen hat.

157Nach diesen Grundsätzen wird z. B. bei Entsendung eines Arbeitnehmers von einer Muttergesellschaft zu ihrer Tochtergesellschaft das aufnehmende Unternehmen nicht zum wirtschaftlichen Arbeitgeber, wenn der Arbeitnehmer nicht in dessen Hierarchie eingebunden ist. In diesem Fall wird der Arbeitnehmer ausschließlich als Vertreter der Muttergesellschaft tätig, während im Verhältnis zur Tochtergesellschaft die für ein Arbeitsverhältnis kennzeichnende Abhängigkeit fehlt. Hier bleibt die Muttergesellschaft selbst dann die Arbeitgeberin im abkommensrechtlichen Sinne, wenn die Tochtergesellschaft der Muttergesellschaft den Arbeitslohn ersetzt. In diesem Zusammenhang wird auf den Sonderfall eines Arbeitnehmers, der im Interesse seines inländischen Arbeitgebers die Funktion als Verwaltungsratsmitglied oder -beirat bei einem ausländischen verbundenen Unternehmen wahrnimmt, hingewiesen ( BStBl 2005 II S 547). Leitende Angestellte, wie z. B. Vorstände und Geschäftsführer, sind regelmäßig Teil der Hierarchie des aufnehmenden Unternehmens, wenn sie in die laufende Geschäftsführung eingebunden sind. Hiervon abzugrenzen sind Managementgesellschaften (s. Tz. 4.3.3.3.5, Rn. 179).

158Bei einer Arbeitnehmerentsendung zwischen international verbundenen in- und ausländischen Unternehmen von nicht mehr als drei Monaten (auch jahresübergreifend für sachlich zusammenhängende Tätigkeiten) spricht eine widerlegbare Anscheinsvermutung dafür, dass das aufnehmende Unternehmen mangels Einbindung des Arbeitnehmers nicht als wirtschaftlicher Arbeitgeber anzusehen ist. Die Anscheinsvermutung kann im Einzelfall unter Beachtung der Kriterien in der Rn.155 ff. entkräftet werden. Folglich sind stets die tatsächlichen Verhältnisse des Einzelfalls maßgeblich.

4.3.3.3.2 Beurteilung des betrieblichen Interesses

159Eine Einbindung des Arbeitnehmers in das aufnehmende Unternehmen führt allein jedoch noch nicht dazu, dass das aufnehmende Unternehmen die Vergütungen wirtschaftlich trägt oder hätte tragen müssen (wirtschaftlicher Arbeitgeber). Hierzu bedarf es zusätzlich der Prüfung, in wessen Interesse der Arbeitnehmer tätig geworden ist. Dabei ist zu beachten, dass eine Entsendung im Interesse des aufnehmenden Unternehmens, des entsendenden Unternehmens oder beider Unternehmen liegen kann.

160Die Interessenslage kann z. B. anhand folgender Aspekte beurteilt werden:

  • ausgeübte Funktion (genaue Tätigkeitsbeschreibung z. B. im Arbeits- oder Entsendevertrag),

  • benötigte fachliche Qualifikation,

  • Zusammenhang zwischen den Aufwendungen für den entsandten Arbeitnehmer und seinem Beitrag zum wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens,

  • Tätigkeitsort,

  • von welchem Unternehmen geht die Initiative für die Arbeitnehmerentsendung aus,

  • welches Unternehmen profitiert am meisten von der Entsendung,

  • ist die Tätigkeit des entsandten Arbeitnehmers einzelprojektbezogen,

  • ist auf dem lokalen Arbeitsmarkt des aufnehmenden Unternehmens ein Angebot an Arbeitskräften mit der nach objektiven Maßstäben erforderlichen Qualifikation nicht vorhanden und auch nicht im Rahmen betrieblicher Ausbildung oder Qualifizierung zu schaffen,

  • sind gleichwertig qualifizierte Arbeitnehmer auf dem lokalen Arbeitsmarkt des aufnehmenden Unternehmens verfügbar, die einen geringeren Aufwand verursachen,

  • übt der Arbeitnehmer Planungs-, Koordinierungs- oder Kontrolltätigkeiten aus,

  • werden nach Rückkehr des Arbeitnehmers dessen gesammelte Auslandserfahrungen im Rahmen seiner weiteren Beschäftigung beim entsendenden Unternehmen genutzt,

  • wird der Arbeitnehmer im Rahmen eines Rotationssystems entsandt,

  • der prozentuale Anteil der entsandten Arbeitnehmer an der Gesamtbelegschaft,

  • objektives Erfordernis von Sprachkenntnissen oder persönlichen Beziehungen in Verbindung mit der ausgeübten Funktion oder anderer Spezialkenntnisse.

161Werden Arbeitnehmer ausschließlich zu Aus- oder Fortbildungszwecken entsandt, erfolgt dies im Interesse des entsendenden Unternehmens.

162Bei einer grenzüberschreitenden Arbeitnehmerentsendung im Unternehmensverbund beziehen sich die Auskunfts- und Beweismittelbeschaffungspflichten i. S. des § 90 Abs. 2 AO auf die Höhe der weiterbelasteten Kosten (s. Tz.4.3.3.3.3, Rn. 165 ff.) und auf die Interessenlage, nach der sich die Zuordnung der Tätigkeit des entsandten Arbeitnehmers sowie eine ggf. vorzunehmende Aufteilung des Arbeitslohns richtet.

163Die Interessenlage ist vom Steuerpflichtigen darzulegen und durch geeignete Nachweise zu belegen. Hierfür kommen z. B. in Betracht:

  • Entsendevertrag, ggf. Konzernentsenderichtlinie, Schriftverkehr zur Begründung der Entsendung,

  • Beschreibung der Tätigkeit des aufnehmenden Unternehmens sowie seiner Produkte bzw. Dienstleistungen; Tätigkeitsbeschreibungen für den entsandten Arbeitnehmer,

  • konkrete Tätigkeitsnachweise, z. B. Berichte, Protokolle, die der entsandte Arbeitnehmer für das entsendende Unternehmen angefertigt hat,

  • Stellenanzeigen,

  • Arbeitsverträge des Arbeitnehmers mit dem entsendenden und ggf. aufnehmenden Unternehmen,

  • Nachweis über die Höhe des Arbeitslohns vor der Entsendung,

  • Zeitnachweise für Art und Umfang der Tätigkeit,

  • Reisekostenabrechnungen,

  • funktionsorientiertes Arbeitnehmerorganigramm oder ähnliche Unterlagen;

164Auf die Indizwirkung der Bescheinigung des Arbeitgebers über die an das aufnehmende Unternehmen im Tätigkeitsstaat nach dem Fremdvergleichsgrundsatz weiterbelasteten Kosten wird hingewiesen (s. Tz. 4.3.3.3.3, Rn. 167).

4.3.3.3.3 Von einem Arbeitgeber getragene oder zu tragende Vergütungen

165Die Übernahme der Kosten für eine Arbeitnehmerentsendung muss dem Fremdvergleichsgrundsatz ( Kapitel III A, BStBl 2023 I S. 1093) entsprechen. Die Kosten sind nach dem Fremdvergleichsgrundsatz von dem Unternehmen zu tragen, in dessen Interesse die Entsendung erfolgt (s. Tz. 4.3.3.3.2, Rn. 159 ff.). Hierzu gehören alle Kosten,

  • die im wirtschaftlichen Zusammenhang mit der gesamten Arbeitnehmertätigkeit im Entsendezeitraum stehen und

  • die den Gewinn des aufnehmenden oder des entsendenden Unternehmens gemindert haben, unabhängig davon, ob sie zum Lohn des Arbeitnehmers gehören und unabhängig davon, ob sie im Zusammenhang mit der Auslandstätigkeit selbst stehen.

166Dazu gehören alle Lohn- und Lohnnebenkosten sowie Lohnverwaltungskosten wie im Einzelnen z. B.:

  • laufender Arbeitslohn,

  • Urlaubs- und Weihnachtsgeld, Abfindungen, Bonifikationen,

  • Zuführungen zu Pensionsrückstellungen,

  • Sozialversicherungsbeiträge,

  • (Auslands-)Zulagen,

  • Sachbezüge (wie z. B. Aktienvergütungen oder Firmenwagen),

  • übernommene Steuerzahlungen,

  • Kostenerstattungen für doppelte Haushaltsführung, Schulgeld, Internatskosten etc.,

  • Beratungsleistungen, wie z. B. Erstellung der Lohnabrechnungen und Lohnsteueranmeldungen sowie Einkommensteuererklärungen oder sonstige Steuerberatungskosten, Steuerausgleichsberechnungen (s. Tz. 5.5.9, Rn. 317 ff.),

  • Beratungsleistungen im Zusammenhang mit sozialversicherungsrechtlichen Fragen etc.,

  • Fortbildungskosten sowie Kosten für die Gesundheitsvorsorge,

  • Sonstige Lohn- und Personalverwaltungskosten (Gemeinkosten).

167Der Arbeitgeber hat dem Arbeitnehmer zu bescheinigen, in welcher Höhe die Kosten nach Rn. 165 und 166 nach dem Fremdvergleichsgrundsatz weiterbelastet wurden und in welcher Höhe diese vom entsendenden Unternehmen getragen wurden. Dabei sind die nach innerstaatlichem Steuerrecht als Arbeitslohn zu behandelnden Vergütungsbestandteile und die sonstigen Lohnkosten gesondert auszuweisen. Dieser Bescheinigung kommt Indizwirkung zu. Es ist widerlegbar zu vermuten, dass die vom Arbeitgeber bescheinigte Zuordnung der Kosten im Einklang mit dem Fremdvergleichsgrundsatz steht. Demzufolge kann i. d. R. davon ausgegangen werden, dass die Tätigkeit ausschließlich im Interesse des aufnehmenden Unternehmens stattfindet, wenn eine Weiterbelastung aller mit der Arbeitnehmerentsendung in Verbindung stehenden Lohn-, Lohnneben- und Lohnverwaltungskosten an das aufnehmende Unternehmen bescheinigt wird. Verbleiben diese Kosten ganz oder teilweise beim entsendenden Unternehmen, wird die Arbeitnehmerentsendung insoweit (auch) im Interesse des entsendenden Unternehmens ausgeführt (s. Tz. 4.3.3.3.4, Rn. 172 ff.).

168In den Fällen der grenzüberschreitenden Arbeitnehmerentsendung ist das in Deutschland ansässige aufnehmende Unternehmen, das den Arbeitslohn für die ihm geleistete Arbeit wirtschaftlich trägt oder nach dem Fremdvergleichsgrundsatz hätte tragen müssen, zum Steuerabzug verpflichtet (§ 38 Abs. 1 Satz 2 EStG). Der wirtschaftliche Arbeitgeberbegriff ist damit auch für Zwecke des Lohnsteuerabzugs zu beachten. Nicht erforderlich ist hierfür, dass das deutsche Unternehmen den Arbeitslohn im eigenen Namen und für eigene Rechnung, beispielsweise aufgrund eigener arbeitsrechtlicher Verpflichtung, auszahlt. Die Lohnsteuerabzugsverpflichtung des inländischen Unternehmens entsteht bereits im Zeitpunkt der Auszahlung des Arbeitslohns an den Arbeitnehmer, insbesondere, wenn es aufgrund einer Vereinbarung mit dem ausländischen, entsendenden Unternehmen mit einer Weiterbelastung rechnen kann (R 38.3 Abs. 5 LStR).

169Zum Umfang der Abzugsverpflichtung durch das inländische Unternehmen ist darauf hinzuweisen, dass sämtliche Gehaltsbestandteile für im Inland ausgeübte Tätigkeiten - auch die von anderen konzernverbundenen Unternehmen gezahlten Bonuszahlungen oder gewährten Aktienoptionen - grundsätzlich dem inländischen Lohnsteuerabzug unterliegen (§ 38 Abs. 1 Satz 3 EStG).

170Beispiel 1: Entsendung im Interesse des entsendenden verbundenen Unternehmens

Das ausschließlich in Spanien ansässige Unternehmen S ist die Muttergesellschaft einer multinationalen Unternehmensgruppe. Zu dieser Gruppe gehört auch ein in Deutschland ansässiges Unternehmen D, das Produkte der Gruppe verkauft. Unternehmen S hat eine neue weltweite Marktstrategie für die Produkte der Gruppe entwickelt. Um sicherzustellen, dass diese Strategie von Unternehmen D richtig verstanden und umgesetzt wird, wird X, ein in Spanien ansässiger Angestellter von Unternehmen S, der an der Entwicklung der Marktstrategie mitgearbeitet hat, für vier Monate an den Unternehmenssitz von D entsandt. Das Gehalt von X wird ausschließlich von Unternehmen S getragen.

Lösung:

Unternehmen D ist nicht als wirtschaftlicher Arbeitgeber des Angestellten X anzusehen, da X seine Tätigkeit im alleinigen Interesse von Unternehmen S ausübt. Zudem erfolgt keine Eingliederung in die organisatorischen Strukturen des Unternehmens D. Unternehmen S hat nach dem Fremdvergleichsgrundsatz die Gehaltsaufwendungen des X zu tragen. Das Besteuerungsrecht für die Vergütungen des X wird Spanien zugewiesen (Art. 14 Abs. 2 DBA-Spanien). Deutschland stellt die Vergütungen steuerfrei.

X ist in Deutschland nach innerstaatlichem Recht beschränkt steuerpflichtig, weil die Tätigkeit in Deutschland ausgeübt wurde (§ 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe a EStG). Da Deutschland für den entsprechenden Arbeitslohn nach Art. 14 Abs. 2 DBA-Spanien kein Besteuerungsrecht hat, entsteht insoweit kein deutscher Besteuerungsanspruch.

Unternehmen S ist kein inländischer Arbeitgeber des X i. S. des § 38 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG. Unternehmen D ist auch kein inländischer Arbeitgeber des X i. S. des § 38 Abs. 1 EStG, weil es den Arbeitslohn des X wirtschaftlich nicht getragen hat oder nach dem Fremdvergleichsgrundsatz hätte tragen müssen. Da beide Unternehmen zudem keine ausländischen Arbeitnehmerverleiher i. S. des § 38 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG sind, sind beide auch nicht zum Lohnsteuerabzug nach innerstaatlichem Recht verpflichtet.

171Beispiel 2: Arbeitnehmerentsendung im Interesse des aufnehmenden Unternehmens

Ein internationaler Hotelkonzern betreibt durch eine Anzahl von Tochtergesellschaften weltweit Hotels. Eine in Spanien ansässige Tochtergesellschaft S betreibt in Spanien ein Hotel. Eine weitere Tochtergesellschaft D der Unternehmensgruppe betreibt ein Hotel in Deutschland. D benötigt für fünf Monate einen Arbeitnehmer mit spanischen Sprachkenntnissen. Aus diesem Grund wird X, ein in Spanien ansässiger Angestellter der Tochtergesellschaft S, zu D entsandt, um während dieser Zeit an der Rezeption im Inland tätig zu sein. Der Angestellte X bleibt während dieser Zeit bei S angestellt und wird auch weiterhin von S bezahlt. Die Tochtergesellschaft D vergütet der Tochtergesellschaft S die Aufwendungen für den Angestellten X nach dem Fremdvergleichsgrundsatz.

Lösung:

Für den Zeitraum der Tätigkeit des Arbeitnehmers X im Inland ist D als wirtschaftlicher Arbeitgeber des X anzusehen. Die Entsendung des X zwischen den international verbundenen Unternehmen erfolgt im alleinigen Interesse des aufnehmenden Unternehmens D. Der Angestellte X ist in dem genannten Zeitraum in den Geschäftsbetrieb von D eingebunden. Infolgedessen trägt D wirtschaftlich die Arbeitsvergütungen nach dem Fremdvergleichsgrundsatz. Die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 14 Abs. 2 Buchstabe b DBA-Spanien sind damit nicht gegeben. Obwohl X sich an nicht mehr als 183 Tagen in Deutschland aufhält, wird Deutschland gemäß Art. 14 Abs. 1 DBA-Spanien das Besteuerungsrecht für die Vergütungen des X für den genannten Zeitraum zugewiesen. Der Angestellte X ist in Deutschland nach innerstaatlichem Recht beschränkt steuerpflichtig, weil die Tätigkeit in Deutschland ausgeübt wurde (§ 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe a EStG). D ist inländischer Arbeitgeber des X i. S. des § 38 Abs. 1 Satz 2 EStG. D zahlt den Arbeitslohn zwar nicht an X aus, trägt ihn aber wirtschaftlich und ist daher zum Lohnsteuerabzug verpflichtet (R 38.3 Abs. 5 LStR). Der Lohnsteuerabzug für X ist daher von D durchzuführen.

4.3.3.3.4 Entsendendes und aufnehmendes Unternehmen sind Arbeitgeber

172Ist ein Arbeitnehmer sowohl für seinen inländischen zivilrechtlichen Arbeitgeber als auch für ein weiteres im Ausland ansässiges verbundenes Unternehmen tätig (z. B. ein Arbeitnehmer einer deutschen Muttergesellschaft wird abgrenzbar in Spanien und/oder in Deutschland sowohl im Interesse der spanischen aufnehmenden Gesellschaft als auch im Interesse der entsendenden deutschen Gesellschaft tätig), können abkommensrechtlich beide Unternehmen „Arbeitgeber“ des betreffenden Arbeitnehmers sein. Voraussetzung ist, dass nach den vorgenannten Grundsätzen beide Unternehmen für die jeweils anteiligen Vergütungen als Arbeitgeber i. S. des DBA anzusehen sind. Dies kann der Fall sein, wenn sowohl das entsendende als auch das aufnehmende Unternehmen ein Interesse an der Entsendung haben, z. B. weil der Arbeitnehmer Planungs-, Koordinierungs- oder Kontrollfunktionen für das entsendende Unternehmen ausübt. Die Tätigkeiten für das entsendende und für das aufnehmende Unternehmen sind mit ihrer (zeit-)anteiligen Vergütung jeweils getrennt zu beurteilen. Auf die Tz. 4.3.3.3.2, Rn. 159 ff. und Tz. 4.3.3.3.3, Rn. 167 ff. wird hingewiesen.

173Erhält der Arbeitnehmer seine Vergütungen aus unselbständiger Tätigkeit in vollem Umfang von seinem zivilrechtlichen Arbeitgeber und trägt das im Ausland ansässige verbundene Unternehmen wirtschaftlich die an den Arbeitnehmer gezahlten (zeit-)anteiligen Vergütungen für die in diesem Unternehmen ausgeübte Tätigkeit, indem die (zeit-)anteiligen Vergütungen dem verbundenen Unternehmen in Rechnung gestellt werden, ist zu prüfen, ob der Betrag dieser (zeit-)anteiligen Vergütungen höher ist, als sie ein anderer Arbeitnehmer unter gleichen oder ähnlichen Bedingungen für diese Tätigkeit in diesem anderen Staat erhalten hätte. Der übersteigende Betrag stellt keine Erstattung von Arbeitslohn dar, sondern ist Ausfluss des Verhältnisses der beiden verbundenen Unternehmen zueinander. Der übersteigende Betrag gehört somit nicht zum Arbeitslohn für die Auslandstätigkeit. Das Besteuerungsrecht steht insoweit dem Ansässigkeitsstaat des Arbeitnehmers zu.

174Besetzt das entsendende Unternehmen ständig Arbeitsplätze beim aufnehmenden Unternehmen im Rotationsverfahren, ist davon auszugehen, dass die Entsendung den Interessen beider Unternehmen dient. Ein solches Rotationsverfahren liegt typischerweise vor, wenn den Entsendungen ein Personaleinsatz- und Entwicklungskonzept der multinationalen Unternehmensgruppe dergestalt zugrunde liegt, dass das aufnehmende Unternehmen bei Stellenbesetzungen nicht frei entscheiden kann, sondern bestimmte Positionen mit Arbeitnehmern des entsendenden Unternehmens zu besetzen hat oder für zu entsendende Arbeitnehmer geeignete Positionen schaffen muss. Ob ein solches Rotationssystem vorliegt, entscheidet sich nach dem Gesamtbild der Verhältnisse.

175Anhaltspunkte für das Vorliegen eines derartigen Rotationssystems sind u. a.:

  • die Entsendungen erfolgen einseitig von der Konzernobergesellschaft an nachgeordnete Gesellschaften, nicht aber wechselseitig zwischen den verbundenen Unternehmen,

  • die Entsendungen dauern i. d. R. drei bis fünf Jahre,

  • bestimmte Führungspositionen oder technische Schlüsselfunktionen bei der aufnehmenden Gesellschaft werden ständig mit Arbeitnehmern anderer Konzerngesellschaften besetzt,

  • die aufnehmende Gesellschaft unternimmt keine ernsthaften Versuche (z. B. durch Stellenanzeigen), diese Arbeitsplätze mit Arbeitnehmern des lokalen Stellenmarktes, einschließlich selbst ausgebildeten Personals, zu besetzen.

176Beispiel:

Ein in Deutschland ansässiger Arbeitnehmer wird vom bis (80 Arbeitstage) an eine chinesische Tochtergesellschaft entsandt. Der Arbeitslohn i. H. v. 110.000 € wird weiterhin vom deutschen Unternehmen ausbezahlt. Davon werden (nach Fremdvergleichsgrundsatz zutreffend) jedoch 80.000 € an die chinesische Tochtergesellschaft weiterbelastet, da der Arbeitnehmer nicht nur im Interesse der aufnehmenden Tochtergesellschaft, sondern auch im Interesse der entsendenden Muttergesellschaft (z. B. Aufsichtsfunktion zur Umsetzung eines von der Muttergesellschaft vorgegebenen Konzeptes) entsandt wird. Der Arbeitnehmer hält sich während des gesamten Zeitraums (80 Arbeitstage) stets im Interesse beider Arbeitgeber an 20 Arbeitstagen in Deutschland und an 60 Arbeitstagen in China auf. Folglich nimmt er zu jeder Zeit in beiden Staaten jeweils Aufgaben sowohl für die deutsche Muttergesellschaft als auch für die chinesische Tochtergesellschaft wahr.

Lösung:

Nach Art. 15 Abs. 1 DBA-China können Vergütungen nur im Ansässigkeitsstaat besteuert werden, es sei denn, die Tätigkeit wird im anderen Vertragsstaat ausgeübt. Wird die Arbeit dort ausgeübt, so können die dafür bezogenen Vergütungen im anderen Staat besteuert werden. Soweit die Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 2 DBA-China erfüllt sind, bleibt es jedoch beim ausschließlichen Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaates.

Behandlung der nicht weiterbelasteten Lohnbestandteile:
Da der Arbeitnehmer auch im Interesse des entsendenden Unternehmens (deutsche Muttergesellschaft) in China tätig war, entfallen die nicht an die chinesische Tochtergesellschaft weiterbelasteten Lohnbestandteile i. H. v. 30.000 € nach Art. 15 Abs. 1 DBA-China zwar auf die in China ausgeübte Tätigkeit. Insoweit liegen aber die Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 2 DBA-China (sog. 183-Tage-Klausel) vor. Der Arbeitnehmer hat sich innerhalb eines Zwölf-Monats-Zeitraums (z. B. vom 15. August 01 bis ) nicht länger als 183 Tage im Tätigkeitsstaat China aufgehalten, die Vergütung wurde in dieser Höhe (zutreffend) nicht von einem im Tätigkeitsstaat ansässigen Arbeitgeber oder einer dort gelegenen Betriebsstätte bezahlt und war im ausländischen Tätigkeitstaat China nach dem Fremdvergleichsgrundsatz auch nicht von einem dort ansässigen Arbeitgeber oder einer dort gelegenen Betriebsstätte zu tragen. Das ausschließliche Besteuerungsrecht an diesem Vergütungsbestandteil i. H. v. 30.000 € verbleibt deshalb im Ansässigkeitsstaat Deutschland. Das deutsche Unternehmen kann die entsprechenden Lohnkosten i. H. v. 30.000 € als Betriebsausgaben geltend machen.

Behandlung der weiterbelasteten Lohnbestandteile:
Der übrige Lohnanteil (80.000 €) ist anhand der auf diesen Zeitraum des Auslandsaufenthalts entfallenden tatsächlichen Arbeitstage (80) auf die in Deutschland und die in China ausgeübte Tätigkeit aufzuteilen.

Der Arbeitslohn entfällt i. H. v. 80.000 € x 20/80 = 20.000 € auf die im Inland ausgeübte Tätigkeit. Das Besteuerungsrecht steht gemäß Art. 15 Abs. 1 Satz 1 erster Halbsatz DBA-China ausschließlich dem Ansässigkeitsstaat Deutschland zu.

Für den auf die Tätigkeit in China entfallenden Arbeitslohn i. H. v. 80.000 € x 60/80 = 60.000 € hat hingegen China gemäß Art. 15 Abs. 1 Satz 2 DBA-China das Besteuerungsrecht. Insbesondere sind aufgrund der nach dem Fremdvergleichsgrundsatz zutreffenden Weiterbelastung der Lohnkosten an die chinesische Tochtergesellschaft in dieser Höhe die Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 2 DBA-China nicht erfüllt. Der Arbeitslohn ist folglich i. H. v. 60.000 € unter Progressionsvorbehalt von der deutschen Besteuerung auszunehmen (Art. 23 Abs. 2 Buchstabe a und d DBA-China), soweit nicht die innerstaatlichen Rückfallklauseln des § 50d Abs. 8 und 9 EStG oder im DBA enthaltenen Rückfallklauseln eingreifen (Art. 23 Abs. 2 Buchstabe e DBA-China).

177Abwandlung:

Sachverhalt wie im Beispiel 1, jedoch entfallen die nicht an die Tochtergesellschaft weiterbelasteten Lohnbestandteile i. H. v. 30.000 € lediglich auf die 20 in Deutschland verbrachten Arbeitstage. Gleichwohl führt der Arbeitnehmer während seines Aufenthalts in Deutschland auch Aufgaben im Interesse der chinesischen Tochtergesellschaft aus.

Lösung:

Behandlung der nicht weiterbelasteten Lohnbestandteile:
Die nicht an die chinesische Tochtergesellschaft weiterbelasteten Lohnbestandteile i. H. v. 30.000 € entfallen auf eine ausschließlich im Ansässigkeitsstaat Deutschland ausgeübte Tätigkeit. Damit steht dem Ansässigkeitsstaat Deutschland gemäß Art. 15 Abs. 1 Satz 1 erster Halbsatz DBA-China das ausschließliche Besteuerungsrecht zu.

Behandlung der weiterbelasteten Lohnbestandteile:
Die Behandlung der an die chinesische Tochtergesellschaft nach dem Fremdvergleichsgrundsatz zutreffend weiterbelasteten Lohnbestandteile entspricht der Lösung im obigen Beispiel unter Rn. 176.

4.3.3.3.5 Arbeitgeberstellung bei Geschäftsführern, Vorständen und Prokuristen in Sonderfällen

178Wenn das im Ausland ansässige verbundene Unternehmen lediglich den formellen Anstellungsvertrag mit der natürlichen Person schließt und an das inländische verbundene Unternehmen überlässt und die natürliche Person in das deutsche Handelsregister einträgt, ist das deutsche aufnehmende Unternehmen dann als wirtschaftlicher Arbeitgeber anzusehen, wenn die Person in das deutsche aufnehmende Unternehmen eingebunden ist (s. Tz. 4.3.3.3.1, Rn. 155 ff.) und das aufnehmende Unternehmen den Arbeitslohn (infolge seines eigenen betrieblichen Interesses an der Tätigkeit) für die ihm geleistete unselbständige Arbeit wirtschaftlich trägt oder nach dem Fremdvergleichsgrundsatz hätte tragen müssen (s. Tz. 4.3.3.3.2, Rn. 159 ff.). Dies gilt auch in den Fällen, in denen für die Tätigkeit als leitende Person beim inländischen verbundenen Unternehmen keine gesonderte Vergütung vereinbart wird oder die Tätigkeit für das inländische verbundene Unternehmen ausdrücklich unentgeltlich erfolgen soll, da der auf die leitende Tätigkeit entfallende Lohnanteil bereits in dem insgesamt im Ausland geschuldeten Arbeitslohn enthalten ist ( BStBl II 2022 S. 562).

179Dies gilt allerdings nicht, wenn die oben genannte leitende Person zur Erfüllung einer Dienstleistungsverpflichtung des entsendenden Unternehmens bei einem verbundenen Unternehmen tätig wird und ihr Arbeitslohn Preisbestandteil der Dienstleistung ist. In diesem Fall ist zu prüfen, ob durch die Tätigkeit dieser Person eine Betriebsstätte der Managementgesellschaft begründet wird, der diese Aufwendungen zuzuordnen sind (s. Tz. 4.4, Rn. 213 ff.).

180Das Besteuerungsrecht für den Arbeitslohn, der dem inländischen verbundenen Unternehmen nach dem Fremdvergleichsgrundsatz zuzurechnen ist, steht nach den allgemeinen Grundsätzen des Art. 15 OECD-MA Deutschland zu, sofern die natürliche Person in Deutschland ansässig ist. Ist die natürliche Person im Ausland ansässig, gilt dies nur insoweit, als die Tätigkeit in Deutschland ausgeübt wird. Sondervorschriften in einzelnen DBA zu Geschäftsführern, Vorständen oder anderen leitenden Angestellten wie z. B. Art. 16 DBA-Belgien, Art. 15 Abs. 2 DBA-Niederlande, Art. 16 DBA-Österreich, Art 16 DBA-Polen und Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz sind jedoch stets vorrangig anzuwenden (s. Tz 6.1, Rn. 352 ff.). In diesen Sonderfällen ist der Ort, an dem die Tätigkeit für das inländische Unternehmen ausgeübt wird, für die Zuteilung des Besteuerungsrechts der Einkünfte aus unselbständiger Arbeit unbeachtlich. Die Sondervorschriften gelten jedoch nur, wenn die Gesellschaft nicht im gleichen Staat ansässig ist wie die vorgenannte leitende Person. Des Weiteren ist auch in diesen Fällen zu prüfen, ob die Freistellungsmethode oder die Anrechnungsmethode anzuwenden ist.

