BMF - IV B 5 - S 1341/12/10001-03 BStBl 2017 I S. 182

Grundsätze für die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes auf die Aufteilung der Einkünfte zwischen einem inländischen Unternehmen und seiner ausländischen Betriebsstätte und auf die Ermittlung der Einkünfte der inländischen Betriebsstätte eines ausländischen Unternehmens nach § 1 Absatz 5 des Außensteuergesetzes und der Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung (Verwaltungsgrundsätze Betriebsstättengewinnaufteilung – VWG BsGa)

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterung mit den Vertretern der obersten Finanzbehörden der Länder gilt für die Prüfung der Aufteilung der Einkünfte zwischen einem inländischen Unternehmen und seiner ausländischen Betriebsstätte und für die Prüfung der Ermittlung der Einkünfte der inländischen Betriebsstätte eines ausländischen Unternehmens Folgendes:

1. Allgemeines

1.1 Regelungsziel

1 § 1 Absatz 5 AStG und die BsGaV setzen den Inhalt des OECD-Betriebsstättenberichts in innerstaatliches Recht um. Der OECD-Betriebsstättenbericht beruht auf den international entwickelten Grundsätzen (Authorised OECD Approach – AOA) zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes auf die grenzüberschreitende Ermittlung der Einkünfte einer Betriebsstätte, wenn die Betriebsstätte eines Unternehmens ihre Geschäftstätigkeit in einem anderen Staat ausübt als dem, in dem das Unternehmen ansässig ist. Nach dem AOA sind einer Betriebsstätte die Gewinne (dies schließt begrifflich Verluste mit ein) zuzurechnen, die sie – insbesondere in ihren wirtschaftlichen Beziehungen (sog. Dealings) mit dem übrigen Unternehmen – erzielen würde, wenn sie ein selbständiges und unabhängiges Unternehmen wäre (OECD-Betriebsstättenbericht, Teil I Tz. 8). Der Begriff „übriges Unternehmen“ bezeichnet alle Teile des Unternehmens mit Ausnahme der betreffenden Betriebsstätte.

2 Die Besteuerung grenzüberschreitender Geschäftsvorfälle (§ 1 Absatz 4 AStG) zwischen einer Betriebsstätte und dem übrigen Unternehmen erfolgt nach den gleichen Grundsätzen wie die Besteuerung entsprechender Geschäftsvorfälle zwischen nahe stehenden Personen (siehe insbesondere § 1 Absatz 1 und 3 AStG). Damit wird eine Betriebsstätte für die Gewinnaufteilung im Verhältnis zu dem Unternehmen, zu dem sie gehört, weitgehend einem diesem nahe stehenden Unternehmen gleich gestellt. Zu diesem Zweck ist es erforderlich zu entscheiden, welche Funktionen, Vermögenswerte, Chancen und Risiken des Unternehmens der Betriebsstätte zuzuordnen sind und welcher Anteil des Eigenkapitals des Unternehmens (Dotationskapital) der Betriebsstätte zuzuordnen ist (§ 1 Absatz 5 Satz 3 AStG und §§ 4 bis 15 BsGaV). Zu den zuzuordnenden Chancen und Risiken gehören ggf. auch bestimmte Geschäftsvorfälle des Unternehmens (§ 9 BsGaV).

3 Zur weitgehenden Annäherung der steuerlichen Behandlung von Betriebsstätten im Verhältnis zu nahe stehenden Personen gehört darüber hinaus auch, dass zwischen einer Betriebsstätte und dem übrigen Unternehmen Geschäftsvorfälle (§ 1 Absatz 4 Satz 1 AStG) stattfinden können, die dazu führen, Vertragsbeziehungen jeder Art zu fingieren (anzunehmende schuldrechtliche Beziehungen i. S. d. § 1 Absatz 4 und 5 AStG, § 16 BsGaV, siehe Rn. 164 ff.), die auch zwischen nahe stehenden Unternehmen denkbar sind. Der Unterschied zwischen dem Betriebsstättenfall und dem Fall nahe stehender Personen besteht darin, dass zwischen nahe stehenden Personen im Regelfall ein gültiger zivilrechtlicher Vertrag vorliegt, während im Betriebsstättenfall ein solcher Vertrag nicht mit zivilrechtlicher Wirkung abgeschlossen werden kann, so dass in diesem Fall auf einen wirtschaftlichen Vorgang abgestellt werden muss, der dann eine anzunehmende schuldrechtliche Beziehung auslöst.

4 Die konkrete Qualifikation der anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehung (z. B. fiktiver Kauf-, Dienstleistungs- oder Nutzungsüberlassungsvertrag) hängt von der durchzuführenden Funktions- und Risikoanalyse des wirtschaftlichen Vorgangs im Verhältnis der Betriebsstätte zum übrigen Unternehmen ab, die von den jeweils ausgeübten Personalfunktionen ausgeht. Die Qualifikation der anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehung erfolgt unabhängig davon, ob im Einzelfall entsprechend dem Fremdvergleichsgrundsatz der Verrechnungspreis für die anzunehmende schuldrechtliche Beziehung (§ 16 BsGaV) zu korrigieren ist.

5 Weil grundsätzlich alle Arten von Vertragsbeziehungen fingiert werden können (siehe aber einschränkend Rn. 174 f. zu fiktiven Darlehen), sind für Betriebsstätten auch Verrechnungssysteme anzuerkennen, die auf vergleichbaren Grundsätzen beruhen wie Kostenumlagen (OECD-Betriebsstättenbericht, Teil I Tz. 211 ff.), wenn in der Sache die Voraussetzungen dafür vorliegen (siehe VWG Umlageverträge; anstelle der dort geforderten schriftlichen Verträge reichen klare unternehmensinterne Aufzeichnungen [siehe Rn. 63] und die entsprechende Durchführung in der Hilfs- und Nebenrechnung aus).

6 Trotz der weitgehenden Annäherung von Betriebsstätten (Artikel 7 OECD-MA, § 1 Absatz 5 AStG) und verbundenen Unternehmen bzw. nahe stehenden Personen (Artikel 9 OECD-MA, § 1 Absatz 1 AStG) bei der Gewinnaufteilung bzw. Gewinnermittlung verbleiben Unterschiede, die darauf beruhen, dass eine Betriebsstätte zivilrechtlich unverändert ein untrennbarer Teil des Unternehmens ist, zu dem sie gehört. Diese Unterschiede erfordern es, die Betriebsstätte nicht völlig uneingeschränkt wie ein eigenständiges und unabhängiges Unternehmen zu behandeln, § 1 Absatz 5 Satz 2 letzter Halbsatz AStG. Die Unterschiede sind abschließend in der BsGaV geregelt. Wegen dieser Unterschiede sind für Betriebsstätten z. B.

  • die Zuordnungsregelungen der §§ 5 bis 11 BsGaV erforderlich, um der Betriebsstätte die Zuordnungsgegenstände – unabhängig von deren Erfassung als Bestandteile der Hilfs- und Nebenrechnung (§ 3 BsGaV) – zuordnen zu können,

  • die Bestandteile der Passivseite der Hilfs- und Nebenrechnung nach §§ 12 ff. BsGaV (insbesondere Dotationskapital) zu bestimmen und

  • die übrigen Passivposten ggf. nach § 14 Absatz 3 BsGaV indirekt zuzuordnen.

7 Eine Betriebsstätte teilt die Kreditwürdigkeit (sog. Rating) des Unternehmens, zu dem sie gehört (OECD-Betriebsstättenbericht, Teil I Tz. 99). Demgegenüber kann für ein rechtlich selbständiges verbundenes Unternehmen bzw. nahe stehende Person nicht davon ausgegangen werden, dass in jedem Fall dieselbe Kreditwürdigkeit besteht wie für die betreffende Obergesellschaft oder die Unternehmensgruppe.

1.2 Regelungsrahmen

1.2.1 § 1 Absatz 5 AStG

8 Dieses BMF-Schreiben regelt die Grundsätze der Finanzverwaltung für die Prüfung der Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes im Regelungsrahmen des § 1 Absatz 1 AStG in allen grenzüberschreitenden Fällen „einfacher Betriebsstätten“ (siehe Rn. 13), unabhängig davon, ob im jeweiligen Fall ein DBA anwendbar ist oder nicht (siehe aber § 1 Absatz 5 Satz 8 AStG, der ggf. die Anwendbarkeit von § 1 Absatz 5 Satz 1 bis 7 AStG in DBA-Fällen einschränkt, und Rn. 427 ff.). Grenzüberschreitend sind Betriebsstättensachverhalte (§ 1 Absatz 5 AStG), wenn

  • die Einkünfte zwischen einem inländischen Unternehmen und seiner ausländischen Betriebsstätte aufzuteilen sind (Betriebsstättengewinnaufteilung) oder

  • die Einkünfte einer inländischen Betriebsstätte eines ausländischen Unternehmens zu ermitteln sind (Betriebsstättengewinnermittlung).

In diesem BMF-Schreiben wird für beide Fälle aus Vereinfachungsgründen der Begriff „Betriebsstättengewinnermittlung” verwendet.

9 Besteht in Fällen ausländischer Betriebsstätten inländischer Unternehmen und in Fällen inländischer Betriebsstätten ausländischer Unternehmen zwar eine Betriebsstätte nach § 12 AO, aber nicht nach dem jeweils anzuwendenden DBA (entsprechend Artikel 5 OECD-MA, z. B. Einkaufsbüro, Auslieferungslager, Bauausführungen unterhalb der im DBA geregelten Frist), so sind § 1 Absatz 5 AStG, die BsGaV und die Vorschriften dieses BMF-Schreibens nicht anzuwenden, da mangels DBA-Betriebsstätte keine Betriebsstättengewinnermittlung durchzuführen ist.

10 § 1 Absatz 5 AStG und die BsGaV sind Einkünftekorrekturvorschriften (siehe § 1 Absatz 1 Satz 1 AStG, auf den § 1 Absatz 5 AStG Bezug nimmt), die nur zu einer Erhöhung der inländischen Einkünfte eines beschränkt Steuerpflichtigen oder zur Minderung der ausländischen Einkünfte eines unbeschränkt Steuerpflichtigen führen können.

11 Die Grundsätze dieses BMF-Schreibens gelten auch, wenn zu entscheiden ist, inwieweit die Anwendung der Vorschrift eines geltenden DBA, die inhaltlich Artikel 7 Absatz 2 OECDMA (Fremdvergleichsgrundsatz) entspricht, zu einer Erhöhung der ausländischen Einkünfte eines unbeschränkt Steuerpflichtigen bzw. zu einer Minderung der inländischen Einkünfte eines beschränkt Steuerpflichtigen führt. Denn insoweit entfalten die DBA eine Sperrwirkung gegenüber einem anderen Wertansatz, der sich nach den sonstigen innerstaatlichen Vorschriften ergeben kann. Das ist z. B. von Bedeutung, wenn ein Steuerpflichtiger seine Einkünfte entsprechend Artikel 7 Absatz 2 OECD-MA ermittelt oder wenn eine Einkünfte minderung bzw. Einkünfteerhöhung aufgrund einer Gegenberichtigung entsprechend Artikel 7 Absatz 3 OECD-MA nach diesen Grundsätzen durchzuführen ist. Zur Anwendung dieses BMF-Schreibens auf Sachverhalte, für die ein DBA anzuwenden ist, das dem OECDMA 2008 entspricht (siehe Rn. 427 ff. und Rn. 430 ff.).

12 Die Grundsätze dieses BMF-Schreibens gelten auch für die Ermittlung der Einkünfte aus einem freien Beruf oder aus sonstiger selbständiger Arbeit, die einer Betriebsstätte zuzurechnen sind, wenn die Betriebsstätte einer Person gehört, die in einem anderen Staat ansässig ist als dem, in dem die Betriebsstätte ihre Geschäftstätigkeit ausübt (siehe Artikel 14 OECDMA vor 2000, der statt von einer „Betriebsstätte“ von einer „festen Geschäftseinrichtung“ spricht). Dieser Artikel ist zwar aufgehoben, eine entsprechende Regelung besteht aber noch in vielen DBA fort.

13 Dieses BMF-Schreiben gilt nur für Betriebsstätten i. S. d. § 1 Absatz 5 AStG, die Bestandteil eines Unternehmens sind (sog. einfache Betriebsstätten). Die Regelungen gelten dagegen nicht für Betriebsstätten, die angenommen werden, weil einem Mitunternehmer steuerlich Einkünfte einer einfachen Betriebsstätte der Mitunternehmerschaft nach § 49 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a bzw. § 34d Nummer 2 Buchstabe a EStG anteilig zuzurechnen sind (sog. Mitunternehmerbetriebsstätte); zur Behandlung von Sondervergütungen, § 15 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 EStG, und Sonderbetriebsvermögen siehe Rn. 18.

14 Andererseits kann eine Mitunternehmerschaft – ebenso wie eine Kapitalgesellschaft oder eine natürliche Person – selbst eine einfache Betriebsstätte in einem anderen Staat haben.

Fall – Einfache Betriebsstätte einer Personengesellschaft:

Die inländische A/B-OHG (OHG), an der die Inländer A und B beteiligt sind, hat im Staat Y eine Betriebsstätte.

Lösung:

Nur die OHG hat eine einfache Betriebsstätte in Y, auf die § 1 Absatz 5 AStG anzuwenden ist. Diese einfache Betriebsstätte Y ist gleichzeitig auch eine Mitunternehmerbetriebsstätte für A und B – vermittelt durch die OHG. Das führt aber nicht dazu, dass A und B gleichzeitig auch eine einfache Betriebsstätte haben (siehe § 1 Absatz 5 Satz 7 AStG).

15 Da einem Geschäftsvorfall zwischen einem Mitunternehmer und seiner Mitunternehmerschaft im Regelfall eine schuldrechtliche Beziehung zugrunde liegt, ist die Besteuerung eines solchen Geschäftsvorfalls ggf. nach § 1 Absatz 1 AStG zu berichtigen, nicht nach § 1 Absatz 5 AStG (siehe § 1 Absatz 5 Satz 7 AStG), der BsGaV und diesem BMF-Schreiben.

Fall – Lieferbeziehung:

Das inländische Unternehmen X-GmbH (X) ist zu 50 % an der ausländischen X-Y-KG (KG) in Staat Y beteiligt. Die KG vertreibt Produkte, die X herstellt. X liefert an die KG Produkte für 100 (= Herstellungskosten), die X unter vergleichbaren Umständen für 120 an fremde Dritte liefert.

Lösung:

Der Gewinn von X ist nach § 1 Absatz 1 Satz 1 und 2 AStG um 20 zu erhöhen. Eine Anwendung des § 1 Absatz 5 AStG ist ausgeschlossen (siehe § 1 Absatz 5 Satz 7 AStG).

16 Eine Mitunternehmerschaft kann unter bestimmten Voraussetzungen auch dort eine einfache Betriebsstätte haben, wo einer der Mitunternehmer entweder Wohnsitz, Sitz oder Geschäftsleitung hat (z. B. eine Geschäftsleitungsbetriebsstätte der Mitunternehmerschaft). Auf eine solche Betriebsstätte sind § 1 Absatz 5 AStG und die Regelungen der BsGaV anwendbar.

Fall – Geschäftsleitungsbetriebsstätte beim Mitunternehmer:

Die inländische D-GmbH (D) ist an einer ausländischen Personengesellschaft P (P) in Staat Y beteiligt. P produziert und vertreibt in Y in eigenen Geschäftsräumen Waren. Einer der Geschäftsführer von P arbeitet in einem Büro in den Räumlichkeiten der D im Inland.

Lösung:

P hat im Inland eine Betriebsstätte (Teil der Geschäftsleitung). § 1 Absatz 5 AStG ist auf diese Betriebsstätte anwendbar.

17 Eine Mitunternehmerschaft hat allerdings nicht zwingend dort, wo ein Mitunternehmer unbeschränkt steuerpflichtig ist, eine Betriebsstätte.

Fall – Nur Beteiligung:

Der Inländer D ist an der ausländischen A/B/C/D-KG (KG) in Staat Y beteiligt, die nur eine Betriebsstätte in Y hat und ausschließlich dort tätig wird.

Lösung:

Die KG hat in D keine Betriebsstätte nach § 12 AO, auch wenn dort der inländische Mitunternehmer D wohnt.

18 Sonderbetriebsvermögen des einzelnen Mitunternehmers ist nicht Eigentum der Mitunternehmerschaft und kann deshalb weder einer Betriebsstätte der Mitunternehmerschaft noch der (anteiligen) Mitunternehmerbetriebsstätte des betreffenden Mitunternehmers nach § 1 Absatz 5 AStG und der BsGaV zugeordnet werden. Die Zurechnung von Sondervergütungen (ebenso wie die Zurechnung von Sonderbetriebsvermögen und der Gewinne aus dessen Veräußerung) erfolgt nach § 15 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 bzw. nach § 49 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a EStG und damit unabhängig und getrennt von der Zuordnung der Vermögenswerte und von Einkünftekorrekturen nach § 1 Absatz 5 AStG und den DBA.

Fall – Darlehen:

Der Inländer D ist an der ausländischen A/B/C/D-KG (KG) in Staat Y beteiligt, an der auch die Ausländer A, B, und C beteiligt sind. Die KG hat Betriebsstätten in den Staaten Y und Z. D schließt mit der KG einen Darlehensvertrag über 100 ab, der keine Verzinsung vorsieht.

Lösung:

Der Darlehensanspruch von D gegen die KG gehört zivilrechtlich nicht zum Betriebsvermögen der KG, denn der Darlehensanspruch kann weder den Betriebsstätten der KG in Y noch in Z zugeordnet werden. Er kann deshalb auch nicht den anteiligen Mitunternehmerbetriebsstätten des D in Y und Z zugeordnet werden. Der Sachverhalt enthält keinen Hinweis, dass die KG eine Betriebsstätte in D hat. § 1 Absatz 5 AStG ist insoweit nicht anwendbar. Für das Darlehen ist nach § 1 Absatz 1 Satz 1 und 2 AStG eine dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechende Verzinsung anzusetzen, die Einkünfte von D sind zu erhöhen. Für die KG ist zunächst eine entsprechende gewinnmindernde Gegenberichtigung durchzuführen. Allerdings gehört das Darlehen zum Sonderbetriebsvermögen des D hinsichtlich seiner Beteiligung an der KG, die Zinsen führen nach deutschem Steuerrecht (§ 15 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 EStG) zu Einkünften aus Gewerbebetrieb des D, so dass sich durch die Korrektur für D die im Inland steuerpflichtigen Einkünfte aus Gewerbebetrieb erhöhen.

HINWEIS:

Diese Zinseinkünfte können – auch wenn ein DBA zu beachten ist, das dem OECD-MA entspricht – unter den Voraussetzungen des § 50d Absatz 9 Satz 1 Nummer 1 EStG in Deutschland besteuert werden.

19 Die Grundsätze dieses BMF-Schreibens gelten auch für ständige Vertreter i. S. d. § 13 AO und für Vertreterbetriebsstätten i. S. d. Artikels 5 Absatz 5 OECD-MA (siehe § 39 BsGaV und Rn. 418 ff.).

1.2.2 Verhältnis des § 1 Absatz 5 AStG zu anderen innerstaatlichen Vorschriften, insbesondere zu den Entstrickungs-/Verstrickungsregelungen

20 Führt die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes entsprechend § 1 Absatz 5 AStG zu weitergehenden Berichtigungen als andere Einkünfteermittlungs- oder Korrekturvorschriften (z. B. § 4 Absatz 1 Satz 3 und 4 EStG oder § 12 Absatz 1 KStG in Entstrickungssachverhalten; § 4 Absatz 1 Satz 8 Halbsatz 2 EStG in Verstrickungssachverhalten; § 49 i. V. m. § 50 Absatz 1 EStG hinsichtlich der Beschränkung des Betriebsausgabenabzugs), ist § 1 Absatz 5 AStG neben den Rechtsfolgen der anderen Vorschriften anzuwenden. Einkünftekorrekturen nach § 1 AStG sind nur zugunsten des deutschen Steueraufkommens durchzuführen (siehe § 1 Absatz 1 Satz 1 und 4 AStG). Dies gilt auch in Fällen, in denen kein DBA anzuwenden ist. Auch soweit die Entstrickungs-/Verstrickungsvorschriften anwendbar sind, liegt gleichzeitig eine anzunehmende schuldrechtliche Beziehung nach § 16 BsGaV vor (siehe auch Rn. 62 zum Verhältnis der Hilfs- und Nebenrechnung nach § 3 BsGaV zur Bilanz).

Fall (1) – Überführung eines Wirtschaftsguts ins Ausland (Entstrickung):

Die inländische X-GmbH (X) hat eine ausländische Betriebsstätte A (A) im Staat A (kein DBA). Ein Wirtschaftsgut, das bisher dem übrigen Unternehmen (hier: der inländischen Geschäftsleitungsbetriebsstätte X) zugeordnet war, wird auf Dauer zu A verbracht. Der Buchwert des Wirtschaftsguts beträgt 1.000, der gemeine Wert/Fremdvergleichspreis beträgt 1.200.

Lösung:

Nach innerstaatlichem Recht, das gem. § 1 Absatz 5 Satz 1 i. V. m. Absatz 1 Satz 1 AStG vorrangig anzuwenden ist, liegt gem. § 12 Absatz 1 KStG ein Vorgang vor, der einer Veräußerung gleich steht (Entstrickung), die mit dem gemeinen Wert anzusetzen ist. Der fiktive Veräußerungsgewinn beträgt 200 (= 1.200 – 1.000). Gleichzeitig kommt es in der Steuerbilanz zu einer Aufstockung des Buchwerts auf den gemeinen Wert um 200. Eine Berichtigung nach § 1 Absatz 5 AStG erfolgt nicht, da diese keine weitergehenden Folgen hätte. Daneben liegt eine fiktive Veräußerung des übrigen Unternehmens an A vor (§ 16 Absatz 1 Nummer 1 BsGaV), die für A als fiktiver Anschaffungsvorgang mit 1.200 zu erfassen ist.

Abwandlung zu Fall (1) – Nutzungsüberlassung I (vom Inland ins Ausland):

Wie Fall (1), jedoch wird das Wirtschaftsgut nur vorübergehend von A genutzt. Wegen der Nutzung werden A 100 belastet. Dies entspricht den tatsächlichen Kosten („Selbstkosten”). Der gemeine Wert/Fremdvergleichspreis für die Nutzungsüberlassung beträgt 110.

Lösung:

Die vorübergehende Nutzung führt zu keiner Zuordnungsänderung, weder nach § 5 BsGaV (siehe Fall Rn. 78) noch nach § 4 Absatz 1 Satz 3 und 4 EStG (keine Entstrickung des Wirtschaftsguts), so dass das Wirtschaftsgut dem übrigen Unternehmen zugeordnet bleibt. Nach R 4.3. Absatz 2 Satz 3 EStR gilt als Entnahme i. S. d. § 4 Absatz 1 Satz 3 EStG auch die Nutzung eines Wirtschaftsguts durch eine ausländische Betriebsstätte (Entnahme der Nutzung). Diese Nutzungsüberlassung ist mit dem gemeinen Wert anzusetzen. Das Ergebnis des übrigen Unternehmens ist daher um 10 (gemeiner Wert 110, bisheriger Ansatz 100) zu erhöhen, das Ergebnis von A ist entsprechend zu mindern, so dass der Gewinn von X insgesamt unverändert bleibt.

Fall (2) – Nutzungsüberlassung II (vom Ausland ins Inland):

Das ausländische Unternehmen Y (Y) im Staat Y hat im Inland eine Betriebsstätte D (D). Ein dem übrigen Unternehmen (hier: der ausländischen Geschäftsleitungsbetriebsstätte Y) zuzuordnendes Wirtschaftsgut wird D vorübergehend zur Nutzung überlassen. Dafür werden D 100 belastet. Die tatsächlichen Kosten von Y betragen 100, der Fremdvergleichspreis für eine vergleichbare Nutzungsüberlassung beträgt 90.

Lösung:

Die vorübergehende Nutzung führt zu keiner Zuordnungsänderung nach § 5 BsGaV (siehe Fall Rn. 78), so dass das Wirtschaftsgut dem übrigen Unternehmen zugeordnet bleibt. Das ausländische Unternehmen ist mit seinen durch D erzielten Einkünften beschränkt steuerpflichtig. Zur Ermittlung des Gewinns von D nach § 49 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a EStG ist nach § 4 Absatz 4 EStG von den tatsächlichen Kosten i. H. v. 100 auszugehen. Nach § 1 Absatz 5 AStG ist wegen der fiktiven Nutzungsüberlassung höchstens der Fremdvergleichspreis von 90 als fiktive Betriebsausgabe für D anzusetzen, sodass die Einkünfte von D um 10 zu erhöhen sind (tatsächliche Kosten 100 – Fremdvergleichspreis 90).

