Korrigierende Rückgruppierung
Leitsatz
Die Grundsätze der korrigierenden Rückgruppierung, nach denen die Arbeitgeberin die Darlegungs- und Beweislast für die objektive Fehlerhaftigkeit der bisher angenommenen Bewertung der Tätigkeit trägt, sind nur anzuwenden, wenn sich aus der bislang vorgenommenen Zuordnung zu einer Entgeltgruppe oder einem Tätigkeitsmerkmal zwingend die durch die Beschäftigte begehrte Eingruppierung ergibt. Sie gelten ihrem Sinn und Zweck nach nicht, wenn die Beschäftigte ihr Vertrauen nur auf ein Element der bisherigen tariflichen Bewertung durch die Arbeitgeberin stützt, aber weitere rechtliche Folgeüberlegungen erforderlich sind, die erst zur beanspruchten Entgeltgruppe führen.
Gesetze: § 256 ZPO, § 12 TVöD, Anl 1 Teil A Abschn 1 Nr 3 Entgeltgr 11 TVöD
Instanzenzug: Az: 8 Ca 257/21 E Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Niedersachsen Az: 8 Sa 151/22 E Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung der Klägerin im Zeitraum vom bis zum .
2Die Klägerin ist seit dem bei der Beklagten beschäftigt. Nach § 2 des Arbeitsvertrags vom selben Tag richtet sich das Arbeitsverhältnis „nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) jeweils geltenden Fassung“. In der Zeit vom bis zum war die Klägerin aufgrund eines Änderungsvertrags vom als Sachgebietsleiterin „Finanzen und Abwicklung Grundstücksverkehr“ tätig. Ihr waren sieben Beschäftigte unterstellt, gegenüber denen sie die Dienst- und Fachaufsicht ausübte und weisungsbefugt war.
3In der von der Beklagten im Dezember 2020 erstellten Arbeitsplatzbeschreibung wird die auszuübende Tätigkeit der Klägerin wie folgt dargestellt:
4Die Beklagte vergütete die Klägerin nach Entgeltgruppe 10 Stufe 4 des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst in der für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) geltenden Fassung (TVöD/VKA).
5Mit Schreiben vom beantragte die Klägerin erfolglos „eine Höhergruppierung in eine höhere Entgeltgruppe (mindestens E11) rückwirkend zum Zeitpunkt der Übertragung“. Seit dem wird sie auf einer anderen, höher bewerteten Stelle beschäftigt.
6Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie sei im Streitzeitraum nach Entgeltgruppe 11 TVöD/VKA zu vergüten gewesen. Ihre Tätigkeit habe sich durch „besondere Schwierigkeit und Bedeutung“ aus einer solchen nach Entgeltgruppe 9c TVöD/VKA herausgehoben. Entgegen der Ansicht der Beklagten habe die Tätigkeit nicht aus mehreren, sondern aus einem einheitlichen Arbeitsvorgang bestanden. Es sei ausreichend, wenn in diesem Arbeitsvorgang Tätigkeiten von „besonderer Schwierigkeit und Bedeutung“ in rechtserheblichem Ausmaß anfielen. Sie habe darauf vertraut, dass die Beklagte mit Zahlung einer Vergütung nach Entgeltgruppe 10 TVöD/VKA anerkannt habe, jedenfalls zu einem Drittel der Gesamtarbeitszeit würden Arbeitsvorgänge mit solchen Tätigkeiten verrichtet. Daher trage die Beklagte nach den Grundsätzen der korrigierenden Rückgruppierung insoweit die Darlegungs- und Beweislast. Im Übrigen ergebe sich die „besondere Schwierigkeit und Bedeutung“ aus der ihr übertragenen Führungsverantwortung, ihren Aufgaben bei der Haushaltsplanung und -aufstellung und ihren Entscheidungen im Zusammenhang mit dem H-Kinder-Bauland-Bonus.