181Beispiel:

X (mit einzigem Wohnsitz in Österreich) ist Vorstand bei der in Österreich ansässigen Y AG. Der monatliche laufende Arbeitslohn beträgt 10.000 €. Darüber hinaus erhält X eine Weihnachtszuwendung von 30.000 €. Im Jahr 01 wird der Arbeitsvertrag dahingehend geändert, dass X bei der in Deutschland neu gegründeten Z GmbH (Tochtergesellschaft der Y AG) als Geschäftsführer tätig werden soll (Eintragung des X in das deutsche Handelsregister). Es wird vereinbart, dass X die Tätigkeit in Deutschland unentgeltlich erbringt. Nach den tatsächlichen Verhältnissen ergibt sich, dass X 40 % seiner Arbeitszeit für die deutsche Z GmbH aufwendet. Die restlichen 60 % entfallen auf die schon bisher ausgeübte Tätigkeit in Österreich. Die Tätigkeit für die deutsche Z GmbH wird je zu 50 % in Deutschland und in Österreich ausgeübt. Das von der österreichischen Y AG ausgezahlte Gehalt bleibt unverändert. Ein gesonderter Arbeitsvertrag mit der deutschen Z GmbH wird nicht geschlossen. X begründet in Deutschland keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt. In Deutschland ist zudem ein weiterer Geschäftsführer für die Z GmbH tätig. Es existiert keine Dienstleistungsvereinbarung zwischen der Y AG und der Z GmbH.

Lösung:

Die Tätigkeit des X ist nach dem Gesamtbild der Verhältnisse als nichtselbständige Arbeit zu werten. Nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise sind aufgrund des Umfangs der Tätigkeit für die deutsche Z GmbH 40 % von 150.000 € (= 60.000 €) der Z GmbH zuzuordnen.

X erzielt aus seiner Tätigkeit für die deutsche Z GmbH inländische Einkünfte nach § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe c EStG.

Die Z GmbH ist als wirtschaftlicher Arbeitgeber i. S. des DBA-Österreich anzusehen. Nach Art. 16 Abs. 2 DBA-Österreich steht Deutschland für den gesamten Betrag der Geschäftsführervergütung (60.000 €) das Besteuerungsrecht zu. Dies gilt unabhängig davon, dass die Tätigkeit sowohl in Deutschland als auch in Österreich ausgeübt wird. Die deutsche Z GmbH ist als wirtschaftlicher Arbeitgeber i. S. des § 38 Abs. 1 Satz 2 EStG zum Lohnsteuerabzug verpflichtet.

182Abwandlung:

Die Y AG befindet sich nicht in Österreich, sondern in Liechtenstein, und X (mit einzigem Wohnsitz in Liechtenstein) übt seine Tätigkeit in Liechtenstein und in Deutschland aus.

Lösung:

Zwar unterliegt X nach wie vor mit 60.000 € der beschränkten Steuerpflicht in Deutschland. Diese wird jedoch nach Art. 14 Abs. 1 DBA-Liechtenstein insoweit beschränkt, als die Geschäftsführertätigkeit im Inland ausgeübt wurde. Deutschland kann also lediglich einen Arbeitslohn i. H. v. 30.000 € besteuern. Der Rückfall des Besteuerungsrechts an den Ansässigkeitsstaat nach Art. 14 Abs. 2 DBA-Liechtenstein greift nicht, da die deutsche Z GmbH als wirtschaftlicher Arbeitgeber in Deutschland anzusehen ist.

183Die Grundsätze dieser Textziffer gelten auch in den Fällen, in denen es sich nicht um verbundene Unternehmen handelt.

4.3.3.3.6 Gestaltungsmissbrauch i. S. des § 42 AO

184Dient eine Arbeitnehmerentsendung ausschließlich oder fast ausschließlich dazu, die deutsche Besteuerung zu vermeiden, ist im Einzelfall zu prüfen, ob ein Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten nach § 42 AO vorliegt.

185Beispiel:

Ein in der Schweiz ansässiger Gesellschafter-Geschäftsführer einer inländischen Kapitalgesellschaft unterlag in der Vergangenheit der inländischen Besteuerung nach Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz. Die Grenzgängereigenschaft des Art. 15a DBA-Schweiz war bei ihm nicht gegeben. Er legt seine Beteiligung in eine Schweizer AG ein, an der er ebenfalls als Gesellschafter-Geschäftsführer wesentlich beteiligt ist und als Verwaltungsratspräsident für die Geschäftsführung verantwortlich ist. Der Veräußerungserlös ist nach Art. 13 Abs. 3 i. V. m. Abs. 4 DBA-Schweiz in Deutschland steuerfrei. Sein inländischer Anstellungsvertrag wird aufgelöst, er wird ab der Umstrukturierung als Arbeitnehmer der neuen Muttergesellschaft im Rahmen eines Managementverleihvertrags für die deutsche Tochtergesellschaft tätig.

Lösung:

Dient die gewählte Gestaltung nur dazu, die Anwendung des Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz zu vermeiden, ist die Gestaltung ungeachtet der ggf. erfüllten Kriterien der Tz. 4.3.3.1, Rn. 149 ff. nach § 42 AO nicht anzuerkennen.

4.3.3.3.7 Arbeitgeber im Rahmen einer Poolvereinbarung

186Schließen sich verbundene Unternehmen zu einem Pool zusammen, handelt es sich steuerlich um eine Innengesellschaft. Ein bestehendes zivilrechtliches Arbeitsverhältnis bleibt für die Anwendung des DBA maßgeblich.

187Beispiel:

Fünf europäische Landesgesellschaften eines international tätigen Maschinenbau-Konzerns schließen sich zusammen, um eine Einsatzgruppe von Technikern zu bilden, die je nach Bedarf in Notfällen für die Landesgesellschaften in den einzelnen Ländern tätig werden sollen. Jede Landesgesellschaft stellt hierfür drei Techniker; die Kosten der Gruppe werden nach einem Umsatzschlüssel auf die Gesellschaften verteilt.

Lösung:

Arbeitgeber i. S. des DBA ist der jeweilige zivilrechtliche Arbeitgeber (die jeweilige Landesgesellschaft) des Technikers.

4.3.4 Gewerbliche Arbeitnehmerüberlassung

188Gewerbliche Arbeitnehmerüberlassung liegt bei Unternehmen (Verleiher) vor, die Dritten (Entleiher) gewerbsmäßig Arbeitnehmer (Leiharbeitnehmer) zur Arbeitsleistung überlassen.

4.3.4.1 Beurteilung einer gewerblichen Arbeitnehmerüberlassung nach Art. 15 Abs. 1 und 2 OECD-MA entsprechenden Vorschriften

189Bei einer grenzüberschreitenden Arbeitnehmerüberlassung nimmt grundsätzlich der Entleiher die wesentlichen Arbeitgeberfunktionen wahr. Der Leiharbeitnehmer ist regelmäßig in den Betrieb des Entleihers eingebunden. Dementsprechend ist (abweichend von Tz. 4.3.3.3.1, Rn. 158) bereits mit Aufnahme der Tätigkeit des Leiharbeitnehmers beim Entleiher i. d. R. dieser als Arbeitgeber i. S. des DBA anzusehen.

190Bei einer doppel- oder mehrstöckigen gewerblichen Arbeitnehmerüberlassung ist i. d. R. der letzte Entleiher in der Kette als wirtschaftlicher Arbeitgeber nach DBA anzusehen (s. Beispiel 9, Rn. 201).

191Die Arbeitgeberstellung des Entleihers ergibt sich insbesondere anhand nachfolgender Kriterien (s. auch Tz. 8.14 OECD-MK zu Art. 15 OECD-MA). Dabei sind die einzelnen Kriterien nach den Umständen des Einzelfalls ggf. unterschiedlich zu gewichten:

  • Der Entleiher trägt die Verantwortung oder das Risiko für die durch die Tätigkeit des Arbeitnehmers erzielten Ergebnisse.

  • Der Entleiher hat im Falle von Beanstandungen das Recht, den Arbeitnehmer an den Verleiher zurückzuweisen.

  • Der Entleiher hat das Recht, dem Arbeitnehmer Weisungen zu erteilen, auf welche Weise die anfallenden Arbeiten auszuführen sind.

  • Der Entleiher kontrolliert und verantwortet die Einrichtung, in der der Arbeitnehmer seine Tätigkeit ausübt.

  • Der Entleiher stellt dem Arbeitnehmer im Wesentlichen die Werkzeuge und das Material zur Verfügung.

  • Der Entleiher bestimmt die Zahl und die Qualifikation der Arbeitnehmer.

  • Der Entleiher trägt das Lohnkostenrisiko im Falle der Nichtbeschäftigung.

  • Der Entleiher legt die Arbeitszeiten sowie die Urlaubszeiten des Arbeitnehmers fest bzw. muss diesen zustimmen.

  • Die Vergütung für den Verleiher wird auf Grundlage der Arbeitszeit des verliehenen Arbeitnehmers berechnet. Es handelt sich nicht lediglich um eine Art Dienstleistungsvertrag, in dem die Arbeitsstunden des Arbeitnehmers ggf. einer von vielen Kostenbestandteilen sind.

192In begründeten Ausnahmefällen kann auch der Verleiher als Arbeitgeber i. S. des DBA anzusehen sein, weil wesentliche Arbeitgeberfunktionen beim Verleiher verbleiben. Dies setzt jedoch regelmäßig voraus, dass die Vergütung für den Verleiher unabhängig von der geleisteten Arbeitszeit des verliehenen Arbeitnehmers ermittelt wird ( BStBl II 2003 S. 306) und die gewerbliche Arbeitnehmerüberlassung lediglich von kurzer Dauer ist (nach dem zuvor genannten BFH-Beschluss zweieinhalb Wochen).

193Beispiel 1: Verleih im Inland mit anschließender grenzüberschreitender Lieferungs- oder Werkleistungsverpflichtung

Der im Inland ansässige Verleiher überlässt den im Inland ansässigen Arbeitnehmer an ein ebenfalls im Inland ansässiges Unternehmen (Entleiher), das den Arbeitnehmer für nicht mehr als 183 Tage zur Erfüllung einer eigenen Lieferungs- oder Werkleistungsverpflichtung bei einem fremden dritten Unternehmen im Ausland einsetzt.

Lösung:

Das im Ausland ansässige Unternehmen nimmt als Empfänger einer Lieferung bzw. Werkleistung keinerlei Arbeitgeberfunktionen gegenüber dem Arbeitnehmer wahr und ist damit nicht dessen Arbeitgeber im abkommensrechtlichen Sinne. Wirtschaftlicher Arbeitgeber des Arbeitnehmers ist vielmehr der im Inland ansässige Entleiher. Das Besteuerungsrecht für die vom Arbeitnehmer im Ausland ausgeübte Tätigkeit richtet sich ausschließlich nach den Art. 15 Abs. 1 und 2 OECD-MA entsprechenden Vorschriften der DBA. Da der Arbeitnehmer nicht mehr als 183 Tage im Ausland eingesetzt ist und der Entleiher dort weder ansässig ist, noch eine Betriebsstätte unterhält, steht das Besteuerungsrecht für die Vergütungen aus der Tätigkeit ausschließlich Deutschland zu.

194Beispiel 2: Verleih im Inland mit anschließender grenzüberschreitender Arbeitnehmerentsendung

Der im Inland ansässige Verleiher überlässt den im Inland ansässigen Arbeitnehmer an ein ebenfalls im Inland ansässiges Unternehmen (Entleiher), das den Arbeitnehmer für nicht mehr als 183 Tage im Ausland bei einem zum Konzern gehörenden Unternehmen einsetzt.

Lösung:

In diesem Fall ist zu prüfen, welche der beiden Konzerngesellschaften als Arbeitgeber i. S. des DBA anzusehen ist (s. Tz. 4.3.3, Rn. 149 ff.). Ist der im Inland ansässige Entleiher der wirtschaftliche Arbeitgeber des Leiharbeitnehmers, entspricht die Lösung der im Beispiel 1 und das Besteuerungsrecht verbleibt im Inland.

Ist dagegen das im Ausland ansässige Unternehmen als wirtschaftlicher Arbeitgeber anzusehen, sind die Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 2 OECD-MA nicht erfüllt und der ausländische Tätigkeitsstaat hat nach Art. 15 Abs. 1 OECD-MA das Besteuerungsrecht.

195Beispiel 3: Grenzüberschreitender Verleih mit anschließender Lieferungs- oder Werkleistungsverpflichtung im Inland

Der im Inland ansässige Verleiher überlässt den im Inland ansässigen Arbeitnehmer an ein im Ausland ansässiges Unternehmen (Entleiher), das den Arbeitnehmer für nicht mehr als 183 Tage zur Erfüllung einer eigenen Lieferungs- oder Werkleistungsverpflichtung bei einem Unternehmen im Inland einsetzt.

Lösung:

Es liegt eine grenzüberschreitende gewerbliche Arbeitnehmerüberlassung vor, in deren Rahmen der Arbeitnehmer an ein im Ausland ansässiges Unternehmen verliehen wird. Der Entleiher ist auch Arbeitgeber im abkommensrechtlichen Sinne, sofern er die wesentlichen Arbeitgeberfunktionen wahrnimmt. Soweit jedoch der Arbeitnehmer seine unselbständige Arbeit im Inland ausübt, ist der Ansässigkeitsstaat des Arbeitnehmers zugleich dessen Tätigkeitsstaat. Für die auf diese Tätigkeit entfallenden Vergütungen hat Deutschland das ausschließliche Besteuerungsrecht. Allein deshalb, weil der im anderen Vertragsstaat ansässige Entleiher im abkommensrechtlichen Sinne der Arbeitgeber ist und den Arbeitslohn an den Arbeitnehmer zahlt, ist das Besteuerungsrecht nicht dem anderen Vertragsstaat zuzuweisen.

196Beispiel 4: Grenzüberschreitender Verleih mit anschließender Arbeitnehmerentsendung in das Inland

Der im Inland ansässige Verleiher überlässt den im Inland ansässigen Arbeitnehmer an ein im Ausland ansässiges Unternehmen (Entleiher), das den Arbeitnehmer für nicht mehr als 183 Tage bei einem im Inland ansässigen zum Konzern gehörenden Unternehmen einsetzt.

Lösung:

Soweit der Arbeitnehmer seine unselbständige Arbeit im Inland ausübt, ist der Ansässigkeitsstaat des Arbeitnehmers zugleich dessen Tätigkeitsstaat. Für die auf diese Tätigkeit entfallenden Vergütungen hat Deutschland das ausschließliche Besteuerungsrecht. In diesem Fall ist (abweichend von Beispiel 2, Rn. 194) nicht entscheidend, welche der beiden Konzerngesellschaften als Arbeitgeber i. S. des DBA anzusehen ist.

197Beispiel 5: Grenzüberschreitender Verleih mit anschließender Lieferungs- oder Werkleistungsverpflichtung im gleichen ausländischen Staat

Der im Inland ansässige Verleiher überlässt den im Inland ansässigen Arbeitnehmer an ein im Ausland ansässiges Unternehmen (Entleiher), das den Arbeitnehmer für nicht mehr als 183 Tage zur Erfüllung einer eigenen Lieferungs- oder Werkleistungsverpflichtung bei einem dritten Unternehmen im gleichen ausländischen Staat einsetzt.

Lösung:

Es liegt eine grenzüberschreitende gewerbliche Arbeitnehmerüberlassung vor, in deren Rahmen der Arbeitnehmer an ein im Ausland ansässiges Unternehmen entliehen und auch in diesem ausländischen Staat tätig wird. Der Entleiher ist Arbeitgeber im abkommensrechtlichen Sinne, sofern er die wesentlichen Arbeitgeberfunktionen wahrnimmt. Die Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 2 OECD-MA sind nicht erfüllt und der ausländische Tätigkeitsstaat hat nach Art. 15 Abs. 1 OECD-MA das Besteuerungsrecht.

198Beispiel 6: Grenzüberschreitender Verleih mit anschließender Arbeitnehmerentsendung innerhalb des gleichen ausländischen Staats

Der im Inland ansässige Verleiher überlässt den im Inland ansässigen Arbeitnehmer an ein im Ausland ansässiges Unternehmen (Entleiher), das den Arbeitnehmer für nicht mehr als 183 Tage bei einem im gleichen ausländischen Staat ansässigen zum Konzern gehörenden Unternehmen einsetzt.

Lösung:

Die Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 2 OECD-MA sind nicht erfüllt und der ausländische Tätigkeitsstaat hat nach Art. 15 Abs. 1 OECD-MA das Besteuerungsrecht für die Vergütungen, die auf diese Tätigkeit entfallen. In diesem Fall ist (abweichend von Beispiel 2, Rn. 194) nicht entscheidend, welche der beiden Konzerngesellschaften als Arbeitgeber i. S. des DBA anzusehen ist, da beide im gleichen ausländischen Staat ansässig sind.

199Beispiel 7: Grenzüberschreitender Verleih mit anschließender Lieferungs- oder Werkleistungsverpflichtung in einem weiteren ausländischen Staat

Der im Inland ansässige Verleiher überlässt den im Inland ansässigen Arbeitnehmer an ein im Staat X ansässiges Unternehmen (Entleiher), das den Arbeitnehmer für nicht mehr als 183 Tage zur Erfüllung einer eigenen Lieferungs- oder Werkleistungsverpflichtung bei einem dritten Unternehmen im Staat Y einsetzt.

Lösung:

Es liegt eine grenzüberschreitende gewerbliche Arbeitnehmerüberlassung vor, in deren Rahmen der Arbeitnehmer an das in Staat X ansässige Unternehmen entliehen wird. Der Entleiher ist Arbeitgeber im abkommensrechtlichen Sinne, sofern er die wesentlichen Arbeitgeberfunktionen wahrnimmt. Staat X hat nach Art. 15 Abs. 1 OECD-MA dennoch kein Besteuerungsrecht für die Vergütungen, soweit diese auf die im Staat Y ausgeübte Tätigkeit des Arbeitnehmers entfallen.

Das im Staat Y ansässige Unternehmen nimmt keinerlei Arbeitgeberfunktionen gegenüber dem Arbeitnehmer wahr und ist damit nicht dessen Arbeitgeber im abkommensrechtlichen Sinne. Wenn der Arbeitnehmer nicht mehr als 183 Tage in Staat Y eingesetzt ist und der nicht in Staat Y ansässige Arbeitgeber im abkommensrechtlichen Sinne dort keine Betriebsstätte unterhält, steht das Besteuerungsrecht für die Vergütungen aus der Tätigkeit ausschließlich Deutschland zu.

200Beispiel 8: Grenzüberschreitender Verleih mit anschließender Arbeitnehmerentsendung in einen weiteren ausländischen Staat

Der im Inland ansässige Verleiher überlässt den im Inland ansässigen Arbeitnehmer an ein im Staat X ansässiges Unternehmen (Entleiher), das den Arbeitnehmer für nicht mehr als 183 Tage bei einem zum Konzern gehörenden, in Staat Y ansässigen Unternehmen einsetzt.

Lösung:

In diesem Fall ist zu prüfen, welche der beiden in ausländischen Staaten ansässigen Konzerngesellschaften als Arbeitgeber i. S. des DBA anzusehen ist (s. Tz. 4.3.3, Rn. 149 ff.). Ist der im Staat X ansässige Entleiher der wirtschaftliche Arbeitgeber des Leiharbeitnehmers, entspricht die Lösung der im Beispiel 7 (Rn. 199) und das Besteuerungsrecht bleibt im Inland.

Ist dagegen das im Staat Y ansässige Unternehmen als wirtschaftlicher Arbeitgeber anzusehen, sind die Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 2 OECD-MA nicht erfüllt und der ausländische Tätigkeitsstaat Y hat nach Art. 15 Abs. 1 OECD-MA das Besteuerungsrecht.

201Beispiel 9: Grenzüberschreitender Verleih mit anschließendem Verleih in einen weiteren ausländischen Staat

Der im Inland ansässige gewerbliche Verleiher überlässt den im Inland ansässigen Arbeitnehmer an ein im Staat X ansässiges Unternehmen (Entleiher), das ebenfalls ein gewerblicher Verleiher ist und den Arbeitnehmer für nicht mehr als 183 Tage einem dritten, in Staat Y ansässigen Unternehmen (Entleiher) überlässt. Der Arbeitnehmer wird im Staat Y tätig.

Lösung:

Es liegt eine grenzüberschreitende gewerbliche Arbeitnehmerüberlassung vor. Als wirtschaftlicher Arbeitgeber im abkommensrechtlichen Sinne ist der letzte, in Staat Y ansässige Entleiher in der Kette anzusehen, sofern er die wesentlichen Arbeitgeberfunktionen wahrnimmt. Die Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 2 OECD-MA sind nicht erfüllt und der ausländische Tätigkeitsstaat Y hat nach Art. 15 Abs. 1 OECD-MA das Besteuerungsrecht.

202Die vorstehenden Grundsätze zum grenzüberschreitenden Arbeitnehmerverleih sind auch in den Fällen anzuwenden, in denen ein im Inland ansässiger Arbeitnehmer bei einem ausländischen gewerbsmäßigen Arbeitnehmerverleiher beschäftigt ist und dieser den Arbeitnehmer an ein Unternehmen im Ausland verleiht.

4.3.4.2 Besondere Regelungen in einzelnen DBA

203Einige DBA enthalten zur Vermeidung von Missbrauch in Fällen von grenzüberschreitenden Leiharbeitsverhältnissen besondere Regelungen. Diese Sonderregelungen sind als sog. Spezialregelungen vorrangig anzuwenden (Stand ): Protokoll Ziffer 5 zu Art. 15 DBA-Albanien,

204Regelmäßig bleibt es beim Besteuerungsrecht des Tätigkeitsstaates nach den Art. 15 Abs. 1 OECD-MA entsprechenden Vorschriften der DBA, unabhängig davon, wie lange der Arbeitnehmer in diesem Staat tätig ist.

205In folgenden Fällen vermeidet Deutschland als Ansässigkeitsstaat die Doppelbesteuerung durch die Anrechnungsmethode (Stand: ):

206Art. 15 Abs. 3 DBA-Österreich regelt, dass Art. 15 Abs. 2 Buchstabe b (Arbeitgeber i. S. des DBA) für den Fall der gewerblichen Arbeitnehmerüberlassung dann keine Anwendung findet, wenn sich der Arbeitnehmer nicht länger als 183 Tage im anderen Staat aufhält. Damit wird dem Ansässigkeitsstaat des Arbeitnehmers das Besteuerungsrecht auch dann zugewiesen, wenn der Entleiher seinen Sitz im Tätigkeitsstaat hat und sich der Arbeitnehmer an nicht mehr als 183 Tagen im anderen Staat aufgehalten hat. Die Regelung des DBA wird durch Nr. 6 des Protokolls zum DBA-Österreich dahingehend flankiert, dass die 183-Tage-Regelung nur dann nicht zur Anwendung kommt, wenn der Verleiher im anderen Staat eine Betriebsstätte unterhält, die die Vergütungen trägt. Steht nach diesen Regeln Österreich als Tätigkeitsstaat das Besteuerungsrecht zu, vermeidet Deutschland die Doppelbesteuerung durch Anwendung der Freistellungsmethode nach Art. 23 Abs. 1 Buchstabe a DBA-Österreich.



207In folgenden Fällen, in denen es wegen der Anwendung der Anrechnungsmethode im laufenden Kj. zu einer zeitweiligen Doppelbesteuerung kommen kann, bestehen keine Bedenken, dass aus Billigkeitsgründen entsprechend der Regelung des § 39a Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Buchstabe c EStG maximal das Vierfache der voraussichtlich abzuführenden ausländischen Abzugsteuer als Freibetrag für das Lohnsteuerabzugsverfahren gebildet wird, begrenzt auf die Höhe des voraussichtlichen im Ausland zu versteuernden Arbeitslohns, für den die Anrechnungsmethode anzuwenden ist:

  • Das DBA sieht für Lohneinkünfte die Anwendung der Anrechnungsmethode vor (s. Rn. 205).

  • Die Berücksichtigung ausländischer Steuern nach § 34c Abs. 1 EStG, die von Staaten erhoben werden, mit denen kein DBA besteht, und wenn der ATE ( BStBl 2022 I S. 997) nicht anzuwenden ist.

208Hierzu ist es erforderlich, dass der Arbeitnehmer durch geeignete Unterlagen (z. B. Bestätigung des Arbeitgebers) glaubhaft macht, dass der Quellensteuerabzug im anderen Staat bereits vorgenommen wurde oder mit dem Quellensteuerabzug zumindest ernsthaft zu rechnen ist. Bei der Berechnung des Freibetrags dürfen ausländische Steuern eines Nicht-DBA-Staates nur zugrunde gelegt werden, wenn sie der deutschen Einkommensteuer entsprechen (Anhang 12 II Einkommensteuer-Handbuch). Auf die Veranlagungsverpflichtung nach § 46 Abs. 2 Nr. 4 EStG wird hingewiesen.

4.3.5 Gelegentliche Arbeitnehmerüberlassung zwischen fremden Dritten

209Sofern gelegentlich ein Arbeitnehmer bei einem fremden Dritten eingesetzt wird, kann entweder eine Arbeitnehmerüberlassung oder eine Tätigkeit zur Erfüllung einer Lieferungsoder Werkleistungsverpflichtung vorliegen.

210Eine gelegentliche Arbeitnehmerüberlassung liegt grundsätzlich dann vor, wenn der zivilrechtliche Arbeitgeber, dessen Unternehmenszweck nicht die Arbeitnehmerüberlassung ist, mit einem nicht verbundenen Unternehmen vereinbart, den Arbeitnehmer für eine befristete Zeit bei letztgenanntem Unternehmen tätig werden zu lassen und das aufnehmende Unternehmen entweder eine arbeitsrechtliche Vereinbarung (Arbeitsverhältnis) mit dem Arbeitnehmer schließt oder als wirtschaftlicher Arbeitgeber anzusehen ist.

211Bezogen auf die vom Entleiher gezahlten Vergütungen ist in diesen Fällen unter den Voraussetzungen der Tz. 4.3.2 und Tz. 4.3.3.3 regelmäßig der Entleiher als Arbeitgeber i. S. des DBA anzusehen.

212Beispiel: Arbeitnehmerüberlassung zwischen fremden Dritten

Ein in Spanien ansässiges Unternehmen S und ein in Deutschland ansässiges Unternehmen D sind ausschließlich mit der Ausübung technischer Dienstleistungen befasst. Sie sind keine verbundenen Unternehmen i. S. des Art. 9 OECD-MA. D benötigt für eine Übergangszeit die Leistungen eines Spezialisten, um eine Bauleistung im Inland fertig zu stellen und wendet sich deswegen an S. Beide Unternehmen vereinbaren, dass X, ein in Spanien ansässiger Angestellter von S, für die Dauer von vier Monaten für D unter der direkten Aufsicht von dessen erstem Ingenieur arbeiten soll. X bleibt während dieser Zeit formal weiterhin bei S angestellt. D zahlt S einen Betrag, der dem Gehalt, Sozialversicherungsabgaben, Reisekosten und anderen Vergütungen des Technikers für diesen Zeitraum entspricht. Zusätzlich wird ein Aufschlag von 5 % gezahlt. Es wurde vereinbart, dass S von allen Schadensersatzansprüchen, die in dieser Zeit aufgrund der Tätigkeit von X entstehen sollten, befreit ist.

Lösung:

Es liegt eine gelegentliche Arbeitnehmerüberlassung zwischen fremden Unternehmen vor. D ist während des genannten Zeitraums als wirtschaftlicher Arbeitgeber des X anzusehen, da der Angestellte X in den Betrieb von Unternehmen D eingegliedert ist und dieses auch alle angefallenen Kosten für ihn trägt. Die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 14 Abs. 2 Buchstabe b DBA-Spanien sind damit nicht erfüllt. Gemäß Art. 14 Abs. 1 DBA-Spanien hat somit Deutschland als Tätigkeitsstaat das Besteuerungsrecht für die Vergütungen des X für den genannten Zeitraum. Der Aufschlag i. H. v. 5 % stellt keinen Arbeitslohn des X dar.

X ist in Deutschland nach innerstaatlichem Recht beschränkt steuerpflichtig, weil die Tätigkeit in Deutschland ausgeübt wurde (§ 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe a EStG).

D ist inländischer Arbeitgeber i. S. des § 38 Abs. 1 Satz 2 EStG, da es den Arbeitslohn für die ihm geleistete Arbeit wirtschaftlich trägt und somit zum Lohnsteuerabzug verpflichtet.

4.4 Zahlung des Arbeitslohns zu Lasten einer Betriebsstätte des Arbeitgebers im Tätigkeitsstaat - Art. 15 Abs. 2 Buchstabe c OECD-MA

213Ist die Vergütung von einer Betriebsstätte des Arbeitgebers im Tätigkeitsstaat getragen worden, sind die Voraussetzungen für die alleinige Besteuerung im Ansässigkeitsstaat nach Art. 15 Abs. 2 Buchstabe c OECD-MA nicht erfüllt.

214Maßgebend für den Begriff der „Betriebsstätte“ ist die Definition in dem jeweiligen Abkommen (Art. 5 OECD-MA). Nach vielen DBA wird z. B. eine Bauausführung oder Montage erst ab einem Zeitraum von mehr als 12 Monaten zu einer Betriebsstätte (abweichend von § 12 AO, wonach bei einer Dauer von mehr als sechs Monaten eine Betriebsstätte vorliegt).

215Der Arbeitslohn wird von einer Betriebsstätte getragen, wenn die Zahlungen wirtschaftlich der Betriebsstätte zuzuordnen sind. Nicht entscheidend ist, wer die Vergütungen auszahlt oder in seiner Teilbuchführung abrechnet. Es kommt nicht darauf an, dass die Vergütungen zunächst von der Betriebsstätte ausgezahlt und später vom übrigen Unternehmen erstattet werden. Ebenso ist es nicht entscheidend, wenn eine zunächst vom übrigen Unternehmen ausgezahlte Vergütung später in der Form einer Kostenumlage auf die ausländische Betriebsstätte abgewälzt wird. Entscheidend ist allein, ob und ggf. in welchem Umfang die ausgeübte Tätigkeit des Arbeitnehmers nach dem jeweiligen DBA der Betriebsstätte zuzuordnen ist (für die Zuordnung des Arbeitslohns an eine Betriebsstätte siehe die unter der Rn. 218 genannten BMF-Schreiben) und die Vergütung deshalb wirtschaftlich zu Lasten der Betriebsstätte geht ( BStBl 1988 II S. 819).