Fall (3) – Dienstleistung:

Das ausländische Unternehmen Y (Y) im Staat Y hat im Inland eine Betriebsstätte D (D). Personal von D erstellt für Y die Buchhaltung. D sind für die Erstellung der Buchhaltung Kosten von 200 entstanden. D verrechnet 200. Der Fremdvergleichspreis für eine vergleichbare Dienstleistung beträgt 220 (Kosten 200 zzgl. eines fremdvergleichsüblichen Kostenaufschlags von 10 %).

Lösung:

Y ist beschränkt steuerpflichtig. Zur Ermittlung des inländischen Betriebsstättengewinns von D nach § 49 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a EStG ist für die fiktive Dienstleistung (§ 16 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a BsGaV) nach § 16 Absatz 2 BsGaV der Fremdvergleichspreis von 220 als fiktive Betriebseinnahme anzusetzen. Der Gewinn von D ist daher nach § 1 Absatz 5 AStG um 20 (Fremdvergleichspreis 220, bisheriger Ansatz 200) zu erhöhen.

Fall (4) – Überführung eines Wirtschaftsguts ins Inland (Verstrickung):

Das ausländische Unternehmen Y (Y) der natürlichen Person Y in Staat Y hat eine inländische Betriebsstätte D. Mit Staat Y besteht kein DBA. Ein Wirtschaftsgut, das bisher dem übrigen Unternehmen (hier: der ausländischen Geschäftsleitungsbetriebsstätte Y) zugeordnet war, wird auf Dauer in das Betriebsvermögen von D überführt. Der Buchwert des Wirtschaftsguts beträgt 1.000, der gemeine Wert/Fremdvergleichspreis beträgt 1.200.

Lösung:

Nach innerstaatlichem Recht, das gem. § 1 Absatz 5 Satz 1 i. V. m. Absatz 1 Satz 1 AStG vorrangig anzuwenden ist, liegt gem. § 4 Absatz 1 Satz 8 Halbsatz 2 EStG ein Vorgang vor, der einer Einlage gleich steht (Verstrickung), die mit dem gemeinen Wert, d. h. mit 1.200, anzusetzen ist (§ 6 Absatz 1 Nummer 5a EStG i. V. m. § 9 Absatz 2 BewG). Falls Y das Wirtschaftsgut mit einem höheren Wert als 1.200 ansetzt, erfolgt die Korrektur nach den genannten Vorschriften. Daneben liegt eine fiktive Veräußerung des übrigen Unternehmens an D vor (§ 16 Absatz 1 Nummer 1 BsGaV), die als fiktiver Anschaffungsvorgang mit 1.200 zu erfassen ist. Eine Korrektur nach § 1 Absatz 5 AStG kommt nicht in Betracht.

HINWEIS:

Für diese Lösung ist es nach dem Gesetzeswortlaut unerheblich, ob der Gewinn i. H. v. 200 im Ausland erklärt oder besteuert wird. In Zweifelsfällen ist der ausländische Staat über den Vorgang und seine steuerlichen Auswirkungen zu informieren, damit im Ausland ggf. die erforderlichen Konsequenzen gezogen werden können. Auf die Regelungen des Merkblatts zur zwischenstaatlichen Amtshilfe durch Auskunftsaustausch in Steuersachen vom (BStBl 2015 I S. 928) wird hingewiesen.

1.2.3 Verhältnis des § 1 Absatz 5 AStG zu den DBA-Regelungen

21 Die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes entsprechend dem AOA kann sich im Rahmen der DBA (Artikel 7 OECD-MA) – anders als § 1 Absatz 5 AStG selbst – auch zu Lasten des deutschen Steueraufkommens auswirken. Denn DBA-Regelungen, die inhaltlich Artikel 7 OECD-MA entsprechen, begrenzen das deutsche Besteuerungsrecht.

Fall – Kostenaufschlag:

Das inländische Unternehmen X hat im Staat A (DBA entsprechend dem OECD-MA) eine Betriebsstätte A (A). Für eine fiktive Dienstleistung, die A dem übrigen Unternehmen (hier: der inländischen Geschäftsleitungsbetriebsstätte X) erbringt (anzunehmende schuldrechtliche Beziehung, § 16 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a BsGaV), entstehen A Kosten von 100, die mit einem Aufschlag von 10 % (110), der dem Fremdvergleichsgrundsatz entspricht, gegenüber X verrechnet werden.

Lösung:

Obwohl nach innerstaatlichem Steuerrecht (§ 4 Absatz 4 EStG, ungeachtet der DBA) nur die tatsächlichen Kosten der fiktiven Dienstleistung als Betriebsausgaben für X anzusetzen sind, ist eine Einkünftekorrektur durch die Finanzverwaltung nicht durchzuführen. Denn das DBA, das entsprechend Artikel 7 Absatz 2 OECD-MA den Ansatz des Fremdvergleichspreises für die fiktive Dienstleistung von A gegenüber dem übrigen Unternehmen anordnet, enthält zugunsten von X eine Änderungssperre.

HINWEIS:

§ 1 Absatz 5 AStG ist schon tatbestandlich nicht anzuwenden.

Abwandlung – Zu geringer Kostenaufschlag:

Das inländische Unternehmen X, das eine Betriebsstätte A (A) im Staat A hat (DBA entsprechend dem OECDMA), setzt für eine Dienstleistung, die A dem übrigen Unternehmen gegenüber erbringt, einen Kostenaufschlag von 5 % an, 10 % wären angemessen. Staat A nimmt eine entsprechende Korrektur entsprechend Artikel 7 Absatz 2 OECD-MA vor, die zur Doppelbesteuerung führt.

Lösung:

§ 1 Absatz 5 AStG kommt nicht zur Anwendung, da sich die denkbare Korrektur nach dem Fremdvergleichsgrundsatz zu Lasten des deutschen Steueraufkommens auswirken würde (siehe Rn. 10). Die entstandene Doppelbesteuerung ist entsprechend Artikel 7 Absatz 3 OECD-MA durch eine Gegenberichtigung in Deutschland zu beseitigen.

1.3 Auswirkungen des § 1 Absatz 5 AStG und der BsGaV auf die Anrechnung aufgrund DBA, § 34c EStG bzw. § 26 KStG

22 Besteht ein anzuwendendes DBA mit einer Regelung, die Artikel 7 Absatz 2 OECD-MA entspricht, so sind die ausländischen Einkünfte für Zwecke der Steueranrechnung nach DBA i. V. m. § 34c Absatz 6 EStG bzw. § 26 Absatz 1 KStG nach Maßgabe dieses BMF-Schreibens zu ermitteln (zur Ermittlung der ausländischen Einkünfte in Sachverhalten, auf die ein DBA anzuwenden ist, das dem OECD-MA 2008 entspricht, siehe Rn. 427 ff., 430 ff.).

23 In Fällen ausländischer Betriebsstätten inländischer Unternehmen, in denen kein DBA anzuwenden ist, gelten für die Anrechnung nach § 34c Absatz 1 EStG und § 26 Absatz 1 KStG die VWG Betriebsstätten, es sei denn die Anwendung dieses BMF-Schreibens führt zu niedrigeren ausländischen Einkünften.

24 Die Fiktion des § 16 BsGaV führt nicht zum Einbehalt oder zur Anrechnung von Quellensteuern (vgl. OECD-Betriebsstättenbericht, Teil I Tz. 6).

1.4 Auswirkungen des § 1 Absatz 5 und der BsGaV auf die Gewerbesteuer

25 Für die Ermittlung des Kürzungsbetrags nach § 9 Nummer 3 GewStG gilt Rn. 22 f. entsprechend.

2. Vorschriften der BsGaV

2.1 Zurechnung von Einkünften zu einer Betriebsstätte (§ 1 BsGaV)

2.1.1 Funktions- und Risikoanalyse, Vergleichbarkeitsanalyse (§ 1 Absatz 1 BsGaV)

26 Für die steuerliche Zurechnung von Einkünften zu einer Betriebsstätte eines Unternehmens ist eine Funktions- und Risikoanalyse der Geschäftstätigkeit der Betriebsstätte als Teil des Unternehmens durchzuführen (§ 1 Absatz 1 BsGaV). Auf der Grundlage der Funktions- und Risikoanalyse werden die Betriebsstätte und das übrige Unternehmen so behandelt, als wären sie verbundene Unternehmen, die Funktionen ausüben, über Vermögenswerte verfügen, Risiken übernehmen sowie miteinander und mit anderen verbundenen und fremden Unternehmen Geschäfte tätigen (siehe OECD-Betriebsstättenbericht, Teil I Tz. 10 und Tz. 13 bis Tz. 38).

27 Nach der Funktions- und Risikoanalyse ist für die Geschäftstätigkeit der Betriebsstätte eine Vergleichbarkeitsanalyse durchzuführen (§ 1 Absatz 1 BsGaV), um für die Geschäftsvorfälle der Betriebsstätte mit nahe stehenden Personen und mit dem übrigen Unternehmen Verrechnungspreise zu bestimmen, die dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechen (siehe auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil I Tz. 39 bis Tz. 43). Für die Bestimmung der Verrechnungspreise sind alle innerstaatlichen und international anerkannten Verrechnungspreisregeln anwendbar (siehe § 1 Absatz 3 AStG und OECD-Leitlinien), einschließlich der Grundsätze für Kostenumlagen (siehe Rn. 5).

2.1.2 Gegenstand der Zuordnung (§ 1 Absatz 2 BsGaV)

28 Die Funktions- und Risikoanalyse ist die Grundlage dafür, der Betriebsstätte zu Beginn des Wirtschaftsjahrs und während des Wirtschaftsjahrs alle in § 1 Absatz 2 Nummer 2 bis 5 BsGaV aufgeführten Zuordnungsgegenstände zuzuordnen, die im konkreten Fall für die steuerliche Behandlung der Betriebsstätte wie ein eigenständiges und unabhängiges Unternehmen erforderlich sind (OECD-Betriebsstättenbericht, Teil I Tz. 15). Eine Zuordnung ist auch dann notwendig, wenn Zuordnungsgegenstände nicht als Bestandteile der Hilfs- und Nebenrechnung zu erfassen sind (siehe Rn. 29). Grundlage und Ausgangspunkt für die Zuordnung auch solcher, nicht in der Hilfs- und Nebenrechnung zu erfassender Zuordnungsgegenstände, sind die der Betriebsstätte zuzuordnenden Personalfunktionen, die eine solche Zuordnung funktional rechtfertigen (OECD-Betriebsstättenbericht, Teil I Tz. 15). Dies bedeutet umgekehrt, dass einer Betriebsstätte ein Zuordnungsgegenstand i. S. d. §§ 5 bis 10 BsGaV jedenfalls dann nicht (mehr) zugeordnet werden kann, wenn

  • die Betriebsstätte hinsichtlich dieses Zuordnungsgegenstands keine Personalfunktionen ausübt und

  • zu diesem Zeitpunkt im übrigen Unternehmen Personalfunktionen ausgeübt werden, die eine Zuordnung zum übrigen Unternehmen rechtfertigen.

29 Zu den Zuordnungsgegenständen gehören auch selbstgeschaffene immaterielle Werte unabhängig davon, ob sie in der Hilfs- und Nebenrechnung der Betriebsstätte oder in der Bilanz des Unternehmens als deren Bestandteile zu erfassen sind.

Fall – Erfassung selbstgeschaffener immaterieller Werte:

Unternehmen X (X) in Staat A hat eine Betriebsstätte B (B) in Staat B, deren Aufgabe die Herstellung und der Verkauf der Produkte von X ist. Bei der Produktion entwickelt B einen (technischen) immateriellen Wert, der zum Patent eingetragen wird. Der immaterielle Wert wird weder in der Bilanz von X noch in der Hilfs- und Nebenrechnung von B erfasst. Ein Jahr später überlässt B den immateriellen Wert dem übrigen Unternehmen zur (Mit-)Nutzung.

Lösung:

Der immaterielle Wert ist B zuzuordnen, weil B ihn geschaffen hat (§ 6 Absatz 1 BsGaV). Für die fiktive Nutzungsüberlassung an das übrige Unternehmen (§ 16 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a BsGaV) ist ein dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechender Betrag (§ 16 Absatz 2 BsGaV) zu verrechnen. Das gilt unabhängig davon, ob der immaterielle Wert zu Recht weder in der Bilanz von X noch in der Hilfs- und Nebenrechnung von B als Bestandteil erfasst wird. Die Identifizierung des immateriellen Werts ist in jedem Fall sowohl für die Zuordnung der Betriebsausgaben, die in Zusammenhang mit der Schaffung des immateriellen Werts durch B stehen, als auch für die zutreffende Zuordnung und Bemessung der fiktiven Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben für B bzw. das übrige Unternehmen wegen der fiktiven Nutzungsüberlassung erforderlich.

30 Außerdem sind der Betriebsstätte auf der Grundlage ihrer Personalfunktionen Geschäftsvorfälle (§ 9 BsGaV) des Unternehmens, zu dem sie gehört, zuzuordnen.

31 Schließlich sind auf der Grundlage der jeweils ausgeübten Personalfunktionen die anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehungen (§ 16 BsGaV) zu identifizieren, die jeweils zwischen einer Betriebsstätte und dem übrigen Unternehmen bestehen (OECD-Betriebsstättenbericht, Teil I Tz. 17). Die Fiktion schuldrechtlicher Beziehungen ist notwendig, weil zwischen einer Betriebsstätte und dem übrigen Unternehmen keine rechtlichen Beziehungen bestehen, die Grundlage für die eindeutige Zuordnung eines Zuordnungsgegenstands oder für die Vergütung einer Leistung wären.

2.2 Begriffsbestimmungen (§ 2 BsGaV)

2.2.1 Inländisches Unternehmen (§ 2 Absatz 1 BsGaV)

32 Ein Unternehmen ist – unabhängig von der Rechtsform – inländisch, wenn sich der Ort seiner tatsächlichen Geschäftsleitung im Inland befindet (§ 2 Absatz 1 BsGaV).

2.2.2 Ausländisches Unternehmen (§ 2 Absatz 2 BsGaV)

33 Ein Unternehmen ist – unabhängig von der Rechtsform – ausländisch, wenn sich der Ort seiner tatsächlichen Geschäftsleitung im Ausland befindet (§ 2 Absatz 2 BsGaV).

2.2.3 Personalfunktion (§ 2 Absatz 3 BsGaV)

34 Eine Personalfunktion ist eine Geschäftstätigkeit, die von eigenem Personal des Unternehmens für das Unternehmen ausgeübt wird (§ 1 Absatz 5 Satz 3 Nummer 1 AStG, § 2 Absatz 3 Satz 1 BsGaV). Die Auflistung von Geschäftstätigkeiten in § 2 Absatz 3 Satz 2 BsGaV ist beispielhaft und nicht abschließend.

35 Einer Betriebsstätte werden Personalfunktionen des Unternehmens zugeordnet, nicht Personal des Unternehmens.

36 Eine natürliche Person, die zum Personal des Unternehmens gehört, kann nacheinander mehrere Personalfunktionen ausüben, die ggf. unterschiedlichen Betriebsstätten eines Unternehmens zuzuordnen sind. Eine Personalfunktion, die von einer bestimmten Person, die zum eigenen Personal gehört, ausgeübt wird, kann aber nicht gleichzeitig mehreren Betriebsstätten zugeordnet werden. Dagegen kann eine Personalfunktion hinsichtlich eines Zuordnungsgegenstands gleichzeitig von verschiedenen Personen, die zum eigenen Personal gehören, in verschiedenen Betriebsstätten ausgeübt werden (siehe Funktionsaufteilung, Rn. 42).

Fall – Verschiedene Personalfunktionen eines Mitarbeiters:

Ein Consultingunternehmen X in Staat A hat in verschiedenen anderen Staaten Betriebsstätten. Ein Mitarbeiter reist nacheinander in diese anderen Staaten und berät dort die Kunden der jeweiligen Betriebsstätte an jeweils mindestens 40 Tagen.

Lösung:

Der Mitarbeiter übt nacheinander jeweils eine Personalfunktion für die betreffende Betriebsstätte aus. Die jeweilige Personalfunktion ist jeweils der betreffenden Betriebsstätte zuzuordnen.

2.2.4 Eigenes Personal (§ 2 Absatz 4 BsGaV)

37 Als „eigenes Personal“ des Unternehmens gilt eine natürliche Person,

  • die mit dem Unternehmen, für das sie tätig wird, einen Arbeitsvertrag abgeschlossen hat (§ 2 Absatz 4 Satz 1 BsGaV – so auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil I Tz. 62),

  • die aufgrund eines Personalüberlassungsvertrags mit einem anderen Unternehmen für das Unternehmen tätig wird, ungeachtet dessen, dass der Arbeitsvertrag mit dem anderen Unternehmen (überlassendes Unternehmen) abgeschlossen wurde (§ 2 Absatz 4 Satz 2 BsGaV); ein Überlassungsvertrag liegt vor, wenn sich das überlassende Unternehmen lediglich zur Überlassung der Arbeitskraft des überlassenen Arbeitnehmers verpflichtet,

  • die auf gesellschaftsvertraglicher Basis (siehe § 1 Absatz 4 AStG) für das Unternehmen tätig wird (§ 2 Absatz 4 Satz 1 BsGaV),

  • die ohne vertragliche Vereinbarung für das Unternehmen tätig wird, sofern diese natürliche Person Unternehmer oder Gesellschafter des Unternehmens ist (§ 2 Absatz 4 Satz 3 Nummer 1 BsGaV) oder

  • die ohne vertragliche Vereinbarung für das Unternehmen tätig wird, sofern diese natürliche Person dem Unternehmen oder den Gesellschaftern des Unternehmens i. S. d. § 1 Absatz 2 AStG nahe steht (§ 2 Absatz 4 Satz 3 Nummer 2 BsGaV).

Fall – Personalüberlassung:

Das Unternehmen Y (Y) schließt mit dem inländischen Unternehmen X (X) einen Personalüberlassungsvertrag ab. Auf Grundlage dieses Vertrags wird die natürliche Person N (N), die lediglich einen Arbeitsvertrag mit Y abgeschlossen hat, in der zu X gehörenden Betriebsstätte B (B) im Staat B tätig.

Lösung:

Obwohl N keinen Arbeitsvertrag mit X abgeschlossen hat, gilt N wegen des Tätigwerdens für B als eigenes Personal von B (§ 2 Absatz 4 Satz 2 BsGaV). Denn Y hat sich gegenüber X vertraglich lediglich dazu verpflichtet, X Personal (hier N) zu überlassen. N übt eine Personalfunktion von B aus, obwohl N arbeitsrechtlich Personal von Y ist.

38 Eine natürliche Person, die für ein Unternehmen tätig wird, gehört dagegen nicht zum eigenen Personal des Unternehmens, wenn das Tätigwerden nicht auf einem Arbeitsvertrag, sondern auf einem Dienstleistungs- oder Werkvertrag der natürlichen Person mit dem Unternehmen beruht. Ein Dienstleistungs- oder Werkvertrag ist von einem Personalüberlassungsvertrag (siehe Rn. 37) zu unterscheiden. Bei einem Dienstleistungs- oder Werkvertrag wird die vereinbarte Dienstleistung oder die vereinbarte Werkleistung geschuldet, nicht nur die Überlassung der Arbeitskraft des Arbeitnehmers.

2.2.5 Maßgebliche Personalfunktionen (§ 2 Absatz 5 BsGaV)

39 „Maßgebliche Personalfunktionen” i. S. d. § 2 Absatz 5 BsGaV sind für die Betriebsstättengewinnermittlung von zentraler Bedeutung (siehe auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil I Tz. 15 und Tz. 16), da sie grundlegend für die Ausgestaltung der Fiktion einer Betriebsstätte als selbständiges Unternehmen sind. Denn auf der Grundlage der maßgeblichen Personalfunktion werden einer Betriebsstätte jeweils Vermögenswerte (§§ 5 ff. BsGaV), Chancen und Risiken (§ 10 BsGaV) und Geschäftsvorfälle (§ 9 BsGaV) zugeordnet. Wird z. B. eine maßgebliche Personalfunktion, die bisher in einer Betriebsstätte ausgeübt wurde, ab einem bestimmten Zeitpunkt in einer anderen Betriebsstätte ausgeübt, kann dies zu einer Änderung der Zuordnung des betreffenden Zuordnungsgegenstands führen, z. B. mit der Folge des fiktiven Eigentumsübergangs eines materiellen Wirtschaftsguts nach § 16 Absatz 1 Nummer 1 BsGaV (fiktive Veräußerung aufgrund dauerhaft geänderter Nutzung als anzunehmende schuldrechtliche Beziehung, siehe Fall in Rn. 77). Die Zuordnung der maßgeblichen Personalfunktionen ist deshalb ausschlaggebend dafür, welche Zuordnungsgegenstände einer Betriebsstätte zuzuordnen sind und welche Bestandteile in der Hilfs- und Nebenrechnung einer Betriebsstätte zu erfassen sind (§ 3 BsGaV). Die Zuordnung ist damit auch für die Betriebsstättengewinnermittlung von entscheidender Bedeutung.

40 Ob eine Personalfunktion, die in einer Betriebsstätte ausgeübt wird, als maßgeblich anzusehen ist, ist im Einzelfall zu entscheiden (siehe auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil I Tz. 16). Hierbei kommt es auf den konkreten Bezug dieser Personalfunktion zum Zuordnungsgegenstand an, nicht darauf, auf welcher Hierarchiestufe formal eine Entscheidung getroffen wird.

Als nicht maßgeblich sind daher insbesondere Personalfunktionen anzusehen, die bezogen auf den Zuordnungsgegenstand

  • lediglich unterstützenden Charakter haben (siehe auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil I Tz. 62),

  • ausschließlich die allgemeine Geschäftspolitik des Unternehmens (Strategiefunktion) betreffen oder

  • lediglich formal durch Personal einer Betriebsstätte ausgeübt werden.

Fall – Formale Entscheidung:

Unternehmen X (X) in Staat A will ein Projekt in seiner bereits bestehenden Betriebsstätte B (B) im Staat B durchführen. Das Projekt wird von B geplant. Auf Grundlage dieser Planung wird das Projekt durch den Vorstand von X beschlossen.

Lösung:

Das Projekt einschließlich der entstehenden Betriebsausgaben und Betriebseinnahmen ist B zuzuordnen, denn maßgebliche Personalfunktion ist nicht der (formale) Vorstandsbeschluss von X. Maßgebliche Personalfunktionen für das Projekt sind vielmehr die Planungsarbeiten und die operative Umsetzung des Projekts durch B.

41 Für die Zuordnung von Vermögenswerten (§§ 5 bis 8 BsGaV), Geschäftsvorfällen (§ 9 BsGaV) sowie Chancen und Risiken des Unternehmens (§ 10 BsGaV) gelten vorrangig die grundsätzlichen Zuordnungsregelungen gem. § 5 Absatz 1, § 6 Absatz 1, § 7 Absatz 1, § 8 Absatz 1, § 9 Absatz 1 sowie § 10 Absatz 1 und 2 BsGaV, die eine Zuordnungsvermutung enthalten, welche Personalfunktion jeweils als maßgeblich anzusehen ist.

42 Eine für die Zuordnung eines Zuordnungsgegenstands maßgebliche Personalfunktion (z. B. Nutzung eines immateriellen Werts) kann im Einzelfall auch gleichzeitig von verschiedenen Personen in verschiedenen Betriebsstätten ausgeübt werden (Funktionsaufteilung, ausdrücklich angesprochen im OECD-Betriebsstättenbericht, Teil II Tz. 159 – Banken, Teil III Tz. 206 – Global Trading – und Teil IV Tz. 94 – Versicherungen). Eine Funktionsaufteilung ist aber nicht nur für die Geschäftstätigkeit von Banken oder Versicherungen möglich. In Fällen einer Funktionsaufteilung ist darauf abzustellen, in welcher Betriebsstätte nach qualitativen Gesichtspunkten der bedeutendste Teil der maßgeblichen Personalfunktion ausgeübt wird. Die Entscheidung des Unternehmens kann zur besseren Nachvollziehbarkeit anhand einer Übersicht veranschaulicht werden (entsprechend Rn. 294 f. zu Versicherungsbetriebsstätten), die sämtliche Personalfunktionen umfasst, die für eine Zuordnung von Bedeutung sein können. Erfolgt die Ausübung der maßgeblichen Personalfunktion in verschiedenen Betriebsstätten qualitativ gleichwertig, ist es ausnahmsweise möglich, nach quantitativen Gesichtspunkten zu entscheiden, z. B. nach den jeweiligen Kosten der Personalfunktionen (ggf. unter Berücksichtigung von Korrekturen wegen des jeweiligen Lohnniveaus), in welcher Betriebsstätte die maßgebliche Personalfunktion ausgeübt wird.

