BAG Urteil v. - 4 AZR 322/22

Korrigierende Rückgruppierung - Höhergruppierungsantrag

Leitsatz

Eine von der Arbeitgeberin aufgrund eines Höhergruppierungsantrags nach § 29b Abs. 1 TVÜ-VKA vorgenommene Zuordnung der Tätigkeit zu einem neuen Tätigkeitsmerkmal der Anlage 1 - Entgeltordnung (VKA) zum TVöD/VKA kann nach den Grundsätzen zur korrigierenden Rückgruppierung berichtigt werden. Die auf einen solchen Antrag gestützte Zuordnung zu einer höheren Entgeltgruppe beruht nicht auf der Überprüfung und anschließenden Berichtigung einer nunmehr als fehlerhaft erkannten Zuordnung zu einer bestimmten Entgeltgruppe. Vielmehr handelt es sich um eine erstmalige Eingruppierungsentscheidung, auf die ohne das Hinzutreten besonderer Umstände die Grundsätze zur sog. wiederholten korrigierenden Rückgruppierung nicht angewendet werden können.

Gesetze: § 29b Abs 1 TVÜ-VKA, Anl 1 Teil B Abschn XI Nr 6 Entgeltgr 9b TVöD, § 12 TVöD, § 29a TVÜ-VKA, § 242 BGB

Instanzenzug: ArbG Dresden Az: 11 Ca 967/20 Urteilvorgehend Sächsisches Landesarbeitsgericht Az: 3 Sa 167/21 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung der Klägerin.

2Die Klägerin ist seit dem in von der Beklagten betriebenen Kliniken der Neurologie und Akutgeriatrie als Ergotherapeutin beschäftigt. Zunächst erfolgte dies auf Grundlage eines befristeten Arbeitsvertrags von Januar 2016, welcher auszugsweise wie folgt lautete:

3Am schlossen die Parteien einen weiteren Arbeitsvertrag, der eine unbefristete Beschäftigung der Klägerin ab dem vorsah und ua. nachstehende Bestimmungen enthielt:

4Auf eine ihre Eingruppierung betreffende Antragstellung vom teilte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom Folgendes mit:

5Die Parteien schlossen am 1./ einen Änderungsvertrag, der ua. folgende Bestimmung enthielt:

6Mit E-Mail vom teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie eine korrigierende Rückgruppierung in die Entgeltgruppe 9a Stufe 3 TVöD/VKA für die Zeit ab dem vornehmen werde. Unbeschadet eines vom Personalrat im Rahmen seiner Beteiligung geäußerten Widerspruchs setzte die Beklagte ihre Ankündigung um.

7Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie sei weiterhin nach Entgeltgruppe 9b TVöD/VKA zu vergüten. Eine korrigierende Rückgruppierung sei der Beklagten aus Gründen des Vertrauensschutzes verwehrt. Diese sei außerdem deshalb unwirksam, da der Personalrat nicht ordnungsgemäß beteiligt worden sei. Zudem seien die Tätigkeitsmerkmale der Entgeltgruppe 9b TVöD/VKA erfüllt, da sie zeitlich überwiegend die Aufgabe „Ergotherapie bei Patientinnen und Patienten mit Demenz“ erbringe. Maßgebend sei dabei allein eine vorliegendeDemenz unabhängig davon, ob diese bereits im Behandlungszeitpunkt diagnostiziert worden sei.

8Die Klägerin hat zuletzt beantragt

9Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die tarifliche Anforderung sei nur dann erfüllt, wenn bei den Patientinnen und Patienten im Zeitpunkt der ergotherapeutischen Behandlung eine Demenzerkrankung ärztlich diagnostiziert sei. Eine solche Tätigkeit übe die Klägerin nicht mindestens zur Hälfte ihrer Arbeitszeit aus. Der Anteil von Patientinnen und Patienten mit gesicherter Demenzdiagnose habe in den Kliniken, in denen die Klägerin beschäftigt sei, im Jahr 2017 nur 10,3 vH, im darauffolgenden Jahr 9,1 vH und im ersten Halbjahr 2019 lediglich 8,5 vH betragen. Diese Patientinnen und Patienten seien gleichmäßig auf alle Ergotherapeuten verteilt worden. Die Rückgruppierung sei auch nicht rechtsmissbräuchlich. Die Tätigkeit der Klägerin sei erstmals aufgrund ihres Antrags aus dem Monat Dezember 2017 nach einem neuen Tätigkeitsmerkmal der Anlage 1 - Entgeltordnung (VKA) zum TVöD/VKA bewertet und der Entgeltgruppe 9b TVöD/VKA zugeordnet worden.

10Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht der Klage stattgegeben. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Revision.

Gründe

11Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Das Landesarbeitsgericht durfte der Berufung nicht mit der gegebenen Begründung stattgeben. Ob die Klage begründet ist, kann der Senat nicht abschließend entscheiden. Hierfür fehlt es an den erforderlichen Feststellungen durch das Landesarbeitsgericht. Das führt zur Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

12I. Die Klage ist als allgemein übliche Eingruppierungsfeststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO zulässig (st. Rspr., etwa  - Rn. 12). Insbesondere besteht das erforderliche Feststellungsinteresse. Durch die Entscheidung über den Antrag wird der Streit der Parteien insgesamt bereinigt. Soweit die Klägerin im Antrag neben der Entgeltgruppe eine bestimmte Stufe nennt, ist dies lediglich als Klarstellung bezogen auf den im Antrag genannten Zeitpunkt und nicht als selbstständiges Feststellungsbegehren zu verstehen. Die Stufe steht zwischen den Parteien nicht im Streit (sh. dazu  - Rn. 19).

13II. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Klägerin sei ab dem weiterhin nach Entgeltgruppe 9b Stufe 3 TVöD/VKA zu vergüten, ist nicht frei von Rechtsfehlern. Die von der Beklagten vorgenommene korrigierende Rückgruppierung verstößt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB).

141. Im Fall einer sog. korrigierenden Rückgruppierung, dh. bei einer beabsichtigten Zuordnung zu einer niedrigeren als der bisher von der Arbeitgeberin als zutreffend angenommenen Entgeltgruppe, ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hinsichtlich des der Arbeitnehmerin zu gewährenden Vertrauensschutzes in die Richtigkeit der zuvor als maßgebend mitgeteilten Entgeltgruppe zwischen zwei Fallgestaltungen zu unterscheiden.

15a) Grundsätzlich kann eine Beschäftigte aufgrund der Mitteilung der von der Arbeitgeberin vorgenommenen ursprünglichen Eingruppierung lediglich einen „begrenzten Vertrauensschutz“ in Anspruch nehmen. Die Arbeitgeberin ist aufgrund ihrer Sachnähe und Kompetenz verpflichtet, die Eingruppierung sorgfältig und korrekt vorzunehmen. Die hierbei vertrauensbegründende Sorgfalt und Kompetenz bezieht sich nicht allein auf die Mitteilung der maßgebenden Entgeltgruppe innerhalb der jeweiligen Entgeltordnung. Sie erfasst auch die von der Arbeitgeberin aufgrund einer Bewertung vorgenommene Zuordnung der Tätigkeit der Beschäftigten sowie die von ihr angenommene Erfüllung von Anforderungen des konkreten Tätigkeitsmerkmals einer Entgeltordnung. Auf die Richtigkeit gerade dieses Bewertungs- und Zuordnungsvorgangs darf eine Beschäftigte vertrauen. In Umsetzung des Vertrauensschutzes obliegt der Arbeitgeberin die Darlegungs- und Beweislast für die objektive Fehlerhaftigkeit der bisherigen Eingruppierung, wenn sich eine Beschäftigte auf die von der Arbeitgeberin zuvor als maßgebend mitgeteilte Entgeltgruppe beruft ( - Rn. 27 f. mwN, BAGE 177, 338).

16b) Im Einzelfall kann das Vertrauen in die Richtigkeit einer vormaligen Eingruppierung allerdings in so hohem Maße schutzwürdig sein, dass eine korrigierende Rückgruppierung durch die Arbeitgeberin gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens („venire contra factum proprium“) als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstößt. Hierfür müssen besondere Umstände vorliegen, aufgrund derer das Berufen der Arbeitgeberin auf eine Fehlerhaftigkeit der bisherigen tariflichen Bewertung als treuwidrig erscheint.