216Eine Betriebsstätte kann zivilrechtlich nicht Arbeitgeber sein. Dies gilt unabhängig davon, welchem Vertragsstaat die maßgeblichen Personalfunktionen i. S. des § 1 Abs. 5 AStG zuzuordnen sind. Damit bleibt es auch ohne Auswirkung, ob in einem DBA der einschlägige Artikel zur Besteuerung der Unternehmensgewinne (z. B. Art. 7 DBA-Luxemburg, Protokoll Nr. 4 zu Art. 7 DBA-USA und Art. 7 DBA-Vereinigtes Königreich) bezüglich des Betriebsstättengewinns eine Formulierung entsprechend dem OECD-Betriebsstättenbericht 2010 (AOA) enthält. Der Grundsatz des AOA, wonach Betriebsstätten bei der Gewinnermittlung nach DBA als selbständige Unternehmen behandelt werden (Selbständigkeitsfiktion), ist bei Arbeitnehmerentsendung zwischen einer Betriebsstätte und dem übrigen Unternehmen nicht zu übernehmen.

217Eine selbständige Tochtergesellschaft (z. B. GmbH) ist grundsätzlich nicht Betriebsstätte der Muttergesellschaft, kann aber ggf. eine Vertreterbetriebsstätte begründen oder selbst Arbeitgeber sein vgl. Tz. 4.3.3, Rn. 149 ff.

218Im Übrigen wird auf die „Grundsätze der Verwaltung für die Prüfung der Aufteilung der Einkünfte bei Betriebsstätten international tätiger Unternehmen“ (Betriebsstätten-Verwaltungsgrundsätze; BStBl 1999 I S. 1076, unter Berücksichtigung der Änderungen durch die BStBl 2000 I S. 1509, vom , BStBl 2004 I S. 917, und vom , BStBl 2009 I S. 888, vom , BStBl 2010 I S. 354, vom , BStBl 2013 I S. 980, vom , BStBl 2014 I S. 1258) sowie die Verwaltungsgrundsätze Betriebsstättengewinnaufteilung ( BStBl I 2017, S. 182) und die Tz. 4.3.3.1, Rn. 149 verwiesen.

219Beispiel 1:

Der in Deutschland ansässige A ist vom bis bei einer Betriebsstätte seines deutschen Arbeitgebers in Frankreich (nicht innerhalb der Grenzzone nach Art. 13 Abs. 5 DBA-Frankreich) tätig. Der Lohnaufwand ist der Betriebsstätte nach Art. 4 DBA-Frankreich als Betriebsausgabe zuzurechnen.

Lösung:

Das Besteuerungsrecht für den Arbeitslohn steht Frankreich zu. A hält sich zwar nicht länger als 183 Tage in Frankreich auf. Da der Arbeitslohn aber zu Lasten einer französischen Betriebsstätte des Arbeitgebers geht, bleibt das Besteuerungsrecht von Deutschland nicht erhalten (Art. 13 Abs. 4 DBA-Frankreich). Frankreich kann als Tätigkeitsstaat den Arbeitslohn besteuern (Art. 13 Abs. 1 DBA-Frankreich). Deutschland stellt die Einkünfte unter Progressionsvorbehalt frei (Art. 20 Abs. 1 Buchstabe a DBA-Frankreich), soweit nicht § 50d Abs. 8 bzw. 9 EStG anzuwenden sind.

220Beispiel 2:

Der in Frankreich ansässige B ist bei einer deutschen Betriebsstätte seines französischen Arbeitgebers A (nicht innerhalb der Grenzzone nach Art. 13 Abs. 5 DBA-Frankreich) vom bis in Deutschland tätig. Der Lohnaufwand ist der deutschen Betriebsstätte nach Art. 4 DBA-Frankreich als Betriebsausgabe zuzurechnen.

Lösung:

Das Besteuerungsrecht für den Arbeitslohn steht Deutschland zu. B hält sich zwar nicht länger als 183 Tage in Deutschland auf. Da der Arbeitslohn aber zu Lasten einer deutschen Betriebsstätte geht, kann Deutschland als Tätigkeitsstaat den Arbeitslohn besteuern (Art. 13 Abs 1 DBA-Frankreich i. V. m. § 1 Abs. 4 und § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe a EStG).

A ist inländischer Arbeitgeber i. S. des § 38 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, weil er im Inland über eine Betriebsstätte verfügt, und ist deshalb zum Lohnsteuerabzug verpflichtet.

221Wird ein Arbeitnehmer, dessen Tätigkeit einer Betriebsstätte in einem Vertragsstaat zuzuordnen ist, im anderen Vertragsstaat tätig, in dem sein Arbeitgeber ansässig ist, steht dem Ansässigkeitsstaat des Arbeitgebers grundsätzlich das Besteuerungsrecht zu. Dies gilt auch dann, wenn die Tätigkeit nur von kurzer Dauer ist (vgl. Art. 15 Abs. 2 Buchstabe a OCED-MA). Ohne Bedeutung ist in diesem Fall auch, wer im Verhältnis zu einer Betriebsstätte des Arbeitgebers die Aufwendungen für diese Tätigkeit trägt oder hätte tragen müssen (vgl. Art. 15 Abs. 2 Buchstabe c OCED-MA). Die Tatbestandsvoraussetzung für den Rückfall des Besteuerungsrechts an den Ansässigkeitsstaat des Arbeitnehmers im Rahmen der sog. 183-Tage-Klausel ist bereits dann nicht gegeben, wenn der Arbeitgeber (auch) im Tätigkeitsstaat ansässig ist. In diesem Fall ist die Voraussetzung des Art. 15 Abs. 2 Buchstabe b OECD-MA bereits nicht erfüllt ( BStBl 2007 II S. 810).

222Beispiel 3:

Ein im Ausland ansässiger Mitarbeiter einer

  1. ausländischen Betriebsstätte

  2. ausländischen Tochtergesellschaft

besucht für eine Woche eine interne Schulungsveranstaltung beim übrigen Unternehmen bzw. bei der Muttergesellschaft in Deutschland. Der Arbeitslohn wird (a) vollständig durch die Betriebsstätte getragen bzw. (b) von der ausländischen Tochtergesellschaft gezahlt; eine Weiterbelastung der Kosten erfolgt im Fall b) nicht.

Lösung:

zu a)

Die Betriebsstätte kann nicht Arbeitgeber sein. Deutschland hat nach Art. 15 Abs. 1 i. V. m. Art. 15 Abs. 2 Buchstabe b OECD-MA das Besteuerungsrecht für die fünf deutschen Arbeitstage, da die Arbeitsausübung in Deutschland stattfindet und der Arbeitgeber dort ansässig ist. Vom deutschen Unternehmen ist Lohnsteuer einzubehalten und abzuführen.

zu b)

Der ausländische Ansässigkeitsstaat des Arbeitnehmers hat nach Art. 15 Abs. 2 OECD-MA das ausschließliche Besteuerungsrecht an den Lohneinkünften, da der Arbeitnehmer die 183-Tage-Frist nicht überschreitet, sein Arbeitslohn nicht von einem in Deutschland ansässigen Arbeitgeber gezahlt wird und auch nicht von einer in Deutschland gelegenen Betriebsstätte seines Arbeitgebers (Tochtergesellschaft) getragen wird. Ein deutsches Besteuerungsrecht besteht daher nicht.

5 Ermittlung des steuerpflichtigen / steuerfreien Arbeitslohns

5.1 Differenzierung zwischen der Anwendung der 183-Tage-Klausel und der Ermittlung des steuerpflichtigen / steuerfreien Arbeitslohns

223Nach Art. 15 Abs. 1 OECD-MA können die Vergütungen aus unselbständiger Arbeit ausschließlich im Ansässigkeitsstaat des Arbeitnehmers besteuert werden, es sei denn, die Tätigkeit wird im anderen Staat ausgeübt. Wird die unselbständige Arbeit im anderen Staat ausgeübt, steht auch diesem Staat das Besteuerungsrecht für Vergütungen zu, die für die dort ausgeübte Tätigkeit gezahlt werden (s. Tz. 3, Rn. 99). Gemäß Art. 15 Abs. 2 OECD-MA ist zu prüfen, ob dem Ansässigkeitsstaat des Arbeitnehmers trotz der Auslandstätigkeit das ausschließliche Besteuerungsrecht an den Vergütungen aus unselbständiger Arbeit verbleibt (s. Tz. 4, Rn. 101 ff.). Im Rahmen dieser Prüfung wird u. a. eine Berechnung der nach dem jeweils anzuwendenden DBA maßgeblichen Aufenthalts- oder Ausübungstage im Ausland anhand der 183-Tage-Klausel vorgenommen. Für das Kriterium der Ansässigkeit i. S. der dem Art. 4 OECD-MA entsprechenden Bestimmung des anzuwendenden DBA (s. Tz. 1.2.1, Rn. 7 ff.), ist stets auf den Zeitpunkt des Zuflusses nach § 11 EStG abzustellen ( BStBl II 2023 S. 825).

224Die Ermittlung des steuerpflichtigen / steuerfreien Arbeitslohns erfolgt sodann in einem weiteren gesonderten Schritt.

5.2 Grundsätze bei der Ermittlung des steuerpflichtigen / steuerfreien Arbeitslohns

225Nach § 90 Abs. 2 AO hat der Steuerpflichtige den Nachweis über die Ausübung der Tätigkeit in dem anderen Staat und deren Zeitdauer durch Vorlage geeigneter Aufzeichnungen (z. B. Stundenprotokolle, Terminkalender, Reisekostenabrechnungen, Reisekalender) zu führen.

226Ist der Arbeitslohn in Deutschland nach einem DBA freizustellen, ist zunächst zu prüfen, inwieweit die Vergütungen unmittelbar der Auslandstätigkeit oder der Inlandstätigkeit zugeordnet werden können (s. Tz. 5.3, Rn. 227). Soweit eine unmittelbare Zuordnung nicht möglich ist, ist der verbleibende tätigkeitsbezogene Arbeitslohn aufzuteilen. Die Aufteilung hat der Arbeitgeber bereits im Lohnsteuerabzugsverfahren entsprechend dem BStBl 2017 I S. 473 („Ermittlung des steuerfreien und steuerpflichtigen Arbeitslohns nach den Doppelbesteuerungsabkommen sowie nach dem ATE im Lohnsteuerabzugsverfahren“) vorzunehmen; zum Erfordernis der Freistellungsbescheinigung vgl. R 39.5 LStR. Darüber hinaus hat der Arbeitgeber den steuerfrei belassenen Arbeitslohn in der Lohnsteuerbescheinigung anzugeben. Das Lohnsteuerabzugsverfahren ist ein Vorauszahlungsverfahren, dessen Besonderheiten und Regelungen nicht in das Veranlagungsverfahren hineinwirken ( BStBl 2011 II S. 479). Jedoch haftet der Arbeitgeber auch nach Erstellung der Lohnsteuerbescheinigung für die zutreffende Anmeldung und Abführung der Lohnsteuer und ist, wenn ihm dies wirtschaftlich zumutbar ist, verpflichtet, Änderungen des Lohnsteuerabzugs bei der nachfolgenden Lohnzahlung zu berücksichtigen (§ 41c Abs. 1 EStG). Die Fälle, in denen der Arbeitgeber die Lohnsteuer nicht nachträglich einbehält bzw. einbehalten kann, hat er beim Betriebsstättenfinanzamt unverzüglich anzuzeigen (§ 41c Abs. 4 EStG). Das Finanzamt ist nicht gehindert, im Einkommensteuerveranlagungsverfahren die vorgenommene Aufteilung zu überprüfen. Es ist nicht an eine fehlerhaft erteilte Freistellungsbescheinigung gebunden ( BStBl 1985 II S. 500).

5.3 Direkte Zuordnung

227Gehaltsbestandteile, die unmittelbar aufgrund einer konkreten inländischen oder ausländischen Arbeitsleistung gewährt werden, sind vorab direkt zuzuordnen. Dies können z. B. Reisekosten, Überstundenvergütungen, Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit, Auslandszulagen (z. B. Lebenshaltungskostenausgleich – „Cost of living allowance“ / COLA, Erschwerniszulage – „Hardship allowance“, Mobilitätszulage – „Mobility allowance“, s. Tz. , Rn. 339), die Gestellung einer Wohnung im Tätigkeitsstaat, Kosten für eine Orientierungsreise, Sprachunterricht, interkulturelle Schulungen, Aufwendungen für Visa oder medizinische Untersuchungen für die Auslandstätigkeit und sonstige Auslagen oder Unterstützungsleistungen für die mitumziehende Familie sein. Daran schließt sich die Würdigung an, ob überhaupt steuerpflichtiger Arbeitslohn vorliegt oder ob nicht Leistungen im ganz überwiegend betrieblichen Interesse bzw. steuerfreie Aufwandserstattungen vorliegen. Der Gesamtarbeitslohn abzüglich der direkt zugeordneten Gehaltsbestandteile ist der verbleibende Arbeitslohn.

5.4 Aufteilung des verbleibenden Arbeitslohns

228Der nicht direkt zuordenbare, verbleibende Arbeitslohn ist aufzuteilen. Zum verbleibenden Arbeitslohn gehören z. B. neben den laufenden Vergütungen (z. B. Grundgehalt) auch Zusatzvergütungen, die auf die nichtselbständige Arbeit des Arbeitnehmers innerhalb des gesamten Berechnungszeitraums entfallen (z. B. Weihnachts- und Urlaubsgeld). Hat sich das vereinbarte Gehalt während des Kj. verändert, so ist dieser Veränderung Rechnung zu tragen (s. Tz. 5.4.2, Beispiel 3, Rn. 240).

229Grundlage für die Berechnung des steuerfreien Arbeitslohns ist die Zahl der tatsächlichen Arbeitstage (s. Tz. 5.4.1, Rn. 230 ff.) innerhalb eines Erdienungszeitraums (s. Rn. 236). Den tatsächlichen Arbeitstagen ist das für die entsprechende Zeit bezogene und nicht nach Tz. 5.3, Rn. 227 direkt zugeordnete Arbeitsentgelt gegenüberzustellen (s. Tz. 5.4.2, Rn. 233 ff.).

5.4.1 Definition der tatsächlichen Arbeitstage

230Die tatsächlichen Arbeitstage sind alle Tage innerhalb eines Kj., an denen der Arbeitnehmer seine Tätigkeit tatsächlich ausübt und für die er Arbeitslohn bezieht. Krankheitstage mit oder ohne Lohnfortzahlung, Urlaubstage und Tage des ganztägigen Arbeitszeitausgleichs sind folglich keine Arbeitstage. Dagegen können auch Wochenend- oder Feiertage grundsätzlich als tatsächliche Arbeitstage zu zählen sein, wenn der Arbeitnehmer seine Tätigkeit an diesen Tagen tatsächlich ausübt und diese durch den Arbeitgeber vergütet wird. Eine solche Vergütung liegt auch vor, wenn dem Arbeitnehmer ein entsprechender Arbeitszeitausgleich gewährt wird. Als volle Arbeitstage zählen auch Tage mit verkürzten Arbeitszeiten. Es kommt weder auf die Zahl der Kalendertage (365) noch auf die Anzahl der vertraglich vereinbarten Arbeitstage an.

231Beispiel 1:

Ein Arbeitnehmer ist grundsätzlich an 250 Werktagen zur Arbeit verpflichtet und verfügt über einen Anspruch von 30 Urlaubstagen (= vereinbarte Arbeitstage: 220). Die tatsächlichen Tage verändern sich wie folgt:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
220
Übertrag von 10 Urlaubstagen vom Vorjahr
- 10
Übertrag von 20 Urlaubstagen ins Folgejahr
+ 20
30 Krankheitstage mit Lohnfortzahlung
- 30
30 Krankheitstage ohne Lohnfortzahlung
- 30
Tatsächliche Arbeitstage gesamt
170

232Beispiel 2:

Arbeitnehmer C ist laut Arbeitsvertrag von montags bis freitags dazu verpflichtet, zu arbeiten. Er macht eine Auslandsdienstreise von Freitag bis Montag, wobei C auch am Samstag und Sonntag für seinen Arbeitgeber tätig ist. Von seinem Arbeitgeber erhält C für Samstag eine Überstundenvergütung und für Sonntag einen ganztägigen Freizeitausgleich, den er bereits am Dienstag in Anspruch nimmt.

Lösung:

Außer Dienstag sind alle Tage als Arbeitstage zu zählen, da C an diesen Tagen tatsächlich und entgeltlich gearbeitet hat. An dem Dienstag wurde jedoch tatsächlich keine Tätigkeit ausgeübt.

5.4.2 Durchführung der Aufteilung

233Das aufzuteilende Arbeitsentgelt (Tz. 5.4, Rn. 228) ist in Bezug zu den tatsächlichen Arbeitstagen (Tz. 5.4.1, Rn. 230) zu setzen. Daraus ergibt sich das Arbeitsentgelt pro tatsächlichem Arbeitstag. Das aufzuteilende Arbeitsentgelt pro tatsächlichem Arbeitstag ist mit den tatsächlichen Arbeitstagen zu multiplizieren, an denen der Arbeitnehmer seine Tätigkeit im anderen Vertragsstaat ausgeübt hat, um den freizustellenden verbleibenden Arbeitslohn zu ermitteln.

234Beispiel 1: Grundfall zur Aufteilung nach tatsächlichen Arbeitstagen

A ist vom bis für seinen deutschen Arbeitgeber in Österreich tätig. Die vereinbarten Arbeitstage des A für das Kj. belaufen sich auf 220 Tage. Tatsächlich übt A jedoch seine vergütete Tätigkeit an 145 Tagen in Österreich und an 95 Tagen in Deutschland aus (240 Tage). Der aufzuteilende Arbeitslohn beträgt 120.000 €.

Lösung:

Der Arbeitslohn ist nach den tatsächlichen Arbeitstagen aufzuteilen. Den tatsächlichen Arbeitstagen im Jahr 01 ist das im Jahr 01 aufzuteilende Arbeitsentgelt i. H. v. 120.000 € gegenüberzustellen. Es ergibt sich ein aufzuteilendes Arbeitsentgelt pro tatsächlichem Arbeitstag i. H. v. 500 € (120.000 € / 240 tatsächliche Arbeitstage). Sofern keine Rückfallklauseln anzuwenden sind, stellt Deutschland Einkünfte i. H. v. 145 x 500 € = 72.500 € unter Progressionsvorbehalt steuerfrei und unterwirft 120.000 € - 72.500 € = 47.500 € (entspricht 95 x 500 €) der deutschen Besteuerung.

A muss im Rahmen der Veranlagung die Anzahl der tatsächlichen Gesamtarbeitstage und die in Österreich verbrachten Arbeitstage nachweisen, da abkommensrechtlich nur insoweit eine Freistellung in Betracht kommt. Der Nachweis der Arbeitstage, an denen im Ansässigkeitsstaat eine Tätigkeit ausgeübt wurde, reicht nicht aus.

235Beispiel 2: zweistufige Ermittlung des steuerfreien Arbeitslohns

A ist vom bis für seinen deutschen Arbeitgeber in Japan tätig. Seinen Familienwohnsitz in Deutschland behält er bei und ist daher während der Tätigkeit in Japan weiterhin in Deutschland i. S. des DBA ansässig. Er erhält im Jahr 01 einen Arbeitslohn einschließlich Weihnachtsgeld und Urlaubsgeld i. H. v. 80.000 €. Für die Tätigkeit in Japan erhält er zusätzlich eine Zulage i. H. v. 30.000 €. A ist im Jahr 01 vertraglich an 200 Tagen zur Arbeit verpflichtet, übt seine vergütete Tätigkeit jedoch tatsächlich an 220 Tagen (davon 140 in Japan) aus.

Lösung:

Deutschland hat für den Arbeitslohn, der auf die Tätigkeit in Japan entfällt, kein Besteuerungsrecht, da sich A länger als 183 Tage innerhalb eines Zwölf-Monats-Zeitraums in Japan aufgehalten hat (Art. 14, 22 Abs. 2 Buchstabe a DBA-Japan). Der steuerfreie Arbeitslohn berechnet sich wie folgt:

Die Zulage i. H. v. 30.000 € ist der Auslandstätigkeit unmittelbar zuzuordnen und deshalb im Inland steuerfrei.

Der übrige Arbeitslohn i. H. v. 80.000 € ist nach den tatsächlichen Arbeitstagen aufzuteilen. Den tatsächlichen Arbeitstagen im Jahr 01 ist das im Jahr 01 aufzuteilende Arbeitsentgelt i. H. v. 80.000 € gegenüberzustellen. Es ergibt sich ein aufzuteilendes Arbeitsentgelt pro tatsächlichem Arbeitstag i. H. v. 363,64 € (80.000 € / 220 tatsächliche Arbeitstage). Dieses Entgelt ist mit den tatsächlichen Arbeitstagen zu multiplizieren, die auf die Tätigkeit in Japan entfallen, hier 140 Tage. Von den 80.000 € Arbeitslohn sind daher 140 x 363,64 € = 50.910 € im Inland steuerfrei.

Der insgesamt steuerfreie Arbeitslohn i. H. v. 80.910 € (30.000 € + 50.910 €) ist nach Abzug von Werbungskosten, die in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Tätigkeit in Japan angefallen sind, unter Progressionsvorbehalt freizustellen (Art. 22 Abs. 2 Buchstabe a und b DBA-Japan), sofern keine Rückfallklausel anzuwenden ist. Der übrige Arbeitslohn i. H. v. 29.090 € ist im Inland steuerpflichtig.

236Dabei ist zu beachten, dass Vergütungen grundsätzlich dem Zeitraum zugeordnet werden müssen, in dem sie erdient bzw. für den sie gezahlt wurden (Erdienungszeitraum). Der Erdienungszeitraum kann kalenderjahrübergreifend zu bemessen sein oder sich – je nach Art der Zahlung – über mehrere Jahre erstrecken (z. B. bei Jubiläumszuwendungen, Mitarbeiteraktienoptionen).

237Der für die Aufteilung des laufenden Arbeitslohns maßgebliche Erdienungszeitraum ist grundsätzlich das Kj., da der Arbeitnehmer seine Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit regelmäßig erhält, weil er mit dem Arbeitgeber vereinbart hat, seine Arbeitsleistung an einer bestimmten Zahl von Tagen innerhalb eines Jahres zur Verfügung zu stellen. Die vertragliche Vereinbarung einer wöchentlichen Arbeitszeit steht dieser Betrachtungsweise nicht entgegen.

238Beginnt oder endet das Arbeitsverhältnis während des Kj., so verkürzt sich der Erdienungszeitraum auf die Dauer des Arbeitsverhältnisses während des Kj. Darüber hinaus kann ein vom Kj. abweichender Erdienungszeitraum gegeben sein, wenn ein Arbeitnehmer im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses eine neue Funktion ausübt (z. B. Beförderung, Übernahme neuer Aufgaben) und damit eine maßgebliche Veränderung seines Arbeitslohns einhergeht. Hat sich das vereinbarte Gehalt während des Kj. ohne Funktionswechsel verändert (z. B. Tarifanpassung), so kann dieser Veränderung auf Antrag Rechnung getragen werden, in dem durch die erstmalige Auszahlung des veränderten Gehalts der Beginn eines neuen Erdienungszeitraums begründet wird.

239Aus Vereinfachungsgründen kann bei der Übertragung von Urlaubstagen in ein anderes Kj. von diesem Grundsatz abgewichen werden. Die Vereinfachungsregelung greift jedoch nicht bei der finanziellen Abgeltung von Urlaubsansprüchen.

240Beispiel 3: wirtschaftliche Zuordnung zu einem Erdienungszeitraum bei Gehaltsveränderungen

Der in Deutschland ansässige A übt seine Tätigkeit als Ingenieur für einen deutschen Arbeitgeber tatsächlich an 240 Arbeitstagen pro Kj. aus (20 tatsächliche Arbeitstage im Monat). Im Kj. 01 arbeitet er im Februar und März an insgesamt 35 Arbeitstagen tatsächlich in Japan. Für die Monate Januar bis März erhält A ein monatliches Bruttogehalt i. H. v. 5.000 €. Ab April wird er zum Abteilungsleiter befördert und wird in dieser Eigenschaft bis November an insgesamt 150 Tagen in Japan tatsächlich tätig. Mit seiner Beförderung geht eine Gehaltsanpassung auf 7.500 € pro Monat einher. Ab Mai 02 erhält A eine im Tarifvertrag vorgesehene Gehaltsanpassung von 3 % (neues Bruttogehalt 7.725 €). Er war bis zu diesem Zeitpunkt an 80 Arbeitstagen in Japan tätig. Von Juni bis November arbeitete er an 105 Tagen in Japan.

Lösung:

Deutschland hat für den Arbeitslohn, der auf die Tätigkeit in Japan entfällt, kein Besteuerungsrecht, da sich A jeweils länger als 183 Tage innerhalb eines Zwölf-Monats-Zeitraums in Japan aufgehalten hat (Art. 14, 22 Abs. 2 Buchstabe a DBA-Japan). Der steuerfreie Arbeitslohn berechnet sich wie folgt:

Jahr 01:

Der im Rahmen der Beförderung zum Abteilungsleiter angefallenen, wesentlichen Gehaltserhöhung ist zwingend Rechnung zu tragen, sodass für die Aufteilung des laufenden Gehalts gesonderte Erdienungszeiträume zu betrachten sind.

Der Erdienungszeitraum für die Tätigkeit als Ingenieur endet am 31. März. Das bis dahin bezogene aufzuteilende Arbeitsentgelt pro Arbeitstag i. H. v. 250 € (15.000 € / 60 tatsächliche Arbeitstage) ist mit den in diesem Zeitraum in Japan verbrachten tatsächlichen 35 Arbeitstagen zu multiplizieren. Von den 15.000 € Arbeitslohn in diesem Zeitraum sind also 35 x 250 € = 8.750 € unter Progressionsvorbehalt steuerfrei.

Der Erdienungszeitraum für die Tätigkeit als Abteilungsleiter umfasst die Monate April bis Dezember. Das aufzuteilende Arbeitsentgelt beträgt 67.500 € (9 x 7.500 €) in diesem Erdienungszeitraum. Daraus ergibt sich ein aufzuteilendes Arbeitsentgelt pro tatsächlichem Arbeitstag i. H. v. 375 € (67.500 € / 180 tatsächliche Arbeitstage), das mit den in diesem Erdienungszeitraum in Japan verbrachten tatsächlichen 150 Arbeitstagen zu multiplizieren ist (150 x 375 € = 56.250 €). Von den 67.500 € Arbeitslohn sind somit in diesem Zeitraum 56.250 € unter Progressionsvorbehalt steuerfrei.

Insgesamt sind vom Arbeitslohn des Jahres 01 i. H. v. 82.500 € also 65.000 € (8.750 € + 56.250 €) unter Progressionsvorbehalt von der deutschen Besteuerung auszunehmen (Art. 22 Abs. 2 Buchstabe a und b DBA-Japan, § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG), soweit nicht § 50d Abs. 8 oder 9 EStG anzuwenden ist.

Jahr 02:

Das Bruttojahresgehalt setzt sich wie folgt zusammen:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Januar - April: 4 x 7.500 € =
30.000 €
Mai - Dezember: 8 x 7.725 € =
61.800 €
= Bruttojahresgehalt:
91.800 €

Das aufzuteilende Arbeitsentgelt pro tatsächlichem Arbeitstag beträgt 382,50 € (91.800 € / 240 tatsächliche Arbeitstage). Insgesamt sind also 70.762,50 € (185 x 382,50 €) unter Progressionsvorbehalt von der Besteuerung auszunehmen.

Auf Antrag könnte A auch geltend machen, dass der tarifvertraglichen Gehaltsveränderung Rechnung zu tragen ist. Insoweit wird auf die Lösung von Jahr 01 verwiesen.

241Beispiel 4: wirtschaftliche Zuordnung zu einem Erdienungszeitraum bei Gehaltsnachzahlungen

Der ausschließlich in Deutschland ansässige D übt seine Tätigkeit für einen deutschen Arbeitgeber im Rahmen einer Werkleistungsverpflichtung im Jahr 01 an 30 Tagen bei Kunden in Deutschland und an 200 Tagen bei Kunden in der Schweiz aus. Im Jahr 02 wird er ausschließlich in der Schweiz tätig. Er erhält im Februar 02 eine allgemeine Prämienzahlung für das Jahr 01.

Lösung:

Die Prämienzahlung ist nach den Verhältnissen des Erdienungszeitraums (Jahr 01) aufzuteilen und lediglich zu 200/230 unter Progressionsvorbehalt von der deutschen Besteuerung auszunehmen (Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe d DBA-Schweiz, § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG), soweit nicht § 50d Abs. 8 oder 9 EStG anzuwenden ist.

242Beispiel 5: Aufteilung bei Urlaubsübertragung

B ist in 01 und 02 für seinen deutschen Arbeitgeber sowohl im Inland als auch in Schweden tätig. Seinen Familienwohnsitz in Deutschland behält er bei. In beiden Jahren hält sich B länger als 183 Tage in Schweden auf. Die vereinbarten Arbeitstage des B belaufen sich in den Kj. 01 und 02 auf jeweils 220 Tage zuzüglich der vertraglichen Urlaubstage von je 30 Tagen. Der Urlaub von 01 und 02 wurde vollständig in 02 genommen. Die tatsächlichen Arbeitstage in 01 betrugen in Schweden 230 Tage, auf das Inland entfielen 20 Arbeitstage. In 02 entfielen 150 tatsächliche Arbeitstage auf Schweden und 40 tatsächliche Arbeitstage auf das Inland. Der aufzuteilende Arbeitslohn beträgt 50.000 € in 01 und 60.000 € in 02.