43 Werden verschiedene Personalfunktionen hinsichtlich eines Zuordnungsgegenstands gleichzeitig von eigenem Personal des Unternehmens, das in verschiedenen Betriebsstätten arbeitet, ausgeübt (Personalfunktionenkonkurrenz), ist der Zuordnungsgegenstand nach den vorrangigen Zuordnungsregelungen (z. B. § 5 Absatz 1, § 6 Absatz 1 BsGaV) zuzuordnen. Eine davon abweichende Zuordnung zu einer anderen Betriebsstätte ist nur möglich, wenn dort andere Personalfunktionen ausgeübt werden, denen in Bezug auf den Zuordnungsgegenstand eindeutig eine größere wirtschaftliche Bedeutung zukommt (siehe z. B. § 6 Absatz 2 BsGaV). Ob eine größere wirtschaftliche Bedeutung gegeben ist, kann nur anhand von qualitativen (siehe Rn. 42), d. h. an den jeweiligen Erfolgsbeiträgen orientierten, Gesichtspunkten (Wertschöpfung) entschieden werden, da qualitativ unterschiedliche Personalfunktionen nicht nach quantitativen Gesichtspunkten beurteilt werden können. Derjenige, der sich darauf beruft, dass ein Zuordnungsgegenstand entgegen den grundsätzlichen Zuordnungsregelungen zuzuordnen ist, hat die Gründe dafür nachzuweisen bzw. glaubhaft zu machen, wenn ein Nachweis nicht möglich ist.

44 Sowohl in Fällen der Funktionsaufteilung (siehe Rn. 42) als auch in Fällen der Personalfunktionenkonkurrenz (siehe Rn. 43) ist im Einzelfall eine Betrachtung, die über ein Wirtschaftsjahr hinausgeht, vergangene Wirtschaftsjahre und Prognosen berücksichtigt, sachgerecht. Das gilt auch, wenn zu entscheiden ist, ob ein Vermögenswert einer anderen Betriebsstätte zuzuordnen ist (mit der Folge des § 16 Absatz 1 Nummer 1 BsGaV, siehe z. B. Fall in Rn. 79).

45 §§ 5 bis 10 BsGaV räumen in Zweifelsfällen dem Unternehmen einen Beurteilungsspielraum ein, wenn sonst keine eindeutige Zuordnung möglich ist (z. B. § 5 Absatz 4 BsGaV). Die Finanzverwaltung hat die Zuordnungsentscheidung des Unternehmens anzuerkennen, wenn sich diese aus der Hilfs- und Nebenrechnung (§ 3 BsGaV bzw. aus den Aufzeichnungen des Unternehmens nach § 90 Absatz 3 AO, siehe auch Rn 63) ergibt. Dies gilt auch für über das einzelne Wirtschaftsjahr hinausgehende Betrachtungen (siehe Rn. 44), wenn die daraus folgende Entscheidung des Unternehmens zum Entscheidungszeitpunkt (§ 3 BsGaV) sachlich begründet erscheint. Die Finanzverwaltung darf die vom Unternehmen im Rahmen des Beurteilungsspielraums vorgenommene und entsprechend dokumentierte Zuordnung nur ändern, wenn diese den verbindlichen Zuordnungsregeln widerspricht (z. B. § 5 Absatz 1 bis 3 BsGaV). Der Beurteilungsspielraum des Unternehmens ist insoweit eingeschränkt. Eine anteilige Zuordnung ist – außer für immaterielle Werte (siehe § 6 Absatz 4 Satz 2 BsGaV und Rn. 101) – grundsätzlich nicht anzuerkennen.

46 Wird ein wirtschaftlicher Vorgang i. S. d. § 1 Absatz 4 AStG festgestellt, kann dies eine Änderung der Zuordnung eines Zuordnungsgegenstands erforderlich machen. Dies ist der Fall, wenn die für die Zuordnung maßgebliche Personalfunktion ab dem Vorgang in einer anderen Betriebsstätte (im übrigen Unternehmen) ausgeübt wird. Als Folge ist eine fiktive Veräußerung anzunehmen (§ 16 Absatz 1 Nummer 1 BsGaV, siehe Rn. 169). Anderenfalls bleibt die Zuordnung trotz des festgestellten wirtschaftlichen Vorgangs, der lediglich zu einer fiktiven Leistungsbeziehung führt (§ 16 Absatz 1 Nummer 2 BsGaV, siehe Rn. 171), unverändert.

47 Eine Änderung der Zuordnung eines Zuordnungsgegenstands ist z. B. notwendig, wenn

  • die maßgebliche Personalfunktion nach einem wirtschaftlichen Vorgang nicht mehr in der bisherigen Betriebsstätte sondern im übrigen Unternehmen, d. h. in einer anderen Betriebsstätte, ausgeübt wird (z. B. § 5 Absatz 1 BsGaV: Nutzung (siehe Fall Rn. 77) oder

  • die Ausübung der bisher maßgeblichen Personalfunktion einer Betriebsstätte beendet wird und in Folge des wirtschaftlichen Vorgangs eine andere Personalfunktion, die im übrigen Unternehmen, d. h. in einer anderen Betriebsstätte, ausgeübt wird, als maßgebliche anzusehen ist (z. B. § 6 BsGaV: Erwerb eines immateriellen Werts und Beginn der Nutzung in einer anderen Betriebsstätte, wenn die Nutzung eindeutig von größerer Bedeutung ist als der Erwerb).

Zu einzelnen Fallkonstellationen siehe die Beispiele zu §§ 5 ff. BsGaV (siehe Rn. 76 ff.) und zu § 16 Absatz 1 Nummer 1 BsGaV (siehe Rn. 169).

48 Für das Ergebnis einer Betriebsstätte sind allerdings nicht nur die maßgeblichen, sondern alle der Betriebsstätte zuzuordnenden Personalfunktionen zu berücksichtigen (siehe auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil I Tz. 17). Denn zwischen der Betriebsstätte, der die maßgebliche Personalfunktion bezüglich eines Bestandteils der Hilfs- und Nebenrechnung zugeordnet wird, und dem übrigen Unternehmen, das auch Personalfunktionen im Hinblick auf diesen Bestandteil ausübt, liegen anzunehmende schuldrechtliche Beziehungen nach § 16 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a BsGaV vor (z. B. fiktive Nutzungsüberlassungen, fiktive Dienstleistungen), für die ein angemessener Verrechnungspreis anzusetzen ist, § 16 Absatz 2 BsGaV.

2.2.6 Vermögenswert (§ 2 Absatz 6 BsGaV)

49 „Vermögenswerte” i. S. d. § 2 Absatz 6 BsGaV sind Wirtschaftsgüter und Vorteile, insbesondere materielle Wirtschaftsgüter, immaterielle Werte einschließlich immaterieller Wirtschaftsgüter, Beteiligungen und Finanzanlagen. Auf Definitionen der nationalen und internationalen Bilanzierungsstandards kommt es ebenso wenig an wie auf die Erfassung in der Hilfs- und Nebenrechnung, d. h. ein Vermögenswert in diesem Sinne kann einer Betriebsstätte auch dann zuzuordnen sein, wenn er nicht als Bestandteil der Hilfs- und Nebenrechnung zu erfassen ist (siehe Fall in Rn. 29). Die tatsächliche Bilanzierung und die Bilanzierbarkeit von Wirtschaftsgütern sind für die Zwecke der Betriebsstättengewinnermittlung nicht entscheidend, denn auch nicht bilanzierte oder nach § 248 Absatz 1 HGB nicht bilanzierungsfähige Wirtschaftsgüter können für anzunehmende schuldrechtliche Beziehungen und für die entstehenden Einkünfte von Bedeutung sein.

50 Vorteile können für die Preisbestimmung von anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehungen i. S. d. § 1 Absatz 4 Nummer 2 AStG und für die daraus entstehenden Einkünfte von erheblicher Bedeutung sein. Zu den Vorteilen gehören auch Finanzinstrumente i. S. d. § 254 HGB, die keine Wirtschaftsgüter sind, aber der Sicherung von Vermögenswerten i. S. d. § 11 BsGaV dienen.

2.3 Hilfs- und Nebenrechnung (§ 3 BsGaV)

2.3.1 Erstellung der Hilfs- und Nebenrechnung (§ 3 Absatz 1 BsGaV)

51 Die Hilfs- und Nebenrechnung dient der steuerlichen Ergebnisberechnung der Betriebsstätte. Sie ist nach § 3 Absatz 1 Satz 1 BsGaV jeweils zum Beginn des Wirtschaftsjahrs entsprechend §§ 5 bis 17 BsGaV aufzustellen. Für die Zuordnung von Dotationskapital und übrigen Passivposten enthält die BsGaV von den inländischen Regeln für die steuerliche Gewinnermittlung abweichende Regelungen (vgl. §§ 12 bis 14 BsGaV, siehe Rn. 129 ff.), die einen Bilanzzusammenhang für die Passivposten der Hilfs- und Nebenrechnung ausschließen.

52 Die Hilfs- und Nebenrechnung ist entsprechend den Regeln, die für die steuerliche Gewinnermittlung gelten, laufend fortzuschreiben und zum Ende des Wirtschaftsjahrs abzuschließen. Sie ist nach § 3 Absatz 1 Satz 3 BsGaV spätestens zum Zeitpunkt der Abgabe der Steuererklärung (Einkommensteuererklärung, Körperschaftsteuererklärung oder Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung) zu erstellen. § 148 AO ist anwendbar.

53 Ist ein ausländisches Unternehmen für seine inländische Betriebsstätte buchführungspflichtig oder führt es freiwillig Bücher, so können diese Unterlagen Ausgangspunkt für die Hilfs- und Nebenrechnung sein oder unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls der Hilfs- und Nebenrechnung entsprechen.

54 Die Regelung der Rn. 53 gilt entsprechend für ein inländisches Unternehmen, das aufgrund ausländischen Rechts für seine ausländische Betriebsstätte buchführungspflichtig ist oder freiwillig Bücher führt und die Ergebnisse der dortigen Buchführung für die deutsche Besteuerung übernimmt (§ 146 Absatz 2 Satz 3 AO).

55 Wird das Ergebnis einer ausländischen Betriebsstättenbuchführung (ggf. nach den Anpassungen i. S. d. § 146 Absatz 2 Satz 4 AO) in ausländischer Währung ermittelt, so ist es nicht zu beanstanden, wenn dieses Ergebnis unter Berücksichtigung des zum Bilanzstichtag geltenden Umrechnungskurses umgerechnet wird, d. h. ohne Berücksichtigung der Umrechnungskurse einzelner Geschäftsvorfälle und der historischen Anschaffungskosten. Diese Handhabung entspricht der weitgehenden Gleichstellung von Betriebsstätten mit Kapitalgesellschaften und damit dem Fremdvergleichsgrundsatz.

56 Hat ein Unternehmen mehrere Betriebsstätten in einem Staat, ist grundsätzlich für jede Betriebsstätte eine gesonderte Hilfs- und Nebenrechnung zu erstellen. Es ist jedoch nicht zu beanstanden, wenn für die Betriebsstätten in einem Staat eine zusammengefasste Hilfs- und Nebenrechnung erstellt wird, es sei denn, die Beachtung steuerlicher Vorschriften (z. B. § 2a EStG oder die Regelungen der DBA) erfordern eine getrennte Ermittlung der jeweiligen Betriebsstätteneinkünfte. Für jede einzelne Bau- und Montagebetriebsstätte und für jede einzelne Förderbetriebsstätte ist stets eine gesonderte Hilfs- und Nebenrechnung zu erstellen (siehe Rn. 341).

57 Besteht im Inland zwar eine Betriebsstätte nach § 12 AO, können deren Einkünfte aber aufgrund einer Artikel 8 OECD-MA entsprechenden DBA-Regelung in Deutschland nicht besteuert werden, so ist es aus Vereinfachungsgründen nicht erforderlich, für diese Betriebsstätte eine Hilfs- und Nebenrechnung zu erstellen. Dies gilt nicht, wenn durch eine Betriebsstätte neben Einkünften, die unter eine Artikel 8 OECD-MA entsprechende DBA-Regelung fallen, auch andere Einkünfte erzielt werden, die nicht als Nebeneinkünfte anzusehen sind. In diesem Fall ist für diese anderen Einkünfte eine Hilfs- und Nebenrechnung zu erstellen. Um die in Deutschland steuerpflichtigen Betriebsstätteneinkünfte sachgerecht ermitteln zu können, sind diese von den in Deutschland nicht zu besteuernden Einkünften sachgerecht abzugrenzen. Zur Feststellung, ob im Inland zu besteuernde Einkünfte erzielt werden, ist nach § 90 Absatz 1 AO vom ausländischen Unternehmen insbesondere offen zu legen, welche Personalfunktionen (§ 3 Absatz 3 BsGaV) in der Betriebsstätte (§ 4 Absatz 1 Satz 1 BsGaV) oder für die Betriebsstätte (§ 4 Absatz 2 BsGaV) ausgeübt werden.

2.3.2 Bestandteile der Hilfs- und Nebenrechnung (§ 3 Absatz 2 BsGaV)

58 In der Hilfs- und Nebenrechnung sind die der Betriebsstätte zuzuordnenden Vermögenswerte, ihr Dotationskapital und die übrigen Passivposten zu erfassen (siehe auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil I Tz. 72 ff. und Tz. 224 ff.).

59 Ein selbst geschaffener immaterieller Wert, der bisher weder in der Bilanz noch in der Hilfs- und Nebenrechnung zu erfassen war, wird dann Bestandteil der Hilfs- und Nebenrechnung, wenn wegen einer Änderung der Zuordnung im Verhältnis zwischen der Betriebsstätte und dem übrigen Unternehmen ein fiktiver Erwerb i. S. d. § 16 Absatz 1 Nummer 1 BsGaV anzunehmen ist. Zu erfassen ist demnach ein immaterieller Wert, der im übrigen Unternehmen selbst geschaffen wurde und anschließend der Betriebsstätte zuzuordnen ist (siehe Fallabwandlung 2 in Rn. 95) bzw. umgekehrt. Hingegen kann ein selbst geschaffener immaterieller Wert, der zwar der Betriebsstätte zuzuordnen ist, nach § 3 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 BsGaV nicht Bestandteil der Hilfs- und Nebenrechnung sein, wenn ein rechtlich selbständiges Unternehmen in der Situation der Betriebsstätte diesen immateriellen Wert in seiner steuerlichen Gewinnermittlung nicht erfassen würde.

60 Nach § 3 Absatz 2 Satz 2 Nummer 4 BsGaV sind auch die Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben mit einzubeziehen, die zur Betriebsstätte gehören, weil sie in Zusammenhang mit Bestandteilen der Hilfs- und Nebenrechnung stehen, die aufgrund der ausgeübten Personalfunktion der Betriebsstätte zuzuordnen sind.

61 Auch die fiktiven Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben, die aufgrund anzunehmender schuldrechtlicher Beziehungen nach den §§ 16 und 17 BsGaV entstehen, sind nach § 3 Absatz 2 Satz 3 BsGaV in der Hilfs- und Nebenrechnung zu erfassen, da voneinander unabhängige Unternehmen in vergleichbaren Fällen Verträge abschließen würden, die entsprechende Auswirkungen auf ihre Gewinnermittlung hätten (siehe auch § 1 Absatz 4 Satz 2 AStG). Zu den fiktiven Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben gehören auch fiktive Veräußerungsgewinne und -verluste.

Fall – Dienstleistung:

Die inländische X-GmbH hat in Staat A (DBA, das den AOA beinhaltet) eine Betriebsstätte A (A). Das übrige Unternehmen erbringt mit Personalfunktionen im Inland eine Dienstleistung für A. Die Dienstleistung verursacht Kosten von 90 und wird vom übrigen Unternehmen zum angemessenen Fremdvergleichspreis von 100 gegenüber A verrechnet.

Lösung:

A weist in der Hilfs- und Nebenrechnung fiktive Betriebsausgaben i. H. v. 100 aus. Das übrige Unternehmen erzielt fiktive Betriebseinnahmen von 100, d. h. es entsteht für das übrige Unternehmen ein Gewinn von 10.

62 Soweit eine Entstrickung nach § 4 Absatz 1 Satz 3 und 4 EStG oder eine fiktive Veräußerung nach § 12 Absatz 1 KStG vorliegt, die in der inländischen Steuerbilanz des Unternehmens im Wege einer Aufstockung zu erfassen ist, sind entsprechende Ansätze in der Hilfs- und Nebenrechnung der betreffenden ausländischen Betriebsstätte erforderlich.

Fall (1) – Überführung eines materiellen Wirtschaftsguts:

Die inländische X-GmbH (X) überführt einen Kran (Buchwert 100, gemeiner Wert/Fremdvergleichspreis 150) in ihre Betriebsstätte A (A) im Staat A (DBA, das den AOA beinhaltet).

Lösung:

Nach § 12 Absatz 1 KStG gilt die Überführung als fiktive Veräußerung des Krans zum gemeinen Wert/Fremdvergleichspreis von 150. Da der Kran unverändert Betriebsvermögen von X ist, muss er in derselben logischen Sekunde mit dem gemeinen Wert/Fremdvergleichspreis in deren Steuerbilanz angesetzt werden. Folge ist eine gewinnwirksame Erhöhung des Bilanzwerts des Krans (sog. Step up) in der Bilanz von X. Dieser Vorgang führt zwischen A und dem übrigen Unternehmen nach § 16 Absatz 1 Nummer 1 BsGaV zu einer fiktiven Veräußerung (anzunehmende schuldrechtliche Beziehung) des übrigen Unternehmens an A, so dass der Kran in der Hilfs- und Nebenrechnung von A mit den fiktiven Anschaffungskosten von 150 zu aktivieren und anschließend ausgehend von diesem Wert nach den allgemeinen Regeln abzuschreiben ist. Im Zeitpunkt der Überführung/fiktiven Veräußerung entsteht für das übrige Unternehmen ein Gewinn von 50. Dieser Gewinn neutralisiert sich für X infolge der erhöhten Abschreibung für A (fiktive Anschaffungskosten 150) im Laufe der Nutzungsdauer. Die Gewinnrealisierung wirkt sich letztlich – zeitlich verschoben – nur auf die Gewinnaufteilung zwischen A und dem übrigen Unternehmen aus (einmaliger Gewinn im übrigen Unternehmen von 50, erhöhte Abschreibung bezogen auf die Nutzungsdauer für A von 50).

HINWEIS:

Im umgekehrten Fall (ausländisches Unternehmen mit inländischer Betriebsstätte) liegt eine fiktive Einlage gem. § 8 Absatz 1 KStG, § 4 Absatz 1 Satz 8 Halbsatz 2 EStG vor, die mit dem gemeinen Wert (§ 6 Absatz 1 Nummer 5a EStG) zu bewerten ist. Eine entsprechend Artikel 7 OECD-MA vom Unternehmen vorgenommene Aktivierung zu 150 in der Hilfs- und Nebenrechnung der inländischen Betriebsstätte ist anzuerkennen, von dieser Basis sind Abschreibungen vorzunehmen. Im Ausland kommt es zu einer entsprechenden Gewinnrealisierung.

Fall (2) – Überführung eines immateriellen Werts:

Die inländische X-GmbH (X) hat in Staat A eine Betriebsstätte A (A). Die inländische Forschungseinrichtung von X entwickelt einen immateriellen Wert und lässt ihn zum Patent eintragen. Das Patent ist nach Fertigstellung im Jahr 05 ab dem Jahr 06 unstreitig A zuzuordnen, weil A den immateriellen Wert nutzt und das übrige Unternehmen keine Personalfunktionen mehr hinsichtlich des Patents ausübt (siehe Rn. 28).

Lösung:

Der immaterielle Wert (Patent, bzw. das zukünftige Patent) ist in den Jahren 01 bis 05 dem übrigen Unternehmen zuzuordnen, denn dort sind die maßgeblichen Personalfunktionen, die zur Schaffung des Patents führten, ausgeübt worden (Vermutungsregelung des § 6 Absatz 1 BsGaV). Die Zuordnung zu A im Jahr 06 stellt eine Zuordnungsänderung dar. Es ist ein fiktiver Anschaffungsvorgang des Patents durch A anzunehmen (fiktiver Erwerb i. S. d. § 16 Absatz 1 Nummer 1 BsGaV). Das Patent ist ab dem Jahr 06 nach § 3 Absatz 2 Nummer 1 BsGaV in der Hilfs- und Nebenrechnung von A als Aktivposten mit den fiktiven Anschaffungskosten (d. h. mit einem dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechenden Preis, § 16 Absatz 2 BsGaV) zu erfassen. Dass X das Patent ohne diesen fiktiven Anschaffungsvorgang nach deutschem Steuerrecht nicht in seiner inländischen Bilanz ansetzen darf (Bilanzierungsverbot, § 5 Absatz 2 EStG), ist unerheblich. Gleichzeitig handelt es sich für das übrige Unternehmen um eine fiktive Veräußerung an A i. S. d. § 12 Absatz 1 KStG.

HINWEIS:

Ist im umgekehrten Fall (ausländisches Unternehmen mit inländischer Betriebsstätte) ein selbstgeschaffener (auch halbfertiger) immaterieller Wert nach ausländischem Steuerrecht in der Bilanz des ausländischen Unternehmens auszuweisen (anders als nach deutschem Steuerrecht), so hat dies keinen Einfluss auf die Behandlung in der Hilfs- und Nebenrechnung der Betriebsstätte.

2.3.3 Hinweis auf die Aufzeichnungspflichten (§ 3 Absatz 3 BsGaV)

63 Das Unternehmen muss nach § 3 Absatz 3 BsGaV sicherstellen, dass es im Rahmen des § 90 Absatz 3 Satz 4 AO (siehe auch § 7 GAufzV) auf Anforderung durch die Außenprüfung Aufzeichnungen über die Gründe für die jeweilige Zuordnungsentscheidung hinsichtlich der Bestandteile der Hilfs- und Nebenrechnung und für die anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehungen vorlegen kann. Zu den Aufzeichnungen gehören insbesondere auch Unterlagen, aus denen sich ergibt, wie die betreffenden Bestandteile der Hilfs- und Nebenrechnung und die anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehungen im Ausland steuerlich zugeordnet und behandelt werden. Werden bei einer Außenprüfung Aufzeichnungen, die nach § 90 Absatz 3 Satz 4 AO auf Anforderung zu erstellen und vorzulegen sind, nicht fristgerecht oder nur in unverwertbarer Qualität vorgelegt, können Schätzungen und Zuschläge nach § 162 Absatz 3 und 4 AO notwendig werden.

2.3.4 Begründung und Beendigung einer Betriebsstätte (§ 3 Absatz 4 BsGaV)
2.3.4.1 Begründung einer Betriebsstätte

64 Wird eine Betriebsstätte begründet, ist nach § 3 Absatz 4 Satz 1 BsGaV zu diesem Zeitpunkt erstmals eine Hilfs- und Nebenrechnung zu erstellen. Dies gilt auch, wenn sich erst nachträglich herausstellt, dass eine Betriebsstätte begründet wurde (z. B. Fristüberschreitung für Bau- und Montagebetriebsstätten, unbeabsichtigte und unerkannte Betriebsstättenbegründung). Für den fiktiven Erwerb bzw. die fiktive Überlassung von Vermögenswerten sowie für die Zuordnung von Passivposten gelten auch in diesen Fällen die allgemeinen Grundsätze.

65 In den Fällen, in denen die Begründung einer Betriebsstätte, d. h. ihr tatsächliches Entstehen, nicht erkannt wurde und eine Hilfs- und Nebenrechnung nicht nachträglich erstellt werden kann, kann eine Schätzung nach § 162 AO notwendig werden.

66 Aufwendungen, die vor der Begründung einer Betriebsstätte aber in einem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit ihrem Entstehen und im Hinblick auf ihre Tätigkeit anfallen (Vorlaufkosten), sind dem übrigen Unternehmen zuzuordnen, denn einer Betriebsstätte können vor ihrem Entstehen keine Personalfunktionen zugeordnet werden (siehe Rn. 71).

67 Dienen Vorlaufkosten der Erzielung von im Inland nach DBA-Regelungen freigestellten Betriebsstätteneinkünften, so sind sie nach dem Veranlassungsprinzip (§ 4 Absatz 4 EStG) im Inland nicht abziehbar (, BStBl 1983 II S. 566; , BStBl 1999 II S. 293; vgl. OECD-Betriebsstättenbericht, Teil I Tz. 221 ff.). Dies gilt auch dann, wenn es gar nicht zum Entstehen der geplanten ausländischen Betriebsstätte kommt (, BStBl II S. 703). Weist das Unternehmen allerdings nach, dass Vorlaufkosten der Erbringung von anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehungen (§ 16 BsGaV) dienen, die für das übrige Unternehmen zu steuerpflichtigen Einkünften führen, sind sie insoweit beim übrigen Unternehmen abziehbar.