7Die Klägerin hat - nach Rücknahme eines auf die Zahlung der Differenzvergütung gerichteten Leistungsantrags in der Revisionsinstanz mit Zustimmung der Beklagten - zuletzt beantragt
8Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die darlegungs- und beweispflichtige Klägerin habe schon nicht schlüssig vorgetragen, ihre Tätigkeit sei von „besonderer Schwierigkeit und Bedeutung“. Die Grundsätze der korrigierenden Rückgruppierung seien nicht anzuwenden, da die Klägerin im gesamten Streitzeitraum nach Entgeltgruppe 10 TVöD/VKA vergütet worden sei. Ein Vertrauen in einen Anspruch auf Vergütung nach einer höheren Entgeltgruppe könne sich daraus nicht ergeben.
9Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Revision.
Gründe
10Die zulässige Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin im Ergebnis zutreffend zurückgewiesen. Die Klage ist mit dem durch die Klägerin gestellten Feststellungsantrag teilweise bereits unzulässig, im Übrigen unbegründet.
11I. Die Klage ist nur teilweise zulässig.
121. Der Feststellungsantrag ist für den Zeitraum vom bis zum als allgemein üblicher Eingruppierungsfeststellungsantrag zulässig (st. Rspr., etwa - Rn. 19). Das Feststellungsinteresse ist nicht deshalb entfallen, weil die Klägerin die Feststellung aufgrund der Änderung der von ihr auszuübenden Tätigkeit lediglich noch für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum begehrt. Der erforderliche Gegenwartsbezug besteht in der Geltendmachung einer (zukünftigen) Erfüllung einer höheren, konkret bezeichneten Vergütung aus dem in der Vergangenheit liegenden Zeitraum (vgl. - Rn. 12 mwN).
132. Der Antrag ist jedoch entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts unzulässig, soweit er sich auf den Zeitraum vom bis zum bezieht. Insoweit fehlt es am nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderlichen Feststellungsinteresse (vgl. hierzu ausf. - Rn. 15). Der Klägerin steht, da sie etwaige Ansprüche unstreitig nicht innerhalb der sechsmonatigen Ausschlussfrist (§ 37 TVöD/VKA) geltend gemacht hat, auch nach ihrer eigenen Auffassung für diesen Zeitraum kein weiterer Vergütungsanspruch zu. Ein Feststellungsinteresse besteht auch nicht im Hinblick auf die Stufenlaufzeiten. Die durch die Klägerin begehrte Stufe ist weder im Antrag genannt noch ist für den Fall, dass der Klägerin eine Vergütung nach Entgeltgruppe 11 TVöD/VKA zustehen sollte, ein Streit zwischen den Parteien über die Stufenlaufzeit ersichtlich.
14II. Soweit die Klage zulässig ist, ist sie unbegründet. Die Klägerin hatte im Streitzeitraum keinen Anspruch auf Zahlung einer Vergütung nach Entgeltgruppe 11 TVöD/VKA.
151. Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich gemäß § 2 des Arbeitsvertrags in Folge der Tarifsukzession im öffentlichen Dienst (vgl. hierzu - Rn. 20) nach dem TVöD/VKA.
162. Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, dass es sich bei den der Klägerin übertragenen Aufgaben als Sachgebietsleiterin um einen einheitlichen Arbeitsvorgang handelt.
17a) Gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 TVöD/VKA ist die Beschäftigte in der Entgeltgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmalen die gesamte von ihr nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht. Das ist der Fall, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Entgeltgruppe erfüllen. Bezugspunkt der tariflichen Bewertung ist danach der Arbeitsvorgang ( - Rn. 19; - 4 AZR 327/20 - Rn. 16).