17aa) Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn durch das Verhalten der Arbeitgeberin - bewusst oder unbewusst - für die Arbeitnehmerin ein schützenswer-tes Vertrauen auf den Fortbestand des Bisherigen geschaffen worden ist. Ein solches Vertrauen kann auch durch Umstände begründet werden, die nach der Eingruppierung eingetreten sind. Schützenswertes Vertrauen kann sich zudem aus der Gesamtschau einzelner Umstände ergeben, von denen jeder für sich allein keinen hinreichenden Vertrauenstatbestand begründen kann ( - Rn. 21, BAGE 161, 170).

18bb) Regelmäßig treuwidrig und deshalb von Rechts wegen ausgeschlossen ist danach eine wiederholte korrigierende Rückgruppierung der Arbeitnehmerin bei unveränderter Tätigkeit und Tarifrechtslage. Durch die nunmehr gewonnene Erkenntnis der Arbeitgeberin, wie die Arbeitnehmerin tarifgerecht eingruppiert ist, misst sie ihr ein höheres Maß an Richtigkeitsgewähr bei als der vorherigen, jetzt korrigierten Eingruppierung. Die Arbeitnehmerin muss daher nicht damit rechnen, die Arbeitgeberin werde die nunmehrige, die Beseitigung eines - angeblichen - Eingruppierungsfehlers beinhaltende Korrektur selbst erneut in Frage stellen ( - Rn. 22, BAGE 161, 170). Das erhöhte Maß an Richtigkeitsgewähr kann sich auch dadurch ergeben, dass die Arbeitgeberin im Rahmen einer Höhergruppierung eine erneute Überprüfung der ursprünglichen Eingruppierung vornimmt und diese - mittelbar - bestätigt. Schließlich kann auch ein anderweitiges Verhalten der Arbeitgeberin als vertrauensbegründendes Element in Betracht kommen, wenn es auf eine besondere Bestätigung der Eingruppierung gerichtet ist (vgl.  - Rn. 24, 29, 32, aaO).

192. Nach diesen Maßstäben ist es der Beklagten entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht verwehrt, gegenüber der Klägerin eine korrigierende Rückgruppierung vorzunehmen.

20a) Die Würdigung der Tatsachengerichte, ob bei einer bestimmten Sachlage ein Verstoß gegen Treu und Glauben iSv. § 242 BGB vorliegt, ist in der Revisionsinstanz als Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs nur eingeschränkt überprüfbar. Die Überprüfung ist darauf beschränkt, ob das Berufungsgericht vom zutreffenden Rechtsbegriff ausgegangen ist, ob es diesen bei der Subsumtion beibehalten hat, ob ihm bei seiner Anwendung keine Verstöße gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze unterlaufen sind und ob es alle entscheidungserheblichen Umstände berücksichtigt hat ( - Rn. 25 mwN, BAGE 161, 170).

21b) Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts hält diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab nicht stand. Die auf einen Antrag der Klägerin nach § 29b Abs. 1 TVÜ-VKA gestützte Höhergruppierung zu Beginn des Jahres 2018 begründet kein über einen „begrenzten Vertrauensschutz“ hinausgehendes gesteigertes Vertrauen. Bei der damals vorgenommenen Zuordnung der Tätigkeit der Klägerin zur Entgeltgruppe 9b TVöD/VKA handelt es sich um eine erstmalige Eingruppierungsentscheidung nach Maßgabe der Anlage 1 - Entgeltordnung (VKA) zum TVöD/VKA.

22aa) Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden aufgrund der Bezugnahmeklausel in § 3 des Arbeitsvertrags die Bestimmungen des TVöD/VKA einschließlich des Tarifvertrags zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-VKA) Anwendung. Bei der Bezugnahmeregelung handelt es sich bereits nach dem äußeren Erscheinungsbild um eine Klausel in einem Formularvertrag, die nach den Bestimmungen über allgemeine Geschäftsbedingungen auszulegen ist (vgl.  - Rn. 16). Es kann allerdings vorliegend dahinstehen, ob diese einer Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB (namentlich § 308 Nr. 4, § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) stand hielte. Jedenfalls könnte sich die Beklagte als Klauselverwenderin hierauf gegenüber der eine Vergütung nach dem TVöD/VKA begehrenden Klägerin nicht berufen (vgl.  - Rn. 40 mwN, BAGE 174, 382).