2.3.4.2 Beendigung einer Betriebsstätte

68 Wird eine Betriebsstätte beendet, ist die Hilfs- und Nebenrechnung nach § 3 Absatz 4 Satz 2 BsGaV zu diesem Zeitpunkt abzuschließen. Alle noch vorhandenen Vermögenswerte und Passivposten der Betriebsstätte gelten fiktiv als an das übrige Unternehmen zu Fremdvergleichswerten veräußert (§ 16 Absatz 1 Nummer 1 BsGaV), der fiktive Veräußerungserlös ist nach § 3 Absatz 4 Satz 2 BsGaV in der Hilfs- und Nebenrechnung zu erfassen. Eine entsprechende Anwendung des § 11 KStG auf eine Betriebsstätte scheidet auch in den Fällen aus, in denen das Unternehmen, dessen Teil die Betriebsstätte ist, nach § 1 Absatz 1 Nummer 1 bis 3 KStG unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig ist.

Fall – Beendigung einer Betriebsstätte:

Unternehmen X im Staat A hat in Staat B eine Betriebsstätte B (B), die in der Hilfs- und Nebenrechnung eine Maschine ausweist. B wird beendet.

Lösung:

Mit der Beendigung von B ist eine fiktive Veräußerung der Maschine an das übrige Unternehmen (§ 16 Absatz 1 Nummer 1 BsGaV) anzunehmen, unabhängig davon, ob die Maschine in Staat B verbleibt oder nicht.

69 Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben in Zusammenhang mit der Geschäftstätigkeit der Betriebsstätte, die zu einem Zeitpunkt anfallen, zu dem die Betriebsstätte nicht mehr besteht, gehören nicht zu den Einkünften der Betriebsstätte, sondern zu den Einkünften des übrigen Unternehmens. Denn nach § 3 Absatz 4 Satz 2 BsGaV gelten die zugrunde liegenden Geschäftsvorfälle und Vermögenswerte zum Zeitpunkt der Beendigung der Betriebsstätte als fiktiv an das übrige Unternehmen veräußert (§ 16 Absatz 1 Nummer 1 BsGaV).

2.3.5 Hilfs- und Nebenrechnung für die Betriebsstätte eines nicht bilanzierenden Unternehmens (§ 3 Absatz 5 BsGaV)

70 In Fällen, in denen das Unternehmen, zu dem die Betriebsstätte gehört, weder nach inländischem noch nach ausländischem Recht buchführungspflichtig ist und tatsächlich auch keine Bücher führt, ist die Hilfs- und Nebenrechnung nach § 3 Absatz 5 BsGaV entsprechend einer Einnahmenüberschussrechnung i. S. d. § 4 Absatz 3 EStG zu erstellen. § 6 Absatz 7 EStG ist entsprechend anzuwenden, d. h. die Abschreibungen sind ausgehend von den fiktiven Anschaffungskosten zu bemessen. Entsprechend § 3 Absatz 4 BsGaV ist auch in diesen Fällen zum Zeitpunkt der Begründung der Betriebsstätte mit der Hilfs- und Nebenrechnung zu beginnen. Im Zeitpunkt der Beendigung der Betriebsstätte ist die Hilfs- und Nebenrechnung so abzuschließen, dass sie den Übergang der Vermögenswerte und Passivposten zu Werten enthält, die dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechen.

2.4 Zuordnung von Personalfunktionen (§ 4 BsGaV)

2.4.1 Grundsatz (§ 4 Absatz 1 BsGaV)

71 Für die Zuordnung einer Personalfunktion kommt es nach § 4 Absatz 1 Satz 1 BsGaV in erster Linie darauf an, in welcher Betriebsstätte die Personalfunktion ausgeübt wird (Vermutungsregelung). Die Zuordnung ist grundsätzlich unabhängig von der Dauer der Ausübung.

72 Eine Personalfunktion, die in einer Betriebsstätte ausgeübt wird, ist ihr nach § 4 Absatz 1 Satz 2 BsGaV jedoch nicht zuzuordnen, wenn die Personalfunktion keinen sachlichen Bezug zur Geschäftstätigkeit der Betriebsstätte aufweist und wenn die Personalfunktion dort nur kurzfristig, d. h. an weniger als 30 Arbeitstagen innerhalb eines Wirtschaftsjahrs, ausgeübt wird.

Grundfall – Vorbereitende Tätigkeit:

Unternehmen X in Staat A hat in Staat B Betriebsstätte B (B) und in Staat C Betriebsstätte C (C). Ein Arbeitnehmer N (N) von X reist für drei Wochen zu B, um sich dort für eine Tätigkeit in Staat C für C vorzubereiten. Es besteht keine sachliche Verbindung zwischen seiner (vorbereitenden) Tätigkeit im Staat B und der Geschäftstätigkeit von B.

Lösung:

Die Tätigkeit von N ist nach § 4 Absatz 1 Satz 2 BsGaV keine Personalfunktion von B, sondern gem. § 4 Absatz 2 Satz 1 1. Alternative BsGaV eine Personalfunktion von C. Die Nutzung der Infrastruktur von B ist ggf. vom übrigen Unternehmen (hier im Ergebnis von C) zu vergüten (§ 16 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a BsGaV).

Abwandlung (zur Abgrenzung):

N ist länger als 30 Tage, d. h. nicht nur kurzfristig, bei B tätig.

Lösung:

Die Tätigkeit von N ist nach § 4 Absatz 1 Satz 2 BsGaV eine Personalfunktion von B, da N die Infrastruktur von B nicht nur kurzfristig nutzt. Die Ergebnisse der vorbereitenden Tätigkeit von N in B sind vom übrigen Unternehmen (hier im Ergebnis von C) angemessen zu vergüten (§ 16 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a BsGaV).

73 Als Folge der Zuordnung einer Personalfunktion zu einer Betriebsstätte sind der Betriebsstätte neben dem zugehörigen Personalaufwand auch die durch die Personalfunktion verursachten Erträge zuzuordnen. Aus der Zuordnung einer Personalfunktion zu einer Betriebsstätte können sich auch Gründe für die Zuordnung z. B. von Vermögenswerten ergeben.

2.4.2 Besondere Fälle der Zuordnung von Personalfunktionen (§ 4 Absatz 2 BsGaV)

74 Gibt die örtliche Ausübung einer Personalfunktion keine Entscheidung für die Zuordnung vor, weil

  • die Personalfunktion weder in der Betriebsstätte noch im übrigen Unternehmen ausgeübt wird (z. B. Reisetätigkeit) oder

  • das Personal des Unternehmens die Funktion nur kurzfristig in einer Betriebsstätte ausübt, zu der die Personalfunktion sonst keinen sachlichen Bezug aufweist (§ 4 Absatz 1 Satz 2 BsGaV),

so ist die Personalfunktion nach § 4 Absatz 2 BsGaV der Betriebsstätte zuzuordnen, zu der die Personalfunktion sachlich den engsten Bezug aufweist (siehe Rn. 72 Grundfall).

2.4.3 Zuordnung einer Personalfunktion in Zweifelsfällen (§ 4 Absatz 3 BsGaV)

75 Kann eine Personalfunktion weder nach § 4 Absatz 1 noch nach § 4 Absatz 2 BsGaV zugeordnet werden, so räumt § 4 Absatz 3 BsGaV dem Unternehmen einen Beurteilungsspielraum für die Zuordnung der Personalfunktion ein. Die Zuordnung der Personalfunktion muss sich aber so weit wie möglich an den Kriterien des § 4 Absatz 1 und 2 BsGaV orientieren. Die Zuordnung der Personalfunktion muss spätestens mit Erstellung der Hilfs- und Nebenrechnung nachvollziehbar erfolgt sein und ggf. anhand eindeutiger Aufzeichnungen (§ 90 Absatz 3 AO, siehe auch Rn. 63) begründet werden können (§ 3 Absatz 2 Satz 4 BsGaV). Anderenfalls kann eine Schätzung nach § 162 AO erforderlich werden. Die anteilige Zuordnung einer Personalfunktion ist nicht anzuerkennen.

Fall – Keine eindeutige Zuordnung einer Personalfunktion:

Das Produktionsunternehmen X (X) in Staat A hat in Staat B Betriebsstätte B (B) und in Staat C Betriebsstätte C (C). X betreibt einen Messestand im Staat M. Der Angestellte N, der üblicherweise im Staat A für X arbeitet, berät und bedient auf der Messe die Kunden von B und C. Der Messestand erfüllt selbst nicht den Tatbestand einer Betriebsstätte.

Lösung:

Da es nicht möglich ist, die auf dem Messestand von N ausgeübte Personalfunktion eindeutig einer der Betriebsstätten zuzuordnen (§ 4 Absatz 1 oder 2 BsGaV) hat X einen Beurteilungsspielraum (§ 4 Absatz 3 BsGaV): X kann die in M von N erbrachte Personalfunktion entweder der inländischen Betriebsstätte oder B oder C zuordnen. X hat sicherzustellen, dass die Aufzeichnungspflichten (siehe Rn. 63) erfüllt werden können. Fiktiv erbrachte Dienstleitungen sind nach § 16 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a BsGaV angemessen zu verrechnen.

2.5 Zuordnung von materiellen Wirtschaftsgütern (§ 5 BsGaV)

2.5.1 Grundsatz (§ 5 Absatz 1 BsGaV)

76 Ein materielles Wirtschaftsgut ist nach der Vermutungsregelung des § 5 Absatz 1 Satz 1 BsGaV der Betriebsstätte zuzuordnen, in der es genutzt wird, da die Nutzung materieller Wirtschaftsgüter insofern als maßgebliche Personalfunktion gilt (siehe auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil I Tz. 75). Unter Nutzung i. S. d. § 5 Absatz 1 Satz 1 BsGaV ist der unmittelbare Verbrauch des materiellen Wirtschaftsguts, d. h. dessen Wertverzehr, zu verstehen. Besonderheiten gelten im Zusammenhang mit Beteiligungen, Finanzanlagen und ähnlichen Vermögenswerten (§ 7 BsGaV). Da die Nutzung eines materiellen Vermögenswerts immer nur an einem Ort (in einer bestimmten Betriebsstätte) möglich ist, sind Fälle von Funktionsaufteilungen (siehe Rn. 42) im Regelfall nicht möglich (siehe aber Rn. 79).

Fall (1) – Grundfall:

Unternehmen X in Staat A hat in Staat B eine Betriebsstätte B (B). Eine Maschine wird von Personal von B für eigene betriebliche Zwecke angeschafft und anschließend genutzt.

Lösung:

Die Maschine ist B nach § 5 Absatz 1 BsGaV zuzuordnen und als Bestandteil der Hilfs- und Nebenrechnung von B (§ 3 BsGaV) auszuweisen.

Fall (2) – Nutzung durch Nutzungsüberlassung:

Unternehmen X (X) in Staat A hat in Staat B eine Betriebsstätte B (B). Eine Maschine wird von Personal von B angeschafft, und anschließend an ein unabhängiges Unternehmen Y (Y) vermietet.

Lösung:

Die Maschine ist B aufgrund der Nutzung (Vermietung) nach § 5 Absatz 1 BsGaV zuzuordnen.

Fallfortführung zu Fall (2):

X hat in Staat C die Betriebsstätte C (C). Nach der Vermietung an Y (dieser Geschäftsvorfall ist B nach § 9 Absatz 1 BsGaV zuzuordnen) wird die Maschine auf Dauer von C genutzt.

Lösung:

Die Maschine ist dem übrigen Unternehmen (hier C) zuzuordnen, denn die tatsächliche Nutzung durch C hat wegen der Vermutungsregelung des § 5 Absatz 1 BsGaV Vorrang gegenüber der denkbaren fiktiven Nutzungsüberlassung von B an C.

Fall (3) – Herstellung; Behandlung eines unternehmensinternen fiktiven Anschaffungsvorgangs:

Geschäftszweck des Unternehmens X (X) in Staat A ist u. a. die Herstellung von Spezialmaschinen. X hat in Staat B eine Betriebsstätte B (B). Im Jahr 01 beginnt im übrigen Unternehmen die Fertigung einer Maschine, die für B vorgesehen ist. Die Maschine wird in 02 ausgeliefert und anschließend von B genutzt.

Lösung:

Die Maschine ist B mit Beginn der Nutzung in 02 zuzuordnen (§ 5 Absatz 1 BsGaV – Vermutungsregelung). In der Zeit davor ist das unfertige Erzeugnis dem übrigen Unternehmen zuzuordnen, da bis zur Nutzung die Herstellung nach § 5 Absatz 2 BsGaV die maßgebliche Personalfunktion ist. Mit Beginn der Nutzung in 02 durch B gilt die Maschine als fiktiv an diese veräußert (§ 16 Absatz 1 Nummer 1 BsGaV). Für die fiktive Veräußerung ist ein Verrechnungspreis anzusetzen, der dem Fremdvergleichsgrundsatz entspricht (§ 16 Absatz 2 BsGaV).

77 Wechselt die Nutzung eines materiellen Wirtschaftsguts auf Dauer, d. h. unbefristet, von einer Betriebsstätte zu einer anderen, führt das nach § 5 Absatz 1 Satz 2 BsGaV zum Zeitpunkt der Nutzungsänderung zu einer geänderten Zuordnung (fiktive Veräußerung, § 16 Absatz 1 Nummer 1 BsGaV), weil die maßgebliche Personalfunktion (Nutzung) nicht mehr in der bisher nutzenden Betriebsstätte, sondern in der anderen Betriebsstätte ausgeübt wird.

Fall – Dauerhafter Nutzungswechsel:

Unternehmen X in Staat A hat in Staat B eine Betriebsstätte B (B), die für ihre betrieblichen Zwecke einen PKW erwirbt. Nach einem Jahr wird der PKW nicht mehr für B benötigt. Er wird auf Dauer für die betrieblichen Zwecke des übrigen Unternehmens (hier für die der Geschäftsleitungsbetriebsstätte im Staat A) verwendet. Der PKW wird weiterhin in der Hilfs- und Nebenrechnung von B erfasst und ein fremdübliches Entgelt für die fiktive Nutzungsüberlassung von B an X angesetzt.

Lösung:

B ist der PKW wegen des Erwerbs und der anschließenden Nutzung zuzuordnen (§ 5 Absatz 1 Satz 1 BsGaV). Nach Beendigung der Nutzung durch B ist der PKW nach § 5 Absatz 1 Satz 2 BsGaV dem übrigen Unternehmen zuzuordnen, da ihn das übrige Unternehmen (hier die Geschäftsleitungsbetriebsstätte) auf Dauer nutzt. Der Nutzungsübergang führt zu einer fiktiven Veräußerung an das übrige Unternehmen (§ 16 Absatz 1 Nummer 1 BsGaV), für die nach § 16 Absatz 2 BsGaV ein dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechender Betrag zu verrechnen ist. Die steuerliche Behandlung des Vorgangs durch X ist entsprechend zu berichtigen.

78 Wechselt die Nutzung vorübergehend zu einer anderen Betriebsstätte, führt dies zu einer fiktiven Nutzungsüberlassung (§ 16 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a BsGaV) ohne Änderung der Zuordnung, wenn die bisher nutzende Betriebsstätte weiterhin Personalfunktionen hinsichtlich des materiellen Wirtschaftsguts ausübt oder absehbar ist, dass sie das Wirtschaftsgut in Zukunft wieder nutzen wird.

Abwandlung 1 zu Fall Rn. 77 – Vorübergehender Nutzungswechsel:

Der PKW wird nicht auf Dauer, sondern nur für vier Monate für betriebliche Zwecke des übrigen Unternehmens (hier der Geschäftsleitungsbetriebsstätte im Staat A) verwendet, danach wird er wieder von B genutzt. X hat den PKW weiterhin in der Hilfs- und Nebenrechnung von B erfasst und ein fremdübliches Entgelt für die fiktive Nutzungsüberlassung an das übrige Unternehmen angesetzt.

Lösung:

Da die Nutzung des PKW nur vorübergehend wechselt und absehbar ist, dass B den PKW in Zukunft wieder nutzen wird, ist keine Änderung der Zuordnung vorzunehmen. Es ist eine fiktive Nutzungsüberlassung (§ 16 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a BsGaV) an das übrige Unternehmen anzunehmen, die dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechend zu vergüten ist (§ 16 Absatz 2 BsGaV).

79 Wechselt die Nutzung eines materiellen Wirtschaftsguts häufig, d. h. mehr als zweimal innerhalb eines Kalenderjahrs zwischen verschiedenen Betriebsstätten, ist nach § 5 Absatz 1 Satz 3 BsGaV für die Zuordnung des materiellen Wirtschaftsguts darauf abzustellen, in welcher Betriebsstätte es überwiegend genutzt wird. Dies ist anhand einer Prognose (siehe Rn. 44), die sich auf die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer bezieht, zu entscheiden. Dadurch wird vermieden, dass häufig fiktive Veräußerungen (§ 16 Absatz 1 Nummer 1 BsGaV) anzunehmen sind, die dazu führen, dass die vorhandenen stillen Reserven jeweils festgestellt und versteuert werden müssten. Im Verhältnis der Betriebsstätte, der das materielle Wirtschaftsgut zuzuordnen ist, zu anderen Betriebsstätten, die das materielle Wirtschaftsgut nutzen, liegen fiktive Nutzungsüberlassungen vor (§ 16 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a BsGaV).

Abwandlung 2 zu Fall Rn. 77 – Häufiger Nutzungswechsel:

Der PKW wird über das Jahr abwechselnd in verschiedenen Betriebsstätten von X genutzt, auf Dauer überwiegend von B.

Lösung:

Für die Zuordnung ist darauf abzustellen, dass das Fahrzeug voraussichtlich überwiegend von B genutzt wird (§ 5 Absatz 1 Satz 3 BsGaV). Eine Betrachtung, die über ein Wirtschaftsjahr hinausgeht und Prognosen berücksichtigt, kann auch in derartigen Fällen sachgerecht sein (siehe auch Rn. 44). Zu Lasten der übrigen Betriebsstätten, die das Fahrzeug auch nutzen, sind dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechende, fiktive Nutzungsentgelte anzusetzen (§ 16 Absatz 2 BsGaV).

2.5.2 Abweichende Zuordnung eines materiellen Wirtschaftsguts (§ 5 Absatz 2 BsGaV)

80 Überwiegt die Bedeutung einer anderen, im übrigen Unternehmen ausgeübten Personalfunktion für ein materielles Wirtschaftsgut eindeutig gegenüber der Nutzung (Personalfunktionenkonkurrenz, siehe Rn. 43), so ist die betreffende andere Personalfunktion nach § 5 Absatz 2 Satz 1 BsGaV entgegen der Vermutungsregelung des § 5 Absatz 1 BsGaV für die Zuordnung des materiellen Wirtschaftsguts maßgeblich. Andere Personalfunktionen, die die Bedeutung der Nutzung im Einzelfall überwiegen können, sind insbesondere solche, die in Zusammenhang mit der Anschaffung, Herstellung, Verwaltung oder Veräußerung des materiellen Wirtschaftsguts stehen. Die Verwaltung allein wird im Regelfall kaum die Zuordnung eines materiellen Wirtschaftsguts (wie auch anderer Zuordnungsgegenstände) rechtfertigen.

Fall – Lohnfertiger:

Ein Produktionsunternehmen X (X) in Staat A hat eine Produktionsbetriebsstätte B (B) in Staat B, die ausschließlich Erzeugnisse für X fertigt. In der Geschäftsleitungsbetriebsstätte in Staat A wird darüber entschieden, welche Maschinen für B angeschafft werden, wie und wann sie von wem gewartet werden, wie sie weiterverwertet oder ob sie verschrottet werden. Das Personal des übrigen Unternehmens gibt auch vor, welches Material von B verwendet wird. Sämtliche von B hergestellten Produkte werden von Personal des übrigen Unternehmens weiterverwertet bzw. vermarktet.

Lösung:

Die von B ausgeübten Personalfunktionen (Nutzung) sind für die Zuordnung der verwendeten Maschinen, des Produktionsmaterials und der hergestellten Produkte nicht maßgeblich, da von B keine Entscheidungen im Hinblick auf diese Zuordnungsgegenstände getroffen werden. Die Bedeutung der Nutzung tritt entgegen der Vermutungsregelung des § 5 Absatz 1 BsGaV nach qualitativen Gesichtspunkten (siehe Rn. 43) eindeutig hinter die Bedeutung der Personalfunktionen, die im übrigen Unternehmen ausgeübt werden, zurück. Die Maschinen sind gem. § 5 Absatz 2 BsGaV dem übrigen Unternehmen zuzuordnen. Ungeachtet dessen sind die tatsächlich von B ausgeübten Funktionen (fiktiver Lohnfertiger) angemessen zu vergüten (im Regelfall nach der Kostenaufschlagsmethode oder nach einer kostenorientierten transaktionsbezogenen Nettomargen-Methode).

81 Ein materielles Wirtschaftsgut kann einer Betriebsstätte auch aufgrund einer anderen Personalfunktion i. S. d. § 5 Absatz 2 BsGaV zuzuordnen sein, ohne dass die Nutzung eine Rolle spielt. Es kann darüber hinaus auch aufgrund anderer Personalfunktionen, die in verschiedenen Betriebsstätten ausgeübt werden, zu einer Zuordnungsänderung kommen.

Fall – Zuordnung aufgrund anderer Personalfunktionen:

Das inländische Unternehmen X (X) hat in Staat P eine Produktionsbetriebsstätte P (P), in der Waren zum Verkauf für eine Vertriebsbetriebsstätte V (V) in Staat V gefertigt und dorthin geliefert werden.

Lösung:

Die Waren sind nach § 5 Absatz 2 BsGaV wegen der Herstellung P zuzuordnen. Werden die Waren an V geliefert, liegt eine fiktive Veräußerung von P an das übrige Unternehmen vor (§ 16 Absatz 1 Nummer 1 BsGaV), denn P übt im Regelfall nach der Lieferung keine Personalfunktionen hinsichtlich der Waren mehr aus (siehe Rn. 47). Nach der Lieferung an V übt nur noch V eine Personalfunktion i. S. d. § 5 Absatz 2 BsGaV aus: Vermarktung der Waren. Deshalb sind V die Waren nach der Lieferung zuzuordnen, sie gelten als vom übrigen Unternehmen an V fiktiv veräußert. Dafür ist ein Verrechnungspreis anzusetzen, der dem Fremdvergleichsgrundsatz entspricht (§ 16 Absatz 2 BsGaV).

82 Unbewegliches Vermögen, in dem die Geschäftstätigkeit der Betriebsstätte ausgeübt wird, ist nach § 5 Absatz 2 Satz 3 BsGaV immer dieser Betriebsstätte zuzuordnen, da das Besteuerungsrecht für unbewegliches Vermögen dem Staat zusteht, in dem die Betriebsstätte liegt (siehe auch Artikel 6 OECD-MA).

Fall – Grundvermögen der Betriebsstätte:

Das inländische Unternehmen X hat eine Betriebsstätte A (A) in Staat A, die in eigenen Räumlichkeiten Produkte des Unternehmens X vertreibt.

Lösung:

Die zum Vertrieb genutzten eigenen Räumlichkeiten in Staat A sind nach § 5 Absatz 2 Satz 3 BsGaV der A zuzuordnen.

2.5.3 Zuordnung eines materiellen Wirtschaftsguts, wenn andere Personalfunktionen gleichzeitig in verschiedenen anderen Betriebsstätten ausgeübt werden (§ 5 Absatz 3 BsGaV)

83 Sind andere Personalfunktionen (nicht die Nutzung), die gleichzeitig in verschiedenen anderen Betriebsstätten ausgeübt werden, im Einzelfall eindeutig von größerer Bedeutung für ein materielles Wirtschaftsgut als die Nutzung (Personalfunktionenkonkurrenz, siehe Rn. 43), so ist das materielle Wirtschaftsgut nach § 5 Absatz 3 BsGaV der Betriebsstätte zuzuordnen, in der die andere Personalfunktion mit der größten Bedeutung ausgeübt wird.

Fall (1) – Andere Personalfunktionen von größerer Bedeutung:

Das inländische Unternehmen X ist Eigentümer eines Fahrzeugs, das von der Geschäftsleitungsbetriebsstätte D erworben wurde und – soweit absehbar – nach einer begrenzten kurzfristig wechselnden Nutzung in verschiedenen, zu X gehörenden ausländischen Betriebsstätten von D veräußert wird. Die gesamte Wartung (Reparatur, Service, TÜV usw.) wird von einer Betriebsstätte R in Staat R erledigt.

Lösung:

Die Funktions- und Risikoanalyse führt zu dem Ergebnis, dass die kurzfristig abwechselnde Nutzung durch verschiedene ausländische Betriebsstätten entgegen der Vermutungsregelung des § 5 Absatz 1 BsGaV eindeutig von untergeordneter Bedeutung ist, sowohl gegenüber dem Erwerb und der Veräußerung durch D einerseits, als auch gegenüber der Wartung durch R andererseits. Im Verhältnis zwischen Erwerb/Veräußerung und Wartung überwiegen in der Bedeutung Erwerb/Veräußerung. Das Dienstfahrzeug ist D nach § 5 Absatz 3 BsGaV zuzuordnen.