Lösung:

Deutschland hat für den Arbeitslohn, der auf die Tätigkeit in Schweden entfällt, kein Besteuerungsrecht, da sich B länger als 183 Tage in 01 und 02 in Schweden aufgehalten hat (Art. 15, 23 Abs. 1 Buchstabe a DBA-Schweden). Der steuerfreie Arbeitslohn berechnet sich wie folgt:

Jahr 01:

Die tatsächlichen 250 Arbeitstage setzen sich aus den vertraglich vereinbarten 220 Arbeitstagen und aus den in 01 nicht genommenen 30 Urlaubstagen zusammen. Die so ermittelten 250 tatsächlichen Arbeitstage sind dem aufzuteilenden Arbeitsentgelt von 50.000 € gegenüberzustellen. Das aufzuteilende Arbeitsentgelt pro Arbeitstag beträgt 200 € (50.000 € / 250 tatsächliche Arbeitstage). Dieser Betrag ist mit den Arbeitstagen zu multiplizieren, an denen sich B tatsächlich in Schweden aufgehalten hat. Von den 50.000 € Jahresarbeitslohn sind in 01 daher 46.000 € (230 x 200 €) im Inland steuerfrei und nach Abzug von Werbungskosten, die im Zusammenhang mit der in Schweden ausgeübten Tätigkeit angefallen sind, beim Progressionsvorbehalt zu berücksichtigen, soweit nicht § 50d Abs. 8 oder 9 EStG anzuwenden ist. Der übrige Arbeitslohn i. H. v. 4.000 € ist im Inland steuerpflichtig.

Jahr 02:

Wegen des aus dem Kj. 01 übertragenen Urlaubs sind nur 190 tatsächliche Arbeitstage angefallen. Aus Vereinfachungsgründen kann die wirtschaftliche Zuordnung des auf den Urlaub des Jahres 01 entfallenden Arbeitslohns verzichtet werden. Bei einem Jahresarbeitslohn von 60.000 € im Kj. 02 ergibt sich ein aufzuteilendes Arbeitsentgelt pro Arbeitstag von 315,79 € (60.000 € / 190 tatsächliche Arbeitstage). Im Kj. 02 sind danach insgesamt 47.369 € (150 x 375,79 €) im Inland steuerfrei und beim Progressionsvorbehalt zu berücksichtigen, soweit nicht § 50d Abs. 8 oder 9 EStG anzuwenden ist. Der verbleibende Betrag i. H. v. 12.631 € ist im Inland steuerpflichtig.

243Beispiel 6: finanzielle Abgeltung von Urlaubsansprüchen

Sachverhalt wie Beispiel 5. Der im Jahr 01 in das Jahr 02 übertragene Urlaubsanspruch wird jedoch nicht beansprucht, sondern vom Arbeitgeber im Juli 02 mit einer Einmalzahlung i. H. v. 10.000 € abgegolten. Der Arbeitnehmer übte im Jahr 02 seine Tätigkeit an 150 Arbeitstagen in Schweden und an 70 Arbeitstagen in Deutschland aus.

Lösung:

Jahr 01:

Lösung wie in Beispiel 5 (Rn. 242)

Jahr 02:

B hat im Jahr 02 tatsächlich an 220 Arbeitstagen seine Tätigkeit ausgeübt. Der Urlaub, der mit der Einmalzahlung abgegolten wurde, ist wirtschaftlich dem Jahr 01 zuzuordnen. Folglich sind für diese Einmalzahlung die Verhältnisse des Jahres 01 entscheidend. Im Jahr 02 ergibt sich deshalb folgender unter Progressionsvorbehalt steuerfrei zu stellender Arbeitslohn, soweit nicht

§ 50d Abs. 8 oder 9 EStG anzuwenden ist:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
60.000 € x 150/220
=
40.909 €
zzgl. 10.000 € x 230/250
=
9.200 €
steuerfrei zu stellender Arbeitslohn
=
50.109 €

Der übrige Arbeitslohn i. H. v. 19.891 € (70.000 € – 50.109 €) ist der deutschen Besteuerung zu unterwerfen.

244Erbringt der Arbeitnehmer an einem Arbeitstag seine Tätigkeit nicht ausschließlich im anderen Staat, sondern auch im Ansässigkeitsstaat oder in Drittstaaten (z. B. an Reisetagen, stundenweise Tätigkeit im Homeoffice und am betrieblichen Arbeitsplatz, vgl. Tz. 5.6, Rn. 350), so ist das Arbeitsentgelt für diesen Arbeitstag zeitanteilig aufzuteilen. Dies muss ggf. im Schätzungswege erfolgen. Hierbei ist die tatsächliche Arbeitszeit für diesen Tag zugrunde zu legen.

245Darüber hinaus ist bei der Aufteilung zu berücksichtigen, dass tatsächliche Arbeitszeiten, die in Transitländern verbracht werden, dem Ansässigkeitsstaat zuzuordnen sind. Zu den Besonderheiten bei Berufskraftfahrern s. Tz. 7, Rn. 380 ff.

246Die folgenden bilateralen Verständigungsvereinbarungen enthalten besondere Regelungen für untertägige grenzüberschreitende Tätigkeiten von Arbeitnehmern bestimmter Berufsgruppen:

  • Verständigungsvereinbarung mit Luxemburg vom hinsichtlich Berufskraftfahrern, Lokomotivführern und Begleitpersonal ( BStBl 2011 I S. 849) [1],

  • Verständigungsvereinbarung mit der Schweiz vom 9./ hinsichtlich der Arbeitnehmer im internationalen Transportgewerbe ( BStBl 2011 I S. 621).

247Für die Besteuerung des Arbeitslohns von Arbeitnehmern nach dem DBA-Luxemburg vgl. die Verständigungsvereinbarung vom ( BStBl 2011 I S. 576 [2]). Der dort verwendete Begriff „Grenzpendler“ ist auf alle Sachverhalte anzuwenden, die grenzüberschreitend tätige Arbeitnehmer betreffen und die die in der Verständigungsvereinbarung enthaltenen Voraussetzungen erfüllen. Insbesondere ist es nicht relevant, wo der Arbeitgeber ansässig ist, ob ein Arbeitnehmer für eine Betriebsstätte eines Arbeitgebers aus seinem Ansässigkeitsstaat tätig wird und ob eine regelmäßige Pendelbewegung stattfindet.

5.5 Beispiele für die Aufteilung bestimmter Lohnbestandteile

5.5.1 Tantiemen und andere Erfolgsvergütungen

248Unabhängig vom Zuflusszeitpunkt werden Erfolgsvergütungen an Arbeitnehmer i. d. R. für eine zuvor ausgeübte unselbständige Tätigkeit gewährt ( BStBl 1972 II S. 459). Sofern sie nicht für eine konkrete Tätigkeit in einem Vertragsstaat (z. B. projektbezogene Erfolgsvergütung) gezahlt werden, erfolgt die Aufteilung nach den Grundsätzen in Tz. 5.4 (Rn. 228 ff.). Der maßgebliche Erdienungszeitraum ist der Zeitraum, für den die Erfolgsvergütung gezahlt wird (vgl. Beispiel 4 Rn. 241).

5.5.2 Antrittsgeld („Signing Bonus“)

249Eine bei Abschluss des Arbeitsvertrags fällige Einmalzahlung (Antrittsgeld - „Signing Bonus“) gehört zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG, § 2 Abs. 2 Nr. 1 LStDV). Ein Antrittsgeld ist damit den Vergütungen aus unselbständiger Arbeit i. S. des Art. 15 Abs. 1 OECD-MA zuzuordnen.

250Soweit ein Antrittsgeld für eine konkrete noch auszuübende Tätigkeit gewährt wird, richtet sich das Besteuerungsrecht danach, wo die Tätigkeit erbracht werden soll ( BStBl 2018 II S. 761). Dementsprechend ist die Vergütung zunächst nach den voraussichtlich tatsächlichen Arbeitstagen des Erdienungszeitraums aufzuteilen. Der Erdienungszeitraum ist in diesem Fall grundsätzlich die Vertragslaufzeit bzw. der Eintritt der Unverfallbarkeit des Antrittsgeldes. Eine entsprechende Aufteilung ist ggf. im Wege der sachgerechten Schätzung zu ermitteln. Die Steuer ist bis zum Ende des Erdienungszeitraums nach § 165 AO vorläufig festzusetzen. Nach Abschluss des Erdienungszeitraums ist die Zuweisung des Besteuerungsrechts anhand der tatsächlichen Verhältnisse im Erdienungszeitraum zu überprüfen und bei Abweichungen gegenüber den vorläufig angenommenen Verhältnissen, z. B. insbesondere in Bezug auf die tatsächlichen Arbeitstage ggf. zu korrigieren. Die Aufteilung erfolgt nach den Grundsätzen in Tz. 5.4 (Rn. 228 ff.).

251Muss das Antrittsgeld nach dem Arbeitsvertrag oder etwaiger Nebenabreden nicht zurückgezahlt werden, wenn der Arbeitnehmer das Unternehmen vorzeitig verlässt, fehlt es an einem Erdienungszeitraum, sodass grundsätzlich dem Ansässigkeitsstaat des Arbeitnehmers das Besteuerungsrecht zusteht (Art. 15 Abs. 1 Satz 1 erster Halbsatz OECD-MA). Dies gilt nicht für zeitlich befristete Arbeitsverträge, die der Arbeitnehmer weder vorzeitig auflösen noch kündigen kann; in diesen Fällen bestimmt sich der Erdienungszeitraum entsprechend Rn. 250 nach der Vertragslaufzeit.

5.5.3 Urlaubsentgelte, Urlaubs- und Weihnachtsgeld

252Urlaubsentgelt (laufende Vergütung), Urlaubs- und Weihnachtsgeld (Vergütungen, die auf den gesamten Berechnungszeitraum entfallen) sind in die Aufteilung einzubeziehen. Dies gilt auch für Bezüge, die für den Verzicht auf den Urlaub gezahlt werden (Urlaubsabgeltung für nicht genommenen Urlaub). Dabei ist der Teil der Urlaubsentgelte im Inland freizustellen, der auf die im Ausland ausgeübte Tätigkeit entfällt (s. Beispiel 6 zu Tz. 5.4.2, Rn. 243).

5.5.4 Nachzahlung für eine frühere aktive Tätigkeit

253Eine einmalige Zahlung (z. B. Jubiläumszahlung), die eine Nachzahlung für eine frühere aktive Tätigkeit darstellt und anteilig auf die Auslands- und Inlandstätigkeit entfällt, ist nach den Grundsätzen in Tz. 5.4 (Rn. 228 ff.) aufzuteilen (s. Tz. 5.4.2, Beispiel 4, Rn. 241). Für die Zuweisung des Besteuerungsrechts kommt es nicht darauf an, zu welchem Zeitpunkt und wo die Vergütung bezahlt wird, sondern allein darauf, in welchem Umfang sie dem Arbeitnehmer für eine Auslandstätigkeit gezahlt wird ( BStBl 1992 II S. 660). Eine Nachzahlung für eine frühere aktive Tätigkeit liegt nicht vor, wenn die einmalige Zahlung ganz oder teilweise der Versorgung dient ( BStBl 1992 II S. 660).

5.5.5 Abfindungen und Vergütungen für Diensterfindungen
5.5.5.1 Grundsätze zur Besteuerung von Abfindungen

254Abfindungen, die dem Arbeitnehmer anlässlich seines Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis gezahlt werden (Entlassungsentschädigungen), sind regelmäßig den Vergütungen aus unselbständiger Arbeit i. S. des Art. 15 Abs. 1 OECD-MA zuzuordnen. Unter Abfindungen in diesem Sinne sind Zahlungen zu verstehen, die der Arbeitnehmer als Ausgleich für die mit der Auflösung des Dienstverhältnisses verbundenen Nachteile, insbesondere für den Verlust des Arbeitsplatzes, erhält. Ein zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Zufluss der Abfindung und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist nicht erforderlich, wenn ein sachlicher Zusammenhang gegeben ist.

255Nach § 50d Abs. 12 EStG gelten Abfindungen, die anlässlich der Beendigung eines Dienstverhältnisses gezahlt werden, für Zwecke der Anwendung eines DBA als für eine frühere Tätigkeit geleistetes zusätzliches Entgelt. Abfindungen sind daher nach § 50d Abs. 12 Satz 1 EStG insoweit im ehemaligen Tätigkeitsstaat des Arbeitnehmers zu besteuern, als diesem für die frühere Tätigkeit nach Art. 15 Abs. 1 OECD-MA ein Besteuerungsrecht zusteht. Maßgeblich für die Anwendung des § 50d Abs. 12 EStG und Art. 15 OECD-MA ist der Zuflusszeitpunkt i. S. des § 11 EStG i. V. m. § 38a Abs. 1 Satz 3 EStG. Für die Anwendung von § 50d Abs. 12 EStG kommt es nicht darauf an, zu welchem Zeitpunkt die Abfindungsvereinbarung getroffen wurde.

256Trifft das anzuwendende DBA für Abfindungen, die anlässlich der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses gezahlt werden, in einer gesonderten Vorschrift ausdrücklich eine von § 50d Abs. 12 Satz 1 EStG abweichende Regelung, sieht § 50d Abs. 12 Satz 2 EStG vor, dass die DBA-Regelung anzuwenden ist. § 50d Abs. 12 Satz 3 EStG regelt insbesondere den Rückfall des Besteuerungsrechts an Deutschland in entsprechender Anwendung des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG, soweit die Abfindungen im ehemaligen Tätigkeitsstaat aufgrund eines abweichenden DBA-Verständnisses nicht besteuert werden.

257Die Aufteilung der Abfindungszahlungen soll grundsätzlich nach der Dauer des Arbeitsverhältnisses beim Arbeitgeber erfolgen, da die Höhe der Abfindungszahlung i. d. R. von der Dauer des Arbeitsverhältnisses abhängt. Hat der Arbeitnehmer innerhalb eines Konzerns (ggf. auch mehrfach) den Arbeitgeber gewechselt, sind die Dienstzeiten bei den unterschiedlichen Arbeitgebern zusammenzurechnen, wenn sich die Höhe der Abfindung nach der gesamten Beschäftigungsdauer bemisst. Bei Tätigkeiten in verschiedenen Staaten bilden die jeweiligen Tätigkeitszeiten des Arbeitsverhältnisses die Grundlage für eine anteilige Zuordnung der Abfindungszahlung als nachträgliches Arbeitsentgelt i. S. des Art. 15 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA. Dies gilt beispielsweise auch dann, wenn der Arbeitnehmer während dieser Zeit unterschiedliche Positionen (mit jeweils unterschiedlichem Gehaltsniveau) innehatte. Soweit die Tätigkeitsausübung während der gesamten Beschäftigungsdauer im Einzelnen nicht mehr ermittelt werden kann, soll die Abfindungszahlung dennoch so aufgeteilt werden, dass der tatsächlichen Tätigkeitsausübung im Beschäftigungszeitraum möglichst Rechnung getragen wird. Auf die Tätigkeitsausübung in den letzten zwölf Monaten des Beschäftigungsverhältnisses kann grundsätzlich nicht abgestellt werden, es sei denn, dass Tatsachen oder Anhaltspunkte für einen längeren Zeitraum tatsächlich nicht feststellbar sind (Tz. 2.7 des OECD-MK zu Art. 15 OECD-MA).

258Beispiel:

Der ausschließlich in Deutschland ansässige Arbeitnehmer A ist seit bei einem deutschen Unternehmen beschäftigt (fünf Jahre). Er wird vom bis zum 31. Dezember 10 zu einem verbundenen Unternehmen (wirtschaftlicher Arbeitgeber) nach Japan entsandt (fünf Jahre). Im Dezember 10 wird das Beschäftigungsverhältnis des A nach zehnjähriger Betriebszugehörigkeit beendet. Er erhält eine Entlassungsabfindung i. H. v. 100.000 €. In dem Zeitraum von 01 bis 05 arbeitete er jeweils 220 Tage im Inland. In dem Zeitraum von 06 bis 10 arbeitete er jeweils 190 Tage in Japan, 20 Tage in Drittstaaten und 10 Tage im Inland.

Lösung:

Der gesamte Erdienungszeitraum bezüglich der Aufteilung der Abfindung ist zu berücksichtigen. Folglich sind die Arbeitstage des gesamten Arbeitsverhältnisses heranzuziehen. Die tatsächlichen Arbeitstage des gesamten Arbeitsverhältnisses betragen 2.200 Arbeitstage (10 x 220 Tage). Davon war A an 950 Arbeitstagen (5 x 190 Tage) in Japan tätig.

Die Entlassungsabfindung ist in Deutschland i. H. v. 43.182 € (100.000 € x 950/2.200) unter Progressionsvorbehalt steuerfrei, soweit nicht § 50d Abs. 8 oder 9 EStG anzuwenden ist (Art. 14 Abs. 1 i. V. m. Art. 22 Abs. 2 Buchstabe a und b DBA-Japan). Das Besteuerungsrecht für die in Drittstaaten ausgeübte Tätigkeit verbleibt bei einer Art. 15 Abs. 2 OECD-MA vergleichbaren Regelung bei Deutschland als Ansässigkeitsstaat. In Deutschland steuerpflichtig sind damit insgesamt 56.818 € (100.000 € abzüglich 43.182 €). § 34 EStG ist sowohl für den steuerpflichtigen Anteil der Einnahmen als auch für den steuerfreien Anteil der Einnahmen (§ 32b Abs. 2 Nr. 2 EStG) zu beachten.

259Keine Abfindungen im vorstehenden Sinne stellen Zahlungen zur Abgeltung bereits vertraglich erdienter Ansprüche wie z. B. Ausgleichszahlungen für Urlaubs- oder Tantiemeansprüche dar. Diese sind als nachträglicher Arbeitslohn anzusehen und nach den Grundsätzen in Tz. 5.4 (Rn. 228 ff.) aufzuteilen.

260Hat eine Abfindung Versorgungscharakter, wird das Besteuerungsrecht entsprechend Art. 18 OECD-MA (Ruhegehälter) zugeordnet. Ob ein solcher Versorgungscharakter vorliegt, richtet sich stets nach dem Grund der Zahlung. Dem zeitlichen Aspekt kann jedoch indizielle Bedeutung zukommen (s. Tz. 6.3, Rn. 363 ff.).

261Abfindungen zur Ablösung eines Pensionsanspruchs, die während eines laufenden Arbeitsverhältnisses oder bei dessen Beendigung ausgezahlt werden, sind als laufende Vergütungen aus unselbständiger Arbeit nach Art. 15 Abs. 1 OECD-MA zu behandeln und können im Tätigkeitsstaat besteuert werden, sofern diesem im Zeitpunkt des Zuflusses ein Besteuerungsrecht nach Art. 15 Abs. 1 OECD-MA zusteht. Sie können dagegen Versorgungscharakter haben, wenn der Arbeitnehmer höchstens ein Jahr vor dem Eintritt in den gesetzlichen Ruhestand steht. Ein Ruhegehalt kann weiterhin vorliegen, wenn bereits laufende Pensionszahlungen kapitalisiert und in einem Einmalbetrag ausgezahlt werden ( BStBl II 1976 S. 65).

5.5.5.2 Besteuerung von Abfindungen in Sonderfällen und bei Vorliegen von Konsultationsvereinbarungen

262Die steuerliche Behandlung von Abfindungszahlungen kann allerdings von den vorstehenden Grundsätzen abweichen, wenn in einem DBA hierzu eine Sonderregelung enthalten ist, mit dem jeweils betroffenen Vertragsstaat eine Konsultationsvereinbarung bezüglich der Besteuerung von Abfindungen vereinbart wurde oder aus der Fassung des im Abkommen einschlägigen Artikels eine andere Zuordnung abzuleiten ist (z. B. DBA-Frankreich s. Rn. 268).

263Mit folgenden Staaten wurden Konsultationsvereinbarungen vereinbart, die sich mit der Besteuerung von Abfindungen befassen (Stand: ):

  • Belgien, - BStBl 2007 I S. 261,

  • Luxemburg, - BStBl 2011 I S. 852,

  • Österreich, - BStBl 2010 I S. 645,

  • Schweiz, - BStBl 2010 I S. 268,

  • Vereinigtes Königreich, - BStBl 2011 I S. 1221.

264Im Verhältnis zu Belgien, Luxemburg, der Schweiz und dem Vereinigten Königreich richtet sich die steuerliche Behandlung von Abfindungen nach dem Charakter der Abfindungszahlung. Während Abfindungen mit Versorgungscharakter als Ruhegehälter im Ansässigkeitsstaat besteuert werden können, steht das Besteuerungsrecht für Abfindungen, bei denen es sich um Lohn- oder Gehaltsnachzahlungen oder andere Vergütungen aus dem früheren Arbeitsverhältnis handelt oder die allgemein für das vorzeitige Ausscheiden aus dem Dienst gewährt werden, dem (früheren) Tätigkeitsstaat zu, sofern diesem das Besteuerungsrecht für die aktive Tätigkeit zustand.

265Zur Aufteilung des Besteuerungsrechts in den Fällen, in denen der Arbeitnehmer in der Zeit vor dem Ausscheiden aus dem Dienst nicht nur in seinem (früheren) Tätigkeitsstaat, sondern auch in seinem Wohnsitzstaat oder in Drittstaaten tätig war, wird auf die oben genannten Konsultationsvereinbarungen mit Belgien, Luxemburg, der Schweiz und dem Vereinigten Königreich verwiesen. Durch den Verweis in § 50d Abs. 12 Satz 3 EStG auf Rechtsverordnungen i. S. des § 2 Abs. 2 AO sind auch die Grundsätze der jeweils einschlägigen Rechtsverordnung uneingeschränkt anzuwenden.

266Im Verhältnis zu Österreich steht nach der oben genannten Konsultationsvereinbarung das Besteuerungsrecht für Abfindungen aus Anlass der Beendigung des Arbeitsverhältnisses sowie für Urlaubsentschädigungen ungeachtet von deren Charakter stets dem Staat zu, der auch für die Bezüge aus der aktiven Zeit zur Besteuerung berechtigt war.

267Eine spezielle Regelung für Abfindungszahlungen ist im DBA mit Liechtenstein enthalten (Nr. 5 des Protokolls zu Art. 14 und 17 DBA-Liechtenstein).

268Unter das DBA-Frankreich fallende Abfindungen, die zur Abgeltung von mit der Auflösung des Arbeitsverhältnisses verbundenen Nachteilen gezahlt werden, sind aufgrund des besonderen Wortlauts des Art. 13 Abs. 1 DBA-Frankreich (abweichend zu den Art. 15 OECD-MA entsprechenden Regelungen und vorbehaltlich etwaiger Sonderregelungen, wie Art. 13 Abs. 5 DBA-Frankreich bei Grenzgängern) auch bereits vor Inkrafttreten von § 50d Abs. 12 EStG ausschließlich im (ehemaligen) Tätigkeitsstaat zu besteuern ( BStBl II 2014 S. 929). Bei Grenzgängern (s. Tz. 1.2.2.2, Rn. 29) erfolgt die Besteuerung der Abfindung im Ansässigkeitsstaat, soweit der Vergütungsempfänger während seines aktiven Berufslebens mit seinen laufenden Einkünften als Grenzgänger dem Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaates unterlag.

5.5.5.3 Erfindervergütungen

269Eine Vergütung für eine sog. Diensterfindung i. S. des § 9 des Gesetzes über Arbeitnehmererfindungen unterliegt als Arbeitslohn i. S. des § 19 EStG grundsätzlich der Steuerpflicht nach innerstaatlichem Recht ( BStBl II 2012 S. 493). Dies gilt auch dann, wenn das Arbeitsverhältnis im Zeitpunkt der Zahlung nicht mehr besteht (§ 24 Nr. 2 EStG). Bei diesen Vergütungen liegt, ausgehend von der Qualifikation nach innerstaatlichem Recht (Art. 3 Abs. 2 OECD-MA), zwar grundsätzlich Arbeitslohn i. S. des Art. 15 OECD-MA vor. Um zusätzliches Entgelt für eine frühere Tätigkeit i. S. des Art. 15 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA, für das der Tätigkeitsstaat das Besteuerungsrecht hat, handelt es sich regelmäßig jedoch nicht.

270Soweit aber die Vergütungen als konkrete Gegenleistung für eine frühere Arbeitsleistung anzusehen sind, kommt eine Besteuerung im ehemaligen Tätigkeitsstaat in Betracht; ein bloßer Anlasszusammenhang zwischen Zahlung und Tätigkeit reicht hierfür jedoch nicht aus.

5.5.6 Optionsrechte auf den Erwerb von Aktien („Stock-Options“)
5.5.6.1 Allgemeines

271Das Einräumen von Aktienoptionen ist häufig Bestandteil moderner Vergütungssysteme, wodurch Arbeitnehmer direkt an der Steigerung des Unternehmenswertes („Shareholder-Value“) beteiligt und gleichzeitig an den Arbeitgeber gebunden werden sollen.

272Aktienoptionen im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses liegen vor, wenn ein Arbeitgeber oder eine Konzernobergesellschaft (Optionsgeber) seinen Beschäftigten das Recht einräumt, sich zu einem bestimmten Übernahmepreis am Unternehmen zu beteiligen. Dieses Recht kann zu einem späteren Zeitpunkt durch den Arbeitnehmer ausgeübt und die Beteiligungen damit verbilligt bezogen werden („Stock-Options“). Mitunter wird auch das Recht eingeräumt, dass der Arbeitnehmer das Optionsrecht selbst veräußern darf, ohne vorher die Beteiligung am Unternehmen erworben zu haben.

273Zum Zeitpunkt der Besteuerung und der Aufteilung des Besteuerungsrechtes existieren international unterschiedliche Rechtsauffassungen. Eingetretene Doppelbesteuerungen können i. d. R. nur durch zwischenstaatliche Streitbeilegungsverfahren (s. Tz. 11, Rn. 423 ff.) beseitigt werden.

5.5.6.2 Zuflusszeitpunkt und Höhe des geldwerten Vorteils nach innerstaatlichem Recht

274Einnahmen, die nicht als laufender Arbeitslohn gezahlt werden (sonstige Bezüge) gelten nach § 38a Abs. 1 Satz 3 EStG als zugeflossen, wenn ein Arbeitnehmer wirtschaftlich über sie verfügen kann. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn die verbilligt überlassenen Aktien in das Eigentum des Arbeitnehmers übergegangen sind (Einbuchung der Aktien in das Depot des Arbeitnehmers). Folglich führt sowohl bei handelbaren als auch bei nicht handelbaren Aktienoptionen grundsätzlich erst die tatsächliche Ausübung („Exercise“) der Aktienoption zum Zufluss eines geldwerten Vorteils ( BStBl 2001 II S. 509, S. 512 und vom , BStBl II 2009 S. 382). Stimmt der Zeitpunkt der Optionsausübung mit dem Zeitpunkt der Gutschrift der Aktien im Depot des Arbeitnehmers nicht überein, fließt der geldwerte Vorteil erst an dem Tag zu, an dem die Aktien in das Depot des Arbeitnehmers eingebucht werden ( BStBl II 2009 S. 382 und BStBl 2021 I S. 2308, Rn. 25). Nach der im BStBl 2021 I S. 2308, Rn. 21 enthaltenen Vereinfachungsregelung kann auch auf den Tag der Ausbuchung oder den Vortag der Ausbuchung beim Überlassenden abgestellt werden.

275Werden die Aktienoptionen in der sog. „Exercise-and-Sell-Variante“, d. h. Verkauf der Aktien sofort mit Ausübung des Aktienoptionsrechts, ausgeübt, erfolgt keine Einbuchung in das Depot des Arbeitnehmers. Der Zufluss des geldwerten Vorteils gilt hier bereits grundsätzlich als im Zeitpunkt der Optionsausübung des Aktienoptionsrechts, d. h. konkret am Tag des Zugangs der Ausübungserklärung beim Optionsgeber, bewirkt. Auch in diesen Fällen können private Veräußerungsgewinne entstehen, wenn der Verkaufspreis über dem Ausübungspreis liegt (s. Tz. 5.5.6.3, Rn. 279 ff.).

276Daneben ist ein Zufluss von Arbeitslohn auch dann zu bejahen, wenn das Optionsrecht vor der Ausübung anderweitig verwertet wird, denn der für den Zufluss von Arbeitslohn maßgebliche geldwerte Vorteil, der in dem auf die Aktien gewährten Preisnachlass besteht, wird insoweit durch den Arbeitnehmer realisiert ( BStBl II 2009 S. 382 und vom , BStBl 2005 II S. 770). Eine solche Verwertung liegt insbesondere vor, wenn der Arbeitnehmer die Aktienoption auf einen Dritten überträgt ( BStBl II 2013 S. 289).

277Voraussetzung für den Zufluss von Arbeitslohn bei Aktienoptionen ist eine verbilligte oder unentgeltliche Überlassung der Aktien (geldwerter Vorteil). Der geldwerte Vorteil errechnet sich i. d. R. aus der Differenz zwischen dem Kurswert der Aktien zum Zuflusszeitpunkt (§ 11 Abs. 1 BewG) und dem vom Arbeitnehmer geleisteten Übernahmepreis und ggf. den diesbezüglichen Erwerbsaufwendungen ( BStBl II 2009 S. 382 und vom , BStBl 2001 II S. 509). Es ist in diesem Zusammenhang nicht zu beanstanden, wenn von den Vereinfachungsregelungen nach Rn. 21 des BStBl 2021 I S. 2308 zur lohnsteuerlichen Behandlung der Überlassung von Vermögensbeteiligungen ab 2021 Gebrauch gemacht wird. Veränderungen des Kurswertes der Aktien haben auf die Höhe des geldwerten Vorteils keine Auswirkungen. In Ermangelung eines Kurswerts, z. B. bei nicht handelbaren Aktienoptionen, sind die Aktien im Zuflusszeitpunkt mit dem gemeinen Wert anzusetzen (§ 11 Abs. 2 BewG).