18b) Maßgebend für die Bestimmung des Arbeitsvorgangs ist das Arbeitsergebnis. Für die Beurteilung, ob eine oder mehrere Einzeltätigkeiten zu einem Arbeitsergebnis führen, sind eine natürliche Betrachtungsweise und die durch die Arbeitgeberin vorgenommene Arbeitsorganisation ausschlaggebend. Dabei kann die gesamte vertraglich geschuldete Tätigkeit einen einzigen Arbeitsvorgang ausmachen. Einzeltätigkeiten können dann nicht zusammengefasst werden, wenn die verschiedenen Arbeitsschritte von vornherein auseinandergehalten und organisatorisch voneinander getrennt sind. Hierfür reicht jedoch die theoretische Möglichkeit, einzelne Arbeitsschritte oder Einzelaufgaben verwaltungstechnisch isoliert auf andere Beschäftigte zu übertragen, nicht aus. Bei der Zuordnung zu einem Arbeitsvorgang können wiederkehrende und gleichartige Tätigkeiten zusammengefasst werden. Dem Arbeitsvorgang hinzuzurechnen sind dabei nach Satz 1 der Protokollerklärung zu § 12 Abs. 2 TVöD/VKA auch Zusammenhangsarbeiten. Das sind solche, die aufgrund ihres engen Zusammenhangs mit bestimmten Aufgaben einer Beschäftigten bei der tariflichen Bewertung zwecks Vermeidung tarifwidriger „Atomisierung“ der Arbeitseinheiten nicht abgetrennt werden dürfen, sondern diesen zuzurechnen sind. Die tarifliche Wertigkeit der verschiedenen Einzeltätigkeiten oder Arbeitsschritte bleibt dabei zunächst außer Betracht. Erst nachdem die Bestimmung des Arbeitsvorgangs erfolgt ist, ist dieser anhand des in Anspruch genommenen Tätigkeitsmerkmals zu bewerten ( - Rn. 20; ausf. - Rn. 20 ff. [zu § 22 BAT]; - 4 AZR 195/20 - Rn. 27 ff., BAGE 172, 130 [zu § 12 TV-L]).
19c) Der Begriff des „Arbeitsvorgangs“ ist ein feststehender, abstrakter, von den Tarifvertragsparteien vorgegebener Rechtsbegriff. Seine Anwendung durch die Tatsachengerichte ist revisionsrechtlich in vollem Umfang nachprüfbar (st. Rspr., vgl. zB - 4 AZR 354/21 - Rn. 21).
20d) Danach bestand die von der Klägerin im Streitzeitraum auszuübende Tätigkeit als Sachgebietsleiterin aus einem einheitlichen Arbeitsvorgang. Sowohl die Leitungsaufgaben als auch die Grundsatz- und Sonderaufgaben dienten dem Arbeitsergebnis der Leitung des Sachgebiets „Finanzen und Abwicklung Grundstücksverkehr“. Eine organisatorische Trennung der unmittelbaren Leitungsaufgaben von den weiteren Tätigkeiten ist nicht erfolgt. Bei der Bearbeitung der Grundsatz- und Sonderaufgaben musste die Klägerin jederzeit mit der Übernahme von Leitungsaufgaben rechnen (vgl. für einen Leiter des Sachgebiets Allgemeiner Sozialer Dienst - Rn. 25; für eine Praxisanleiterin - Rn. 20 mwN). Eine Trennung lässt sich auch nicht der Auflistung der Tätigkeiten unter unterschiedlichen Überschriften in der Arbeitsplatzbeschreibung entnehmen. Sie vermag zudem die notwendige rechtliche Bewertung zur Bestimmung von Arbeitsvorgängen entsprechend den tariflichen Vorgaben durch die Gerichte nicht zu ersetzen (vgl. - Rn. 15).
21Dabei ist entgegen der Auffassung der Beklagten unerheblich, dass es sich bei der Tätigkeit der Klägerin nicht um ein sog. Funktionsmerkmal (sh. dazu - Rn. 23 mwN) handelt. Soweit der Senat in früheren Entscheidungen unter Hinweis auf das Fehlen eines Funktionsmerkmals getrennte Arbeitsvorgänge angenommen hat (zB - zu 2 c der Gründe; - 4 AZR 482/94 - zu II 2 c der Gründe), erfolgte dies allein unter der Prämisse, dass tatsächlich trennbare Tätigkeiten mit unterschiedlicher Wertigkeit nicht zu einem Arbeitsvorgang zusammengefasst werden dürften. Diese Rechtsprechung hat der Senat aufgegeben (ausf. hierzu - Rn. 53 ff. mwN, BAGE 172, 130).