Fall (2) – Nur andere Personalfunktionen als die Nutzung:

Das inländische Handelsunternehmen X (X) hat in Staat A die Betriebsstätte A (A), die Waren erwirbt, die anschließend von der inländischen Geschäftsleitungsbetriebsstätte X (X) vertrieben werden. A hat für die Beschaffung die Vorgaben (Qualität, Quantität) von X einzuhalten.

Lösung:

Die von X ausgeübten Personalfunktionen (Veräußerung, Vorgaben von X für A, keine Nutzung, siehe Rn. 76) sind eindeutig von größerer Bedeutung als die bloße Beschaffungsfunktion durch A. Die erworbenen Waren sind X nach § 5 Absatz 3 BsGaV zuzuordnen.

2.5.4 Zweifelsfälle der Zuordnung eines materiellen Wirtschaftsguts (§ 5 Absatz 4 BsGaV)

84 Kann ein materielles Wirtschaftsgut nicht eindeutig nach § 5 Absatz 1 bis 3 BsGaV zugeordnet werden (Hinweis insbesondere auf Rn. 43), steht dem Unternehmen ein Beurteilungsspielraum für die Zuordnung des materiellen Wirtschaftsguts zu. Die Zuordnung muss sich aber so weit wie möglich an den Grundsätzen des § 5 Absatz 1 bis 3 BsGaV orientieren. Das bedeutet, dass in Zweifelsfällen vorrangig die Vermutungsregelung des § 5 Absatz 1 BsGaV greift. Der Beurteilungsspielraum kommt vor allem in Fällen der Personalfunktionenkonkurrenz zwischen anderen Personalfunktionen i. S. d. § 5 Absatz 2 BsGaV in Betracht (siehe Rn. 43). Die Entscheidung über die Zuordnung des materiellen Wirtschaftsguts nach § 5 Absatz 4 BsGaV muss

  • nach § 3 Absatz 3 BsGaV spätestens mit Erstellung der Hilfs- und Nebenrechnung nachvollziehbar erfolgen,

  • auch im jeweils anderen Staat der Besteuerung zugrunde gelegt werden und

  • anhand eindeutiger Aufzeichnungen (siehe Rn. 63) nach § 90 Absatz 3 AO begründet werden können.

Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, kann eine Schätzung nach § 162 AO erforderlich werden. Eine anteilige Zuordnung ist – anders als für immaterielle Werte (siehe Rn. 101) – nicht anzuerkennen

2.6 Zuordnung von immateriellen Werten (§ 6 BsGaV)

2.6.1 Grundsatz (§ 6 Absatz 1 BsGaV)

85 Die maßgebliche Personalfunktion für die Zuordnung von immateriellen Werten (Patent, Marke, Know-how, Geschäftswert usw.) ist nach § 6 Absatz 1 Satz 1 BsGaV vorrangig deren Schaffung (erste Vermutungsregelung) oder deren Erwerb (zweite Vermutungsregelung).

86 Unter Schaffung (bzw. Herstellung) eines immateriellen Werts (§ 6 Absatz 1 Satz 1 BsGaV) ist die Ausübung einer Personalfunktion zu verstehen, die für die Entstehung des immateriellen Werts entscheidend ist. Zur Schaffung eines immateriellen Werts gehören nicht nur die eigentlichen Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten. Mit umfasst werden z. B. auch (siehe auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil I Tz. 88):

  • die Gestaltung der Prüfanforderungen und Prüfverfahren, die den Rahmen für die konkrete Forschungs- und Entwicklungstätigkeit bilden,

  • die Analyse der aus diesen Prüfungen stammenden Daten,

  • die Bestimmung von Entwicklungsphasen (sog. Meilensteine) für das jeweilige Projekt sowie

  • die Entscheidung, insbesondere wenn die jeweiligen Entwicklungsphasen abgeschlossen werden, ob das konkrete Projekt weiterfinanziert oder aufgegeben wird.

87 Unter Erwerb (bzw. Anschaffung) eines immateriellen Werts (§ 6 Absatz 1 Satz 1 BsGaV) ist die Ausübung einer Personalfunktion zu verstehen, die für den Erwerb des immateriellen Werts entscheidend ist. Zum Erwerb eines immateriellen Werts gehört nicht nur die Durchführung des eigentlichen Erwerbsvorgangs. Mit umfasst werden z. B. auch (siehe auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil I Tz. 93 bis Tz. 94):

  • die Prüfung, ob Bedarf für einen solchen immateriellen Wert besteht,

  • der Entscheidungsprozess, einen immateriellen Wert zu erwerben und nicht selbst zu entwickeln,

  • die Prüfung des zu erwerbenden bzw. des erworbenen immateriellen Werts,

  • die Wahrnehmung einer etwa erforderlichen Folgeentwicklungstätigkeit sowie

  • die Entscheidung über die Verwendung des immateriellen Werts.

88 Von besonderer Bedeutung für die Zuordnung sind die in einer Betriebsstätte ausgeübten maßgeblichen Personalfunktionen mit Bezug zur aktiven und qualifizierten unternehmerischen Entscheidung hinsichtlich der Übernahme der mit der Schaffung bzw. dem Erwerb des immateriellen Werts verbundenen Risiken und des aktiven Risikomanagements (siehe auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil I Tz. 84 bis Tz. 97).

89 Nicht entscheidend ist, wer formal die Entscheidung trifft, insbesondere wenn der betreffende Entscheidungsträger selbst nicht über die Qualifikation für eine verantwortliche Entscheidung verfügt (siehe Rn. 40). Andererseits begründet die Wahrnehmung der unmittelbar mit dem Erwerb oder der technischen Entwicklung eines immateriellen Werts verbundenen Funktion durch eine Betriebsstätte allein nicht zwingend eine entsprechende Zuordnung des immateriellen Werts, wenn die inhaltliche Entscheidung hinsichtlich der Risikoübernahme und des Risikomanagements in einer anderen Betriebsstätte getroffen wird (siehe auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil I Tz. 84).

Fall – Formale Entscheidung:

Das Produktionsunternehmen X (X) in Staat A will einen immateriellen Wert in seiner Betriebsstätte B (B) im Staat B entwickeln. Personal von B plant das Projekt (einschließlich der Planung der Meilensteine und des Budgets). Auf Grundlage dieser Planung beschließt der Vorstand von X in Staat A, das Projekt durchzuführen. Die Budgetkontrolle und die Kontrolle der Erreichung der Meilensteine erfolgen durch B.

Lösung:

Der immaterielle Wert ist nach § 6 Absatz 1 Satz 1 BsGaV B zuzuordnen, denn maßgebliche Personalfunktion ist nicht der formale Vorstandsbeschluss in Staat A, sondern vielmehr die Planungsarbeiten einschließlich Budgetplanung und die operative Umsetzung des Projekts durch B.

Abwandlung – Zur Abgrenzung:

Sachverhalt unverändert, aber das aktive Management nach Abschluss der Planungsarbeiten durch B (z. B. Budgetkontrolle, Kontrolle der Erreichung der Meilensteine) wird in Staat A durchgeführt.

Lösung:

Personalfunktionen im Hinblick auf die Schaffung des immateriellen Werts werden sowohl von X im Staat A als auch von B ausgeübt. Der immaterielle Wert ist nach § 6 Absatz 1 Satz 2 BsGaV dem übrigen Unternehmen zuzuordnen, da dessen Personalfunktionen (aktives Management) qualitativ (siehe Rn. 42) größere Bedeutung zukommt als den Personalfunktionen von B.

90 Wird die betreffende Personalfunktion i. S. d. § 6 Absatz 1 BsGaV (Schaffung bzw. Erwerb des immateriellen Werts) gleichzeitig von zwei oder mehreren Personen, die zum eigenen Personal des Unternehmens gehören, in zwei oder mehreren Betriebsstätten ausgeübt (Funktionsaufteilung, siehe Rn. 42), so ist der immaterielle Wert der Betriebsstätte zuzuordnen, die die betreffende Personalfunktion mit der größten Bedeutung ausübt (§ 6 Absatz 1 Satz 2 BsGaV). Im Regelfall kommt es auf qualitative Kriterien an.

Fall – Qualitative Entscheidung (1):

Das Unternehmen X (X) im Staat X hat in Staat A eine Forschungs- und Entwicklungsbetriebsstätte A (A). Für die erfolgreiche Schaffung eines bestimmten immateriellen Werts ist der sachliche Beitrag von zwei Wissenschaftler-Teams ausschlaggebend, die gemeinsam an dem Projekt arbeiten. Eines der Teams arbeitet im Staat X (Personalkosten 100), das andere im Staat A (Personalkosten 40). Die maßgeblichen Entscheidungen, die mit der Entwicklung des immateriellen Werts verbundenen Risiken, insbesondere die finanziellen Risiken, zu übernehmen sowie das Management der Entwicklung des immateriellen Werts, werden gemeinsam von Personal in Staat X und von Personal von A getroffen. X trägt vor, dass für die erfolgreiche Schaffung des immateriellen Werts der Beitrag des Wissenschaftlers W ausschlaggebend sei, der in A tätig ist. A ist im Übrigen an den unternehmerischen Entscheidungen, die mit der Entwicklung des immateriellen Werts verbundenen Risiken, insbesondere die finanziellen Risiken, zu übernehmen sowie am Management der Entwicklung des immateriellen Werts beteiligt.

Lösung:

Sowohl von A als auch vom übrigen Unternehmen werden Personalfunktionen im Hinblick auf die Schaffung des immateriellen Werts ausgeübt. Über die Zuordnung des immateriellen Werts ist in Fällen von Funktionsaufteilung nach § 6 Absatz 1 Satz 2 BsGaV vorrangig nach qualitativen Gesichtspunkten zu entscheiden (siehe Rn. 42). Wird nachgewiesen, dass die in A ausgeübten Personalfunktionen nach qualitativen Gesichtspunkten überwiegen, ist der immaterielle Wert A zuzuordnen. Die im übrigen Unternehmen (im Staat X) erbrachten Forschungs- und Entwicklungsleistungen (fiktive Dienstleistung, § 16 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a BsGaV) sind dem übrigen Unternehmen von A dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechend zu vergüten (§ 16 Absatz 2 BsGaV).

HINWEIS – Quantitative Entscheidung:

Kann der Nachweis des qualitativen Überwiegens nicht geführt werden, z. B. weil beide Wissenschaftler-Teams qualitativ vergleichbare Beiträge erbringen, ist ausnahmsweise (siehe Rn. 42) auf quantitative Gesichtspunkte abzustellen, z. B. auf die jeweiligen Personalkosten der Wissenschaftler-Teams.

Fall – Qualitative Entscheidung (2):

Unternehmen X (X) in Staat A hat in Staat B eine Betriebsstätte B (B). Die technische Forschungs- und Entwicklungstätigkeit zur Schaffung eines immateriellen Werts wird ganz überwiegend im Staat B geleistet, in deutlich geringerem Umfang im übrigen Unternehmen im Staat X. Allerdings ist die Entwicklung des immateriellen Werts Teil einer Forschungs- und Entwicklungsstrategie, die die Geschäftsleitungsbetriebsstätte im Staat X durch eigene Tätigkeit und durch Beauftragung anderer Betriebsstätten verwirklicht, d. h. die maßgeblichen Entscheidungen, die mit der Entwicklung des immateriellen Werts verbundenen Risiken, insbesondere die finanziellen Risiken, zu übernehmen sowie das Management der Entwicklung des immateriellen Werts erfolgen ausschließlich im Staat X.

Lösung:

Für die Zuordnung des immateriellen Werts nach § 6 Absatz 1 Satz 2 BsGaV ist nach qualitativen Gesichtspunkten (siehe Rn. 42) die Personalfunktion des übrigen Unternehmens maßgeblich i. S. d. § 2 Absatz 5 BsGaV (siehe OECD-Betriebsstättenbericht, Teil I Tz. 84 und Tz. 85). Die Leistungen der Forschungs- und Entwicklungsbetriebsstätte im Staat B (fiktive Auftragsforschung, § 16 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a BsGaV) sind dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechend vom übrigen Unternehmen zu vergüten (§ 16 Absatz 2 BsGaV).

91 Wegen der vielfältigen Zuordnungsmöglichkeiten für immaterielle Werte wird über die Zuordnung in vielen Fällen nicht eindeutig entschieden werden können. Im Regelfall der Personalfunktionenkonkurrenz (siehe Rn. 43) zwischen Personalfunktionen nach § 6 Absatz 1 BsGaV und anderen Personalfunktionen (§ 6 Absatz 2 BsGaV) greift die Vermutungsregelung des § 6 Absatz 1 BsGaV ein, d. h. es bleibt jedenfalls so lange bei der Zuordnung nach der Vermutungsregelung, wie in der betreffenden Betriebsstätte, in der der immaterielle Wert geschaffen oder angeschafft wurde, noch Personalfunktionen (auch untergeordnete) ausgeübt werden. Solange dies der Fall ist, ist über die Zuordnung des immateriellen Werts nach den insgesamt über den gesamten Entwicklungs- und Nutzungszeitraum ausgeübten Personalfunktionen (teilweise Prognose) zu entscheiden (siehe Rn. 44). Kann kein eindeutiges Überwiegen der Bedeutung einer anderen Personalfunktion i. S. d. § 6 Absatz 2 BsGaV festgestellt werden, so bleibt es bei der Vermutungsregelung des § 6 Absatz 1 BsGaV, d. h. es kommt zu keinem Zuordnungswechsel nach § 16 Absatz 1 Satz 1 BsGaV.

Fall – Vermutungsregelung:

Unternehmen X (X) in Staat A hat in Staat B eine Betriebsstätte B (B) und in Staat C eine Betriebsstätte C (C). B entwickelt einen immateriellen Wert, der nach Abschluss der Forschungs- und Entwicklungsarbeiten ausschließlich von C genutzt wird. B entwickelt den immateriellen Wert weiter.

Lösung:

Wenn – was zu vermuten ist – nicht eindeutig festgestellt werden kann, dass die Forschung und Entwicklung einschließlich der Weiterentwicklung durch B von geringerer Bedeutung für den immateriellen Wert ist als die Nutzung durch C, greift die Vermutungsregelung des § 6 Absatz 1 BsGaV ein. Es kommt zu keiner Zuordnungsänderung (keine fiktive Veräußerung nach § 16 Absatz 1 Nummer 1 BsGaV). Es liegt eine fiktive Lizenzierung von B an C vor (§ 16 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a BsGaV), die entsprechend dem Fremdvergleichsgrundsatz zu vergüten ist.

Alternative – Zur Abgrenzung:

Nicht B, sondern C entwickelt den immateriellen Wert weiter und nutzt und verwertet ihn (eigene Produktion, Lizenzierung an andere Unternehmen). B übernimmt für den immateriellen Wert nur noch die allgemeine Verwaltung.

Lösung:

Nach den Umständen des konkreten Falls kommt den Personalfunktionen von C qualitativ insgesamt eindeutig die größere Bedeutung zu. Zu berücksichtigen ist, dass die Vermutungsregelung des § 6 Absatz 1 Satz 1 BsGaV wegen der Weiterentwicklung durch C nicht von ausschlaggebender Bedeutung zugunsten von B ist und dass die allgemeine Verwaltung im Regelfall allein keine Zuordnung rechtfertigt (siehe Rn. 80).

92 Ist eine Zuordnung nach § 6 Absatz 1 BsGaV nicht möglich, weil die Betriebsstätte, die den immateriellen Wert geschaffen hat, keine Personalfunktionen hinsichtlich des immateriellen Werts mehr ausübt (siehe Rn. 47), muss der immaterielle Wert allerdings nach § 6 Absatz 2 bis 4 BsGaV zugeordnet werden (Zuordnungsänderung, § 16 Absatz 1 Nummer 1 BsGaV). In diesem Fall greift keine Vermutungsregelung ein.

2.6.2 Abweichende Zuordnung eines immateriellen Werts (§ 6 Absatz 2 BsGaV)

93 Die abweichende Zuordnung eines immateriellen Werts nach § 6 Absatz 2 BsGaV aufgrund anderer Personalfunktionen i. S. d. § 6 Absatz 2 Satz 2 BsGaV, insbesondere aufgrund der Nutzung, der Verwaltung, der Weiterentwicklung, dem Schutz oder der Veräußerung des immateriellen Werts, ist nur dann möglich, wenn diesen anderen Personalfunktionen im Einzelfall einzeln oder zusammen nachweislich – ggf. auch bei veranlagungszeitraumübergreifender Betrachtung – qualitativ eine eindeutig überwiegende Bedeutung zukommt und sie deshalb als maßgeblich anzusehen sind (siehe auch Rn. 43). Die Vermutungsregelung des § 6 Absatz 1 BsGaV hat jedoch im Regelfall Vorrang (siehe Rn. 91).

94 Der Nachweis der eindeutig überwiegenden Bedeutung einer anderen Personalfunktion wird bei einem immateriellen Wert, der von einer Betriebsstätte selbst geschaffen wurde (erste Vermutungsregelung des § 6 Absatz 1 BsGaV), eher schwer zu erbringen sein, da die Schaffung eines immateriellen Werts im Regelfall einen erheblichen Einsatz von Personalfunktionen verursacht. Aus diesem Grund wird es häufig dabei bleiben, dass der betreffende immaterielle Wert der Betriebsstätte, die ihn geschaffen hat, auf Dauer zuzuordnen ist. Ein anderes Ergebnis kommt nur in Betracht, wenn die Betriebsstätte, die den immateriellen Wert geschaffen hat, ab einem festzustellenden Zeitpunkt keine Personalfunktionen hinsichtlich des immateriellen Werts mehr ausübt und eine andere Betriebsstätte Personalfunktionen übernimmt, die ab diesem Zeitpunkt als maßgeblich anzusehen sind.

Fall – Schaffung eines immateriellen Werts und weitere Personalfunktionen:

Unternehmen X in Staat A hat in Staat B eine Betriebsstätte B (B). Ein von der Forschungs- und Entwicklungsbetriebsstätte in Staat A in den Jahren 01 bis 03 geschaffener immaterieller Wert wird ab dem Jahr 04 (Fertigstellung) ausschließlich von B genutzt. Das übrige Unternehmen übt nach Nutzungsbeginn durch B keine Personalfunktionen mehr hinsichtlich des immateriellen Werts aus, d. h. Weiterentwicklung, Verwaltung und Schutz erfolgen durch Personalfunktionen von B.

Lösung:

Der immaterielle Wert ist nach § 6 Absatz 1 BsGaV zunächst dem übrigen Unternehmen zuzuordnen, das ihn geschaffen hat. Dem übrigen Unternehmen sind auch die betreffenden Betriebsausgaben für die Schaffung zuzuordnen. Der Beginn der Nutzung durch die Betriebsstätte A im Jahr 04 ist ein wirtschaftlicher Vorgang, der zu einer fiktiven Veräußerung nach § 16 Absatz 1 Nummer 1 BsGaV führt, da das übrige Unternehmen nach Schaffung des immateriellen Werts insoweit keine Personalfunktionen mehr ausübt (siehe Rn. 47). Mit Beginn der Nutzung ist der immaterielle Wert B nach § 6 Absatz 2 BsGaV mit den Folgen des § 16 Absatz 2 BsGaV zuzuordnen.

Abwandlung – Zur Abgrenzung:

Nach Beginn der Nutzung durch A wird der immaterielle Wert vom übrigen Unternehmen weiter verwertet (Lizenzierung an andere Unternehmen), verwaltet und geschützt.

Lösung:

Der Beginn der Nutzung des immateriellen Werts durch B ist ein wirtschaftlicher Vorgang. Die Bedeutung der vom übrigen Unternehmen insgesamt (vor und nach dem wirtschaftlichen Vorgang) ausgeübten Personalfunktionen (insbesondere die Schaffung – Vermutungsregelung des § 6 Absatz 1 BsGaV) überwiegen (über den gesamten Zeitraum der Schaffung und Nutzung gesehen) die Nutzung durch B. Für eine Zuordnungsänderung zu B wäre aber nötig, dass die Bedeutung der Nutzung gegenüber der Schaffung, § 6 Absatz 2 BsGaV eindeutig überwiegt. Daran fehlt es. Aus diesem Grunde erfolgt keine Zuordnungsänderung vom übrigen Unternehmen zu B.

Der wirtschaftliche Vorgang ist nach § 16 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a BsGaV als fiktive Lizenzierung zu werten und entsprechend dem Fremdvergleichsgrundsatz zu verrechnen (§ 16 Absatz 2 BsGaV).

HINWEIS:

Eine andere Lösung wäre nur in Betracht zu ziehen, wenn von vornherein feststeht, dass B den immateriellen Wert nutzen wird und B die Forschung und Entwicklung von X steuert (fiktive Auftragsforschung, dann § 16 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a BsGaV).

95 Der Nachweis wird bei einem immateriellen Wert, der von einer Betriebsstätte erworben wird (zweite Vermutungsregelung des § 6 Absatz 1 BsGaV) eher zu erbringen sein, da der Erwerb eines immateriellen Werts im Regelfall keinen erheblichen Einsatz von Personalfunktionen verursacht.

Grundfall – Erwerb eines immateriellen Werts:

Unternehmen X in Staat A hat in Staat B die Betriebsstätte B (B). Die Geschäftsleitungsbetriebsstätte in Staat A erwirbt einen immateriellen Wert, der nach Erwerb ausschließlich von B genutzt wird. B war nicht am Erwerbsvorgang beteiligt. Das übrige Unternehmen übt nach Erwerb keine weiteren Personalfunktionen aus.

Lösung:

Der immaterielle Wert ist B von Anfang an nach § 6 Absatz 2 BsGaV zuzuordnen, wenn B durch die Nutzung des immateriellen Werts Personalfunktionen ausübt, die qualitativ (siehe Rn. 43) insgesamt eine eindeutig größere Bedeutung für die Zuordnung des immateriellen Werts haben als die Personalfunktion des Erwerbs durch das übrige Unternehmen. Ist das der Fall, liegt im Erwerb des immateriellen Werts durch das übrige Unternehmen eine fiktive Dienstleistung (§ 16 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a BsGaV) gegenüber B vor, die entsprechend dem Fremdvergleichsgrundsatz zu vergüten ist (§ 16 Absatz 2 BsGaV).

Abwandlung (1) – Weitere Funktionen der erwerbenden Betriebsstätte:

Nach Erwerb übt das übrige Unternehmen weitere Personalfunktionen bezüglich Verwertung (z. B. Lizenzierung) Schutz und Verwaltung des immateriellen Werts aus, während B ausschließlich nutzt.

Lösung:

Der immaterielle Wert ist dem übrigen Unternehmen nach § 6 Absatz 1 BsGaV zuzuordnen, weil es den immateriellen Wert erworben hat (Vermutungsregelung). § 6 Absatz 2 BsGaV ist nicht anzuwenden, da der erforderliche Nachweis, dass die Bedeutung der Nutzung durch B eindeutig größer ist als die des Erwerbs und der nach Nutzungsbeginn weiter von X ausgeübten Personalfunktionen, im Zweifel (Umstände des Einzelfalls) nicht erbracht werden kann. Der Beginn der Nutzung durch B ist ein wirtschaftlicher Vorgang, der zu einer fiktiven Lizenzierung (§ 16 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a BsGaV) von X gegenüber B führt und entsprechend dem Fremdvergleichsgrundsatz zu vergüten ist (§ 16 Absatz 2 BsGaV).

Abwandlung (2) – Zuordnung zur erwerbenden Betriebsstätte, anschließend dort keine Funktionen mehr:

X erwirbt im Jahr 01 auf Vorrat einen immateriellen Wert, der zunächst nicht genutzt wird. Im Jahr 03 entsteht die zu X gehörende Betriebsstätte B (B) in Staat B, die den immateriellen Wert ausschließlich nutzt. Das übrige Unternehmen übt nach Beginn der Nutzung durch B hinsichtlich des immateriellen Werts keine Personalfunktionen mehr aus.

Lösung:

Der immaterielle Wert ist anfangs X zuzuordnen (§ 6 Absatz 1 BsGaV), denn eine Zuordnung zu B von Anfang an ist mangels Bestehens zum Erwerbszeitpunkt nicht möglich (anders als im Grundfall). Da das übrige Unternehmen nach Beginn der Nutzung durch B keine Funktionen hinsichtlich des immateriellen Werts mehr ausübt (siehe Rn. 47), muss dieser nach § 6 Absatz 2 bis 4 BsGaV B zugeordnet werden, denn lt. Sachverhalt besteht nur diese Zuordnungsmöglichkeit. Es liegt eine fiktive Veräußerung (§ 16 Absatz 1 Nummer 1 BsGaV) des übrigen Unternehmens an B vor, für die ein angemessener Verrechnungspreis anzusetzen ist (§ 16 Absatz 2 BsGaV).