278Bei der Ermittlung des geldwerten Vorteils ist die Steuerbefreiung i. H. v. 1.440 € nach § 3 Nr. 39 EStG zu berücksichtigen, sofern der Arbeitnehmer die verbilligten Aktienoptionen im Rahmen eines gegenwärtigen Dienstverhältnisses erhält. Zur Besteuerung des geldwerten Vorteils aus Vermögensbeteiligungen bei Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen vgl. ab § 19a EStG. Im Übrigen kommt für steuerpflichtige geldwerte Vorteile aus der Ausübung von Aktienoptionen die Tarifermäßigung des § 34 Abs. 1 EStG i. V. m. Abs. 2 Nr. 4 EStG in Betracht, wenn es sich um Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten handelt ( BStBl 2001 II S. 509). Diese liegen vor, wenn die Laufzeit zwischen Einräumung und Ausübung mehr als zwölf Monate betragen hat und das Arbeitsverhältnis nach Einräumung des Optionsrechts mindestens noch zwölf Monate fortbestanden hat. Dagegen muss das Arbeitsverhältnis bei Optionsausübung nicht mehr bestehen. Maßgeblich ist alleine die Laufzeit der einzelnen Aktienoptionen von mehr als zwölf Monaten bei gleichzeitiger Beschäftigung durch den Arbeitgeber. Unschädlich ist es, wenn ein Arbeitnehmer Aktienoptionen nicht vollständig in einem einzigen VZ ausübt ( BStBl II 2008 S. 294) oder wiederholt Aktienoptionen eingeräumt und die betreffenden Optionen nicht auf einmal ausgeübt werden.

5.5.6.3 Aufteilung des geldwerten Vorteils aus einer Optionsgewährung nach Abkommensrecht

279Der geldwerte Vorteil aus einer Optionsgewährung ist den Einkünften aus unselbständiger Arbeit nach Art. 15 OECD-MA zuzuordnen. Diejenigen Einkünfte, die der Arbeitnehmer in seiner Eigenschaft als Anteilseigner nach Ausübung des Optionsrechts aus dem Halten der erworbenen Aktien (z. B. Dividenden) oder ihrer späteren Veräußerung erzielt, sind hingegen Art. 10 bzw. 13 OECD-MA zuzuordnen.

280Für die Aufteilung des geldwerten Vorteils ist bei Aktienoptionen grundsätzlich danach zu unterscheiden, ob die Option einen Vergangenheits- oder einen Zukunftsbezug aufweist. Für den zugrunde zu legenden Aufteilungszeitraum empfiehlt es sich regelmäßig danach zu differenzieren, ob Aktienoptionen an einer Wertpapierbörse gehandelt werden können oder nicht (handelbare und nicht handelbare Aktienoptionen). Können Optionsrechte lediglich außerhalb einer Wertpapierbörse gehandelt werden, gelten sie als nicht handelbar.

281Handelbare Aktienoptionen werden regelmäßig gewährt, um in der Vergangenheit geleistete Tätigkeiten zu honorieren. Unter Umständen können sie jedoch auch mit Blick auf die Zukunft eingeräumt werden (z. B. mit Verfügungsbeschränkungen). Der geldwerte Vorteil ist bezogen auf den Zeitraum, für den er gewährt wird, nach den Grundsätzen in Tz. 5.4 (Rn. 228 ff.) aufzuteilen.

282Nicht handelbare Aktienoptionen stellen lediglich die Einräumung einer Chance dar. Der geldwerte Vorteil ist damit bei Zufluss als Vergütung für den ganzen Erdienungszeitraum („Vesting-Period“) anzusehen. Der Erdienungszeitraum ist der Zeitraum zwischen der Optionsgewährung („Grant“) und der erstmalig tatsächlich möglichen Ausübung des Optionsrechts durch den Arbeitnehmer („Vesting“, BStBl II 2023 S. 825). In Fällen, in denen die Optionsausübung jedoch schon bei Optionsgewährung möglich ist, wird eine bereits in der Vergangenheit geleistete Arbeit entlohnt. Entsprechend des einschlägigen Erdienungszeitraums, ist der geldwerte Vorteil nach den Grundsätzen in Tz. 5.4 (Rn. 228 ff.) aufzuteilen.

283Soweit eine unmittelbare Zuordnung zu der im Inland oder im Ausland ausgeübten Tätigkeit nicht möglich ist, ist das Besteuerungsrecht nach den in der Tz. 5.4 (Rn. 228 ff.) erläuterten Grundsätzen aufzuteilen und der geldwerte Vorteil ggf. zeitanteilig unter Progressionsvorbehalt von der inländischen Besteuerung freizustellen, soweit nicht Rückfallklauseln nach den DBA oder § 50d Abs. 8 bzw. 9 EStG anzuwenden sind:

freizustellender geldwerter Vorteil = Anzahl der tatsächlichen Arbeitstage im ausländischen Staat, dem für die Tage das Besteuerungsrecht zusteht
Tatsächliche Arbeitstage im gesamten Erdienungszeitraum

284Befindet sich der Arbeitnehmer im Zeitpunkt der erstmals möglichen Ausübung des Optionsrechts bereits im Ruhestand, ist für die Aufteilung des geldwerten Vorteils nur der Zeitraum von der Gewährung des Optionsrechts bis zur Beendigung der aktiven Tätigkeit als Erdienungszeitraum heranzuziehen. Ist das Arbeitsverhältnis vor der erstmals möglichen Ausübung des Optionsrechts aus anderen Gründen beendet worden (z. B. Auflösung des Arbeitsverhältnisses), ist für die Aufteilung des geldwerten Vorteils der Zeitraum von der Gewährung des Optionsrechts bis zum Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem aktiven Arbeitsverhältnis als Erdienungszeitraum maßgeblich. Dies gilt nicht, soweit der Arbeitnehmer weiterhin im Konzernverbund (§ 15 AktG) beschäftigt bleibt und das Optionsrecht daher weiterhin erdient wird. In diesem Fall zählt auch die Tätigkeit beim verbundenen Unternehmen zum Erdienungszeitraum.

285Vorgenannte Ausführungen gelten unbeschadet eines Wechsels der Steuerpflicht des Arbeitnehmers während des Erdienungszeitraums. Maßgeblich ist lediglich, ob der geldwerte Vorteil zum Zeitpunkt des Zuflusses der deutschen Steuerpflicht nach innerstaatlichem Recht unterliegt und der Besteuerungsanspruch nicht durch DBA beschränkt wird.

286Sofern der Arbeitnehmer jährlich Aktienoptionsrechte erhält, sind die oben genannten Ausführungen für jedes jährlich ausgegebene Optionsrecht zu beachten.


287Beispiel:

Ein in Deutschland ansässiger Arbeitnehmer hat am die nicht handelbare Option auf den Erwerb von 1.000 Aktien seines inländischen Arbeitgebers gewährt bekommen („Grant“). Der Übernahmepreis liegt bei 10 € je Aktie. Der Zeitpunkt der erstmalig möglichen Optionsausübung ist der („Vesting“). Ab dem ist der Arbeitnehmer aufgrund einer Arbeitnehmerentsendung in Spanien tätig und dort mit seinen Arbeitseinkünften steuerpflichtig. Seinen inländischen Wohnsitz behält er während der Entsendung bei. Am übt der Arbeitnehmer die Aktienoption aus. Der Kurswert der Aktie beträgt zu diesem Zeitpunkt 15 €. Die Aktien werden noch am selben Tag seinem Depot gutgeschrieben. Der Arbeitnehmer hat an 220 Tagen im Jahr seine Tätigkeit tatsächlich ausgeübt. Die Arbeitstage im Erdienungszeitraum („Vesting-Period“ bis ) sind wie folgt zu verteilen:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Kalenderjahr
01
02
03
Deutschland
128 Arbeitstage
0
0
Spanien
0
220 Arbeitstage
92 Arbeitstage

Lösung:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Gemeiner Wert der Aktien zum Zuflusszeitpunkt:
15.000 €
./. Übernahmepreis/Erwerbsaufwendungen:
10.000 €
= Steuerpflichtiger geldwerter Vorteil:
5.000 € *)

*) = Auf die Berechnung der Freibeträge wird aus Vereinfachungsgründen verzichtet.


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Gesamtarbeitstage im Erdienungszeitraum:
440
in Spanien verbrachte Arbeitstage im Erdienungszeitraum
mit einem Besteuerungsrecht für Spanien:
312

Soweit keine Rückfallklausel nach dem DBA oder § 50d Abs. 8 oder 9 EStG anzuwenden ist, beträgt der in Deutschland unter Progressionsvorbehalt steuerfrei zu stellende geldwerte Vorteil (Art. 14 Abs. 1 i. V. m. Art. 22 Abs. 2 Buchstabe a und d DBA-Spanien):

5.000 € x 312 Arbeitstage in Spanien
440 tatsächliche Gesamtarbeitstage im Erdienungszeitraum
= 3.546 €

288Beispiel 2:

Einem Arbeitnehmer werden von seinem inländischen Arbeitgeber eine Aktienvergütung für die Jahre 01 bis 04 (Erdienungszeitraum) gewährt. Die Aktienvergütung fließt dem Arbeitnehmer zum zu. In den Jahren 01 und 02 war der Arbeitnehmer ausschließlich in Japan ansässig (Art. 4 Abs. 1 DBA-Japan) und wie folgt jeweils tätig: 185 Tage in Japan, 20 Tage in Deutschland und 15 Tage in Drittstaaten. In den Jahren 03 und 04 war er ausschließlich in Deutschland ansässig und übte seine Tätigkeit ausschließlich in Deutschland aus (jährlich 220 Arbeitstage). In Japan erfolgt keine Besteuerung der Aktienvergütung.

Lösung:

Der Arbeitnehmer ist zum Zeitpunkt des Zuflusses des geldwerten Vorteils aus der Aktienoption in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig, sodass dieser in voller Höhe der Besteuerung nach innerstaatlichem Recht unterliegt. Da der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt des Zuflusses der Aktienvergütung in Deutschland ansässig war, wird die inländische Besteuerung nach Art. 14 Abs. 1 DBA-Japan nur eingeschränkt, soweit die Tätigkeit im Erdienungszeitraum (01 bis 04) in Japan ausgeübt wurde und Japan ein Besteuerungsrecht zusteht. Da sich der Arbeitnehmer in 01 und 02 jeweils an mehr als 183 Tagen innerhalb eines Zwölf-Monats-Zeitraums in Japan aufgehalten hat, steht Japan ein Besteuerungsrecht an der Aktienvergütung zu, soweit diese auf die Arbeitstage in Japan entfällt.

Soweit die Aktienvergütung auf die Drittstaatentage und Arbeitstage in Deutschland entfällt, hat Deutschland als Ansässigkeitsstaat das Besteuerungsrecht. In den Jahren 03 und 04 wird die Tätigkeit nur in Deutschland ausgeübt, sodass das deutsche Besteuerungsrecht nicht eingeschränkt wird.

Die Aktienvergütung ist nach Art. 14 Abs. 1 DBA-Japan also zu 370/880 unter Progressionsvorbehalt steuerfrei (Art. 22 Abs. 2 Buchstabe a und b DBA-Japan; § 34 EStG ist jeweils anwendbar), soweit nicht eine Rückfallklausel nach dem DBA, § 50d Abs. 8 oder Abs. 9 EStG anzuwenden ist. Aufgrund der fehlenden Besteuerung der anteiligen Aktienvergütung in Japan, ist die Freistellung nicht zu gewähren (Art. 22 Abs. 2 Buchstabe e Doppelbuchstabe ii DBA-Japan).

5.5.6.4 Weitere Aktienvergütungsmodelle
5.5.6.4.1 Virtuelle Aktienoptionen („Stock-Appreciation-Rights“, „Phantom-Stock-Awards“)

289Bei der virtuellen Variante der „Stock-Options“ wird auf die tatsächliche Ausgabe von Aktien verzichtet und es werden die finanziellen Auswirkungen entsprechend nachgebildet. Damit werden Neuemissionen sowie die damit verbundene Verwässerung des Aktienkurses und des Stimmrechts vermieden. Im Unterschied zu realen Aktienoptionsplänen besteht im Fall von virtuellen Aktienoptionen („Stock-Appreciation-Rights“ oder „Phantom-Stock-Awards“) bei Ausübung also kein Recht auf Lieferung von Aktien, sondern ein Recht auf Auszahlung eines Geldbetrages, der sich aus der Kursentwicklung ergibt. Wirtschaftlich betrachtet, stellen die Vergütungen aus den virtuellen Aktienoptionen ein Entgelt für die in der Vergangenheit geleistete Arbeit dar. Die vorgenannten Ausführungen bezüglich des Zuflusses (s. Tz. 5.5.6.2, Rn. 274 ff.) und der Aufteilung (s. Tz. 5.5.6.3, Rn. 279 ff.) gelten entsprechend. Auf die Besonderheiten beim Erdienungszeitraum in Zusammenhang mit Verfügungsbeschränkungen wird hingewiesen (s. Tz. 5.5.6.4.4, Rn. 296 ff.).

5.5.6.4.2 Dividendenäquivalente

290Bei virtuellen Aktienvergütungen („Phantom-Shares“) kommt es mitunter zur Auszahlung von sog. Dividendenäquivalenten, bei denen entsprechend der Auszahlung von Dividenden an „reale“ Aktionäre, auch den Inhabern virtueller Aktien eine entsprechende Zahlung gewährt wird.

291Maßgebend ist dabei i. d R. allein die Anzahl der zum Auszahlungsstichtag des Dividendenäquivalents gehaltenen Bezugsrechte. Die Auszahlung ist in diesem Fall nicht an weitere Bedingungen (wie z. B. den Verbleib beim Arbeitgeber) geknüpft, sodass auch bei einem Ausscheiden aus dem Unternehmen vor Eintritt der Unverfallbarkeit der virtuellen Aktienoption keine Rückzahlungsverpflichtung des ausgezahlten Dividendenäquivalents besteht.

292Ein solches Dividendenäquivalent ist nach den Grundsätzen in Tz. 5.4 (Rn. 228 ff.) aufzuteilen. Der Erdienungszeitraum ist der Zeitraum zwischen der Gewährung der Bezugsrechte und des Auszahlungsstichtags (Unverfallbarkeit des Dividendenäquivalents). Aus Vereinfachungsgründen bestehen jedoch keine Bedenken, wenn für den Erdienungszeitraum auf das Kj. abgestellt wird, in dem die Vergütung zufließt.

5.5.6.4.3 Aktienoptionsplan mit vorgeschaltetem Wandeldarlehen oder Wandelanleihe (Wandelschuldverschreibung)

293Bei einem Wandeldarlehen gewährt der Darlehensgeber (hier: Arbeitnehmer) dem Darlehensnehmer (hier: Arbeitgeber) ein Darlehen, das mit einem Wandlungs- bzw. Umtauschrecht auf Aktien des Darlehensnehmers ausgestattet ist.

294Eine Wandelanleihe (Wandelschuldverschreibung) ist ein von einer Aktiengesellschaft (hier: Arbeitgeber als Emittent) ausgegebenes verzinsliches Wertpapier, das dem Inhaber (hier: Arbeitnehmer) das Recht einräumt, die Anleihe in Aktien des Emittenten umzutauschen.

295Bei Ausübung des Wandlungsrechtes im Rahmen des Aktienoptionsplans gelten die in Tz. 5.5.6.1, Rn. 271 ff. genannten Ausführungen entsprechend ( BStBl 2005 II S. 770). Der Zufluss des geldwerten Vorteils erfolgt also in dem Zeitpunkt, in dem der Arbeitnehmer die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die Aktien erhält und nicht bereits durch Hingabe des Darlehens.

5.5.6.4.4 Verfügungsbeschränkungen („Restrictions“) für Aktien und Aktienanwartschaften

296Im Gegensatz zu Aktienoptionen handelt es sich bei „Restricted Stocks“ oder „Restricted Shares“ um direkte Übertragungen von Aktien, die gewissen Verfügungsbeschränkungen unterliegen (u. a. Ausschluss von Stimm- und Dividendenbezugsrechten sowie Veräußerungsverbot für einen bestimmten Zeitraum). In vielen Fällen erfolgt die Aktienübertragung aber nicht unmittelbar, sondern den Arbeitnehmern wird zunächst in Aussicht gestellt, in einem späteren Jahr unentgeltlich Aktien ihres Arbeitgebers zu erhalten (Aktienanrechte, „Stock-Awards“, „Restricted Stock-Units“). Voraussetzung ist regelmäßig, dass der Arbeitnehmer zu diesem Stichtag noch bei dem Arbeitgeber (oder bei einem anderen Unternehmen im Konzernverbund) beschäftigt ist. Dabei werden häufig Sammel- oder Sperrdepots für die Mitarbeiter angelegt und eine entsprechende Anzahl an Aktien gutgeschrieben.

297Sowohl bei direkten Aktienübertragungen als auch bei der Einräumung von Aktienanrechten setzt ein Lohnzufluss die Erlangung von wirtschaftlichem Eigentum beim Arbeitnehmer voraus. Wirtschaftliches Eigentum kann nicht unterstellt werden, wenn umfassende Verfügungsbeschränkungen (z. B. keine Stimm- und Dividendenbezugsrechte in Kombination mit einem Veräußerungsverbot) vereinbart wurden. Deshalb fließt dem Arbeitnehmer der geldwerte Vorteil erst in dem Zeitpunkt zu, in dem die Verfügungsbeschränkungen nicht mehr umfassend sind (z. B. bei Wegfall einzelner Beschränkungen). Ist die Wirksamkeit einer Übertragung der Aktien von der Zustimmung der Gesellschaft abhängig und eine Veräußerung der Aktien für den Arbeitnehmer rechtlich unmöglich, kann dies dazu führen, dass ein Lohnzufluss zunächst nicht gegeben ist (vinkulierte Namensaktien, BStBl 2011 II S. 923). Maßgebend sind insoweit die Umstände des Einzelfalls. Ein schuldrechtliches Veräußerungsverbot verhindert den Zufluss nicht, da die Veräußerung (ggf. unter Sanktionierung) rechtlich möglich ist.

298Dagegen ist von wirtschaftlichem Eigentum des Arbeitnehmers auch auszugehen, wenn der Arbeitnehmer aufgrund einer Sperr- bzw. Haltefrist die Aktien lediglich für eine bestimmte Zeit nicht veräußern kann, ihm aber das Stimmrecht und der Dividendenanspruch unabhängig von der Vereinbarung einer Sperrfrist zustehen. Sperr- oder Haltefristen stehen einem Zufluss von Arbeitslohn in diesem Fall nicht entgegen ( BStBl II 2009 S. 282). Die Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht erfordert nicht, dass der Arbeitnehmer in der Lage sein muss, den Vorteil sofort durch Veräußerung der Aktien in Bargeld umzuwandeln.

299Wegen der grundsätzlichen Zukunftsbezogenheit bei dieser Form der Mitarbeiterbeteiligung wird das Besteuerungsrecht am geldwerten Vorteil auf den Zeitraum zwischen der Einräumung und der Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht (i. d. R. bei Wegfall der Verfügungsbeschränkung) aufgeteilt. Dieser ist somit als Erdienungszeitraum zugrunde zu legen. Kein Zukunftsbezug ist gegeben, wenn die Beteiligung aufgrund von Tätigkeiten in der Vergangenheit gewährt wird und die Übertragung nicht von weiteren Bedingungen wie z. B. der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zu einem bestimmten Zeitpunkt, abhängig ist (sog. unverfallbare „Restricted Stocks“).

300Die vorgenannten Ausführungen bezüglich des Zuflusses (s. Tz. 5.5.6.2, Rn. 274 ff.) und der Aufteilung (s. Tz. 5.5.6.3, Rn. 279 ff.) gelten entsprechend.

5.5.6.5 Anwendung im Lohnsteuerabzugsverfahren

301Die Lohnsteuer entsteht nach § 38 Abs. 2 Satz 2 EStG in dem Zeitpunkt, in dem der Arbeitslohn dem Arbeitnehmer zufließt. Der nach § 38 EStG abzugspflichtige Arbeitgeber hat grundsätzlich auch den geldwerten Vorteil aus der Optionsausübung nach den im Zuflusszeitpunkt gegebenen Verhältnissen der Lohnsteuer zu unterwerfen. Die Verpflichtung zum Lohnsteuerabzug trifft ein inländisches Konzernunternehmen als inländischen Arbeitgeber i. S. des § 38 Abs. 1 EStG nach § 38 Abs. 1 Satz 3 EStG auch dann, wenn die ausländische Konzernobergesellschaft die Aktienoptionen gewährt (sog. Arbeitslohn von dritter Seite).

302Einzelheiten sind im BMF-Schreiben zur „Ermittlung des steuerfreien und steuerpflichtigen Arbeitslohns nach den Doppelbesteuerungsabkommen sowie nach dem ATE im Lohnsteuerabzugsverfahren“ vom , BStBl 2017 I S. 473 geregelt.

5.5.7 Kaufkraftausgleich, Standortbonus und Sicherung des Wechselkurses

303Gleicht der Arbeitgeber die gegenüber dem bisherigen Ansässigkeitsstaat höheren Lebenshaltungskosten im Tätigkeitsstaat durch Zahlung eines Auslandsverwendungszuschlags/Kaufkraftausgleiches aus und sind die in § 3 Nr. 64 EStG genannten Beträge überschritten, liegt nach innerstaatlichem Recht steuerpflichtiger Arbeitslohn vor, der nach den DBA ausschließlich der Tätigkeit im Tätigkeitsstaat zuzuordnen ist.

304Der Standortbonus ist eine zusätzliche Vergütung, mit der i. d. R. die Bereitschaft eines Arbeitnehmers zu internationalen Einsätzen, insbesondere an schwierigen Standorten mit vom Wohnsitzstaat abweichenden Lebensbedingungen, gewürdigt werden soll. Vorbehaltlich der Rn. 339 handelt es sich nach innerstaatlichem Recht um Arbeitslohn, der abkommensrechtlich der Tätigkeit im Tätigkeitsstaat direkt zuzuordnen ist.

305Wird Arbeitslohn in der Währung des Tätigkeitsstaates ausgezahlt, ist er bei Zufluss nach dem von der Europäischen Zentralbank veröffentlichten monatlichen Euro-Durchschnittsreferenzkurs umzurechnen ( BStBl II 2010 S. 698; H 8.1 (1-4) „Ausländische Währung“ LStH).

306Gleicht der Arbeitgeber Wechselkursschwankungen in gewissen Zeitabständen aus, indem er wechselkursbezogen einen Mehrbetrag ermittelt, den er an den Arbeitnehmer auszahlt oder einen Minderbetrag ermittelt, den er vom Arbeitnehmer zurückfordert, ist dieser Mehr- oder Minderbetrag in demselben Verhältnis aufzuteilen, in dem das wechselkursgesicherte Gehalt auf den Ansässigkeitsstaat und den Tätigkeitsstaat entfällt.

5.5.8 Entgeltumwandlung zugunsten eines Arbeitszeitkontos

307Unter den Begriff der Arbeitszeitkonten in diesem Sinne fallen nur sog. Zeitwertkonten (Arbeitsentgeltguthaben). Hierbei vereinbaren Arbeitgeber und Arbeitnehmer, dass künftig fällig werdender Arbeitslohn anstelle einer sofortigen Auszahlung auf einem Zeitwertkonto betragsmäßig erfasst und dem Arbeitnehmer erst im Rahmen einer späteren Freistellung von der weiterhin geschuldeten Arbeitsleistung ausgezahlt wird. Der steuerliche Begriff des Zeitwertkontos entspricht insoweit einer Wertguthabenvereinbarung i. S. des § 7b SGB IV. Die Voraussetzungen für die Anerkennung einer Zeitwertkontenvereinbarung und ihre Besteuerung sind im BStBl 2009 I S. 1286 geregelt. Dies gilt auch bei einem im Ausland ansässigen Arbeitnehmer, der mit seinem dortigen Arbeitgeber eine Zeitwertkontenvereinbarung geschlossen hat und vorübergehend im Inland tätig ist. In diesem Fall wird auch im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht (§ 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe a EStG) der Zufluss des Arbeitslohns zu einem späteren Zeitpunkt erfasst. Für Vereinbarungen über die Einrichtung von Zeitwertkonten bei Arbeitnehmern, die zugleich als Organe einer Körperschaft bestellt sind (Vorstandsmitglieder, Geschäftsführer) s. BStBl 2019 I S. 874.

308Auf Zahlungen aus Zeitwertkonten an den Arbeitnehmer ist Art. 15 OECD-MA anzuwenden. Das Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaates besteht danach nur insoweit nicht, als der Arbeitnehmer im anderen Vertragsstaat tätig wird und hierfür Vergütungen bezieht, für die dem Tätigkeitsstaat das Besteuerungsrecht zusteht. Ausgehend von dem engen Veranlassungszusammenhang zwischen Auslandstätigkeit und Vergütungsbezug steht das Besteuerungsrecht für Auszahlungen aus dem Zeitwertkonto dem Vertragsstaat zu, dem das Besteuerungsrecht in der Einbringungsphase aufgrund der ausgeübten Tätigkeit zustand (Erdienungsprinzip).

309Beispiel 1:

Arbeitgeber und Arbeitnehmer A sind im Inland ansässig und schließen eine Zeitwertkontenvereinbarung. In 01 wird A für insgesamt 120 (Aufenthalts- und Tätigkeits-)Tage in die ausländische Betriebsstätte seines Arbeitgebers im DBA-Staat B entsandt. Den regulären Arbeitslohn trägt die ausländische Betriebsstätte. Vereinbarungsgemäß wird A nur die Hälfte des Arbeitslohns ausgezahlt, der auf die Auslandstätigkeit entfällt. Der restliche Betrag wird seinem Zeitwertkonto gutgeschrieben; weitere Wertgutschriften erfolgen nicht. In 05 nimmt A sein Guthaben in Anspruch und wird für 60 Arbeitstage von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung unter Fortzahlung seiner (seit 01 unveränderten) Bezüge in voller Höhe freigestellt.

Lösung:

Dem DBA-Staat B steht nach Art. 15 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Buchstabe c OECD-MA das Besteuerungsrecht für diejenigen Vergütungen zu, die A für seine Tätigkeit dort bezogen hat. Dies gilt unabhängig davon, ob der Betrag dem Arbeitnehmer im regulären Zahlungsturnus zufließt oder der Zuflusszeitpunkt durch die Gutschrift auf dem Zeitwertkonto wirksam in die Zukunft verlagert wird. Vorliegend steht dem Staat B das Besteuerungsrecht an den Zahlungen aus dem Zeitwertkonto im Jahr 05 zu. Deutschland stellt die Vergütungen unter Progressionsvorbehalt von der Steuer frei, soweit nicht § 50d Abs. 8 oder 9 EStG anzuwenden sind.

310Das Besteuerungsrecht des Tätigkeitsstaates wird nicht dadurch berührt, dass die Voraussetzungen für die steuerliche Anerkennung der Zeitwertkontenvereinbarung später ganz oder teilweise entfallen ( BStBl 2009 I S. 1286 „planwidrige Verwendung“). Andererseits steht dies auch einer Berücksichtigung der Zahlungen im Rahmen des Progressionsvorbehalts im VZ des Zuflusszeitpunkts nicht entgegen.

311Soweit sich der Wert des Arbeitszeitguthabens aus anderen Gründen als den vereinbarten Lohngutschriften erhöht hat, z. B. infolge einer vom Arbeitgeber zugesagten Verzinsung oder aufgrund der erfolgreichen Anlage des Arbeitsentgeltguthabens am Kapitalmarkt (s. § 7d Abs. 3 SGB IV), stellt dieser Wertzuwachs keine Gegenleistung für die im anderen Staat ausgeübte Tätigkeit dar. Insoweit verbleibt das Besteuerungsrecht für Vergütungen, die unter Art. 15 OECD-MA fallen, beim Ansässigkeitsstaat. Vorgenannte Zinsen erhöhen das Guthaben des Zeitwertkontos und sind bei tatsächlicher Auszahlung an den Arbeitnehmer als steuerpflichtiger Arbeitslohn im Ansässigkeitsstaat zu erfassen.

312Bringt der Arbeitnehmer sowohl nach DBA freigestellten als auch steuerpflichtigen Arbeitslohn in sein Zeitwertkonto ein, gilt im Zeitpunkt der Auszahlung des Arbeitsentgeltguthabens stets der steuerfreie Arbeitslohn als zuerst verwendet. Ist der steuerfreie Arbeitslohn in mehreren Staaten erdient worden, ist er nach den einzelnen Tätigkeitsstaaten aufzuteilen. In diesem Fall gilt bei der Auszahlung des steuerfreien Arbeitslohns aus dem Arbeitsentgeltguthaben der zuerst erdiente steuerfreie Arbeitslohn als zuerst verwendet.

313Beispiel 2:

Arbeitgeber und Arbeitnehmer A sind im Inland ansässig und schließen eine Zeitwertkontenvereinbarung. Im Jahr 01 wird A insgesamt für 40 (Aufenthalts- und Tätigkeits-)Tage in die ausländische Betriebsstätte seines Arbeitgebers im DBA-Staat B entsandt. Seinen Arbeitslohn trägt die ausländische Betriebsstätte. Vereinbarungsgemäß erhält A für die Auslandstätigkeiten einen Lohnzuschlag i. H. v. 50 %. Dieser wird seinem Zeitwertkonto gutgeschrieben. Der reguläre Lohn wird ausgezahlt. Im Jahr 02 führt A seinem Zeitwertkonto im Inland erdiente Wertgutschriften zu, die eine Freistellung von 20 Arbeitstagen unter Fortzahlung der Bezüge in voller Höhe erlauben. Im Jahr 03 wird A zu den gleichen Konditionen wie im Jahr 01 für 40 (Aufenthalts- und Tätigkeits-)Tage in die ausländische Betriebsstätte seines Arbeitgebers im DBA-Staat C entsandt. Im Jahr 05 nimmt A sein gesamtes Zeitwertguthaben in Anspruch und wird für 60 Arbeitstage von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung unter Fortzahlung seiner Bezüge in voller Höhe freigestellt.