223. Die maßgebenden Tätigkeitsmerkmale im Teil A Abschnitt I Nr. 3 der Anlage 1 - Entgeltordnung (VKA) zum TVöD/VKA lauten:
234. Die Klägerin ist der ihr obliegenden Darlegungs- und Beweislast für die Erfüllung der tariflichen Anforderungen der Entgeltgruppe 11 TVöD/VKA nicht nachgekommen.
24a) Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin die Darlegungs- und Beweislast für die Erfüllung des von ihr in Anspruch genommenen Tätigkeitsmerkmals trägt. Im Grundsatz muss die Beschäftigte die tatsächlichen Voraussetzungen einer von ihr klageweise begehrten Eingruppierung im Prozess darlegen und beweisen ( - Rn. 27; - 4 AZR 252/19 - Rn. 30).
25aa) Die Beklagte hat keine korrigierende Rückgruppierung vorgenommen, die zu einer Änderung der Darlegungs- und Beweislast geführt hätte.
26(1) Im Fall einer sog. korrigierenden Rückgruppierung, dh. bei einer beabsichtigten Zuordnung zu einer niedrigeren als der bisher als zutreffend angenommenen Entgeltgruppe, obliegt der Arbeitgeberin, wenn sich die Beschäftigte auf die ihr von der Arbeitgeberin zuvor als maßgebend mitgeteilte Entgeltgruppe beruft, die Darlegungs- und Beweislast für die objektive Fehlerhaftigkeit der bisherigen Eingruppierung ( - Rn. 27 mwN).
27Die spezifische Darlegungs- und Beweislast bei einer korrigierenden Rückgruppierung setzt einen „begrenzten Vertrauensschutz“ um, den die Beschäftigte aufgrund der Mitteilung der von der Arbeitgeberin vorgenommenen ursprünglichen Eingruppierung in Anspruch nehmen kann. Die Arbeitgeberin ist aufgrund ihrer Sachnähe und Kompetenz verpflichtet, die Eingruppierung sorgfältig und korrekt vorzunehmen. Die hierbei vertrauensbegründende Sorgfalt und Kompetenz bezieht sich jedoch nicht allein auf die Mitteilung der maßgebenden Entgeltgruppe innerhalb der jeweiligen Entgeltordnung. Sie erfasst auch die von der Arbeitgeberin aufgrund einer Bewertung vorgenommene Zuordnung der Tätigkeit der Beschäftigten sowie die von ihr angenommene Erfüllung von Anforderungen des konkreten Tätigkeitsmerkmals einer Entgeltordnung. Auf die Richtigkeit gerade dieses Bewertungs- und Zuordnungsvorgangs darf eine Beschäftigte vertrauen ( - Rn. 28; - 4 AZR 521/11 - Rn. 20).
28(2) Eine korrigierende Rückgruppierung hat die Beklagte nicht vorgenommen. Sie hat die Klägerin im gesamten Streitzeitraum nach Entgeltgruppe 10 TVöD/VKA vergütet.
29bb) Der vorliegende Fall ist auch kein solcher, bei dem die für die korrigierende Rückgruppierung entwickelte Rechtsprechung ebenfalls angewendet werden kann.
30(1) Die Grundsätze der korrigierenden Rückgruppierung gelten ihrem Sinn und Zweck nach auch in solchen Fällen, in denen die Arbeitgeberin durch Abkehr von der der Beschäftigten früher mitgeteilten und in der Folgezeit praktizierten Eingruppierung eine Vergütungssteigerung in der Zukunft zu verhindern sucht (vgl. zur Vermeidung eines Höhergruppierungsantrags nach § 29b TVÜ-VKA - Rn. 30 ff.; zur Überleitung in eine neue Entgeltordnung - Rn. 19; zum Bewährungsaufstieg - zu II 3 der Gründe; - 4 AZR 157/99 - zu I 3 a bb (2) der Gründe, BAGE 94, 287). Die Übertragung der Grundsätze der korrigierenden Rückgruppierung ist aber nur dann berechtigt, wenn sich aus der durch die Arbeitgeberin zunächst angenommenen Entgeltgruppe oder dem mitgeteilten Tätigkeitsmerkmal zwingend die tarifliche Voraussetzung auch der begehrten Entgeltgruppe ergibt ( - zu II 4 a der Gründe; - 4 AZR 232/99 - zu 2 c bb der Gründe).