2.6.3 Gleichzeitige Ausübung anderer Personalfunktionen in verschiedenen Betriebsstätten (§ 6 Absatz 3 BsGaV)

96 Ist eine andere Personalfunktion (d. h. keine Personalfunktion nach § 6 Absatz 1 BsGaV), die in anderen Betriebsstätten ausgeübt wird, von größerer Bedeutung für einen immateriellen Wert als die Personalfunktionen, die in § 6 Absatz 1 Satz 1 BsGaV genannt sind, so ist der immaterielle Wert nach § 6 Absatz 3 BsGaV der Betriebsstätte zuzuordnen, in der die andere Personalfunktion mit der größten Bedeutung ausgeübt wird (siehe Personalfunktionenkonkurrenz, Rn. 43). Dieser Fall kann – anders als für andere Zuordnungsgegenstände – für immaterielle Werte häufiger auftreten, insbesondere da ein immaterieller Wert gleichzeitig von verschiedenen Betriebsstätten genutzt, verwertet und verwaltet werden kann.

Fall – Schaffung, Nutzung und Verwaltung in verschiedenen Betriebsstätten:

Unternehmen X in Staat A hat eine Betriebsstätte B (B) in Staat B und eine Betriebsstätte C (C) in Staat C. Die Geschäftsleitungsbetriebsstätte X (X) in Staat A erwirbt unter Mitwirkung von B einen immateriellen Wert. Anschließend nutzt B den immateriellen Wert, C verwaltet ihn. Nach Beginn der Nutzung durch B übt X keine Personalfunktionen mehr aus.

Lösung:

Der immaterielle Wert ist von Anfang an B zuzuordnen, wenn einerseits die Bedeutung der Nutzung und die Mitwirkung beim Erwerb durch B eindeutig gegenüber der Bedeutung des Erwerbs durch X überwiegt (Umstände des Einzelfalls, § 6 Absatz 2 BsGaV) und wenn andererseits die Bedeutung der Nutzung gegenüber der Bedeutung der Verwaltung überwiegt, wofür vieles spricht (siehe auch Rn. 80). Dies vorausgesetzt, liegen zwei fiktive Dienstleistungen vor (§ 16 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a BsGaV): einmal der Erwerb durch X für B und zum anderen die Verwaltung des immateriellen Werts durch C, jeweils mit den Folgen des § 16 Absatz 2 BsGaV.

2.6.4 Zuordnung eines immateriellen Werts in Zweifelsfällen, anteilige Zuordnung (§ 6 Absatz 4 BsGaV)

97 Anders als andere Zuordnungsgegenstände haben immaterielle Werte die Besonderheit, dass für sie potentiell maßgebliche Personalfunktionen nicht selten (gleichzeitig) von mehreren Betriebsstätten ausgeübt werden. In Fällen der Personalfunktionenkonkurrenz (siehe Rn. 43) ist – soweit möglich – in erster Linie auf die Vermutungsregelung des § 6 Absatz 1 Satz 1 BsGaV abzustellen (siehe Rn. 85).

98 Führt die Vermutungsregelung zu keiner eindeutigen Entscheidung, weil z. B. die Vermutungsregelung im Hinblick auf zwei Betriebsstätten anwendbar ist oder weil – mangels anwendbarer Vermutungsregelung – die Abwägung zwischen zwei anderen Personalfunktionen zu keinem eindeutigen Ergebnis führt mit der Folge, dass über die Zuordnung des immateriellen Werts zu zwei oder ggf. sogar mehreren Betriebsstätten nicht eindeutig entschieden werden kann, so hat das Unternehmen nach § 6 Absatz 4 BsGaV einen Beurteilungsspielraum. Aber auch dann muss sich die Zuordnung an den Grundsätzen des § 6 Absatz 1 bis 3 BsGaV orientieren. Der Beurteilungsspielraum kommt vor allem in Fällen der Personalfunktionenkonkurrenz (siehe Rn. 43) zwischen anderen Personalfunktionen i. S. d. § 6 Absatz 2 BsGaV in Betracht. Die Zuordnung des immateriellen Werts nach § 6 Absatz 4 BsGaV muss nach § 3 Absatz 3 BsGaV spätestens mit Erstellung der Hilfs- und Nebenrechnung nachvollziehbar erfolgen und anhand eindeutiger Aufzeichnungen (§ 90 Absatz 3 AO, siehe Rn. 63) begründet werden können. Sonst kann eine Schätzung nach § 162 AO erforderlich werden.

Fall – Zuordnung im Zweifelsfall:

Die Geschäftsleitungsbetriebsstätte des Unternehmens X (X) in Staat A und die zu X gehörende Betriebsstätte B (B) in Staat B erwerben gemeinsam einen immateriellen Wert, der anschließend von beiden genutzt wird. Es kann nicht festgestellt werden, in welcher Betriebsstätte die Bedeutung der Nutzung überwiegt, denn bei mehrjähriger Betrachtung ist die Nutzung in etwa gleich groß.

Lösung:

Eine eindeutige Zuordnung nach § 6 Absatz 1 bis 3 BsGaV ist nicht möglich, weil die Vermutungsregelung des § 6 Absatz 1 Satz 1 BsGaV (Erwerb) kein eindeutiges Ergebnis bringt und weil nicht festgestellt werden kann, dass die Bedeutung einer anderen Personalfunktion (Nutzung, § 6 Absatz 2 und 3 BsGaV) für eine Betriebsstätte überwiegt. In einem derartigen Fall kann der immaterielle Wert vom Unternehmen nach § 6 Absatz 4 Satz 1 BsGaV entweder X oder B zugeordnet werden; dann Lizenzierung gegenüber der Betriebsstätte, der der immaterielle Wert nicht zugeordnet wird (§ 16 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a BsGaV). Nach § 6 Absatz 4 Satz 2 BsGaV ist unter bestimmten Umständen auch eine anteilige Zuordnung möglich (siehe Rn. 101).

99 Wegen der häufig hohen Werthaltigkeit von immateriellen Werten kann eine fiktive Veräußerung zu erheblichen steuerlichen Liquiditätsbelastungen führen. Hinzu kommt, dass im Regelfall der hypothetische Fremdvergleich nach § 1 Absatz 3 Satz 8 und 9 AStG anzuwenden ist, für den die Gewinnaussichten eines Geschäftsvorfalls zu prognostizieren sind. Die Unsicherheiten, die sich daraus ergeben, können im Falle einer fiktiven Veräußerung erheblich belastender sein als im Fall einer fiktiven Nutzungsüberlassung (Lizenzierung). Diese Belastungen sind im Betriebsstättenfall seitens des Unternehmens nur schwer rechtssicher auszuschließen, da zwischen dem übrigen Unternehmen und der betreffenden Betriebsstätte keine rechtlich verbindlichen Verträge denkbar sind. Um Realisationsvorgänge nach § 16 Absatz 1 Nummer 1 BsGaV zu vermeiden, sieht § 6 Absatz 4 BsGaV vor, dass das Unternehmen in Zweifelsfällen der Zuordnung eines immateriellen Werts eine Zuordnung vornehmen kann, die zu keiner Aufdeckung von stillen Reserven führt, solange die Zuordnung den Regelungen des § 6 Absatz 1 bis 3 BsGaV nicht widerspricht.

100 Für Funktionsverlagerungen stellt Tz. 2.4.2 VWG Funktionsverlagerungen in verbleibenden Zweifelsfällen (unter Bezugnahme auf § 4 FVerlV) die widerlegbare Vermutung auf, dass von der Lizenzierung eines immateriellen Werts, der Teil einer Funktionsverlagerung ist, auszugehen ist, wenn der Steuerpflichtige zustimmt. Von dieser Vermutung (fiktive Lizenzierung nach § 16 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a BsGaV) ist auch im Rahmen der BsGaV auszugehen. Dies gilt insbesondere dann, wenn

  • sich aus der Hilfs- und Nebenrechnung keine anderen eindeutigen Hinweise ergeben,

  • die Substanzerfordernisse (Personalfunktionen) beim fiktiv Überlassenden so ausgeprägt sind, dass die Anerkennung der Lizenzierung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz berechtigt erscheint, und

  • die Zuordnungsentscheidung auch im jeweils anderen Staat der Besteuerung zugrunde gelegt wird (siehe Rn. 63).

In diesen Fällen kommt den entsprechenden Aufzeichnungen des Unternehmens und der Hilfs- und Nebenrechnung der Betriebsstätte hinsichtlich der konkreten Umstände des wirtschaftlichen Vorgangs i. S. d. § 1 Absatz 4 AStG eine besondere Bedeutung zu (§ 3 Absatz 3 BsGaV), um die jeweils ausgeübten Personalfunktionen und ihre Bedeutung erkennen zu können (siehe auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil I Tz. 35 f. und Tz. 177 ff.).

101 Ein immaterieller Wert kann unter den Voraussetzungen des § 6 Absatz 4 Satz 1 BsGaV nach Satz 2 den betreffenden Betriebsstätten auch anteilig zugeordnet werden, wenn dies nach objektiven, voraussichtlich mehrjährig unveränderten Kriterien möglich ist. Entspricht die anteilige Zuordnung dauerhaft der Bedeutung der jeweiligen Personalfunktionen, so können anzunehmende schuldrechtliche Beziehungen i. S. d. § 16 Absatz 1 Nummer 1 BsGaV (anteilige fiktive Veräußerung) trotz der anteiligen Zuordnung vermieden werden.

2.7 Zuordnung von Beteiligungen, Finanzanlagen und ähnlichen Vermögenswerten (§ 7 BsGaV)

2.7.1 Grundsatz (§ 7 Absatz 1 BsGaV)

102 Für die Zuordnung von Beteiligungen, Finanzanlagen und ähnlichen Vermögenswerten (Vermögenswerte i. S. d. § 7 BsGaV) ist deren Nutzung nach § 7 Absatz 1 BsGaV vorrangig die maßgebliche Personalfunktion (Vermutungsregelung).

103 Eine Nutzung i. S. d. § 7 Absatz 1 Satz 1 BsGaV liegt – abweichend vom Nutzungsbegriff des § 5 Absatz 1 BsGaV – vor, wenn ein funktionaler Zusammenhang des Vermögenswerts i. S. d. § 7 BsGaV mit der sonstigen Geschäftstätigkeit der Betriebsstätte gegeben ist, d. h. wenn der Vermögenswert i. S. d. § 7 BsGaV der sonstigen Geschäftstätigkeit der Betriebsstätte dient (vgl. Artikel 10 Absatz 4 und Artikel 11 Absatz 4 OECD-MA, Ziff. 31 bis 32.2 OECD-MK zu Artikel 10 Absatz 4 OECD-MA und Ziff. 24 bis 25.2 OECD-MK zu Artikel 11 Absatz 4 OECD-MA).

Fall – Funktionale Nutzung:

Unternehmen X (X) in Staat A hat eine Produktionsbetriebsstätte B (B) in Staat B und eine Vertriebstochtergesellschaft Y (Y) in Staat C, die ausschließlich die Produkte von B vermarktet.

Lösung:

Die Beteiligung von X an Y ist B zuzuordnen, da der Vertrieb in einem engen funktionalen Zusammenhang mit der Produktion von B steht, d. h. die Geschäftstätigkeit von Y dient der Geschäftstätigkeit von B.

104 Steht ein Vermögenswert i. S. d. § 7 BsGaV in funktionalem Zusammenhang zur Geschäftstätigkeit mehrerer Betriebsstätten (Funktionsaufteilung, siehe Rn. 42), so ist dieser Vermögenswert nach § 7 Absatz 1 Satz 3 BsGaV derjenigen Betriebsstätte zuzuordnen, zu der der überwiegende funktionale Zusammenhang besteht. Hierbei sind im Regelfall vorrangig qualitative Gesichtspunkte maßgebend, d. h. es kommt darauf an, in welcher Betriebsstätte die Personalfunktion ausgeübt wird, der die größte Bedeutung für die mit dem Vermögenswert i. S. d. § 7 BsGaV verbundenen Chancen und Risiken zukommt (vgl. § 10 Absatz 4 BsGaV).

Fall – Überwiegende funktionale Nutzung:

Unternehmen X (X) in Staat A hat zwei Vertriebsbetriebsstätten, eine in Staat B, die andere in Staat C. B und C vertreiben ausschließlich Produkte, die in der X gehörenden Tochtergesellschaft Y in Staat D hergestellt werden. B nimmt voraussichtlich auf Dauer ca. 40 % der Produkte von Y ab, ca. 25 % vertreibt C, der Rest der Produkte wird anderweitig verkauft. C steuert darüber hinaus die Weiterentwicklung der Produkte.

Lösung:

Die Beteiligung von X an Y steht nach qualitativen Gesichtspunkten (bedeutende Produktweiterentwicklung, siehe Rn. 42) funktional überwiegend mit der Geschäftstätigkeit von C im Zusammenhang. Die Beteiligung ist daher C zuzuordnen. Nicht entscheidend ist, dass B die Produkte von Y quantitativ zu einem größeren Anteil vertreibt.

HINWEIS:

Auf den jeweiligen quantitativen Anteil am Vertrieb der Produkte von Y könnte es nur ankommen, wenn sich der funktionale Zusammenhang von B und C auf den Vertrieb der Produkte beschränkt.

Fallabwandlung – Zuordnung zum übrigen Unternehmen:

Die Vertriebsfunktionen von B und C sind schwach ausgeprägt, beschränken sich auf den Vertrieb als solchen und werden außerdem weitgehend durch Personalfunktionen der Geschäftsleitungsbetriebsstätte X in Staat A gesteuert, die auch die Produktionsaktivitäten von Y (Lohnfertiger) steuern.

Lösung:

Der stärkste funktionale Zusammenhang der Beteiligung an Y besteht zur Geschäftsleitungsbetriebsstätte X, eine Zuordnung zu B oder C scheidet deshalb aus.

2.7.2 Abweichende Zuordnung (§ 7 Absatz 2 BsGaV)

105 Überwiegt für einen Vermögenswert i. S. d. § 7 BsGaV die Bedeutung einer anderen Personalfunktion, die im übrigen Unternehmen ausgeübt wird, eindeutig gegenüber der Nutzung (Personalfunktionenkonkurrenz, siehe Rn. 43), so ist die betreffende andere Personalfunktion nach § 7 Absatz 2 Satz 1 BsGaV für die Zuordnung dieses Vermögenswerts maßgeblich. Als andere Personalfunktionen können insbesondere die Anschaffung, die Verwaltung, die Risikosteuerung oder die Veräußerung eines Vermögenswerts i. S. d. § 7 BsGaV maßgeblich sein (vgl. auch Rn. 80). Im Hinblick auf das Kriterium der Anschaffung kommt es darauf an, aufgrund welcher Personalfunktionen die Mittel zur Anschaffung erwirtschaftet wurden (siehe auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil I Tz. 20). Auf die Anschaffung ist insbesondere abzustellen, wenn kein funktionaler Zusammenhang i. S. d. § 7 Absatz 1 BsGaV zur Geschäftstätigkeit des Unternehmens besteht oder ein solcher Zusammenhang nur schwer festzustellen ist. Die Verwaltung allein rechtfertigt im Regelfall keine Zuordnung (siehe Rn. 80).

Fall – Zuordnung allein aufgrund der Verwaltung:

Unternehmen X (X) in Staat X hat in Staat A eine Betriebsstätte A, die die Personalfunktionen eines Lohnfertigers ausübt. X hält darüber hinaus mehrere Beteiligungen an Kapitalgesellschaften als Kapitalanlagen (Streubesitz), die über die Jahre aus den Gewinnen des übrigen Unternehmens finanziert wurden. X ordnet die Beteiligungen A zu.

Lösung:

Ein funktionaler Zusammenhang i. S. d. § 7 Absatz 1 BsGaV zu A besteht nicht. Einziger Anknüpfungspunkt für eine Zuordnung der Beteiligungen ist die Herkunft der Mittel (übriges Unternehmen), die für deren Erwerb eingesetzt wurden. Die Zuordnung zu A ist rückgängig zu machen.

2.7.3 Gleichzeitige Ausübung anderer Personalfunktionen in verschiedenen Betriebsstätten (§ 7 Absatz 3 BsGaV)

106 Sind mehrere andere Personalfunktionen, die in verschiedenen Betriebsstätten ausgeübt werden (Personalfunktionenkonkurrenz, siehe Rn. 43), von größerer Bedeutung für einen Vermögenswert i. S. d. § 7 BsGaV als die funktionale Nutzung, so ist dieser nach § 7 Absatz 3 BsGaV der Betriebsstätte zuzuordnen, in der die andere Personalfunktion mit der größten Bedeutung ausgeübt wird. Die ist insbesondere dann denkbar, wenn kein funktionaler Zusammenhang festzustellen ist.

Fall – Konkurrierende andere Personalfunktionen (Beteiligungsverwaltung):

Unternehmen X in Staat A hat in Staat B eine Betriebsstätte B, in der verschiedene Beteiligungen, die X hält, verwaltet werden. Die Mittel zum Erwerb der Beteiligungen sind nicht durch B, sondern vom übrigen Unternehmen erwirtschaftet worden. X ordnet die Beteiligungen B zu.

Lösung:

Die Verwaltung der Beteiligungen durch B begründet keinen funktionalen Zusammenhang i. S. d. § 7 Absatz 1 BsGaV, da kein Zusammenhang zu einer anderen Geschäftstätigkeit von B besteht (siehe auch Rn. 80). Für die Zuordnung der Beteiligungen ist vorrangig darauf abzustellen, aufgrund welcher Personalfunktionen die Mittel zum Erwerb erwirtschaftet wurden (OECD-Betriebsstättenbericht, Teil I Tz. 20). Da diese Mittel vom übrigen Unternehmen stammen, können die Beteiligungen B nicht zugeordnet werden. Die Verwaltung der Beteiligungen ist als fiktive Dienstleistung (§ 16 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a BsGaV) von B gegenüber dem übrigen Unternehmen zu behandeln, für die ein dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechender Betrag zu verrechnen ist (§ 16 Absatz 2 BsGaV).

2.7.4 Zuordnung in Zweifelsfällen (§ 7 Absatz 4 BsGaV)

107 Kann ein Vermögenswert i. S. d. § 7 BsGaV nach § 7 Absatz 1 bis 3 BsGaV nicht eindeutig einer Betriebsstätte zugeordnet werden, so räumt § 7 Absatz 4 BsGaV dem Unternehmen einen Beurteilungsspielraum für die Zuordnung des Vermögenswerts i. S. d. § 7 BsGaV ein. Die Zuordnung des Vermögenswerts i. S. d. § 7 BsGaV muss sich aber so weit wie möglich an den Grundsätzen des § 7 Absatz 1 bis 3 BsGaV orientieren. Ggf. greift die Vermutung des § 7 Absatz 1 BsGaV ein. Der Beurteilungsspielraum kommt vor allem in Fällen der Personalfunktionenkonkurrenz (siehe Rn. 43) zwischen anderen Personalfunktionen i. S. d. § 7 Absatz 2 BsGaV in Betracht. Die Entscheidung über die Zuordnung nach § 7 Absatz 4 BsGaV muss

  • nach § 3 Absatz 3 BsGaV spätestens mit Erstellung der Hilfs- und Nebenrechnung nachvollziehbar erfolgen,

  • auch im jeweils anderen Staat der Besteuerung zugrunde gelegt werden und

  • anhand eindeutiger Aufzeichnungen (siehe Rn. 63) nach § 90 Absatz 3 AO begründet werden können.

Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, kann eine Schätzung nach § 162 AO erforderlich werden. Eine anteilige Zuordnung ist – anders als für immaterielle Werte (siehe Rn. 101) – nicht anzuerkennen.

Fall – Gleichwertiger funktionaler Zusammenhang:

Unternehmen X (X) in Staat A hat zwei Vertriebsbetriebsstätten, B in Staat B und C in Staat C. B und C vertreiben jeweils ganz überwiegend Produkte einer Produktionstochtergesellschaft Y (Y). B und C nehmen jährlich wechselnd in unterschiedlichem Umfang Produkte von Y ab. X ordnet B die Beteiligung an Y zu und zieht in der Hilfs- und Nebenrechnung die entsprechenden Konsequenzen.

Lösung:

Ist eine eindeutige Zuordnung im Rahmen einer mehrjährigen Betrachtung und unter Berücksichtigung von Zukunftsprognosen (siehe Rn. 44) nicht möglich, ist die Zuordnung zu B nicht zu beanstanden (§ 7 Absatz 4 BsGaV).

2.8 Zuordnung von sonstigen Vermögenswerten (§ 8 BsGaV)

2.8.1 Grundsatz (§ 8 Absatz 1 BsGaV)

108 Für die Zuordnung von sonstigen Vermögenswerten, die nicht zu einer ausdrücklich in den §§ 5 bis 7 BsGaV genannten Gruppe von Vermögenswerten gehören, ist deren Schaffung oder Erwerb nach § 8 Absatz 1 Satz 1 BsGaV die maßgebliche Personalfunktion (Vermutungsregelung). Die Regelung zu den sonstigen Vermögenswerten ist eine Auffangregelung.

2.8.2 Abweichende Zuordnung von sonstigen Vermögenswerten (§ 8 Absatz 2 BsGaV)

109 Ist eine im übrigen Unternehmen ausgeübte, andere als die in § 8 Absatz 1 BsGaV genannte Personalfunktion im Zusammenhang mit dem sonstigen Vermögenswert so bedeutend, dass sie eindeutig eine Zuordnung des sonstigen Vermögenswerts zu dieser erforderlich macht (Personalfunktionenkonkurrenz, siehe Rn. 43), ist diese andere Personalfunktion für den sonstigen Vermögenswert maßgeblich i. S. d. § 2 Absatz 4 BsGaV. Die anderen Personalfunktionen können insbesondere die Nutzung, die Verwaltung (siehe aber Rn. 80), die Risikosteuerung oder die Veräußerung des sonstigen Vermögenswerts sein, wenn diese Personalfunktionen im Einzelfall die Bedeutung der in § 8 Absatz 1 BsGaV genannten Funktionen eindeutig überwiegen.

2.8.3 Gleichzeitige Ausübung anderer Personalfunktionen in verschiedenen Betriebsstätten (§ 8 Absatz 3 BsGaV)

110 Sind mehrere andere Personalfunktionen (Personalfunktionenkonkurrenz, siehe Rn. 43), die in anderen Betriebsstätten ausgeübt werden, von größerer Bedeutung für den sonstigen Vermögenswert als die Personalfunktionen, die in § 8 Absatz 1 Satz 1 BsGaV genannt sind, so bestimmt § 8 Absatz 3 BsGaV, dass der sonstige Vermögenswert der Betriebsstätte zuzuordnen ist, in der die andere Personalfunktion mit der größten Bedeutung ausgeübt wird. Diese andere Personalfunktion ist für den sonstigen Vermögenswert maßgeblich i. S. d. § 2 Absatz 4 BsGaV.

2.8.4 Zuordnung in Zweifelsfällen (§ 8 Absatz 4 BsGaV)

111 Kann ein sonstiger Vermögenswert nach § 8 Absatz 1 bis 3 BsGaV nicht eindeutig einer Betriebsstätte zugeordnet werden, räumt § 8 Absatz 4 BsGaV dem Unternehmen einen Beurteilungsspielraum für die Zuordnung des sonstigen Vermögenswerts ein. Die Zuordnung des sonstigen Vermögenswerts muss sich aber so weit wie möglich an den Grundsätzen des § 8 Absatz 1 bis 3 BsGaV orientieren. Ggf. greift die Vermutung des § 8 Absatz 1 BsGaV ein (siehe Rn. 108). Der Beurteilungsspielraum kommt vor allem in Fällen der Personalfunktionenkonkurrenz (siehe Rn. 43) zwischen anderen Personalfunktionen i. S. d. § 8 Absatz 2 BsGaV in Betracht. Die Entscheidung über die Zuordnung des sonstigen Vermögenswerts nach § 8 Absatz 4 BsGaV muss

  • nach § 3 Absatz 3 BsGaV spätestens mit Erstellung der Hilfs- und Nebenrechnung nachvollziehbar erfolgen,

  • auch im jeweils anderen Staat der Besteuerung zugrunde gelegt werden und

  • anhand eindeutiger Aufzeichnungen (siehe Rn. 63) nach § 90 Absatz 3 AO begründet werden können.

Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, kann eine Schätzung nach § 162 AO erforderlich werden. Eine anteilige Zuordnung ist – anders als für immaterielle Werte (siehe Rn. 101) – nicht anzuerkennen.

2.9 Zuordnung von Geschäftsvorfällen des Unternehmens (§ 9 BsGaV)

2.9.1 Grundsatz (§ 9 Absatz 1 BsGaV)

112 Für die Zuordnung eines Geschäftsvorfalls des Unternehmens mit einem unabhängigen Dritten oder mit einer nahe stehenden Person (einschließlich der damit in Zusammenhang stehenden Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben) kommt es in erster Linie auf die Ausübung der Personalfunktion an, die dafür maßgeblich ist, dass das Unternehmen den betreffenden Geschäftsvorfall abgeschlossen und die damit verbundenen Risiken übernommen hat (Vermutungsregelung). Die Rechnungsstellung oder die Bezeichnung der Vertragspartner (z. B. die Nennung einer eingetragenen Zweigniederlassung mit eigener Handelsregisternummer) ist lediglich ein Indiz.