Lösung:

Die Entgeltzahlung für die ersten 20 Tage der Freistellung von der Arbeitspflicht speist sich aus dem im DBA-Staat B erdienten steuerfreien Arbeitslohn. Der steuerfreie Arbeitslohn für die folgenden 20 Tage rührt aus der Tätigkeit im DBA-Staat C her. Erst in den letzten 20 Tagen kommt das durch die Inlandstätigkeit erdiente steuerpflichtige Arbeitsentgeltguthaben zur Auszahlung.

314Im vorstehenden Beispiel ist die Versteuerung im Veranlagungsverfahren 05 auch dann nachgewiesen, wenn der Tätigkeitsstaat den auf dem Zeitwertkonto gutgeschriebenen Lohn einer Besteuerung in 01 unterworfen hat und dies belegt wird (§ 50d Abs. 8 bzw. 9 EStG).

315Aufgrund der oft langen Zeitspanne zwischen dem Erwerb der Lohnforderung und ihrem Zufluss kommt in diesen Fällen den steuerlichen Nachweispflichten eine besondere Bedeutung zu. Die Feststellungslast trifft im Lohnsteuerabzugsverfahren beide Beteiligte (Arbeitgeber und Arbeitnehmer). § 90 Abs. 2 AO verankert die Verantwortung für die Aufklärung und Beweismittelvorsorge unter den dort genannten Voraussetzungen (s. auch Tz. 5.2, Rn 225, 226). Soweit der Tätigkeitsstaat die Arbeitszeitkontenvereinbarung nicht anerkennt und stattdessen von einem unmittelbaren Zufluss des gutgeschriebenen Arbeitslohns ausgeht, reicht es für Zwecke des § 50d Abs. 8 EStG aus, die steuerliche Erfassung im Tätigkeitsstaat zu diesem Zeitpunkt nachzuweisen.

316Die vorstehenden Grundsätze finden auf sog. Gleitzeitkonten keine Anwendung, die lediglich der Ansammlung von Mehr- oder Minderarbeitszeit dienen und zu einem späteren Zeitpunkt ausgeglichen werden. Der Zufluss des Arbeitslohns richtet sich nach den allgemeinen Regeln.

5.5.9 Steuerausgleichsmechanismen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber
5.5.9.1 Steuerausgleich („Tax-Equalization“) und Steuerschutz („Tax-Protection“ / „Hypo Tax“)

317Während einer Auslandstätigkeit werden zwischen Arbeitgebern und ihren Arbeitnehmern regelmäßig Steuerausgleichsvereinbarungen geschlossen. Dabei sind der Steuerausgleich („Tax-Equalization“, kurz: TEQ) sowie der Steuerschutz („Tax-Protection“) die üblichen Methoden. Die einer Arbeitnehmerentsendung zugrundeliegende Steuerausgleichsmethode ergibt sich aus der allgemeinen Entsenderichtlinie des Arbeitgebers (z. B. Konzernbetriebsvereinbarung zu Auslandsentsendungen) sowie den individuell geltenden arbeitsvertraglichen Regelungen (Entsendevertrag/-vereinbarung).

318Bei der sog. „Tax-Equalization“ soll der Arbeitnehmer unabhängig von den im Einsatzstaat geltenden Steuersätzen mit der gleichen Höhe an Steuern belastet werden, die zu entrichten wäre, wenn er im Heimatland verblieben wäre.

319Bei der sog. „Tax-Protection“ werden nur eventuelle Steuernachteile im Einsatzstaat durch den Arbeitgeber ausgeglichen, d. h. der Arbeitgeber übernimmt die Mehrsteuern, wenn diese im Einsatzstaat höher als im Heimatland sind. Sofern der Steuersatz im Einsatzstaat jedoch geringer als im Heimatland ist, kommt der Steuervorteil nicht dem Arbeitgeber, sondern dem Arbeitnehmer zugute.

320Bei beiden Verfahren kann dem Arbeitnehmer im Rahmen seiner Gehaltsabrechnung eine sog. hypothetische Steuer („Hypo Tax“) einbehalten werden. Der Arbeitgeber übernimmt dafür im Gegenzug die (im Einsatzstaat) anfallende tatsächliche Steuer. Der endgültige Betrag der hypothetischen Steuer wird jedoch regelmäßig erst nach Ablauf des Kj. ermittelt, sodass im Veranlagungsverfahren Veränderungen bei der Höhe des Arbeitslohns möglich sind.

321Bei der hypothetischen Steuer handelt es sich nicht um die tatsächlich entrichtete Steuer im Heimat- oder Einsatzstaat, sondern um eine fiktive Rechengröße im Innenverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber, die den Bruttoarbeitslohn mindert. Soweit vom Arbeitgeber eine hypothetische Steuer einbehalten wird, liegt ein Gehaltsabschlag vor, sodass insoweit auch kein Arbeitslohn zufließt. Die Höhe der hypothetischen Steuer ist abhängig von der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer getroffenen Einzelvereinbarung und wird regelmäßig unter Berücksichtigung der steuerlichen Verhältnisse des Arbeitnehmers berechnet (z. B. Steuerklasse, Kinderfreibeträge, Werbungskosten, Sonderausgaben etc.).

322Die hypothetische Steuer wird nicht an die Finanzbehörde abgeführt. Eine Arbeitgeberbescheinigung über den Einbehalt einer hypothetischen Steuer ist daher kein Besteuerungsnachweis i. S. des § 50d Abs. 8 EStG. Maßgebend hierfür sind allein die vom Arbeitgeber gezahlten tatsächlich anfallenden Steuern.

323Die vom Arbeitgeber für den Arbeitnehmer tatsächlich gezahlte Einkommensteuer ist in voller Höhe jeweils dem Staat (Ansässigkeits- oder Tätigkeitsstaat) als Arbeitslohn zuzuordnen, in dem sie anfällt. Übernimmt der Arbeitgeber darüber hinaus auch Steuern, die auf andere Einkunftsquellen (z. B. weiterer Arbeitgeber) oder andere Einkunftsarten (z. B. Einkünfte aus Kapitalvermögen oder Einkünfte des Ehegatten) erhoben werden, ist der hierauf entfallende Betrag abkommensrechtlich nach den allgemeinen Grundsätzen aufzuteilen. Die allgemeinen Grundsätze gelten auch für die vom Arbeitgeber im Rahmen einer Nettolohnvereinbarung übernommenen Sozialversicherungsbeiträge. Dies gilt unabhängig davon, an welchen Sozialversicherungsträger im Ansässigkeits- oder Tätigkeitsstaat die Beiträge bzw. Zuschüsse gezahlt werden. Insbesondere erfolgt keine direkte Zuordnung nach Tz. 5.3, Rn. 227 aufgrund des Sitzes eines Sozialversicherungsträgers.

324In Fällen der grenzüberschreitenden Arbeitnehmertätigkeit ist zunächst zu prüfen, ob eine Netto- oder Bruttolohnvereinbarung mit dem Arbeitgeber getroffen wurde. Unter einer Nettolohnvereinbarung ist die Abrede zu verstehen, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer ein festgelegtes Nettogehalt auszahlt und sich zugleich verpflichtet, sämtliche oder bestimmte gesetzliche Abgaben (Steuer- und Sozialversicherungsbeiträge) für den Arbeitnehmer zu tragen ( BStBl 1992 II S. 733). Der Abschluss einer Nettolohnvereinbarung soll klar und einwandfrei feststellbar sein ( BStBl 1986 II S. 886). Bei Steuerausgleichsmethoden mit Vereinbarung einer hypothetischen Steuer ist grundsätzlich von einer Nettolohnvereinbarung bzw. einer partiellen Nettolohnvereinbarung, bezogen auf die im Einsatzstaat anfallende Steuer, auszugehen.

325Im Anschluss ist zu prüfen, ob ein zum Lohnsteuerabzug verpflichteter Arbeitgeber i. S. des § 38 Abs. 1 EStG vorhanden ist:

326Vorliegen eines inländischen Arbeitgebers (Rn. 325 bis 328): Ein zum Lohnsteuerabzug verpflichteter inländischer Arbeitgeber i. S. des § 38 Abs. 1 EStG liegt in den Fällen der internationalen Arbeitnehmerentsendung vor, wenn das in Deutschland ansässige aufnehmende Unternehmen den Arbeitslohn für die ihm geleistete Arbeit wirtschaftlich trägt oder nach dem Fremdvergleichsgrundsatz hätte tragen müssen (§ 38 Abs. 1 Satz 2 EStG).

327Sofern dieser inländische Arbeitgeber den Nettolohn auszahlt, ist der Nettolohn des jeweiligen Lohnzahlungszeitraums (= Auszahlungsbetrag), i. d. R. der Arbeitslohn eines Kalendermonats auf einen Bruttolohn „hochzurechnen“, sog. „Gross up“ (vgl. R 39b.9 LStR). Übernimmt der Arbeitgeber Einkommensteuernachzahlungen des Arbeitnehmers, führt dieser Betrag im Zeitpunkt der Zahlung zum Zufluss von weiterem Arbeitslohn, der auf einen Bruttobetrag „hochzurechnen“ ist ( BStBl 2016 II S. 31).

328Aus der Summe der hochgerechneten Arbeitslöhne der einzelnen Lohnzahlungszeiträume (laufende Arbeitslohnzahlungen und ggf. sonstige Bezüge) errechnet sich der gesamte hochgerechnete Brutto-Jahresarbeitslohn eines Kj. Dieser hochgerechnete Betrag ist als steuerpflichtiger Bruttoarbeitslohn unter Nr. 3 bzw. als nach DBA steuerfreier Arbeitslohn unter Nr. 16 a (bei unbeschränkter Steuerpflicht des Arbeitnehmers) in der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung auszuweisen.

329Es liegt kein inländischer Arbeitgeber vor: Sollte der Arbeitgeber im Inland nicht zum Lohnsteuerabzug verpflichtet sein (kein inländischer Arbeitgeber i. S. des § 38 Abs. 1 EStG) und die Zahlung an den Arbeitnehmer in Form einer Nettolohnvereinbarung erfolgen, ist im Rahmen der Veranlagung abweichend von den Rn. 326 bis 328, nur der im jeweiligen Kj. ausgezahlte Nettolohn in die Einkommensteuerveranlagung einzubeziehen (Zuflussprinzip des § 11 EStG). Erst wenn die angefallenen Steuerbeträge später vom ausländischen Arbeitgeber ersetzt werden, ist dieser Betrag erneut der Besteuerung im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung zu unterwerfen. Eine Hochrechnung des übernommenen Betrags erfolgt in diesen Fällen nicht. Erhält der Arbeitnehmer ausnahmsweise von seinem Arbeitgeber bereits während des laufenden Kj. Zuschüsse, um seine gegenüber dem Finanzamt fälligen Vorauszahlungen leisten zu können oder überweist der Arbeitgeber die Vorauszahlungen im abgekürzten Zahlungsweg direkt an die für die Veranlagung des Arbeitnehmers zuständige Finanzbehörde, liegt auch insoweit bereits zugeflossener Arbeitslohn vor. Eine Hochrechnung ist ebenfalls nicht vorzunehmen.

330Da die tatsächliche Steuerbelastung in diesen Fällen regelmäßig nicht identisch mit der vom Arbeitgeber einbehaltenen hypothetischen Steuer ist, hat dies nachfolgend dargestellte Auswirkungen auf die steuerliche Behandlung im Inland:

331Beispiel 1: Inländischer Arbeitgeber

Im Jahr 01 wird ein Nettolohn i. H. v. sechs Monaten je 2.000 € und sechs Monaten je 3.000 € ausgezahlt. Der Jahresnettolohn beträgt demnach 30.000 €. Aus der Einkommensteuerveranlagung für das Jahr 01 ergibt sich eine Nachzahlung von 800 €. Im Entsendevertrag zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber wurde ein Nettolohn vereinbart, sodass der inländische Arbeitgeber dem Arbeitnehmer diesen Betrag im Jahr 02 ersetzt.

Lösung:

Die vom Arbeitgeber übernommene Einkommensteuernachzahlung ist im Zeitpunkt des Zuflusses (Jahr 02) auf einen Bruttobetrag hochzurechnen ( BStBl II 2016 S. 31). Der Arbeitgeber führt die hierauf entfallende Lohnsteuer an das Finanzamt ab. Daneben ist die Einkommensteuerveranlagung des Arbeitnehmers für das Jahr 01 entsprechend zu korrigieren. Sofern sich im Veranlagungsverfahren eine Erstattung ergibt, führt diese zu negativem Arbeitslohn, der nicht auf einen Bruttobetrag hochgerechnet werden kann ( BStBl II 2010 S. 148).

332Beispiel 2: Inländischer Arbeitgeber – Inbound-Fall

Ein im anderen DBA-Staat ansässiger Arbeitnehmer wird von seinem ausländischen Arbeitgeber nach Deutschland entsandt. Der Arbeitnehmer wird für eine inländische Betriebsstätte des ausländischen Arbeitgebers tätig oder übernimmt die Funktion eines ständigen Vertreters i. S. des § 13 AO.

Der Arbeitgeber hat mit dem Arbeitnehmer für das Jahr 01 die Zahlung von Nettolöhnen vereinbart. Aus den Nettosummen der einzelnen Kalendermonate (12 x 2.000 €) ergibt sich eine Jahresnettosumme von 24.000 €. Die hochgerechneten Beträge der einzelnen Kalendermonate ergeben eine Jahresbruttosumme von (12 x 3.200 €) = 38.400 €.

Die Einkommensteuernachzahlung für das Jahr 01 i. H. v. 1.000 € wird im Jahr 02 vom Arbeitgeber auf das Konto des Arbeitnehmers überwiesen. Daraus errechnet sich ein hochgerechneter Betrag von 1.500 €. Dieser hochgerechnete Betrag ist der dazugehörende Bruttoarbeitslohn, der neben dem laufenden Lohn im Lohnkonto und auf der Lohnsteuerbescheinigung des Jahres 02 zu erfassen ist.

Lösung:

In die Einkommensteuerveranlagung sind folgende Beträge einzubeziehen:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Jahr 01:
38.400 € (hochgerechneter laufender Arbeitslohn 01)
Jahr 02:
1.500 € zzgl. hochgerechneter laufender Arbeitslohn 02 zzgl. ggf. hochgerechnete vom Arbeitgeber übernommene ESt-Vorauszahlung/en

333Abwandlung: Kein inländischer Arbeitgeber – Inbound-Fall

Wie Beispiel 2, jedoch ist der Arbeitgeber nicht i. S. des § 38 Abs. 1 EStG zum Lohnsteuerabzug verpflichtet.

Lösung:

Der Nettoarbeitslohn i. H. v. 24.000 € ist im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung des Arbeitnehmers in Deutschland im Jahr 01 anzusetzen. Die sich ergebende deutsche Einkommensteuernachzahlung z. B. i. H. v. 3.100 €, die vom ausländischen Arbeitgeber im Jahr 02 gezahlt wird, ist im Jahr der Zahlung 02 durch den Arbeitgeber beim Arbeitnehmer als geldwerter Vorteil zu erfassen ( BStBl II 1992 S. 441).

In die Einkommensteuerveranlagung sind folgende Beträge einzubeziehen:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Jahr 01:
24.000 € (laufender Nettolohn 01)
Jahr 02:
3.100 € zzgl. laufender Nettolohn 02 (zzgl. ggf. vom Arbeitgeber übernommene ESt-Vorauszahlungen)

334Beispiel 3: Outbound-Fall mit Übernahme einer höheren ausländischen Steuer

Ein im Inland ansässiger Arbeitnehmer wird von seinem inländischen Arbeitgeber zu einer ausländischen Tochtergesellschaft im DBA-Staat A abgeordnet, die auch die Lohnkosten wirtschaftlich trägt. Der Arbeitnehmer behält seinen inländischen Wohnsitz bei. Im Entsendevertrag zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber wurde die Steuerausgleichsmethode „Tax-Equalization“ vereinbart. Der Bruttolohn des Arbeitnehmers beträgt monatlich 3.000 €. Der monatliche Nettoarbeitslohn (ohne Berücksichtigung der Sozialversicherungsabzüge) vor Beginn der Entsendung beträgt 2.421 € (= 3.000 € abzgl. 579 € Lohnsteuer). Der Arbeitnehmer soll weiterhin den gleichen Nettobetrag erhalten, sodass die hypothetische Steuer während der Entsendung 579 € pro Monat beträgt. Im DBA-Staat A sind monatlich 800 € tatsächliche Steuern für den Arbeitslohnbezug des Arbeitnehmers fällig.

Lösung:

Die Lohnabrechnung im Inland sieht vereinfacht wie folgt aus:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Bruttoarbeitslohn
3.000 €
abzgl. hypothetische Steuer im Heimatstaat
579 €
Nettoauszahlungsbetrag
2.421 €

Für Zwecke des Progressionsvorbehalts nach § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG ist der im Ausland erzielte Arbeitslohn wie folgt zu ermitteln:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Nettoauszahlungsbetrag
2.421 €
zzgl. vom Arbeitgeber übernommene tatsächliche Steuern im Einsatzstaat
800 €
Bruttoarbeitslohn
3.221 €

Der Betrag von monatlich 3.221 € ist für Zwecke des Progressionsvorbehalts bei der Ermittlung der deutschen Einkommensteuer anzusetzen. Der Arbeitgeber wird für den Zeitraum der Entsendung mit monatlich 221 € zusätzlich belastet, da er für die Begleichung der tatsächlich anfallenden Steuer im Ausland (800 €) die vom Arbeitnehmer im Innenverhältnis einbehaltene hypothetische Steuer (579 €) nutzt und diese die tatsächliche Steuer nicht deckt.

335Beispiel 4: Outbound-Fall mit Übernahme einer niedrigeren ausländischen Steuer

Wie Beispiel 3, jedoch beträgt die monatliche Steuerbelastung im Ausland 250 €.

Lösung:

Die Lohnabrechnung sieht vereinfacht wie folgt aus:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Bruttoarbeitslohn
3.000 €
abzgl. hypothetische Steuer im Heimatstaat
579 €
Nettoauszahlungsbetrag
2.421 €

Für Zwecke des Progressionsvorbehalts nach § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG ist der im Ausland erzielte Arbeitslohn wie folgt zu ermitteln:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Nettoauszahlungsbetrag
2.421 €
zzgl. vom Arbeitgeber übernommene tatsächliche Steuern im Einsatzstaat
250 €
Bruttoarbeitslohn
2.671 €

Der Betrag von monatlich 2.671 € ist für Zwecke des Progressionsvorbehalts bei der Ermittlung der deutschen Einkommensteuer anzusetzen.

Der Arbeitgeber wird für den Zeitraum der Entsendung um monatlich 329 € entlastet, da er für die Begleichung der tatsächlich anfallenden Steuer im Ausland (250 €) die vom Arbeitnehmer im Innenverhältnis einbehaltene hypothetische Steuer (579 €) nutzt und diese die tatsächliche Steuer um 329 € übersteigt.

336Beispiel 5: Vereinbarung einer „Tax-Protection“

Wie Beispiel 3 (Rn. 334), jedoch wurde im Entsendevertrag zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber die Steuerausgleichsmethode „Tax-Protection“ vereinbart.

Lösung:

Da die monatliche Steuer im Ausland 800 € beträgt, ist die Steuerbelastung höher als im Inland. Der Arbeitgeber übernimmt daher die im Ausland anfallende Mehrsteuer. Sofern die „Tax-Protection“ über den Abzug der hypothetischen Steuer und die Übernahme der tatsächlichen Steuer erfolgt, entspricht der Lösungsweg dem zu Beispiel 3 (Rn. 334).

337Abwandlung:

Sachverhalt wie Beispiel 4, jedoch wurde die „Tax-Protection“ vereinbart. Aufgrund der geringeren Steuersätze im Ausland sollen die Steuervorteile (monatlich 329 €) beim Arbeitnehmer verbleiben.

Lösung:

Beträgt die monatliche Steuer im Ausland 250 €, ist die Steuerbelastung niedriger als im Inland. Erfolgt die Durchführung der „Tax-Protection“ über den Abzug der hypothetischen Steuer und der Übernahme der tatsächlichen Steuer, ist darauf zu achten, dass der vom Arbeitgeber erstattete Betrag (monatlich 329 €) als Arbeitslohn anzusetzen ist.

Die Lohnabrechnung im Inland stellt sich vereinfacht wie folgt dar:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Bruttoarbeitslohn
3.000 €
abzgl. hypothetische Steuer im Heimatland
579 €
Nettoauszahlungsbetrag
2.421 €

Für Zecke des Progressionsvorbehalts nach § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG ist der im Ausland erzielte Arbeitslohn wie folgt zu ermitteln:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Auszahlungsbetrag
2.421 €
zzgl. der tatsächlich übernommenen Steuern
250 €
zzgl. des Erstattungsbetrages
329 €
Bruttoarbeitslohn
3.000 €

Sofern der Erstattungsbetrag erst im Folgejahr (ggf. als Einmalbetrag) zufließt, ist er in diesem VZ zu berücksichtigen. Auf § 50d Abs. 8 und 9 EStG wird in diesem Zusammenhang hingewiesen.

5.5.9.2 Treuhandmodelle

338Von dem vorstehend dargestellten System zu unterscheiden sind Treuhandmodelle, bei denen die Arbeitnehmer freiwillig Beiträge in ein gemeinsames Treuhandvermögen leisten, ohne dass der Arbeitgeber eine Zuschuss- oder Insolvenzpflicht hat und aus diesem Treuhandvermögen die ausländischen Steuern beglichen werden. In diesen Fällen gelten die in das gemeinsame Treuhandvermögen (sog. Steuertopf) von den Arbeitnehmern eingebrachten Beträge, die aus dem geschuldeten Arbeitslohn finanziert werden, als sog. Einkommensverwendung. Denn der Arbeitnehmer hat mit der Einbringung der Beträge Rechtsansprüche gegenüber einem fremden Dritten (Treuhandvermögen) erworben. Damit führen die eingebrachten Beträge nicht zu einer Minderung des Bruttoarbeitslohnes. Die Aufteilung des ungekürzten Bruttoarbeitslohnes in einen steuerpflichtigen- und steuerfreien Teil erfolgt nach allgemeinen Grundsätzen. Im Gegenzug bewirkt die Finanzierung der anfallenden Steuer im Ausland oder in Deutschland aus dem Treuhandvermögen keinen Zufluss von Arbeitslohn.

Entsendezulagen

339Dient eine Entsendezulage dem Ausgleich von Kosten und Erschwernissen, die durch die Tätigkeit im Staat des aufnehmenden Unternehmens entstehen, ist die Zulage dieser Tätigkeit direkt zuzuordnen. Dagegen ist eine Entsendezulage i. S. der Tz. 5.4, Rn. 228 ff. aufzuteilen, wenn sie eine Vergütung für die Tätigkeit für das aufnehmende Unternehmen darstellt. Die Abgrenzung hat nach den Umständen des Einzelfalls zu erfolgen.

Eine widerlegbare Vermutung spricht für eine Zuordnung zum aufzuteilenden verbleibenden Arbeitslohn, wenn die Entsendezulage gewährt wird, obwohl die Tätigkeit über mehrere Monate ausschließlich im Ansässigkeitsstaat des Arbeitnehmers (z. B. im Homeoffice) ausgeübt wird.

Übernahme von bestimmten Aufwendungen durch den Arbeitgeber

340Die Steuerfreiheit bestimmter Einnahmen nach § 3 EStG (hier z. B. Nr. 13 und 16) ist zu beachten; einige nach § 3 EStG steuerfreie Einnahmen unterliegen nicht dem Progressionsvorbehalt.

341Zahlungen, die der Arbeitgeber im Hinblick auf einen künftigen internationalen Einsatz des Arbeitnehmers aufwendet, stellen i. d. R. Arbeitslohn dar, der nach Tz. 5.3, Rn. 227 abkommensrechtlich direkt dem Tätigkeitsstaat zuzuordnen ist. Dies sind z. B. Kosten:

  • für eine Orientierungsreise, um dem Arbeitnehmer einen Einblick in die Lebensbedingungen am Einsatzort zu geben (z. B. für Unterkunft, Mietwagen, Reisekosten oder Verpflegung),

  • für Visa sowie Arbeits- oder Aufenthaltsgenehmigungen,

  • für Sprachunterricht oder interkulturelles Training in Bezug auf den rechtlichen, kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Rahmen am Einsatzort (Ausnahmen s. R 19.7 Abs. 2 Satz 4 LStR),

  • für medizinische Vorsorge oder sonstige Hilfestellungen und Informationen (u. a. Eröffnung von Bankkonten, Wohnraumbeschaffung).

342Dies gilt auch für:

  • Übergangszuschüsse, die der Arbeitgeber als zusätzliche Leistung an bestimmten Einsatzorten zahlt, um höhere Kosten des Arbeitnehmers in der Orientierungsphase auszugleichen oder

  • Ausgleichszahlungen des Arbeitgebers für Verluste des Arbeitnehmers aus privaten Veräußerungen im Wohnsitzstaat anlässlich des internationalen Einsatzes.

343Übernimmt der Arbeitgeber während des Einsatzes Aufwendungen für den Arbeitnehmer im Tätigkeitsstaat (z. B. für die Unterbringung, die Verpflegung, den Umzug oder den Dienstwagen) oder im Ansässigkeitsstaat (z. B. für die Beibehaltung der bisherigen Wohnung oder deren Aufgabe) oder für Fahrten zwischen beiden Staaten (z. B. „Home-Leave“) und dies nur in Fällen des internationalen Einsatzes, liegt insoweit i. d. R. Arbeitslohn vor, der nach Tz. 5.3, Rn. 227 abkommensrechtlich direkt dem Tätigkeitsstaat zuzuordnen ist. Soweit eine Leistung jedoch nicht auf Fälle des internationalen Einsatzes beschränkt ist und auch dem Ansässigkeitsstaat nach Tz. 5.3 nicht direkt zugeordnet werden kann, ist eine Aufteilung i. S. der Tz. 5.4, Rn. 228 ff. vorzunehmen. Dies gilt entsprechend für Zuschüsse, die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer zum Ausgleich für dessen Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Einsatz zahlt (z. B. Unterstützungsleistungen für den Arbeitnehmer und dessen Familie, Zuschüsse bei Anschaffungen). Diese Informationen gehen regelmäßig aus den monatlichen Gehaltsabrechnungen („Payslips“) inklusive Schattengehaltsabrechnungen („Shadow-Payroll“) des Arbeitnehmers aus dem In- und Ausland hervor.

344Die Übernahme von Steuerberatungskosten durch den Arbeitgeber führt i. d. R. zum Zufluss eines geldwerten Vorteils i. H. der tatsächlichen Kosten (inklusive Umsatzsteuer). Hierzu gehören insbesondere sämtliche Leistungen, die mit der Erstellung der Einkommensteuererklärung des Arbeitnehmers oder seiner Angehörigen in Verbindung stehen (z. B. Erstellung der Steuererklärung, Vorbereitungsgespräche, Beantwortung der Fragen des Finanzamts, Steuerbescheidprüfung und Einspruchsverfahren, Beantragung Kindergeld, Beratungsleistungen, VIP-Services etc., BStBl II 2016 S. 31). Der in diesem Zusammenhang zugeflossene Arbeitslohn ist grundsätzlich dergestalt direkt zuzuordnen, dass die Kosten für die Erklärungsabgabe im ggf. bisherigen Ansässigkeitsstaat ausschließlich der Tätigkeit im ggf. bisherigen Ansässigkeitsstaat und die Kosten für die Erklärungsabgabe im Tätigkeitsstaat ausschließlich der Tätigkeit im Tätigkeitsstaat zuzurechnen sind. Erfolgt die Übernahme der Steuerberatungskosten jedoch im ausschließlichen wirtschaftlichen Zusammenhang mit der im Inland oder im Ausland ausgeübten Tätigkeit (z. B. aufgrund ausdrücklicher und auf die Dauer der Entsendung beschränkter Vereinbarung im Entsendevertrag), so ist der hieraus resultierende Lohn ausschließlich dieser Tätigkeit zuzuordnen.

345Übernimmt der Arbeitgeber, der mit dem Arbeitnehmer unter Abtretung der Steuererstattungsansprüche eine Nettolohnvereinbarung abgeschlossen hat, die Steuerberatungskosten für die Erstellung der Einkommensteuererklärungen des Arbeitnehmers, wendet er damit regelmäßig keinen Arbeitslohn zu ( BStBl 2019 II S. 785). Arbeitslohn liegt dagegen regelmäßig vor, soweit die Steuerberatungskosten anderen Einkunftsarten (z. B. Kapitalvermögen oder Vermietung und Verpachtung) als den aus dem Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber oder verbundenen Unternehmen (§ 15 AktG) erzielten Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zuzuordnen sind.

346Wird für die Steuerberatungskosten eine pauschale Vergütung je Arbeitnehmer oder für alle Arbeitnehmer vereinbart, bestehen grundsätzlich keine Bedenken, wenn aus Vereinfachungsgründen auf die Erfassung der anteilig den anderen Einkunftsarten zuzuordnenden Steuerberatungskosten verzichtet wird.

347Betreffen die Aufwendungen jedoch nur Arbeitgeberleistungen (z. B. Erstellung der Lohnabrechnung und Lohnsteueranmeldung, Steuerausgleichsberechnungen (TEQ), Beratungsleistungen im Zusammenhang mit sozialversicherungsrechtlichen Fragen etc.) handelt es sich um Aufwendungen im sog. überwiegenden betrieblichen Interesse, die beim einzelnen Arbeitnehmer zu keiner Bereicherung führen und insoweit keinen Zufluss von Arbeitslohn darstellen.

348Stellt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen Dienstwagen zur Verfügung, ist der hieraus resultierende geldwerte Vorteil für Privatfahrten und der für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte nach dem Veranlassungszusammenhang zuzuordnen. Der anlässlich der Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte entstehende geldwerte Vorteil ist direkt der Tätigkeit im Ansässigkeitsstaat oder im Tätigkeitsstaat nach Tz. 5.3, Rn. 227 zuzuordnen. Wird dagegen der Dienstwagen allgemein ohne Abhängigkeit von einer bestimmten Tätigkeit im Aus- oder Inland überlassen, handelt es sich um Arbeitslohn, der nicht direkt zugeordnet werden kann (s. Tz. 5.4, Rn. 228 ff.).