31(2) Entgegen der Auffassung der Klägerin ist eine solche Fallgestaltung vorliegend nicht gegeben.
32(a) Aus der durch die Beklagte mitgeteilten Entgeltgruppe 10 TVöD/VKA ergibt sich nicht zwingend die Erfüllung des durch die Klägerin in Anspruch genommenen Tätigkeitsmerkmals der Entgeltgruppe 11 TVöD/VKA. Die Beklagte ist vom Vorliegen mehrerer Arbeitsvorgänge ausgegangen, die nur zum Teil die tarifliche Anforderung der „besonderen Schwierigkeit und Bedeutung“ erfüllten. Der zeitliche Anteil dieser Arbeitsvorgänge an der Gesamttätigkeit betrug ihrer Würdigung nach mehr als ein Drittel, aber weniger als die Hälfte. Eine Eingruppierung in Entgeltgruppe 11 TVöD/VKA würde jedoch erfordern, dass zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die diese Anforderung erfüllen. Das wäre vorliegend aber nur dann der Fall, wenn entweder - wovon die Klägerin ausgeht - die Bestimmung der Arbeitsvorgänge durch die Beklagte fehlerhaft erfolgt ist oder mindestens ein weiterer Arbeitsvorgang das Tarifmerkmal der „besonderen Schwierigkeit und Bedeutung“ erfüllt und die Bewertung der Beklagten insoweit fehlerhaft gewesen wäre. Wäre hingegen die Beurteilung der Beklagten korrekt, lägen nicht im erforderlichen zeitlichen Umfang Arbeitsvorgänge vor, bei denen Tätigkeiten von „besonderer Schwierigkeit und Bedeutung“ anfallen.
33(b) Die Klägerin konnte nicht darauf vertrauen, nach einer Korrektur der Bestimmung der Arbeitsvorgänge und Vorliegen eines einheitlichen Arbeitsvorgangs erfülle dieser zwingend insgesamt die Anforderung der „besonderen Schwierigkeit und Bedeutung“. Ändert sich aufgrund neuer Bewertung der zeitliche Umfang des Arbeitsvorgangs, ist eine eigenständige Prüfung erforderlich, ob eine Tätigkeit, die ein Heraushebungsmerkmal erfüllt, im erforderlichen Umfang innerhalb des Arbeitsvorgangs auszuüben ist. Dies ist nicht zwingend der Fall ( - Rn. 34 ff.). Die Klägerin hat damit nicht auf eine Mitteilung der Beklagten vertraut, sondern im Hinblick auf die Bestimmung der Arbeitsvorgänge und das Vorliegen der Heraushebungsmerkmale eigene rechtliche Schlussfolgerungen gezogen, die die Beklagte ihrer Auffassung nach ebenfalls hätte ziehen müssen.
34(c) Ein Vertrauen in die Bewertung der Beklagten scheidet zudem aus, weil die Klägerin deren Bewertung jedenfalls teilweise - in Bezug auf die Bestimmung der Arbeitsvorgänge - für fehlerhaft hält. Damit zieht sie gerade in Zweifel, dass deren Bewertung mit der erforderlichen Sorgfalt und Kompetenz vorgenommen worden ist.
35(d) Entgegen der Auffassung der Klägerin wird dadurch, dass die Beklagte nunmehr das Vorliegen von Tätigkeiten mit „besonderer Schwierigkeit und Bedeutung“ in rechtserheblichem Ausmaß bestreitet, nicht einem „Höhergruppierungsantrag“ die Grundlage entzogen. Bei dem „Antrag“ der Klägerin handelt es sich nicht um einen im TVöD/VKA oder TVÜ-VKA vorgesehenen. Vielmehr legt die Klägerin - unabhängig von einer Überleitung in eine neue Entgeltordnung - lediglich ihre Rechtsauffassung dar, nach der ihre Tätigkeit höher zu bewerten sei.