Fall – Anschaffung:

Unternehmen X in Staat A hat in Staat B eine Produktionsbetriebsstätte B (B). Die Geschäftsleitungsbetriebsstätte in Staat A erwirbt eine Maschine, deren Einsatz von vornherein speziell für Zwecke von B vorgesehen ist. Die Maschine wird entsprechend unmittelbar an B geliefert und anschließend ausschließlich von B genutzt.

Lösung:

Der Geschäftsvorfall (Kauf der Maschine) ist B nach § 9 Absatz 2 Satz 1 BsGaV zuzuordnen, wenn B entscheidend in den Erwerbsvorgang eingebunden war. Entsprechend dem Geschäftsvorfall ist auch die Maschine selbst nach § 5 Absatz 1 BsGaV B zuzuordnen.

113 Werden Personalfunktionen i. S. d. § 9 Absatz 1 Satz 1 BsGaV gleichzeitig in mehreren Betriebsstätten des Unternehmens ausgeübt, kommt es nach § 9 Absatz 1 Satz 2 BsGaV für die Zuordnung eines Geschäftsvorfalls darauf an, in welcher Betriebsstätte die Personalfunktion mit der größten Bedeutung für den Geschäftsvorfall ausgeübt wird (Funktionsaufteilung, siehe Rn. 42). Diese Personalfunktion ist für den Geschäftsvorfall maßgeblich i. S. d. § 2 Absatz 4 BsGaV.

Fall – Funktionsaufteilung:

Unternehmen X im Staat A hat in Staat B eine Produktionsbetriebsstätte B (B). In der Geschäftsleitungsbetriebsstätte in Staat A wird entschieden, dass ein immaterieller Wert erworben werden soll, um bestimmte Schwierigkeiten, die die Produktionstätigkeit von B erschweren, zu lösen. B wird beauftragt, einen entsprechenden immateriellen Wert auf dem Markt zu suchen und möglichst preisgünstig zu erwerben. B ist erfolgreich; der Erwerb wird in Staat A genehmigt.

Lösung:

Der Geschäftsvorfall (Erwerb) ist B nach § 9 Absatz 1 Satz 2 BsGaV zuzuordnen, da dort die Personalfunktionen mit der größten Bedeutung im Hinblick auf die Anschaffung des immateriellen Werts ausgeübt werden (Auswahl, Verhandlungsführung). Die Personalfunktion mit der größten Bedeutung für den Geschäftsvorfall ist grundsätzlich nach qualitativen Gesichtspunkten zu bestimmen (siehe Rn. 42). Eine Zuordnung auf Grundlage einer Quantifizierung der Kosten der Personalfunktionen, die mit dem Erwerb des immateriellen Werts im Zusammenhang stehen, kommt nur ausnahmsweise in Betracht, wenn eine Zuordnung nach qualitativen Gesichtspunkten nicht möglich ist (siehe Rn. 42).

2.9.2 Abweichende Zuordnung von Geschäftsvorfällen (§ 9 Absatz 2 BsGaV)

114 Ist eine im übrigen Unternehmen ausgeübte, andere als die in § 9 Absatz 1 BsGaV genannte, Personalfunktion für den Geschäftsvorfall so bedeutend (Personalfunktionenkonkurrenz, siehe Rn. 43), dass eindeutig eine Zuordnung erforderlich wird, die von § 9 Absatz 1 BsGaV abweicht, so ist diese andere Personalfunktion nach § 9 Absatz 2 Satz 1 BsGaV für den Geschäftsvorfall maßgeblich i. S. d. § 2 Absatz 4 BsGaV. Andere Personalfunktionen können insbesondere die Erfüllung von Verpflichtungen aus dem Geschäftsvorfall, dessen Verwaltung (siehe aber Rn. 80) oder dessen Risikosteuerung sein. Im Regelfall wird hierdurch ein Gleichklang der Zuordnung von Geschäftsvorfällen mit der Zuordnung der damit im Zusammenhang stehenden Vermögenswerte erreicht.

Fall (1) – Funktionsaufteilung:

Unternehmen X in Staat A hat in Staat B eine Betriebsstätte B (B). Die Geschäftsleitungsbetriebsstätte in Staat A erwirbt eine Maschine, deren Einsatz von vornherein für B vorgesehen ist. B war maßgeblich in den Erwerbsvorgang (Auswahl der Maschine usw.) eingebunden. Die Maschine wird unmittelbar an B geliefert und anschließend ausschließlich von B genutzt.

Lösung:

Die Maschine ist nach § 5 Absatz 1 BsGaV B zuzuordnen. Der Geschäftsvorfall (Kauf der Maschine) ist B nach § 9 Absatz 2 Satz 1 BsGaV zuzuordnen, da B maßgeblich in den Erwerbsvorgang eingebunden war. Darüber hinaus wird durch die Zuordnung des Geschäftsvorfalls zu B ein Gleichklang der Zuordnung des Geschäftsvorfalls mit der Zuordnung des damit im Zusammenhang stehenden Vermögenswerts (Maschine) erreicht. Für die fiktive Dienstleistung des übrigen Unternehmens (§ 16 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a BsGaV) gegenüber B ist ein Betrag anzusetzen, der dem Fremdvergleichsgrundsatz entspricht (§ 16 Absatz 2 BsGaV).

Fall (2) – Personalfunktionenkonkurrenz:

Unternehmen X in Staat A hat in Staat B eine Betriebsstätte B (B). Die Geschäftsleitungsbetriebsstätte in Staat A schließt auf Anforderung von B mit einem unabhängigen Dritten einen Vertrag über eine Dienstleistung ab, die dieser ausschließlich für B erbringt.

Lösung:

Maßgebliche Personalfunktion für das Zustandekommen des Geschäftsvorfalls (Dienstvertrag) mit dem unabhängigen Dritten und für die Übernahme der damit verbundenen Risiken sind grundsätzlich die Tätigkeiten, die für den Vertragsabschluss entscheidend sind, wie Auswahl des Auftragnehmers, Vertragsverhandlungen, Vertragsabschluss. Der Geschäftsvorfall wäre daher nach § 9 Absatz 1 Satz 1 BsGaV grundsätzlich der Geschäftsleitungsbetriebsstätte zuzuordnen. Da die Anforderung der Dienstleistung durch B jedoch ursächlich für den Abschluss des Vertrags war und die Dienstleistung ausschließlich B dient, überwiegt die Bedeutung der von B ausgeübten Personalfunktion die Bedeutung des formalen Vertragsabschlusses durch die Geschäftsleitungsbetriebsstätte (§ 9 Absatz 2 BsGaV). Für die fiktive Dienstleistung von X (§ 16 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a BsGaV) gegenüber B ist ein Betrag anzusetzen, der dem Fremdvergleichsgrundsatz entspricht (§ 16 Absatz 2 BsGaV).

Fall (3) – Beschaffung von Handelsware (siehe Fall Rn. 83):

Das inländische Handelsunternehmen X hat in Staat A die Betriebsstätte A (A), die Verträge über den Erwerb von Waren abschließt. Die Waren werden anschließend von der inländischen Geschäftsleitungsbetriebsstätte X (X) vertrieben. B hat für die Beschaffung die Vorgaben (Qualität, Quantität) von X einzuhalten.

Lösung:

Die von X ausgeübten Personalfunktionen (Veräußerung, Anschaffung nach Vorgaben von X) sind von größerer Bedeutung als der formale Vertragsabschluss durch A. Die Geschäftsvorfälle sind X nach § 9 Absatz 2 BsGaV zuzuordnen. Dadurch entsteht auch ein Gleichklang zwischen der Zuordnung der Verträge und der Waren (siehe Rn. 83).

2.9.3 Gleichzeitige Ausübung anderer Personalfunktionen in verschiedenen Betriebsstätten (§ 9 Absatz 3 BsGaV)

115 Sind mehrere andere Personalfunktionen, die in anderen Betriebsstätten ausgeübt werden, von größerer Bedeutung für einen Geschäftsvorfall als die Personalfunktion, die in § 9 Absatz 1 Satz 1 BsGaV genannt ist (Personalfunktionenkonkurrenz, siehe Rn. 43), so ist der Geschäftsvorfall nach § 9 Absatz 3 BsGaV der Betriebsstätte zuzuordnen, in der die andere Personalfunktion mit der größten Bedeutung für den Geschäftsvorfall ausgeübt wird. Diese Personalfunktion ist für den Geschäftsvorfall maßgeblich i. S. d. § 2 Absatz 4 BsGaV.

2.9.4 Zuordnung in Zweifelsfällen (§ 9 Absatz 4 BsGaV)

116 Kann ein Geschäftsvorfall nach § 9 Absatz 1 bis 3 BsGaV nicht eindeutig zugeordnet werden, so räumt § 9 Absatz 4 BsGaV dem Unternehmen einen Beurteilungsspielraum für die Zuordnung des Geschäftsvorfalls ein. Die Zuordnung des Geschäftsvorfalls muss sich aber so weit wie möglich an den Grundsätzen des § 9 Absatz 1 bis 3 orientieren. Ggf. greift die Vermutung des § 9 Absatz 1 BsGaV ein (siehe Rn. 112). Der Beurteilungsspielraum kommt vor allem in Fällen der Personalfunktionenkonkurrenz (siehe Rn. 43) zwischen anderen Personalfunktionen i. S. d. § 9 Absatz 2 BsGaV in Betracht. Die Entscheidung über die Zuordnung des sonstigen Vermögenswerts nach § 9 Absatz 4 BsGaV muss

  • nach § 3 Absatz 3 BsGaV spätestens mit Erstellung der Hilfs- und Nebenrechnung nachvollziehbar erfolgen,

  • auch im jeweils anderen Staat der Besteuerung zugrunde gelegt werden und

  • anhand eindeutiger Aufzeichnungen (siehe Rn. 63) nach § 90 Absatz 3 AO begründet werden können.

Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, kann eine Schätzung nach § 162 AO erforderlich werden. Eine anteilige Zuordnung ist – anders als für immaterielle Werte (siehe Rn. 101) – nicht anzuerkennen.

2.10 Zuordnung von Chancen und Risiken (§ 10 BsGaV)

2.10.1 Zuordnung von Chancen und Risiken eines Vermögenswerts oder Geschäftsvorfalls (§ 10 Absatz 1 BsGaV)

117 Die Chancen und Risiken eines Vermögenswerts oder eines Geschäftsvorfalls sind nach § 10 Absatz 1 BsGaV der Betriebsstätte zuzuordnen, der der betreffende Vermögenswert oder Geschäftsvorfall nach den allgemeinen Zuordnungsregeln zuzuordnen ist (§§ 5 ff. BsGaV). Denn mit dem fiktiven Eigentum an einem Vermögenswert bzw. der Zuordnung eines Geschäftsvorfalls sind einer Betriebsstätte auch die damit im unmittelbaren Zusammenhang stehenden Chancen und Risiken zuzuordnen.

Fall – Zuordnung von Chancen und Risiken eines Vermögenswerts:

Unternehmen X in Staat A hat in Staat B eine Betriebsstätte B (B). Die Geschäftsleitungsbetriebsstätte in Staat A erwirbt eine Maschine, die ausschließlich und auf Dauer von B genutzt wird. Die Maschine wird durch die fehlerhafte Nutzung durch B zerstört.

Lösung:

Die Maschine ist nach § 5 Absatz 1 BsGaV wegen der Nutzung B zuzuordnen. Damit ist auch das Risiko des Untergangs B zuzuordnen.

2.10.2 Zuordnung von Chancen und Risiken aus der Geschäftstätigkeit (§ 10 Absatz 2 BsGaV)

118 Für Chancen und Risiken, die mit der unternehmerischen Geschäftstätigkeit im Zusammenhang stehen (nicht unmittelbar mit einem Vermögenswert oder Geschäftsvorfall), ist nach § 10 Absatz 2 Satz 1 BsGaV in erster Linie darauf abzustellen, in welcher Betriebsstätte die maßgebliche Personalfunktion ausgeübt wird, die zur Übernahme der betreffenden Chancen und Risiken durch das Unternehmen führt. Für die Geschäftstätigkeit können im Einzelfall verschiedene Chancen und Risiken von Bedeutung sein, z. B. Lagerrisiken, Ausfallrisiken, Wechselkursrisiken, Zinsrisiken, Marktrisiken, Haftungsrisiken (siehe auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil I Tz. 22 und Tz. 68).

Fall – Zuordnung von Chancen und Risiken der unternehmerischen Geschäftstätigkeit:

Unternehmen X in Staat A hat in Staat B eine Betriebsstätte B (B). Die Geschäftsleitungsbetriebsstätte in Staat A überlässt B ein Wirtschaftsgut zur vorübergehenden Nutzung. Das Wirtschaftsgut bleibt dem übrigen Unternehmen zugeordnet. Die Nutzung durch B führt aufgrund einer Fehlbedienung durch B zu einem Haftungsfall gegenüber einem unabhängigen Dritten.

Lösung:

Da der Haftungsfall durch eine Fehlbedienung von B verursacht wurde (nicht durch einen Materialfehler der Maschine oder Ähnliches), sind die entsprechenden Kosten (z. B. Schadensersatz gegenüber dem unabhängigen Dritten oder Ersatzbeschaffung gegenüber dem übrigen Unternehmen) B zuzuordnen.

119 Wird eine Personalfunktion i. S. d. § 10 Absatz 2 Satz 1 BsGaV infolge einer Funktionsaufteilung (siehe Rn. 42) gleichzeitig in mehreren Betriebsstätten ausgeübt, so ist nach § 10 Absatz 2 Satz 2 BsGaV für die Zuordnung der betreffenden Chancen und Risiken darauf abzustellen, in welcher Betriebsstätte die Personalfunktion mit der größten Bedeutung für die Übernahme der Chancen und Risiken ausgeübt wird. Diese Personalfunktion ist für die Zuordnung dieser Chancen und Risiken maßgeblich i. S. d. § 2 Absatz 4 BsGaV.

2.10.3 Abweichende Zuordnung von Chancen und Risiken (§ 10 Absatz 3 BsGaV)

120 Ist eine im übrigen Unternehmen ausgeübte andere Personalfunktion für die Zuordnung von Chancen und Risiken im Zusammenhang mit der unternehmerischen Geschäftstätigkeit so bedeutend, dass eindeutig eine Zuordnung erforderlich wird, die von § 10 Absatz 2 BsGaV abweicht (Personalfunktionenkonkurrenz, siehe Rn. 43), so ist diese andere Personalfunktion für die betreffenden Chancen und Risiken maßgeblich i. S. d. § 2 Absatz 4 BsGaV. Die anderen Personalfunktionen können nach § 10 Absatz 3 Satz 2 BsGaV insbesondere die Risikosteuerung, die Realisation, die Entscheidung, Änderungen hinsichtlich von Chancen und Risiken vorzunehmen, oder die Verwaltung von Chancen und Risiken sein (siehe auch Rn. 80), wenn diese Personalfunktionen im Einzelfall von besonderer Bedeutung für die Chancen und Risiken sind. Im Regelfall bleibt es bei der Zuordnung nach der Vermutungsregelung des § 10 Absatz 1 und 2 BsGaV (siehe Rn. 117 und 118).

2.10.4 Gleichzeitige Ausübung anderer Personalfunktionen in verschiedenen Betriebsstätten (§ 10 Absatz 4 BsGaV)

121 Sind mehrere andere Personalfunktionen, die in anderen Betriebsstätten ausgeübt werden, von größerer Bedeutung für bestimmte Chancen und Risiken als die Personalfunktion, die in § 10 Absatz 2 Satz 1 BsGaV genannt ist (Personalfunktionenkonkurrenz, siehe Rn. 43), so sind nach § 10 Absatz 4 BsGaV die Chancen und Risiken der Betriebsstätte zuzuordnen, in der die andere Personalfunktion mit der größten Bedeutung für die Chancen und Risiken ausgeübt wird. Diese andere Personalfunktion ist für die Zuordnung der betreffenden Chancen und Risiken maßgeblich i. S. d. § 2 Absatz 4 BsGaV.

2.10.5 Zuordnung in Zweifelsfällen (§ 10 Absatz 5 BsGaV)

122 Können Chancen und Risiken nach § 10 Absatz 1 bis 4 BsGaV mangels klarer Kriterien nicht eindeutig zugeordnet werden, räumt § 10 Absatz 5 BsGaV dem Unternehmen einen Beurteilungsspielraum für die Zuordnung der Chancen und Risiken ein. Die Zuordnung der Chancen und Risiken muss sich aber so weit wie möglich an den Grundsätzen des § 10 Absatz 1 bis 4 BsGaV orientieren. Ggf. greifen die Vermutungsregelungen des § 10 Absatz 1 und 2 BsGaV ein (siehe Rn. 117, 118). Der Beurteilungsspielraum kommt vor allem in Fällen der Personalfunktionenkonkurrenz (siehe Rn. 43) zwischen anderen Personalfunktionen i. S. d. § 10 Absatz 3 BsGaV in Betracht. Die Entscheidung über die Zuordnung von Chancen und Risiken nach § 10 Absatz 5 BsGaV muss

  • nach § 3 Absatz 3 BsGaV spätestens mit Erstellung der Hilfs- und Nebenrechnung nachvollziehbar erfolgen,

  • auch im jeweils anderen Staat der Besteuerung zugrunde gelegt werden und

  • anhand eindeutiger Aufzeichnungen (siehe Rn. 63) nach § 90 Absatz 3 AO begründet werden können.

Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, kann eine Schätzung nach § 162 AO erforderlich werden. Eine anteilige Zuordnung ist – anders als für immaterielle Werte (siehe Rn. 101) – nicht anzuerkennen.

2.11 Zuordnung von Sicherungsgeschäften (§ 11 BsGaV)

2.11.1 Unmittelbarer Sicherungszusammenhang (§ 11 Absatz 1 BsGaV)

123 Nach § 11 Absatz 1 BsGaV richtet sich die Zuordnung eines konkreten Sicherungsgeschäfts – abweichend von den sonstigen Zuordnungsregeln – im Regelfall nach der Zuordnung des zu sichernden Zuordnungsgegenstands (Risiken einer Personalfunktion, Risiken eines Vermögenswerts, Risiken eines Geschäftsvorfalls).

Fall – Grundfall:

Unternehmen X in Staat A hat in Staat B eine Betriebsstätte B (B). Eine B zuzuordnende Forderung gegen einen fremden Dritten in US-Dollar wird durch ein Währungsgeschäft abgesichert, das die zu X gehörende Betriebsstätte C (C) in Staat C für X abschließt.

Lösung:

Das Sicherungsgeschäft ist B zuzuordnen. C erbringt nach § 11 Absatz 1 BsGaV gegenüber dem übrigen Unternehmen (hier gegenüber B) eine Dienstleistung, für die nach § 16 Absatz 2 BsGaV ein dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechender Betrag zu verrechnen ist.

124 Mit der entsprechenden Zuordnung der Sicherungsgeschäfte (zu denen z. B. auch Finanzinstrumente i. S. d. § 254 HGB gehören) und der zugehörigen Vermögenswerte sind auch die dazugehörigen Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben, einschließlich Veräußerungsgewinne und -verluste entsprechend zuzuordnen.

2.11.2 Mittelbarer Sicherungszusammenhang (§ 11 Absatz 2 BsGaV)

125 Ein mittelbarer Sicherungszusammenhang besteht, wenn zwar eindeutig ein Sicherungszusammenhang zwischen den Risiken aus bestimmten Personalfunktionen, Vermögenswerten und Geschäftsvorfällen einerseits und bestimmten Sicherungsgeschäften andererseits feststellbar ist, eine konkrete und präzise Zuordnung der Sicherungsgeschäfte zu den Betriebsstätten, deren Risiken abgesichert werden, jedoch unmöglich ist oder einen unangemessen hohen Aufwand verursacht, z. B. wegen Inkongruenz der jeweiligen Beträge oder Laufzeiten. § 11 Absatz 2 Satz 3 BsGaV lässt es in diesen Fällen zu, die Zuordnung der Sicherungsgeschäfte und der zugehörigen Vermögenswerte anteilig vorzunehmen. Der jeweilige Anteil ist nach einem sachgerechten Aufteilungsschlüssel zu bestimmen (§ 11 Absatz 2 Satz 4 BsGaV), d. h. der Aufteilungsschlüssel ist im konkreten Einzelfall nach Möglichkeit aus den abgesicherten Risiken und den Sicherungsgeschäften abzuleiten.

Fall – Versicherungsprämien (indirekte Zuordnung):

Das Unternehmen X in Staat A hat verschiedene Betriebsstätten in anderen Staaten. Die Geschäftsleitungsbetriebsstätte in Staat A schließt eine Haftpflichtversicherung ab, die allgemein die Handlungsrisiken von X umfasst und damit auch Handlungsrisiken der ausländischen Betriebsstätten. Der Vertrag ist nach § 9 Absatz 1 BsGaV wegen der ausgeübten Personalfunktionen unstreitig der Geschäftsleitungsbetriebsstätte zuzuordnen.

Lösung:

Die entstehenden Aufwendungen (Versicherungsprämien) sind nach § 11 Absatz 2 BsGaV entsprechend einem sachgerechten Schlüssel indirekt den betreffenden Betriebsstätten zuzuordnen. Für die fiktive Dienstleistung (§ 16 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a BsGaV) ist zugunsten der Geschäftsleitungsbetriebsstätte ein dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechender Betrag zu verrechnen. Konkret eintretende Schadensfälle sind jeweils einzeln zu verrechnen.

2.11.3 Abweichende Zuordnung von Sicherungsgeschäften (§ 11 Absatz 3 BsGaV)

126 Führt eine abweichende Zuordnung eines Sicherungsgeschäfts einschließlich der aufgrund des Sicherungsgeschäfts ggf. entstehenden Vermögenswerte zu einem Ergebnis der Betriebsstätte, das dem Fremdvergleichsgrundsatz in diesem Einzelfall auch aus Sicht des übrigen Unternehmens besser entspricht, ermöglicht § 11 Absatz 3 BsGaV eine abweichende Zuordnung.

127 Zu einer Änderung der Zuordnung, die von der ursprünglichen Zuordnung abweicht, kann es kommen, wenn sich der Sicherungszusammenhang zwingend ändert.

Fallfortsetzung zu Rn. 123 – Zwingende Änderung des Sicherungszusammenhangs:

Die B zuzuordnende Forderung gegen den fremden Dritten in US-Dollar wird fällig und getilgt, während das Währungsgeschäft von C (ursprüngliches Sicherungsgeschäft) weiter fortbesteht. Das ursprüngliche Sicherungsgeschäft wird nach der Tilgung über das Risikomanagement des von C betriebenen Geld- und Devisenhandels abgesichert.

Lösung:

Ein funktionaler Zusammenhang zwischen der Geschäftstätigkeit von B und dem ursprünglichen Sicherungsgeschäft ist nach Tilgung der B zuzuordnenden Forderung nicht mehr denkbar. Die weitere Zuordnung einer offenen Risikoposition zu B entspricht nicht den funktionalen Gegebenheiten der Risikosteuerung von X, d. h. das Ergebnis für B entspräche nicht dem Fremdvergleichsgrundsatz, wenn B die offene Risikoposition zugeordnet würde (siehe § 11 Absatz 3 BsGaV). Mit dem Wegfall der B zuzuordnenden Forderung ist das ursprüngliche Sicherungsgeschäft C zuzuordnen. Das noch nicht realisierte Ergebnis aus dem ursprünglichen Sicherungsgeschäft im Zeitpunkt der Beendigung des Sicherungszusammenhangs ist allerdings endgültig B zuzurechnen.

2.11.4 Fehlende Sicherungsabsicht (§ 11 Absatz 4 BsGaV)

128 Besteht keine Sicherungsabsicht bzw. ist eine Sicherungsabsicht nicht feststellbar, sind die jeweiligen Geschäftsvorfälle nach den allgemeinen Regeln zuzuordnen.

Fall – Fehlende Sicherungsabsicht:

Das Unternehmen X in Staat A hat mehrere Betriebsstätten in verschiedenen Staaten, die Geschäfte in verschiedenen Währungen tätigen. Die entstehenden Forderungen werden nicht durch Kurssicherungsgeschäfte abgesichert. Bei der Bilanzerstellung für X stellt sich heraus, dass einige der Forderungen, die verschiedenen Betriebsstätten zuzuordnen sind, das Kursrisiko gegenseitig absichern, ohne dass dies bezweckt war.

Lösung:

Alle Forderungen sind nach den allgemeinen Regeln der jeweiligen Betriebsstätte zuzuordnen.