349Übernimmt der Arbeitgeber Aufwendungen für die Reintegration des Arbeitnehmers in den früheren Ansässigkeitsstaat (z. B. für die Unterbringung, die Verpflegung, den Rückumzug) und war der zurückliegende Einsatz in dem anderen Staat von vornherein befristet, liegt insoweit i. d. R. Arbeitslohn vor, der nach Tz. 5.3, Rn. 227 abkommensrechtlich direkt dem Tätigkeitsstaat zuzuordnen ist. Erfolgte dagegen der Einsatz in dem anderen Staat unbefristet, ist die Rückkehr in den Ansässigkeitsstaat regelmäßig durch eine neue Tätigkeit im Ansässigkeitsstaat veranlasst. In diesem Fall sind die Aufwendungen des Arbeitgebers für die Reintegration des Arbeitnehmers in den Ansässigkeitsstaat ggf. dieser neuen Tätigkeit zuzuordnen.

5.6 Außerhalb des vom Arbeitgeber eingerichteten Arbeitsplatzes ausgeübte Tätigkeiten

350Die unter der Tz. 5.4.2 Rn. 233 ff. dargestellten Grundsätze zur Aufteilung des Besteuerungsrechts über den Arbeitslohn zwischen zwei oder mehreren Staaten sind auch auf Sachverhalte anzuwenden, in denen der Arbeitnehmer seine Tätigkeit oder einen Teil seiner Tätigkeit außerhalb des für ihn im Betrieb eingerichteten Arbeitsplatzes (z. B. Tätigkeiten in den Wohnräumen des Arbeitnehmers oder im Homeoffice) ausübt. Art. 15 OECD-MA sieht hierfür keine besonderen Regelungen vor. Dem folgend enthalten auch deutsche DBA i. d. R. keine Sonderregelungen. Abweichend hiervon können sich aus den Grenzgängerregelungen (vgl. Tz. 1.2.2.2, Rn. 29) andere Rechtsfolgen für die Tätigkeitausübung im Homeoffice ergeben. Zu untertägigen Homeoffice-Aktivitäten, vgl. Tz. 5.4.2, Rn. 244.

351Beispiel: Tätigkeit im Homeoffice

Der ausschließlich in Deutschland ansässige Arbeitnehmer D arbeitet für einen in Dänemark ansässigen Arbeitgeber 40 Stunden pro Woche an fünf Tagen die Woche. Von Montag bis Mittwoch übt D die Tätigkeit am betrieblichen Arbeitsplatz in Dänemark aus. Donnerstags arbeitet D vier Stunden in Dänemark und vier Stunden im Homeoffice. Freitags arbeitet D sechs Stunden ausschließlich im Homeoffice.

Lösung:

Für D sind in diesen Wochen fünf tatsächliche Arbeitstage zu zählen. Davon übt er 3,5 Tage in Dänemark (Montag bis Mittwoch ganztägig und Donnerstag halbtägig) und 1,5 Tage in Deutschland (Donnerstag halbtägig, Freitag ganztägig) aus. Der Freitag ist ungeachtet der verkürzten Arbeitszeit als voller tatsächlicher Arbeitstag zu berücksichtigen. Soweit nicht § 50d Abs. 8 oder 9 EStG anzuwenden sind, kann der Arbeitslohn, der auf die Arbeitstage in Dänemark entfällt, nach Art. 15 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. Art. 24 Abs. 1 Buchstabe a DBA-Dänemark steuerfrei gestellt werden. Soweit der Arbeitslohn auf die im Inland ausgeübten Arbeitstage entfällt, steht dem Ansässigkeitsstaat Deutschland das Besteuerungsrecht zu (Art. 15 Abs. 1 Satz 1 erster Halbsatz DBA-Dänemark).

6 Abkommensrechtliche Beurteilung bestimmter Auslandstätigkeiten

6.1 Organe von Kapitalgesellschaften

352Bei der Besteuerung der Organe von Kapitalgesellschaften ist zwischen den geschäftsführenden und den überwachenden Organen zu unterscheiden.

353Die Vergütungen von geschäftsführenden Organen (z. B. Vorstände und Geschäftsführer) von Kapitalgesellschaften fallen regelmäßig in den Anwendungsbereich des Art. 15 OECD-MA. Der Ort der Geschäftsleitung oder der Sitz der Gesellschaft ist für die Aufteilung des Besteuerungsrechts ebenso wenig relevant wie der Ort, an dem die Tätigkeit „verwertet“ wird, da die Mitglieder der Geschäftsleitung abkommensrechtlich ihre Tätigkeit grundsätzlich an dem Ort ausüben, an dem sie sich persönlich aufhalten ( BStBl II 1995 S. 95). Soweit der innerstaatliche Besteuerungsanspruch nicht durch diese abkommensrechtliche Regelung beschränkt wird, unterliegt der Arbeitslohn gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe c EStG auch dann der beschränkten Einkommensteuerpflicht, wenn die geschäftsführenden Organe ihre Aufgaben im Ausland erfüllen.

354Davon abzugrenzen sind jedoch die Vergütungen der überwachenden Organe von Kapitalgesellschaften (z. B. Aufsichts- und Verwaltungsräte). Dabei handelt es sich innerstaatlich um Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit i. S. des § 18 EStG, die abkommensrechtlich unter den Anwendungsbereich des Art. 16 OECD-MA fallen. Das Besteuerungsrecht wird regelmäßig dem Ansässigkeitsstaat der Kapitalgesellschaft zugewiesen. Die Doppelbesteuerung wird durch die Anrechnungsmethode vermieden. Soweit der innerstaatliche Besteuerungsanspruch nicht durch die abkommensrechtliche Regelung beschränkt wird, unterliegen die Vergütungen gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG nur dann der beschränkten Einkommensteuerpflicht, wenn die Tätigkeit im Inland ausgeübt oder verwertet wird oder worden ist oder für die Tätigkeit im Inland eine feste Einrichtung oder eine Betriebsstätte unterhalten wird.

355In einigen Staaten ist es üblich, dass bestimmte Organe von Kapitalgesellschaften sowohl geschäftsführende als auch überwachende Aufgaben wahrnehmen (z. B. Schweizer Verwaltungsrat, kanadisches Board of Directors). In diesem Fall sind die Vergütungen unter Beachtung von Fremdüblichkeitsgrundsätzen aufzuteilen ( BStBl II 2013 S. 73). Soweit die Einnahmen auf die geschäftsführenden Tätigkeiten entfallen, ist das Besteuerungsrecht nach Art. 15 OECD-MA zuzuweisen. Der übrige Teil fällt unter die Anwendung des Art. 16 OECD-MA.

356Abweichend von den vorstehend genannten Grundsätzen wird in einigen DBA geregelt, dass das Besteuerungsrecht an den Geschäftsführervergütungen dem Ansässigkeitsstaat der Gesellschaft zusteht (z. B. Art. 16 DBA-Belgien, Art. 16 Abs. 2 DBA-Kasachstan, Art. 15 Abs. 2 DBA-Niederlande, Art. 16 DBA-Österreich, Art. 16 Abs. 2 DBA-Polen, Art. 16 DBA-Schweden, Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz, s. auch Tz. 1.2.2.3, Rn. 30). Bezüglich der Anwendung des Methodenartikels in Zusammenhang mit Art 15 Abs. 4 DBA-Schweiz wird auf das BStBl 2013 I S. 1610 hingewiesen.

357Abfindungen wegen Auflösung des Arbeitsverhältnisses unterfallen ebenfalls den vorgenannten Sonderregelungen ( BStBl II 2021 S. 275). Soweit gemäß dem anzuwendenden DBA auf die Eigenschaft als Geschäftsführer abzustellen ist, unterliegt die gesamte zugeflossene feste und variable Vergütung einschließlich einer Abfindungszahlung den vorgenannten Sonderregelungen (z. B. Art. 16 Abs. 2 DBA-Polen). Auf das Ende der tatsächlichen Ausübung (z. B. durch Freistellung, Aufkündigung des Geschäftsführervertrages oder Löschung im Handelsregister) kommt es insoweit nicht an ( BStBl II 2021 S. 275). Soweit auf die konkrete Tätigkeit der Geschäftsführertätigkeit abzustellen ist, endet die Anwendung des Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz für Organe von Kapitalgesellschaften bereits dann, wenn die Tätigkeit als leitender Angestellter nachweislich tatsächlich nicht mehr ausgeübt wird (i. d. R. ab Antrag auf Löschung aus dem Handelsregister oder Aufkündigung des Geschäftsführervertrages). Ab diesem Zeitpunkt greift der allgemeine Artikel über unselbständige Arbeit (Art. 15 OECD-MA).

358Beispiel 1:

Der ausschließlich in Deutschland ansässige X arbeitet als Geschäftsführer für eine niederländische Kapitalgesellschaft und als Aufsichtsrat einer belgischen Kapitalgesellschaft. Seine Tätigkeit übt er zu 1/3 in den Niederlanden, zu 1/3 in Belgien und zu 1/3 in Drittstaaten aus.

Lösung:

Nach Art. 16 Abs. 1 DBA-Belgien bzw. Art. 15 Abs. 2 DBA-Niederlande steht ungeachtet dessen, ob X in geschäftsführender oder in überwachender Funktion tätig ist, dem jeweiligen Ansässigkeitsstaat der Kapitalgesellschaft das Besteuerungsrecht zu. Dies würde auch dann gelten, wenn X in Deutschland tätig wäre. Nach dem DBA-Niederlande 2012 gilt zudem die Besonderheit, dass die Doppelbesteuerung auch für geschäftsführende Organe nach Art. 22 Abs. 1 Buchst. b Doppelbuchstabe cc durch die Anrechnungsmethode vermieden wird.

359In einigen DBA sind aufgrund unterschiedlicher Übersetzungen des Art. 16 zum Teil Organe genannt, die lediglich geschäftsführenden und keinen überwachenden Charakter haben. Da geschäftsführende Tätigkeiten nach deutscher Auffassung jedoch regelmäßig unter Art. 15 OECD-MA fallen, führt dies zu Qualifikationskonflikten, die im Verständigungsverfahren (s Tz. 11) zu lösen sind. Soweit eine doppelte Nichtbesteuerung droht, kann der ausländische Staat – vorbehaltlich einer innerstaatlichen Rechtsgrundlage – mittels einer Spontanauskunft über die drohende Nichtbesteuerung informiert werden.

360Beispiel 2:

Der ausschließlich in Deutschland ansässige A ist Geschäftsführer einer in Österreich ansässigen GmbH. A erhält einen Arbeitslohn i. H. v. 120.000 € pro Jahr. Die Tätigkeit übt er an 100 Tagen in Österreich und an 50 Tagen im Homeoffice Deutschland aus. A wird ab September für 90 Tage

  1. widerruflich von der Arbeit freigestellt;

  2. unwiderruflich von der Arbeit freigestellt.

Zum Zeitpunkt der Freistellung hält sich A in Deutschland auf.

Lösung:

Nach Art. 16 Abs. 2 DBA-Österreich steht für alle Vergütungen, die „in der Eigenschaft als Mitglied der Geschäftsführung“ erzielt werden, dem Ansässigkeitsstaat der Kapitalgesellschaft das Besteuerungsrecht zu (hier: Österreich). Da Art. 16 Abs. 2 DBA-Österreich keine Vergütung für eine ausgeübte Tätigkeit verlangt, spielt es keine Rolle, ob die Arbeitsfreistellung widerruflich oder unwiderruflich erfolgt und wo sich A während der Arbeitsfreistellung aufhält (s. Tz. 6.2, Rn. 361, 362).

Der Arbeitslohn ist daher vollständig in Deutschland unter Progressionsvorbehalt steuerfrei (Art. 23 Abs. 1 Buchstabe a DBA-Österreich), sofern keine Rückfallklauseln anzuwenden sind ( BStBl II 2021 S. 275).

6.2 Sich-zur-Verfügung-Halten [3], [4]

361Soweit die Arbeitsleistung in einem Sich-zur-Verfügung-Halten (z. B. Bereitschaftsdienst, Zeiträume der widerruflichen Arbeitsfreistellung im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses) besteht, ohne dass es zu einer Tätigkeit kommt, wird die Arbeitsleistung dort erbracht, wo sich der Arbeitnehmer während der Dauer des Sich-zur-Verfügung-Haltens tatsächlich aufhält ( BStBl 1970 II S. 867).

362Im Falle einer unwiderruflichen Arbeitsfreistellung findet dagegen keine Tätigkeitsausübung statt, sodass nach Art. 15 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA grundsätzlich der Ansässigkeitsstaat das Besteuerungsrecht an den übrigen Vergütungen innehat. Zeiten der unwiderruflichen Arbeitsfreistellung sind regelmäßig nicht in den Erdienungszeitraum von Vergütungen aus unselbständiger Arbeit einzubeziehen, da eine Ausübung der Tätigkeit nicht mehr stattfinden kann.

6.3 Vorruhestandsgelder

363Als Vorruhestand wird der Zeitraum zwischen dem Ausscheiden aus dem Berufsleben und dem Erreichen des gesetzlichen Renteneintrittsalters bezeichnet. Laufend ausgezahlte Vorruhestandsgelder haben immer Versorgungscharakter. Sie sind daher dem Art. 18 OECD-MA zuzuordnen und danach im Ansässigkeitsstaat zu besteuern.

364Erdiente kapitalisierte Vorruhestandsgelder, bei denen ein Versorgungscharakter angenommen werden kann, weil sie kurz (maximal 1 Jahr) vor dem Eintrittsalter nach dem Recht des Quellenstaats in eine gesetzliche Rentenversicherung gezahlt werden, sind dem Art. 18 OECD-MA zuzuordnen. Das Besteuerungsrecht steht daher dem Ansässigkeitsstaat zu.

365Bei Einmalzahlungen zur Ablösung eines bereits im Arbeitsvertrag vereinbarten Anspruchs auf Vorruhestandsgeld, denen kein Versorgungscharakter beigemessen werden kann, weil sie nicht in einem nahen zeitlichen Zusammenhang vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze gezahlt werden, handelt es sich grundsätzlich um Vergütungen aus unselbständiger Arbeit i. S. des Art. 15 Abs. 1 OECD-MA, für die dem Tätigkeitsstaat das Besteuerungsrecht zusteht.

366Werden solche Einmalzahlungen aber in einem nahen zeitlichen Zusammenhang mit dem Erreichen des gesetzlichen Renteneintrittsalters geleistet, d. h. innerhalb eines Jahres vor diesem Zeitpunkt, unterfallen sie nicht mehr Art. 15 Abs. 1 OECD-MA. Die Zuordnung des Besteuerungsrechts erfolgt dann über Art. 18 OECD-MA. Liegen andere Umstände für Versorgungsleistungen aus einer Sozialversicherung vor, wie z. B. Berufsunfähigkeit, kann auch bei einem nicht engen zeitlichen Zusammenhang mit dem gesetzlichen Renteneintrittsalter ein Versorgungscharakter der Einmalzahlung angenommen werden und das Besteuerungsrecht nach Art. 18 OECD-MA zuzuordnen sein.

367Ist ein laufendes Vorruhestandsgeld dagegen nicht in einem Arbeitsvertrag vereinbart und somit nicht durch eine bestimmte Tätigkeit erdient, sondern wird der Anspruch erst im Zusammenhang mit der Auflösung eines Dienstverhältnisses begründet, steht das Besteuerungsrecht nach Art. 18 OECD-MA nicht dem Tätigkeitsstaat, sondern dem Ansässigkeitsstaat im Zeitpunkt der Zahlung zu.

6.4 Konkurrenz- oder Wettbewerbsverbot

368Vergütungen an den Arbeitnehmer für ein Konkurrenz- oder Wettbewerbsverbot fallen unter Art. 15 OECD-MA. Es handelt sich hierbei um Vergütungen, die für eine in die Zukunft gerichtete Verpflichtung gezahlt werden und nicht der Abgeltung und Abwicklung von Interessen aus dem bisherigen Rechtsverhältnis dienen ( BStBl 1996 II S. 516). Die Arbeitsleistung, das Nicht-Tätigwerden, wird in dem Staat erbracht, in dem sich der Arbeitnehmer während der Dauer des Verbotes aufhält. Die Fiktion eines Tätigkeitsortes unabhängig von der körperlichen Anwesenheit, beispielsweise in dem Staat, in dem der Steuerpflichtige nicht tätig werden darf, ist nicht möglich ( BStBl II 1995 S. 95). Hält sich der Arbeitnehmer während dieses Zeitraums in mehreren DBA-Staaten auf, ist das Entgelt entsprechend aufzuteilen.

369Im Verhältnis zu Österreich werden Zahlungen anlässlich eines im Rahmen der Auflösung des Dienstverhältnisses vereinbarten Wettbewerbsverbots (Karenzentschädigung) dem vormaligen Tätigkeitsstaat in dem Verhältnis zugewiesen, in dem die für die zuvor ausgeübte Tätigkeit bezogenen Einkünfte dort der Besteuerung unterlegen haben (§ 5 KonsVerAUTV, BStBl I 2011 S. 144). Im Verhältnis zur Schweiz sind die Besonderheiten der Konsultationsvereinbarung zu Abfindungen (BStBl I 2010 S. 268) auf Zahlungen im Zusammenhang mit einem bei Auflösung eines Dienstverhältnisses vereinbarten Wettbewerbsverbot sinngemäß anzuwenden.

6.5 Altersteilzeit nach dem Blockmodell

370Für Arbeitnehmer besteht im Rahmen des Altersteilzeitgesetzes unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, ihre Arbeitszeit zu halbieren. Beim sog. Blockmodell schließt sich dabei an eine Phase der Vollzeitarbeit (Arbeitsphase) eine gleich lange Freistellungsphase an. Das Arbeitsverhältnis besteht bis zum Ende der Freistellungsphase weiter fort. Der Arbeitgeber zahlt dem Arbeitnehmer für die von ihm geleistete Tätigkeit Arbeitslohn.

371Den Anspruch auf Zahlung des Arbeitslohns während der Freistellungsphase erwirbt der Arbeitnehmer dabei durch seine Tätigkeit in der Arbeitsphase.

372Der Arbeitslohn in der Arbeits- und in der Freistellungsphase stellt eine Vergütung i. S. des Art. 15 OECD-MA dar. In der Freistellungsphase handelt es sich dabei einheitlich um nachträglich gezahlten Arbeitslohn ( BStBl 2011 II S. 446), der nach den Grundsätzen der Tz. 5.4 aufzuteilen ist. Dabei ist als Erdienungszeitraum der Zeitraum der Arbeitsphase zugrunde zu legen.



373Der Arbeitslohn wird durch den sog. Aufstockungsbetrag erhöht. Dabei wird der Aufstockungsbetrag nicht für die im Ausland geleistete Tätigkeit gezahlt, sondern für die Bereitschaft des Arbeitnehmers, eine Altersteilzeitvereinbarung mit dem Arbeitgeber einzugehen. Diese ist unabhängig von der Auslandstätigkeit des Arbeitnehmers vereinbart. Der Wert der Auslandsarbeit des Arbeitnehmers wird durch die Zahlung des Aufstockungsbetrags nicht erhöht, da der Arbeitnehmer im Ausland keine andere Tätigkeit erbringt als diejenige, die er ohne Altersteilzeitvereinbarung erbringen würde. Als solche Vergütung fällt der Aufstockungsbetrag als Arbeitslohn nicht in das Besteuerungsrecht des Tätigkeitsstaates, sondern verbleibt ausschließlich beim Ansässigkeitsstaat. Ist Deutschland der Ansässigkeitsstaat, ist eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 28 EStG (s. auch R 3.28 Abs. 3 LStR) zu prüfen.

374Dies gilt auch für Grenzgänger i. S. des Art. 13 Abs. 5 DBA-Frankreich, des Art. 15 Abs. 6 DBA-Österreich und des Art. 15a DBA-Schweiz, unabhängig davon, dass ein Grenzgänger während der Freistellungsphase nicht mehr regelmäßig über die Grenze pendelt.

375Beispiel 1:

Der inländische Arbeitnehmer A ist für seinen im Inland ansässigen Arbeitgeber B tätig. Zwischen A und B ist für die Jahre 01 und 02 eine Altersteilzeit nach dem Blockmodell vereinbart, d. h. das erste Jahr umfasst die Arbeitsphase und das zweite Jahr die Freistellungsphase. A arbeitet im Jahr 01 an 60 Arbeitstagen in einer Betriebsstätte seines Arbeitgebers in Korea. Der Arbeitslohn wird während dieser Zeit von der Betriebsstätte getragen. Die übrigen 180 Arbeitstage ist A im Inland tätig. Seinen inländischen Wohnsitz behält A bei und auch die Freistellungsphase verbringt A ausschließlich im Inland.

Lösung:

In 01 steht Korea als Tätigkeitsstaat des A das Besteuerungsrecht anteilig für 60/240 der Vergütungen zu, da die Voraussetzung des Art. 15 Abs. 2 Buchstabe c DBA-Korea nicht erfüllt ist. Deutschland stellt die Vergütungen insoweit unter Progressionsvorbehalt frei, soweit nicht § 50d Abs. 8 bzw. 9 EStG anzuwenden sind. Für die übrigen 180/240 der Vergütungen steht Deutschland das Besteuerungsrecht zu. Entsprechend dieser Aufteilung in der Arbeitsphase steht das Besteuerungsrecht für die Vergütungen des A in der Freistellungsphase in 02 zu 60/240 Korea und zu 180/240 Deutschland zu. Da der Aufstockungsbetrag nicht für die Tätigkeit in Korea gezahlt wird, verbleibt das Besteuerungsrecht diesbezüglich im Ansässigkeitsstaat Deutschland. Die Steuerfreiheit ist unter Beachtung von § 3 Nr. 28 EStG und R 3.28 Abs. 3 LStR zu prüfen.

376Beispiel 2:

Der in Dänemark ansässige Arbeitnehmer A ist für seinen im Inland ansässigen Arbeitgeber B tätig. Zwischen A und B ist für die Jahre 01 und 02 eine Altersteilzeit nach dem Blockmodell vereinbart, d. h. das erste Jahr umfasst die Arbeitsphase und das zweite Jahr die Freistellungsphase. A arbeitet während der Arbeitsphase ausschließlich in Deutschland.

Lösung:

In 01 steht Deutschland als Tätigkeitsstaat des A das Besteuerungsrecht an den Vergütungen in vollem Umfang zu, da die Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 2 Buchstabe a und b DBA-Dänemark nicht erfüllt sind. Dementsprechend steht auch das Besteuerungsrecht für die Vergütungen des A in der Freistellungsphase in 02 nur Deutschland zu. Da der Aufstockungsbetrag nicht für die Tätigkeit in Deutschland gezahlt wird, verbleibt das Besteuerungsrecht diesbezüglich im Ansässigkeitsstaat Dänemark.

377Beispiel 3:

Arbeitnehmer A ist für seinen im Inland ansässigen Arbeitgeber B tätig. Zwischen A und B ist für die Jahre 01 und 02 eine Altersteilzeit nach dem Blockmodell vereinbart, d. h. das erste Jahr umfasst die Arbeitsphase und das zweite Jahr die Freistellungsphase. Im Jahr 01 hat A seinen Wohnsitz in Deutschland und arbeitet auch ausschließlich im Inland. Anfang 02 zieht A nach Spanien.

Lösung:

In 01 unterliegt A im Inland der unbeschränkten Steuerpflicht. Es liegt kein grenzüberschreitender Sachverhalt vor, sodass ein DBA nicht zu beachten ist. In 02 in der Freistellungsphase unterliegt A mit den Vergütungen für die ehemals in Deutschland geleistete Tätigkeit der beschränkten Steuerpflicht in Deutschland, weil insoweit inländische Einkünfte i. S. des § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe a EStG vorliegen. Nach Art. 14 Abs. 1 DBA-Spanien steht für diese Vergütungen ausschließlich Deutschland das Besteuerungsrecht zu, da die Tätigkeit in der Arbeitsphase in Deutschland ausgeübt wurde und die Voraussetzungen des Art. 14 Abs. 2 DBA-Spanien nicht erfüllt sind. Da der Aufstockungsbetrag nicht für eine Tätigkeit im In- oder Ausland gezahlt wird, unterliegt er im Jahr 01(Arbeitsphase) der Besteuerung im Ansässigkeitsstaat Deutschland und im Jahr 02 (Freistellungsphase) der Besteuerung im Ansässigkeitsstaat Spanien.

6.6 Betriebliche Altersversorgung

378Eine betriebliche Altersversorgung nach dem BetrAVG liegt vor, wenn dem Arbeitnehmer aufgrund seines Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber Leistungen oder Beiträge zur Absicherung mindestens eines biometrischen Risikos (Alter, Tod, Invalidität) zugesagt werden und Ansprüche auf diese Leistungen erst mit dem Eintritt des biologischen Ereignisses fällig werden (§ 1 BetrAVG). Die Zusage des Arbeitgebers muss somit einem im BetrAVG geregelten Versorgungszweck dienen, die Leistungspflicht nach dem Inhalt der Zusage durch ein im Gesetz genanntes biologisches Ereignis ausgelöst werden und durch die vorgesehene Leistung ein im Gesetz angesprochenes biometrisches Risiko teilweise übernommen werden ( BStBl 2021 I S. 1050). Im Rahmen einer betrieblichen Altersversorgung ist zwischen der Anspar- und der Leistungsphase zu unterscheiden. In der Ansparphase vom Arbeitgeber geleistete Beiträge oder Zuschüsse zu einer externen betrieblichen Altersversorgung stellen nach innerstaatlichem Recht Arbeitslohn dar, wenn der Arbeitnehmer gegenüber der Versorgungseinrichtung, an die der Arbeitgeber die Beiträge leistet, einen unentziehbaren Rechtsanspruch auf die Leistung erwirbt. Das Besteuerungsrecht dieser Beiträge zu einer betrieblichen Altersversorgung bestimmt sich regelmäßig nach Art. 15 OECD-MA. Soweit keine Steuerfreiheit, z. B. nach § 3 Nr. 63 EStG (vgl. Rn. 36 ff. BStBl 2021 I S. 1050), besteht, ist das Besteuerungsrecht nach den Grundsätzen der Tz. 5.4, Rn. 228 aufzuteilen. Bei einer internen Durchführung der betrieblichen Altersversorgung (z. B. Direktzusage durch den Arbeitgeber) liegt in der Ansparphase nach innerstaatlichem Recht kein Arbeitslohn vor.

379Das Besteuerungsrecht in der Leistungsphase richtet sich bei interner oder externer Durchführung der betrieblichen Altersversorgung i. d. R. nach Art. 18 oder 21 OECD-MA (s. Tz. 1.2.2.3, Rn. 31). Dies gilt i. d. R. auch dann, wenn der vertraglich vereinbarte Versorgungsfall (Alters-, Invaliditäts-, oder Hinterbliebenenversorgung nach dem BetrAVG eingetreten ist und die Versorgungsleistung in einem Einmalbetrag ausgezahlt wird. Ist der Versorgungsfall hingegen nicht eingetreten, gelten die allgemeinen Grundsätze der Rz. 261 (Einmalzahlung zur Abfindung einer Ruhegehaltsanwartschaft).

7 Besonderheiten bei Berufskraftfahrern

7.1 Allgemeines

380Berufskraftfahrer halten sich während der Arbeitsausübung in oder bei ihrem Fahrzeug auf ( BStBl 2004 II S. 936). Das Fahrzeug ist daher ihr Ort der Arbeitsausübung. Der Ort der Arbeitsausübung des Berufskraftfahrers bestimmt sich nach dem jeweiligen Aufenthalts- oder Fortbewegungsort des Fahrzeugs ( BStBl 2022 II S. 646). Zu den Berufskraftfahrern i. S. dieses Schreibens zählen auch Auslieferungsfahrer, nicht aber Reisevertreter. Fahrten zwischen der Wohnung und dem Standort des Fahrzeugs gehören nicht zur beruflichen Tätigkeit des Berufskraftfahrers i. S. der DBA.

7.2 Arbeitgeber im Inland

381Sind der Berufskraftfahrer und der Arbeitgeber im Inland ansässig und wird der Arbeitslohn nicht von einer ausländischen Betriebsstätte getragen, ist der Anwendungsbereich der DBA nicht betroffen, soweit die Vergütungen aus unselbständiger Arbeit auf Tätigkeiten des Berufskraftfahrers in Deutschland entfallen. Diese Vergütungen unterliegen der inländischen unbeschränkten Einkommensteuerpflicht.

382Soweit der Berufskraftfahrer seine Tätigkeit in einem anderen Staat ausübt, ist anhand der 183-Tage-Klausel zu prüfen, welchem der beiden Vertragsstaaten das Besteuerungsrecht für die auf das Ausland entfallenden Einkünfte zusteht.

383Die Berechnung der 183-Tage-Frist ist dabei für jeden Vertragsstaat gesondert durchzuführen. In Abweichung von den Regelungen in Tz. 4.2.2, Rn. 109 führt die von einem Berufskraftfahrer ausgeübte Fahrtätigkeit dazu, dass auch Anwesenheitstage der Durchreise in einem Staat bei der Ermittlung der 183-Tage-Frist als volle Tage der Anwesenheit in diesem Staat zu berücksichtigen sind. Durchquert der Fahrer an einem Tag mehrere DBA-Staaten, so zählt dieser Tag für Zwecke der Ermittlung der 183-Tage-Frist in jedem dieser Staaten als voller Anwesenheitstag.