36b) Die Klägerin ist der ihr obliegenden Darlegungslast nicht nachgekommen. Dabei kann zu ihren Gunsten unterstellt werden, dass sie eine Tätigkeit ausgeübt hat, die gründliche, umfassende Fachkenntnisse und selbstständige Leistungen erfordert sowie besonders verantwortungsvoll ist, also die tariflichen Anforderungen der Entgeltgruppe 9c TVöD/VKA erfüllte. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, sie habe nicht dargetan, die von ihr auszuübende Tätigkeit habe sich zudem durch ihre „Bedeutung“ aus dieser Entgeltgruppe herausgehoben, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Es kommt daher nicht darauf an, ob die Tätigkeit von „besonderer Schwierigkeit“ war.
37aa) Beruft sich die darlegungs- und beweisbelastete Beschäftigte - wie vorliegend - auf die Erfüllung eines Tätigkeitsmerkmals einer höheren Entgeltgruppe, welches auf dem einer niedrigeren Entgeltgruppe aufbaut und eine zusätzliche tarifliche Anforderung - „Heraushebungsmerkmal“ - vorsieht, erschließt sich deren genauer Inhalt erst durch eine Darstellung der Tätigkeit der Ausgangsentgeltgruppe und deren Anforderungen. In diesem Fall ist daher nicht ausreichend, wenn die Beschäftigte die ihr übertragenen Aufgaben im Einzelnen darstellt. Vielmehr ist darüber hinaus ein Vorbringen erforderlich, das erkennen lässt, wodurch sich eine bestimmte Tätigkeit von der in der Ausgangsentgeltgruppe bewerteten „Normaltätigkeit“ unterscheidet. Dieser Vortrag muss dem Gericht einen Vergleich zwischen der Tätigkeit der Ausgangsentgeltgruppe und der unter das höher bewertete Tarifmerkmal fallenden erlauben (st. Rspr., vgl. - Rn. 42; ausf. - Rn. 30 ff.).
38bb) Für die tarifliche Anforderung der gesteigerten „Bedeutung“ genügt eine deutlich wahrnehmbare Heraushebung. Sie muss sich auf die Auswirkungen der Tätigkeit beziehen und kann sich aus Art oder Größe des Aufgabengebiets sowie aus der Tragweite für den innerdienstlichen Bereich und die Allgemeinheit ergeben ( - Rn. 40 mwN zur insoweit inhaltsgleichen Vergütungsordnung des BAT).
39cc) Das Urteil des Landesarbeitsgerichts unterliegt, soweit es sich um die Anwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs der „Bedeutung“ handelt, lediglich einer eingeschränkten Überprüfung. Es kann in der Revisionsinstanz nur dahingehend überprüft werden, ob es den Rechtsbegriff als solchen erkannt und ihn bei der Subsumtion beibehalten hat, ob es Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat sowie darauf, ob es in sich widerspruchsfrei ist ( - Rn. 41; zum Prüfungsmaßstab - Rn. 32 mwN).
40dd) Danach ist die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Klägerin habe es nicht vermocht darzulegen, dass das Heraushebungsmerkmal der Bedeutung auch nur in rechtlich erheblichem Ausmaß vorliege, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Berufungsgericht hat seiner rechtlichen Bewertung durch Bezugnahme auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts die zutreffenden Grundsätze zugrunde gelegt. Es ist ferner unter Berücksichtigung der von der Klägerin vorgetragenen Umstände und wiederum Bezugnahme auf die erstinstanzliche Entscheidung davon ausgegangen, weder aus der Führungsverantwortung der Klägerin noch den Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Haushaltsplanung und -aufstellung oder den Entscheidungen zum H-Kinder-Bauland-Bonus ergebe sich nach einem wertenden Vergleich die erforderliche Bedeutung der Tätigkeit. Das lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Mit ihrer Revision hat sich die Klägerin auch nicht mehr gegen diese Wertung gewendet.
41III. Die Klägerin hat die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2023:160823.U.4AZR339.22.0
Fundstelle(n):
BB 2023 S. 2547 Nr. 44
DB 2024 S. 463 Nr. 8
DB 2024 S. 463 Nr. 8
NJW 2023 S. 10 Nr. 43
SAAAJ-51108