2.12 Dotationskapital inländischer Betriebsstätten ausländischer Unternehmen (§ 12 BsGaV)

2.12.1 Grundsatz: funktions- und risikobezogene Kapitalaufteilungsmethode (§ 12 Absatz 1 BsGaV)

129 Nach § 12 Absatz 1 BsGaV ist einer inländischen Betriebsstätte eines nach ausländischem Recht buchführungspflichtigen oder tatsächlich Bücher führenden, ausländischen Unternehmens zu Beginn eines Wirtschaftsjahrs ein Dotationskapital nach der funktions- und risikobezogenen Kapitalaufteilungsmethode (Kapitalaufteilungsmethode) zuzuordnen, das zur Absicherung der ihr zuzuordnenden Vermögenswerte sowie der ihr zuzuordnenden Chancen und Risiken entsprechend der Eigenart der Geschäftstätigkeit der Betriebsstätte im Verhältnis zum übrigen Unternehmen erforderlich ist (siehe auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil I Tz. 28, Tz. 107 und Tz. 121 ff.). Das Dotationskapital wird dadurch ermittelt, dass die Kapitalquote (§ 12 Absatz 3 BsGaV, siehe Rn. 135 ff.) der Betriebsstätte auf das festzustellende Eigenkapital (§ 12 Absatz 2 BsGaV, siehe Rn. 133 ff.) des ausländischen Unternehmens angewandt wird. Ein zu geringes Dotationskapital führt zu einer höheren Zuordnung von Verbindlichkeiten des Unternehmens zur inländischen Betriebsstätte. Demzufolge wird der inländischen Betriebsstätte ein unangemessen höherer Zinsaufwand zugeordnet.

Fall (1) – Vereinfachter Grundfall:

Am beträgt das Eigenkapital des ausländischen Unternehmens Y (Y) 1.000. Die Vermögenswerte von Y belaufen sich auf 2.000, auf die inländische Betriebsstätte B (B) entfallen davon 500. Nennenswerte Rückstellungen hat Y nicht gebildet. Es sind keine immateriellen Werte vorhanden. Bewertungsunterschiede im Verhältnis zum Ausland bestehen nicht.

Lösung:

Das Dotationskapital von B ist zum nach der Kapitalaufteilungsmethode (§ 12 Absatz 1 BsGaV) wie folgt zu berechnen:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Eigenkapital von Y
1.000
Kapitalquote für B: 500/2.000 = 25 %
 
Dotationskapital von B: 25 % von 1.000 =
250

HINWEIS:

Zur Aufteilung der übrigen Passivposten siehe Rn. 152 ff.

Fall (2) – Zuordnung des Dotationskapitals jeweils zu Beginn des Wirtschaftsjahrs:

Der inländischen Betriebsstätte B (B) eines ausländischen Unternehmens Y (Y) wird zum nach der Kapitalaufteilungsmethode ein Dotationskapital von 100 (10 % von 1.000 Eigenkapital von Y) zugeordnet. Im Laufe des Jahrs 01 erzielt B lt. Hilfs- und Nebenrechnung einen Gewinn von 20. Im Jahr 01 erzielt Y insgesamt einen Verlust von 200. Zum beträgt das Dotationskapital von B lt. Hilfs- und Nebenrechnung 120 (100 zuzüglich 20 Gewinn). Am beträgt der Anteil von B am Gesamtkapital nach der weiterhin anzuwendenden Kapitalaufteilungsmethode unverändert 10 %.

Lösung:

Unabhängig vom Gewinn von 20 im Jahr 01 ist B nach der Kapitalaufteilungsmethode (§ 12 Absatz 1 BsGaV) zum ein Dotationskapital von 80 (10 % von 800) zuzuordnen, das als Ausgangsbasis für die Hilfs- und Nebenrechnung des Jahrs 02 dient.

130 Entsteht zum Ende des Wirtschaftsjahrs eine sog. Überdotierung oder eine sog. Unterdotierung der Betriebsstätte, die erst durch die Bestimmung des Dotationskapitals zu Beginn des neuen Wirtschaftsjahrs erkennbar wird, und sorgt das Unternehmen dafür, dass das in der Hilfs- und Nebenrechnung auszuweisende Dotationskapital den tatsächlich der Betriebsstätte zuzuordnenden Aktivposten und Passivposten entspricht, so ist es nicht zu beanstanden, dass das Unternehmen eine Korrektur des zuzuordnenden Zinsaufwands für den bereits abgelaufenen Zeitraum des neuen Wirtschaftsjahrs unterlässt, wenn

  • die Bestimmung des neu zuzuordnenden Dotationskapitals unverzüglich nach Ablauf des vorangehenden Wirtschaftsjahrs erfolgt und

  • das Dotationskapital für das neue Wirtschaftsjahr unverzüglich angepasst wird.

131 Eine im Ausland steuerlich anerkannte Dotation der inländischen Betriebsstätte kann ein Anhaltspunkt für ein angemessenes Dotationskapital sein, soweit die Dotation ausgehend von der Kapitalaufteilungsmethode begründet werden kann. Hierzu hat das Unternehmen nachzuweisen, welches Dotationskapital die ausländische Finanzverwaltung für die inländische Betriebsstätte angesetzt bzw. anerkannt hat.

132 Zum Zinsabzug für inländische Betriebsstätten von ausländischen Unternehmen, die weder buchführungspflichtig sind noch Bücher führen, siehe § 15 Absatz 4 BsGaV und Rn. 161.

2.12.2 Höhe des Eigenkapitals des ausländischen Unternehmens (§ 12 Absatz 2 BsGaV)

133 Zur Anwendung der Kapitalaufteilungsmethode ist grundsätzlich die Höhe des Eigenkapitals des ausländischen Unternehmens (§ 12 Absatz 2 BsGaV) nach deutschem Steuerrecht zu bestimmen. Die exakte Ableitung des Eigenkapitals nach deutschem Steuerrecht aus dem Ansatz in der ausländischen Bilanz kann im Einzelfall unangemessenen Aufwand verursachen. Deshalb ist es aus Vereinfachungsgründen anzuerkennen, wenn das in der ausländischen Bilanz ausgewiesene Kapital als Ausgangspunkt zugrunde gelegt wird. Eine vollständige Umrechnung der ausländischen Bilanzansätze nach deutschem Steuerrecht führt im Regelfall zu unverhältnismäßigem Aufwand und ist deshalb nicht durchzuführen (siehe Rn. 133). Dem Eigenkapital in der ausländischen Bilanz hinzuzurechnen sind allerdings alle sonstigen Positionen, denen nach deutschem Steuerrecht Eigenkapitalcharakter zukommt. Vom Eigenkapital in der ausländischen Bilanz sind alle Positionen zu kürzen, die nach deutschem Steuerrecht keinen Eigenkapitalcharakter haben. Es ist unbeachtlich, nach welchem Rechnungslegungsstandard die ausländische Bilanz aufgestellt wurde. Sind mehrere Bilanzen verfügbar, ist die Bilanz zu verwenden, die einer deutschen Steuerbilanz am ehesten entspricht.

134 Die Anwendung der Vereinfachungsregelung setzt voraus, dass das Unternehmen durch Vorlage geeigneter Unterlagen und Berechnungen glaubhaft macht,

  • dass das Eigenkapital entsprechend der ausländischen Bilanz nicht erheblich von dem Eigenkapital abweicht, das nach deutschem Steuerrecht anzusetzen wäre, oder

  • dass Abweichungen durch Anpassungen nachvollziehbar rechnerisch so ausgeglichen werden, dass das Ergebnis nicht erheblich von dem Eigenkapital des ausländischen Unternehmens abweicht, das nach deutschem Steuerrecht ermittelt würde.

Dazu ist es grundsätzlich erforderlich, die Bilanzpositionen nach ausländischem Recht zunächst auf entsprechende Wertansätze nach deutschem Steuerrecht anzupassen. Verbleibende Unsicherheiten in Bezug auf unterschiedliche Wertansätze gelten als nicht erheblich i. S. d. § 12 Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 BsGaV, wenn diese nach überschlägiger Berechnung voraus sichtlich weniger als 10 % des Eigenkapitals in der ausländischen Bilanz (nach Durchführung erforderlicher Anpassungen) ausmachen. Die Finanzverwaltung kann die Glaubhaftmachung des Unternehmens durch eigene Berechnungen, aus denen sich ergibt, dass die Erheblichkeitsgrenze überschritten wird, widerlegen.

Fall – Anpassungen an das deutsche Steuerrecht:

Das ausländische Unternehmen Y (Y) unterhält eine Betriebsstätte B (B) im Inland. Für das Dotationskapital von B ist die Kapitalaufteilungsmethode anzuwenden (§ 12 Absatz 1 BsGaV). Das Eigenkapital von Y beträgt 250. Abweichungen von Ansätzen, die nach deutschem Steuerrecht vorgeschrieben sind, sind nicht ersichtlich: Die vorgenommenen Abschreibungen auf Vermögenswerte entsprechen den Vorgaben der §§ 7 ff. bzw. des § 6 Absatz 1 Nummer 1 Satz 2 und Nummer 2 Satz 2 EStG. Die gebildeten Rückstellungen entsprechen den Anforderungen des § 6 Absatz 1 Nummer 3a und § 5 Absatz 2a bis 4b und § 6a EStG. Soweit notwendig, wurden in der ausländischen Bilanz ausgewiesene Verbindlichkeiten entsprechend § 6 Absatz 1 Nummer 2 EStG abgezinst.

Lösung:

Das nach ausländischem Recht ermittelte Eigenkapital von Y i. H. v. 250 kann der Ermittlung des Dotationskapitals von B nach der Kapitalaufteilungsmethode zugrunde gelegt werden.

Abwandlung:

Y hat in der ausländischen Bilanz eine Ausschüttungsverbindlichkeit von 30 passiviert, die nach inländischem Recht Eigenkapital darstellt. Weiterhin ist aus der Bilanz von Y ersichtlich, dass ein immaterieller Wert „Kosten für die Ingangsetzung des Geschäftsverkehrs” mit 10 aktiviert ist. Darüber hinaus ergeben sich überschlägig ermittelte Wertabweichungen bei Bilanzposten von 30 (z. B. bei Pensionsrückstellungen, wegen anderweitiger Abschreibungen von Wirtschaftsgütern).

Lösung:

Hinsichtlich der als Eigenkapital zu qualifizierenden Verbindlichkeit ist das Eigenkapital von Y um 30 zu erhöhen. Da in einer deutschen Steuerbilanz der genannte immaterielle Wert nicht aktiviert werden darf, ergibt sich eine Minderung des Eigenkapitals um 10.

Das angepasste Eigenkapital von Y beträgt danach:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Eigenkapital lt. ausländischer Bilanz
250
+ Anpassung
20
= nach deutschem Steuerrecht angepasstes Eigenkapital
270

Die nach dieser Anpassung in den Bilanzansätzen der Wirtschaftsgüter verbleibenden Unsicherheiten (30) übersteigen 10 % des angepassten Eigenkapitals (27). Deswegen darf das nach ausländischem Recht ermittelte Eigenkapital von Y nicht der Ermittlung des Dotationskapitals zugrunde gelegt werden, § 12 Absatz 2 Satz 2 BsGaV. Y muss nach § 12 Absatz 2 Satz 1 BsGaV eine detaillierte Überleitung des Eigenkapitals in einen nach deutschem Steuerrecht ermittelten Betrag vorlegen.

2.12.3 Bestimmung der Kapitalquote der inländischen Betriebsstätte (§ 12 Absatz 3 BsGaV)

135 Die Kapitalquote der inländischen Betriebsstätte, die auf das nach § 12 Absatz 1 und 2 BsGaV zu ermittelnde Eigenkapital des ausländischen Unternehmens anzuwenden ist, ergibt sich aus dem Verhältnis der Vermögenswerte sowie der Chancen und Risiken, die der Betriebsstätte zuzuordnen sind, zu den Vermögenswerten sowie den Chancen und Risiken des Unternehmens. Die Vermögenswerte sind mit Werten anzusetzen, die dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechen (§ 12 Absatz 3 Satz 1 BsGaV). Zu berücksichtigen sind alle Chancen und Risiken, sowohl diejenigen, die in der Bilanz des Unternehmens und in der Hilfs- und Nebenrechnung der Betriebsstätte ausgewiesen sind, als auch diejenigen, die nicht bilanziert und/oder in der Hilfs- und Nebenrechnung ausgewiesen sind (siehe auch die Vereinfachungsregelung in Rn. 138).

136 Chancen und Risiken, die mit Vermögenswerten in unmittelbarem Zusammenhang stehen, sind in den Fremdvergleichspreisen der Vermögenswerte enthalten. Es ist nicht zu beanstanden, dass Chancen und Risiken, die nicht einzelnen Vermögenswerten oder Geschäftsvorfällen zugeordnet werden können (z. B. Gewährleistungsrückstellungen), pauschal berücksichtigt werden. Die Pauschalierung soll unverhältnismäßigen Aufwand vermeiden, der ansonsten erforderlich wäre.

137 Das Bestehen von Chancen und Risiken, die weder in der Bilanz noch in der Hilfs- und Nebenrechnung erfasst sind, die aber für die Ermittlung der Kapitalquote zu berücksichtigen sind (z. B. Geschäfts- und Firmenwert), hat derjenige glaubhaft zu machen, der sich darauf beruft.

Fall – Nicht erfasste Chancen und Risiken:

Das Eigenkapital des ausländischen Unternehmens Y (Y) beträgt 1.200. Die Fremdvergleichspreise der bilanzierten Vermögenswerte belaufen sich auf 1.700, davon entfallen auf die inländische Betriebsstätte B (B) 500. In der Bilanz von Y ist eine pauschale Gewährleistungsrückstellung i. H. v. 400 ausgewiesen, davon entfallen auf B 100. Y verfügt über nicht bilanzierungsfähige immaterielle Werte i. H. v. 200, davon entfallen auf B 100.

Lösung:

Das Dotationskapital von B ermittelt sich wie folgt:

Zunächst ist die auf das aufzuteilende Eigenkapital i. H. v. 1.200 anzuwendende Kapitalaufteilungsquote zu ermitteln:


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bilanzierte Vermögenswerte
1.700
+ nicht bilanzierte immaterielle Wirtschaftsgüter
200
– Gewährleistungsrückstellungen
400
= Ergebnis
1.500

Davon entfallen auf B:


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bilanzierte Vermögenswerte
500
+ nicht bilanzierte immaterielle Wirtschaftsgüter
100
– Gewährleistungsrückstellungen
100
= Ergebnis
500

Die Kapitalquote für B beträgt damit 500/1.500 (1/3). Die Anwendung der Kapitalquote auf das Eigenkapital von Y (1.200) führt zu einem Dotationskapital für B i. H. v. 400.

Abwandlung:

Die Gewährleistungsrückstellung beträgt 200, wovon 100 auf B entfallen. Zusätzlich ist in der Bilanz von Y eine Kontaminierungsrückstellung i. H. v. 200 ausgewiesen, die im Zusammenhang mit einem Grundstück steht, das dem übrigen Unternehmen zuzuordnen ist. Der Fremdvergleichspreis der Vermögenswerte beträgt wegen der Kontaminierung 1.500.

Lösung:

Das Dotationskapital von B ermittelt sich wie folgt:


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bilanzierte Vermögenswerte von Y
1.500
+ nicht bilanzierte immaterielle Wirtschaftsgüter
200
– Gewährleistungsrückstellungen
200
– Kontaminierungsrückstellung (in den Vermögenswerten bereits enthalten)
0
= Ergebnis
1.500

Davon entfallen auf B:


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bilanzierte Vermögenswerte
500
+ nicht bilanzierte immaterielle Wirtschaftsgüter
100
– Gewährleistungsrückstellungen
100
= Ergebnis
500

Die Kapitalquote für B beträgt 500/1.500. Die Anwendung der Kapitalquote auf das Eigenkapital von Y (1.200) führt zu einem Dotationskapital für B i. H. v. 400.

138 Aus Vereinfachungsgründen können die Buchwerte der Aktivposten des ausländischen Unternehmens und die Werte in der Hilfs- und Nebenrechnung der inländischen Betriebsstätte zur Bestimmung der Kapitalquote der inländischen Betriebsstätte herangezogen werden. Der Ansatz von im Ausland vorhandenen Werten, die Buchwerten vergleichbar sind, ist anzuerkennen, wenn das Unternehmen glaubhaft macht,

  • dass nach überschlägiger Berechnung der Ansatz von Buchwerten oder von im Ausland vorhandenen Werten, die Buchwerten entsprechen, zu einer Kapitalquote führt, die nicht erheblich von der Kapitalquote abweicht, die sich ergäbe, wenn Werte entsprechend dem Fremdvergleichsgrundsatz angesetzt würden, oder

  • dass erkennbare Abweichungen durch Anpassungen nachvollziehbar so ausgeglichen werden, dass das Ergebnis nicht erheblich von dem Ergebnis nach § 12 Absatz 3 Satz 1 BsGaV abweicht; Anpassungsrechnungen können z. B. erforderlich werden, wenn bisher nicht bilanzierte immaterielle Vermögenswerte zu berücksichtigen sind.

139 Eine nach den Buchwerten ermittelte Kapitalquote ist nicht zu beanstanden, wenn sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Kapitalquote nach Fremdvergleichswerten um mehr als 10 Prozentpunkte von der Kapitalquote nach Buchwerten abweicht.

Fall – Nichtbeanstandungsklausel:

Das Eigenkapital des ausländischen Unternehmens Y (Y) beträgt 1.000. Die Buchwerte der Aktivposten belaufen sich insgesamt auf 2.000, davon entfallen auf die inländische Betriebsstätte B (B) 500.

Lösung:

Das Dotationskapital von B nach Buchwerten ist wie folgt zu berechnen:


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Eigenkapital von Y
1.000
Kapitalquote für B: 500/2.000 = 25 %
 
Dotationskapital von B: 25 % von 1.000 =
250

Diese Berechnung ist anzuerkennen, wenn keine Anhaltspunkte vorliegen, dass eine Berechnung nach Fremdvergleichswerten zu einer Kapitalquote führt, die unter 15 % oder über 35 % liegt.

2.12.4 Unterkapitalisierung des ausländischen Unternehmens (§ 12 Absatz 4 BsGaV)

140 Die Regelung des § 12 Absatz 4 BsGaV gilt ausschließlich für Unternehmensgruppen, die einem Konzern i. S. d. § 18 AktG entsprechen. Betroffen sind Fälle, in denen das nach der Kapitalaufteilungsmethode zugewiesene Dotationskapital dauerhaft zu einem Ergebnis für die inländische Betriebsstätte führt, das ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter unter vergleichbaren Umständen nicht hinnehmen würde. Ist aufgrund der Unterkapitalisierung des Unternehmens bei der Betriebsstätte nach Abzug der Zinsaufwendungen innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren nicht mit einem positiven Gesamtergebnis zu rechnen (betriebswirtschaftliche Prognoserechnung), ist das Dotationskapital von Anfang an nach § 12 Absatz 4 BsGaV zu ermitteln.

141 Das Dotationskapital für die inländische Betriebsstätte ist dadurch zu bestimmen, dass zunächst das konsolidierte Eigenkapital der Unternehmensgruppe, zu dem das Unternehmen gehört, entsprechend § 12 Absatz 2 BsGaV ermittelt wird. Die auf das konsolidierte Eigenkapital der Unternehmensgruppe anzuwendende Kapitalquote ist entsprechend § 12 Absatz 1 bis 3 BsGaV zu ermitteln. Die in Rn. 138 enthaltene Vereinfachungsregelung (Verwendung der Buchwerte der Aktivposten nach Konsolidierung) kann angewendet werden, wenn die dort genannten Voraussetzungen vorliegen.

Beispiel:

Die inländische Betriebsstätte B (B) produziert und vertreibt an fremde Dritte (keine Geschäftsbeziehungen zum übrigen Unternehmen). B gehört zum ausländischen Unternehmen T, das zum ausländischen Konzern Y gehört. T weist ein Eigenkapital von 40 aus. Nach der Kapitalaufteilungsmethode (§ 12 Absatz 1 bis 3 BsGaV) wäre B ein Dotationskapital von 10 (25 % vom Eigenkapital von T) zuzuordnen. Aufgrund des hohen Zinsaufwandes weist B trotz der positiven operativen Ergebnisse dauerhaft Verluste von jährlich 20 aus. Das konsolidierte Eigenkapital von Y beträgt 1.000. Die Kapitalquote von B beträgt nach § 12 Absatz 1 bis 3 BsGaV bezogen auf das konsolidierte Eigenkapital von Y 10 %.

Lösung:

Da aufgrund der Unterkapitalisierung von T, die sich bei Anwendung des § 12 Absatz 1 BsGaV auch auf das Dotationskapital von B auswirkt, dauerhafte Verluste eintreten, die ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter nicht hinnehmen würde, bestimmt sich das Dotationskapital nach § 12 Absatz 4 BsGaV auf Grundlage des konsolidierten Eigenkapitals von Y. B ist ein Dotationskapital von 100 (10 % von 1.000) zuzuweisen.

2.12.5 Untergrenze: handelsrechtliches Kapital der inländischen Betriebsstätte (§ 12 Absatz 5 BsGaV)

142 In Fällen, in denen das ausländische Unternehmen für seine inländische Betriebsstätte eine Handelsbilanz erstellt und darin ein bestimmtes Dotationskapital ausweist, darf dieser Betriebsstätte für steuerliche Zwecke kein niedrigeres Dotationskapital zugeordnet werden. Denn durch die Entscheidung des ausländischen Unternehmens, seiner inländischen Betriebsstätte tatsächlich (durch den Ausweis in der Handelsbilanz dokumentiert) ein bestimmtes Dotationskapital zur Verfügung zu stellen, macht das ausländische Unternehmen deutlich, dass es dieses Dotationskapital betriebswirtschaftlich für erforderlich hält, um auf dem inländischen Markt wirtschaftlich tätig zu sein.

2.12.6 Unterjährige Anpassung des Dotationskapitals einer inländischen Betriebsstätte (§ 12 Absatz 6 BsGaV)

143 Das Dotationskapital einer inländischen Betriebsstätte ist innerhalb eines Wirtschaftsjahrs anzupassen, wenn sich die Zuordnung von Personalfunktionen, von Vermögenswerten oder von Chancen und Risiken zu einem bestimmten Zeitpunkt gegenüber den Verhältnissen zu Beginn des Wirtschaftsjahrs ändert und dies zu einer erheblichen Veränderung des zuzuordnenden Dotationskapitals führt. Eine sich ergebende Änderung des Dotationskapitals einer inländischen Betriebsstätte ist erheblich, wenn das wegen der geänderten Zuordnung von Personalfunktionen, von Vermögenswerten oder von Chancen und Risiken zuzuordnende Dotationskapital zu Beginn des folgenden Wirtschaftsjahrs um mehr als 30 % vom Dotationskapital zu Beginn des Wirtschaftsjahrs abweicht, aber nur dann, wenn die Abweichung mindestens 2 Mio. Euro beträgt. Für die unterjährige Ermittlung des Dotationskapitals kann aus Vereinfachungsgründen das Dotationskapital zu Beginn des folgenden Wirtschaftsjahrs (ggf. mit entsprechenden Anpassungen) verwendet werden. Von einer unterjährigen Erhöhung des Dotationskapitals kann abgesehen werden, wenn diese nicht sachgerecht wäre, z. B. weil die Veränderung erst am Ende des Jahrs eintritt und die steuerlichen Auswirkungen deshalb gering sind. Eine Verringerung des Dotationskapitals einer inländischen Betriebsstätte ist allerdings steuerlich nur anzuerkennen, wenn nachgewiesen wird, dass das ausländische Unternehmen im Ausland die entsprechenden steuerlichen Konsequenzen gezogen hat. Auf die Beschränkung der Änderungsmöglichkeit durch die Finanzverwaltung nach § 1 Absatz 1 AStG wird hingewiesen (vgl. Rn. 10).

2.13 Dotationskapital ausländischer Betriebsstätten inländischer Unternehmen (§ 13 BsGaV)

2.13.1 Grundsatz: Mindestkapitalausstattungsmethode (§ 13 Absatz 1 BsGaV)

144 Ausländischen Betriebsstätten inländischer buchführungspflichtiger oder tatsächlich Bücher führender Unternehmen wird zu Beginn eines Wirtschaftsjahrs Dotationskapital grundsätzlich nur zugeordnet, soweit das Unternehmen glaubhaft macht, dass diese Zuordnung aus betriebswirtschaftlichen Gründen für die Betriebsstätte erforderlich ist (Mindestkapitalausstattungsmethode). Das Unternehmen hat das Erfordernis einer höheren Dotation auf Basis eines Vergleichs der Funktionen und Risiken der Betriebsstätte mit denen des übrigen Unternehmens darzustellen und anhand von betriebswirtschaftlichen Kennziffern zu belegen. Das vom Betriebsstättenstaat nachweislich geforderte Dotationskapital für eine ausländische Betriebsstätte kann als Indiz für eine angemessene Dotation angesehen werden (siehe aber Rn. 146 ff.) Ein höheres Dotationskapital führt zu einer geringeren Zuordnung von Verbindlichkeiten des Unternehmens zur ausländischen Betriebsstätte, so dass der ausländischen Betriebsstätte ein geringerer Zinsaufwand zugeordnet wird.