384Für die Ermittlung und Zuordnung des Arbeitslohns gelten die Ausführungen der Tz. 5.2 bis 5.5 (Rn. 225 bis Rn. 349) entsprechend. Hält sich der Berufskraftfahrer an einem Arbeitstag nicht ausschließlich im anderen Staat auf (z. B. an Reisetagen), so ist das Arbeitsentgelt für diesen Arbeitstag zeitanteilig aufzuteilen. Dies muss ggf. im Schätzungswege erfolgen. Hierbei ist die tatsächliche Arbeitszeit für diesen Tag zugrunde zu legen. Steht dem anderen Staat kein Besteuerungsrecht nach Art. 15 Abs. 2 Buchstabe a OECD-MA zu, ist das Arbeitsentgelt nicht aufzuteilen.

385Beispiel:

Der in München wohnhafte Berufskraftfahrer A nimmt seine Fahrt morgens in München auf und fährt über Österreich nach Italien. Von dort kehrt er am selben Tage über die Schweiz nach München zurück.

Lösung:

Bei Berufskraftfahrern sind auch Tage der Durchreise als volle Anwesenheitstage im jeweiligen Staat zu berücksichtigen. Für die Ermittlung der 183-Tage-Fristen nach den jeweiligen DBA ist damit für Österreich, Italien und die Schweiz jeweils ein Tag zu zählen.

7.3 Arbeitgeber oder arbeitslohntragende Betriebsstätte im Ausland

386In den Fällen, in denen der Berufskraftfahrer in Deutschland, sein Arbeitgeber aber in dem anderen Vertragsstaat ansässig ist, steht Deutschland das Besteuerungsrecht für die Vergütungen des Berufskraftfahrers aus unselbständiger Arbeit zu, soweit die Vergütungen auf Tätigkeiten des Berufskraftfahrers im Inland entfallen.

387Soweit der Berufskraftfahrer seine Tätigkeit in dem Staat ausübt, in dem der Arbeitgeber ansässig ist, ist die Anwendung des Art. 15 Abs. 2 OECD-MA ausgeschlossen, da die Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 2 Buchstabe b OECD-MA nicht vorliegen. Mit jedem Tätigwerden des Berufskraftfahrers im Ansässigkeitsstaat des Arbeitgebers steht diesem als Tätigkeitsstaat insoweit das Besteuerungsrecht zu (Art. 15 Abs. 1 OECD-MA).

388Übt der Berufskraftfahrer seine Tätigkeit in einem Drittstaat aus, d. h. weder in Deutschland noch in dem Staat, in dem der Arbeitgeber ansässig ist, steht das Besteuerungsrecht für die auf den Drittstaat entfallenden Arbeitsvergütungen im Verhältnis zum Ansässigkeitsstaat des Arbeitgebers Deutschland als Ansässigkeitsstaat des Berufskraftfahrers zu. Besteht mit dem jeweiligen Drittstaat ein DBA, ist im Verhältnis zu diesem Staat nach diesem DBA zu prüfen, welchem Staat das Besteuerungsrecht zusteht. Soweit die Tätigkeit im jeweiligen Drittstaat an nicht mehr als 183 Tagen ausgeübt wird, verbleibt das Besteuerungsrecht regelmäßig bei Deutschland.

389Die vorstehenden Ausführungen gelten sinngemäß für die Fälle, in denen der Arbeitgeber in Deutschland oder in einem Drittstaat ansässig ist, die Arbeitsvergütungen aber von einer Betriebsstätte im Tätigkeitsstaat getragen werden (s. Tz. 4.4, Rn. 213 ff.). Für die Ermittlung und Zuordnung des Arbeitslohns gelten die Ausführungen der Tz. 5.2 bis 5.5, Rn. 224 bis 349 entsprechend. Hält sich der Berufskraftfahrer an einem Arbeitstag nicht ausschließlich im anderen Staat auf (z. B. an Reisetagen), so ist das Arbeitsentgelt für diesen Arbeitstag zeitanteilig aufzuteilen. Dies muss ggf. im Schätzungswege erfolgen. Hierbei ist die tatsächliche Arbeitszeit für diesen Tag zugrunde zu legen.

390Beispiel:

Der im Inland ansässige Arbeitnehmer A ist für seinen in Österreich ansässigen Arbeitgeber als Berufskraftfahrer tätig. Im Jahr 01 war A das ganze Jahr über im Inland tätig. Lediglich zwei Arbeitstage hat A in Österreich und zwei Arbeitstage in Italien verbracht. A ist kein Grenzgänger i. S. von Art. 15 Abs. 6 DBA-Österreich.

Lösung:

Deutschland hat als Ansässigkeitsstaat des A das Besteuerungsrecht für die Vergütungen, die auf die Arbeitstage entfallen, an denen A seine Tätigkeit in Deutschland ausgeübt hat (Art. 15 Abs. 1 DBA-Österreich). Zudem hat Deutschland das Besteuerungsrecht für die Vergütungen, die auf die in Italien verbrachten Arbeitstage entfallen, da sich A nicht mehr als 183 Tage in Italien aufgehalten hat (Art. 15 Abs. 2 DBA-Italien). Dagegen wird Österreich das Besteuerungsrecht für die Vergütungen zugewiesen, die auf die Tage entfallen, an denen A in Österreich seine Tätigkeit ausgeübt hat (Art. 15 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Buchstabe b DBA-Österreich). Insoweit stellt Deutschland die Einkünfte unter Progressionsvorbehalt frei (Art. 23 Abs. 1 Buchstabe a DBA-Österreich), soweit nicht § 50d Abs. 8 bzw. 9 EStG anzuwenden sind.

7.4 DBA mit Sonderregelung zu Berufskraftfahrern [5]

391Die in Art. 14 Abs. 3 DBA-Spanien enthaltene Sonderregelung für Personal auf Schiffen und Flugzeugen umfasst auch Personal auf Straßenfahrzeugen im internationalen Verkehr (Tz. 8, Rn. 392 ff.).

8 Personal auf Schiffen und Flugzeugen

8.1 Allgemeines

392Die DBA enthalten für Einkünfte des Bordpersonals von Seeschiffen und Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr sowie des Bordpersonals von Binnenschiffen häufig gesonderte Bestimmungen.

393Die meisten von Deutschland vereinbarten DBA enthalten eine Bestimmung, welche Art. 15 Abs. 3 OECD-MA 2014 entspricht. Danach steht für Einkünfte aus unselbständiger Tätigkeit des Bordpersonals von Luftfahrzeugen und von Seeschiffen, die im internationalen Verkehr betrieben werden, sowie von Binnenschiffen das Besteuerungsrecht dem Vertragsstaat zu, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des die Luftfahrt oder Schifffahrt betreibenden Unternehmens befindet (z. B. Art. 15 Abs. 3 DBA-Dänemark, Art. 13 Abs. 2 DBA-Frankreich, Art. 14 Abs. 3 DBA-Spanien). Art. 15 Abs. 3 OECD-MA 2014 folgt der Regelung für Unternehmensgewinne aus dem Betrieb von Schiffen und Luftfahrzeugen entsprechend Art. 8 OECD-MA 2014. Folglich kann regelmäßig der Vertragsstaat die Vergütungen an das Bordpersonal besteuern, bei dem sie die Bemessungsgrundlage für die Gewinnbesteuerung mindern. Ein Schiff oder Luftfahrzeug wird von dem Unternehmen betrieben, welches die Beförderungsleistung erbringt.

394Was unter „internationalem Verkehr“ zu verstehen ist, ergibt sich i. d. R. aus den allgemeinen Begriffsbestimmungen des jeweils anzuwendenden DBA (vgl. Art. 3 Abs. 1 Buchstabe e OECD-MA). In abkommensrechtlicher Hinsicht ist bei Schiffen als Binnenverkehr jeder „Verkehr“ zu Wasser anzusehen, der ausschließlich auf Binnengewässern stattfindet, die geografisch innerhalb des Festlandes liegen, d. h. auf Flüssen, Kanälen oder Seen. Wird das Bordpersonal von Schiffen oder Luftfahrzeugen sowohl im Binnenverkehr als auch im internationalen Verkehr tätig, ist eine Aufteilung im Verhältnis der Einsatzzeiten sachgerecht.

395Liegen die Voraussetzungen einer gesonderten Bestimmung für Vergütungen von Bordpersonal im anzuwendenden DBA nicht vor, weil z. B. kein Betrieb im internationalen Verkehr vorliegt, gelten die allgemeinen Bestimmungen entsprechend Art. 15 Abs. 1 und 2 OECD-MA (s. Tz. 3, Rn. 99 und Tz. 4, Rn. 101 ff.).

396Mit der Neufassung des Art. 15 Abs. 3 im OECD-MA 2017 hat sich die Zuweisung des Besteuerungsrechts und der Anwendungsbereich der Bestimmung geändert. Nach der Neufassung wird zwischen Schiffen im internationalen Verkehr und Schiffen im Binnenverkehr nicht mehr unterschieden. Diese Bestimmung gilt damit auch für Vergütungen für an Bord von Binnenschiffen ausgeübte unselbständige Arbeit, wenn diese im internationalen Verkehr i. S. des Art. 3 Abs. 1 Buchstabe e OECD-MA 2017 betrieben werden. Zudem wird das Besteuerungsrecht ausschließlich dem Ansässigkeitsstaat des Besatzungsmitglieds zugewiesen und nicht mehr dem Staat, in dem sich der Ort der Geschäftsleitung des Luftfahrt- oder Schifffahrtsunternehmen befindet (z. B. Art. 14 Abs. 3 DBA-Vereinigtes Königreich 2010, Art. 15 Abs. 3 DBA-USA).

397Im Verhältnis zu den Niederlanden ist zu beachten, dass vor dem VZ 2016 und ab dem VZ 2017 der Geschäftsleitungsstaat des Unternehmens das Besteuerungsrecht nach Art. 10 Abs. 3 DBA-Niederlande a. F. bzw. Art. 14 Abs. 4 DBA-Niederlande 2012 i. d. F. des Protokolls vom (BGBl. II S. 866) hat. Im VZ 2016 steht nach Art. 14 Abs. 4 des in diesem VZ gültigen DBA-Niederlande 2012 vorbehaltlich der Übergangsregelung des Art. 33 Abs. 6 DBA-Niederlande 2012 dem Ansässigkeitsstaat des Arbeitnehmers das Besteuerungsrecht zu.

398Einige DBA enthalten eine von Art. 15 Abs. 3 OECD-MA 2014 abweichende Bestimmung (z. B. Art. 15 Abs. 3 DBA-Schweiz, s. Tz. 8.2.2, Rn. 410) oder sehen anstelle der Freistellungsmethode die Anrechnungsmethode vor (z. B. Art. XVII Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe a Doppelbuchstabe dd DBA-Griechenland oder Art. 23 Abs. 1 Buchstabe b Doppelbuchstabe ee DBA-Österreich). Soweit ein DBA keine Sonderregelung für das Bordpersonal von Schiffen und Luftfahrzeugen enthält, sind die allgemeinen Bestimmungen entsprechend Art. 15 Abs. 1 und 2 OECD-MA anzuwenden (z. B. DBA mit Liberia und mit Trinidad und Tobago s. Tz. 8.2.1, Rn. 403 ff.). Mit einigen Staaten bestehen darüber hinaus Sonderabkommen betreffend die Einkünfte von Schifffahrts- und/oder Luftfahrtunternehmen, die auch Bestimmungen für die Vergütungen des Bordpersonals enthalten können (z. B. Abkommen mit der Insel Man und Saudi-Arabien).

399Die Anwendung der gesonderten Bestimmungen für reguläres Bordpersonal von Schiffen oder Luftfahrzeugen ist nicht auf die tatsächlich an Bord ausgeübte Tätigkeit beschränkt, sondern umfasst auch die damit zusammenhängenden Tätigkeiten am Boden bzw. an Land, wie z. B. das sog. „Briefing“ und den Sicherheitscheck ( BStBl 2015 II S. 808).

400Personal einer Betreibergesellschaft von Fahrzeugen im Wasser- oder Luftverkehr, das jedoch nach den Gesamtverhältnissen des Einzelfalls nicht als reguläres Bordpersonal angesehen werden kann, wie z. B. Hafenarbeiter oder Lotsen, fällt nicht unter die gesonderte Bestimmung des Art. 15 Abs. 3 OECD-MA.

401In Fällen der Vercharterung eines vollständig ausgerüsteten und bemannten Schiffes oder Luftfahrzeugs können sowohl der Vercharterer (unabhängig von der Nutzung durch den Charterer) als auch der Charterer als Betreiber Gewinne aus Beförderungsleistungen i. S. des Art. 8 OECD-MA erzielen. Entsprechendes gilt im Falle einer Untervercharterung. Auch hier ist ggf. der Vertragsstaat zur Besteuerung der Vergütungen an die Besatzungsmitglieder nach Art. 15 Abs. 3 OECD-MA 2014 berechtigt, in dem der Ort der Geschäftsleitung desjenigen Unternehmens liegt, das als wirtschaftlicher Arbeitgeber anzusehen ist. Nur ein solches Unternehmen kann für die Anwendung einer Art. 15 Abs. 3 OECD-MA 2014 maßgeblich sein. Welches Unternehmen der wirtschaftliche Arbeitgeber ist, ist im Einzelfall unter Berücksichtigung des wirtschaftlichen Gehalts und der tatsächlichen Durchführung der jeweils zugrundeliegenden Vereinbarungen zu prüfen. In Fällen der Vercharterung durch ein verbundenes Unternehmen gelten die Kriterien gemäß Tz. 4.3.3.3, Rn. 151 und anderenfalls die Kriterien gemäß Tz. 4.3.4.1, Rn. 191. Vorstehendes gilt nicht für den Vercharterer, der das Schiff oder Luftfahrzeug leer vermietet (z. B. sog. „Bare-Boat-Charter“).

402Die Anwendung des Art. 15 Abs. 3 OECD-MA 2014 setzt voraus, dass das maßgebliche Unternehmen i. S. des Art. 8 OECD-MA wirtschaftlicher Arbeitgeber und Betreiber des Schiffs oder Luftfahrzeugs ist, auf welchem der Arbeitnehmer tätig wird ( BStBl 1997 II S. 432). Sind Arbeitnehmerverleihunternehmen (sog. Shipmanagement- oder Crewingunternehmen) wirtschaftliche Arbeitgeber, ist Art. 15 Abs. 3 OECD-MA 2014 nicht anzuwenden, da diese Unternehmen das Schiff oder Luftfahrzeug nicht selbst betreiben ( BStBl II 1994 S. 218). Für die Anwendung des DBA-Zypern siehe Tz. 8.2.5 Rn. 413.

8.2 Beispiele für Regelungen, die vom OECD-MA 2014 abweichen

8.2.1 DBA-Liberia/DBA-Trinidad und Tobago

403Das DBA-Liberia enthält keine besondere Regelung für Vergütungen des Bordpersonals von Schiffen oder Luftfahrzeugen, daher sind die allgemeinen Regelungen des Art. 15 Abs. 1 und 2 DBA-Liberia anzuwenden. Demnach gilt Folgendes:

404Gemäß Art. 15 Abs. 1 DBA-Liberia steht das Besteuerungsrecht dem Ansässigkeitsstaat zu, es sei denn, die Tätigkeit wird im anderen Vertragsstaat ausgeübt. Soweit in Deutschland ansässige Besatzungsmitglieder ihre Tätigkeit auf einem Schiff unter liberianischer Flagge ausüben und sich das Schiff im Hoheitsgebiet von Liberia oder auf hoher See aufhält, ist Liberia als Tätigkeitsstaat anzusehen. Nach Seerecht wird eine Tätigkeit in internationalen Gewässern dem Staat zugeordnet, dessen Flagge das Schiff trägt. Hält sich das Schiff dagegen im Hoheitsgebiet Deutschlands auf, steht das Besteuerungsrecht für die darauf entfallenden Einkünfte Deutschland zu, weil insoweit der Ansässigkeitsstaat des Arbeitnehmers zugleich dessen Tätigkeitsstaat ist. Hält sich das Schiff in den Hoheitsgewässern von Drittstaaten auf, kann das deutsche Besteuerungsrecht aufgrund eines DBA zugunsten eines dritten Staates beschränkt sein.

405Für den Teil der Einkünfte, für den Art. 15 Abs. 1 DBA-Liberia dem Tätigkeitsstaat Liberia das Besteuerungsrecht zuweist, fällt nach Art. 15 Abs. 2 DBA-Liberia nur dann das Besteuerungsrecht an Deutschland zurück, wenn die dort genannten Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind. Dabei sind bei der Berechnung der Aufenthaltstage i. S. des Art. 15 Abs. 2 Buchstabe a DBA-Liberia auch solche Tage als volle Tage in Liberia mitzuzählen, in denen sich das Schiff nur zeitweise im Hoheitsgebiet von Liberia oder auf hoher See aufhält.

406Die Ermittlung des steuerpflichtigen bzw. steuerfreien Arbeitslohns erfolgt in einem weiteren Schritt gemäß Tz. 5, Rn. 223 ff.; soweit Vergütungen nicht direkt zugeordnet werden können, sind sie nach Tz. 5.4, Rn. 228 aufzuteilen. Hält sich der Arbeitnehmer an einem Arbeitstag nicht vollständig im Hoheitsgebiet von Liberia oder auf hoher See auf, sind nach Tz. 5.4, Rn. 228 die Vergütungen im Wege der Schätzung zeitanteilig zuzuordnen.

407Die vorstehenden Ausführungen gelten sinngemäß für die Anwendung des DBA-Trinidad und Tobago. Allerdings ist eine Steuerfreistellung nach dem DBA-Trinidad und Tobago derzeit ausgeschlossen (§ 1 Abs. 3 Satz 2 StAbwG i. V. m. § 2 StAbwV, s. Tz. 1.1, Rn. 6).

408Bei einer Tätigkeit auf einem unter liberianischer Flagge fahrenden Schiff ist zu beachten, dass Liberia von seinem ihm zustehenden Besteuerungsrecht keinen Gebrauch macht.

409Die Rückfallklausel des § 50d Abs. 8 EStG (s. Tz. 2.3.2.2, Rn. 68, 70) kommt demnach nicht zur Anwendung. Liberia stellt für Arbeitnehmer, die auf Schiffen unter liberianischer Flagge tätig werden, eine entsprechende Bescheinigung aus (vgl. Anlage 2). Diese liberianische Bescheinigung ist anzuerkennen. Dieser Bescheinigung ist eine Bescheinigung des Arbeitgebers beizufügen, in der die Angaben für den jeweiligen Steuerpflichtigen bestätigt werden (Dauer der Tätigkeit, Schiffsname, Bestätigung, dass unter liberianischer Flagge fahrend). Eine Anwendung des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG kommt ebenfalls nicht in Betracht, weil Seeleute, die in Liberia unbeschränkt steuerpflichtig sind, dort auch nicht besteuert werden. (vgl. Anlage 2).

8.2.2 DBA-Schweiz

410Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DBA-Schweiz regelt die Besteuerung der Vergütungen des Bordpersonals entsprechend Art. 15 Abs. 3 OECD-MA 2014. Art. 15 Abs. 3 Satz 2 DBA-Schweiz enthält zudem eine Rückfallklausel zugunsten des Ansässigkeitsstaates. Können nach Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DBA-Schweiz die Vergütungen eines in Deutschland ansässigen Besatzungsmitglieds in der Schweiz besteuert werden, sind diese Vergütungen nur nach Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe d i. V. m. Art. 15 Abs. 3 DBA-Schweiz von der deutschen Besteuerung auszunehmen, soweit sie auf eine Tätigkeit entfallen, die tatsächlich in der Schweiz ausgeübt wurde ( BStBl II 2004 S. 704). In den Fällen, in denen die Arbeit tatsächlich nicht in der Schweiz ausgeübt wurde, wird nach Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 DBA-Schweiz die Doppelbesteuerung durch Anrechnung der anteiligen schweizerischen Quellensteuer vermieden. Eine Arbeitsortfiktion in der Schweiz wie bei den sog. leitenden Angestellten i. S. des Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz kommt nicht in Betracht ( BStBl II 2004 S. 704 und vom , BStBl II 2010 S. 781).

8.2.3 DBA-Griechenland 1966

411Nach Art. XI Abs. 5 DBA-Griechenland ist für Vergütungen des Bordpersonals von Seeschiffen entscheidend, wo sich der Registerhafen des jeweiligen Schiffes befindet. Ist Deutschland der Ansässigkeitsstaat, wird die Doppelbesteuerung nach Art. XVII Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe a Doppelbuchstabe dd DBA-Griechenland durch die Anrechnungsmethode vermieden.

8.2.4 DBA-Vereinigtes Königreich 2010

412Nach Art. 14 Abs. 3 DBA-Vereinigtes Königreich 2010 können Vergütungen, die eine Person für eine an Bord eines im internationalen Verkehr betriebenen Seeschiffs oder Luftfahrzeugs ausgeübte unselbständige Arbeit bezieht, nur im Ansässigkeitsstaat dieses Besatzungsmitglieds besteuert werden. Soweit das Vereinigte Königreich als Ansässigkeitsstaat die Vergütungen besteuern kann, ist die Regelung des Art. 24 DBA-Vereinigtes Königreich (sog. Remittance-base-Klausel; s. Tz. 9, Rn. 418) zu beachten.

8.2.5 DBA-Zypern 2011

413Nach Art. 14 Abs. 4 DBA-Zypern 2011 hat im Ergebnis der Vertragsstaat das Besteuerungsrecht für den Arbeitslohn von Bordpersonal, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Arbeitgebers befindet (Nr. 4 des Protokolls zu Artikel 14 des DBA-Zypern 2011). Art. 14 Abs. 4 DBA-Zypern 2011 entspricht im Wesentlichen Art. 15 Abs. 3 OECD-MA 2014 und beinhaltet nach dem OECD-MK auch den wirtschaftlichen Arbeitgeber. Eine Besonderheit besteht jedoch darin, dass der Arbeitgeber nicht selbst internationalen See- oder Luftverkehr betreiben muss. Arbeitgeber i S. Nr. 4 des Protokolls zu Art. 14 DBA-Zypern 2011 ist, wer wirtschaftlicher Arbeitgeber des Steuerpflichtigen ist. Bei Überlassung von Arbeitnehmern durch Crewingunternehmen ist dies i. d. R. das aufnehmende Unternehmen (Entleiher), vgl. Tz. 4.3.4, Rn. 191 ff.

8.2.6 DBA-Insel Man 2009

414Nach Art. 3 Abs. 4 Satz 1 DBA-Insel-Man-Schifffahrt können Vergütungen für eine unselbständige Arbeit an Bord eines im internationalen Verkehr betriebenen Schiffes in der Vertragspartei besteuert werden, in der sich der Ort der Geschäftsleitung des Unternehmens befindet, das die Schifffahrt betreibt (Art. 2 Abs. 1 Buchstaben e und j DBA-Insel-Man-Schifffahrt).

415Gemäß Art. 3 Abs. 4 Satz 2 DBA-Insel-Man-Schifffahrt können die Vergütungen jedoch auch in der Vertragspartei besteuert werden, in der das Besatzungsmitglied ansässig ist. Eine Doppelbesteuerung wird nach Art. 3 Abs. 4 Satz 3 DBA-Insel-Man-Schifffahrt in diesem Fall durch die Vertragspartei, in der das Besatzungsmitglied ansässig ist, durch Anrechnung der nach Art. 3 Abs. 4 Satz 1 DBA-Insel-Man-Schifffahrt erhobenen Steuer vermieden.

8.2.7 DBA-Saudi-Arabien (Luftfahrt) 2007

416Nach Art. 4 Abs. 1 DBA-Saudi-Arabien (Luftfahrt) können Vergütungen für unselbständige Arbeit, die an Bord eines Luftfahrzeugs ausgeübt wird, das von einem Luftfahrtunternehmen eines Vertragsstaats im internationalen Verkehr betrieben wird, nur in diesem Staat besteuert werden.

417Nach Art. 4 Abs. 2 DBA-Saudi-Arabien (Luftfahrt) sind Vergütungen, die ein Arbeitnehmer (Bodenpersonal) eines Luftfahrtunternehmens eines Vertragsstaats für unselbständige Arbeit in einer in dem anderen Vertragsstaat gelegenen Einrichtung dieses Unternehmens bezieht, für einen Zeitraum von vier Jahren nach seiner ersten Ankunft in dem anderen Staat von der Steuer befreit, vorausgesetzt, er ist Staatsangehöriger des erstgenannten Staates und war nicht unmittelbar vor Ausübung seiner unselbständigen Arbeit im anderen Staat ansässig. Diese Befreiung gilt nur für vier Arbeitnehmer pro Kj. und pro Unternehmen.

9 Rückfallklauseln nach DBA

418Um zu vermeiden, dass Vergütungen in keinem der beiden Vertragsstaaten einer Besteuerung unterliegen, enthalten einige DBA Bestimmungen, die gewährleisten sollen, dass Einkünfte oder Einkunftsteile nicht unversteuert bleiben. Diese Bestimmungen sind in den Abkommen unterschiedlich ausgestaltet; überwiegend handelt es sich um sog. „Subject-to-tax-Klauseln“, „Remittance-base-Klauseln“ oder um „Switch-over-Klauseln“. Nähere Ausführungen dazu enthält das BStBl 2013 I S. 980.

419Insbesondere die nachfolgenden DBA enthalten eine Rückfallklausel (Stand ):

420DBA-Rückfallklauseln, nach denen „Einkünfte“ aufgrund ihrer Behandlung im anderen Vertragsstaat nicht von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer ausgenommen werden, sind auch auf Teile von Einkünften anzuwenden (s. Tz. 56.1 OECD-MK zu Art. 23 Abs. 4 OECD-MA, der im Rahmen der Einschränkung der Freistellungsmethode für die Auslegung des Abkommensbegriffs „Einkünfte“ („Income“) ausdrücklich auf einzelne Einkunftspositionen und Vermögensgegenstände („an item of income or capital“) abstellt). Für Veranlagungszeiträume ab dem VZ 2017 ergibt sich dies auch aus § 50d Abs. 9 Satz 4 EStG.

421Beispiel:

Der in Deutschland ansässige Arbeitnehmer A wird in den Niederlanden für einen dort ansässigen Arbeitgeber tätig. Er übt seine Tätigkeit ausschließlich in den Niederlanden aus. Sein Arbeitslohn wird in den Niederlanden nach der dortigen „Experten- bzw. 30%-Regelung“ besteuert, d. h., dass neben weiteren steuerlichen Vergünstigungen 30 % seines Arbeitslohns in den Niederlanden steuerfrei bleiben.

Lösung:

Das Besteuerungsrecht über den Arbeitslohn steht den Niederlanden zu, weil Arbeitnehmer A seine Tätigkeit ausschließlich dort ausübt. Soweit der Arbeitslohn aufgrund der „Expertenbzw. 30%-Regelung“ in den Niederlanden keiner Besteuerung unterliegt, ist die „Subject-to-tax-Klausel“ des DBA-Niederlande (Art. 22 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 DBA-Niederlande) anzuwenden. Die Anwendung der „Subject-to-tax-Klausel“ des DBA-Niederlande wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Niederlande einen Teil des Arbeitslohns besteuern (§ 50d Abs. 9 Satz 4 EStG).

10 Konsultationsvereinbarungen

422Konsultationsvereinbarungen i. S. des Art. 25 Abs. 3 OECD-MA zwischen den zuständigen Behörden der Vertragsstaaten sowie Verordnungen zur Umsetzung von Konsultationsvereinbarungen i. S. des § 2 Abs. 2 AO werden durch die vorstehenden Regelungen nicht berührt.

11 Streitbeilegungs- und Vorabverständigungsverfahren

423Die vorstehenden Regelungen stehen der Umsetzung eines Ergebnisses aus einem Streitbeilegungsverfahren nicht entgegen.

424Zur Beantragung und Einleitung eines Streitbeilegungsverfahrens (Verständigungsverfahren und Schiedsverfahren) vgl. BStBl 2021 I S. 1495.

425Um zu einem frühen Zeitpunkt Rechts- und Planungssicherheit für die steuerliche Beurteilung eines zukünftigen grenzüberschreitenden Sachverhalts zu erhalten, hat der Abkommensberechtigte die Möglichkeit, ein Vorabverständigungsverfahren i. S. des § 89a AO gegen Gebühr zu beantragen. Gegenstand eines Vorabverständigungsverfahrens können sämtliche Fragen der Auslegung und Anwendung von DBA sein, die im Zeitpunkt der Antragsstellung noch nicht verwirklichte Sachverhalte betreffen. Auch der zum Steuerabzug verpflichtete Arbeitgeber ist berechtigt, einen Antrag auf Einleitung eines Vorabverständigungsverfahrens zu stellen (§ 89a Abs. 1 Satz 7 AO).

12 Anwendungsregelungen

426Das BStBl 2018 I S. 643 und das BStBl 2020 I S. 483 werden aufgehoben und durch dieses Schreiben ersetzt.

427Die vorstehenden Regelungen sind in allen offenen Fällen anzuwenden, sofern gesetzliche Regelungen dem nicht entgegenstehen.

Anlage 1

Datei öffnen

Anlage 2

Datei öffnen

BMF v. - IV B 2 - S 1300/21/10024 :005

Auf diese Anweisung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:


Fundstelle(n):
BStBl 2023 I Seite 2179
EStB 2024 S. 21 Nr. 1
CAAAJ-55688

1Vgl. Protokoll vom zur Änderung des Abkommens vom zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Großherzogtum Luxemburg zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und Verhinderung der Steuerhinterziehung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen; Stand 2023 noch nicht in Kraft getreten.

2Vgl. Protokoll vom zur Änderung des Abkommens vom zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Großherzogtum Luxemburg zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und Verhinderung der Steuerhinterziehung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen; Stand 2023 noch nicht in Kraft getreten.

3Vgl. Protokoll vom zur Änderung des Abkommens vom zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Großherzogtum Luxemburg zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und Verhinderung der Steuerhinterziehung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen; Stand 2023 noch nicht in Kraft getreten.

4Vgl. Protokoll vom zur Änderung des Abkommens vom zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen; Stand 2023 noch nicht in Kraft getreten.

5Vgl. Protokoll vom zur Änderung des Abkommens vom zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Großherzogtum Luxemburg zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und Verhinderung der Steuerhinterziehung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen; Stand 2023 noch nicht in Kraft getreten.