23bb) Die maßgebenden Tätigkeitsmerkmale im Teil B Abschnitt XI - „Beschäftigte in Gesundheitsberufen“ - der Anlage 1 - Entgeltordnung (VKA) zum TVöD/VKA lauten wie folgt:

24cc) Auch nach Inkrafttreten der Anlage 1 - Entgeltordnung (VKA) zum TVöD/VKA am verbleibt es grundsätzlich bei der bis zum zutreffenden Eingruppierung. Nach § 29 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-VKA gelten für die in den TVöD übergeleiteten Beschäftigten sowie für die zwischen dem Inkrafttreten des TVöD/VKA und dem neu eingestellten Beschäftigten, deren Arbeitsverhältnis über den hinaus fortbesteht, ab dem für (Neu-)Eingruppierungen §§ 12, 13 TVöD/VKA iVm. der Anlage 1 - Entgeltordnung (VKA) zum TVöD/VKA. Eine Überprüfung und Neufeststellung der Eingruppierung anhand dieser Vorschriften fand jedoch anlässlich der Überleitung in die Entgeltordnung nicht statt (§ 29a Abs. 1 Satz 2 TVÜ-VKA). Vielmehr erfolgte die Überleitung zum gemäß § 29a Abs. 1 Satz 1 TVÜ-VKA unter Beibehaltung der bisherigen Entgeltgruppe. Dies ist nach der Protokollerklärung zu § 29a Abs. 1 TVÜ-VKA diejenige, die nach Anlage 1 oder 3 TVÜ-VKA in der bis zum geltenden Fassung der Vergütungsgruppe des Bundes-Angestelltentarifvertrags (BAT), deren tarifliche Anforderungen die Tätigkeit erfüllte, zugeordnet war (vgl.  - Rn. 15).

25dd) Eine Ausnahme besteht für die in § 29b Abs. 1 TVÜ-VKA geregelte Fallgestaltung. Danach kommt bei unveränderter Tätigkeit eine Eingruppierung nach § 12 TVöD/VKA nur in Betracht, wenn sich nach der Anlage 1 - Entgeltordnung (VKA) zum TVöD/VKA eine höhere Entgeltgruppe als in der Anlage 1 oder 3 TVÜ-VKA vorgesehen ergibt und die Beschäftigte bis zum eine dementsprechende Eingruppierung beantragt hat ( - Rn. 19).

26ee) Die von der Beklagten zu Beginn des Jahres 2018 auf einen Höhergruppierungsantrag der Klägerin nach § 29b Abs. 1 TVÜ-VKA gestützte Zuordnung zur höheren Entgeltgruppe 9b TVöD/VKA beruht nicht auf einer Überprüfung und anschließenden Korrektur einer nunmehr für rechtsfehlerhaft erachteten vormaligen Eingruppierung. Es liegt eine erstmalige Eingruppierungsentscheidung nach einem neuen Tätigkeitsmerkmal der Anlage 1 - Entgeltordnung (VKA) zum TVöD/VKA vor, von der kein erhöhtes Maß an Richtigkeitsgewähr ausgeht, welches einer korrigierenden Rückgruppierung nach den dargestellten Maßstäben (Rn. 14 ff.) entgegensteht.

27(1) Die Beklagte hat die Anfang Februar 2018 vorgenommene Höhergruppierung auf Grundlage des neuen Tätigkeitsmerkmals der Entgeltgruppe 9b TVöD/VKA in der zum in Kraft getretenen neuen Entgeltordnung vorgenommen. Unter Anwendung der vormaligen Tätigkeitsmerkmale für Beschäftigungstherapeuten (zur früheren Terminologie für die Ergotherapeuten sh. Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TVöD Teil IIIb Stand November 2023 EntgO VKA - B XI - Gesundheitsberufe Rn. 757) des Teils II Abschnitt D der Anlage 1a zum BAT kam eine Überleitung nach den Bestimmungen des TVÜ-VKA in die Entgeltgruppe 9b TVöD/VKA nicht in Betracht.

28(2) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts konnte die Klägerin nicht davon ausgehen, die Beklagte habe bereits zuvor die Zuordnung ihrer Tätigkeit zur Entgeltgruppe 8 TVöD/VKA anhand der neuen Entgeltordnung über-prüft und diese erst nach der Höhergruppierung in die Entgeltgruppe 9b TVöD/VKA aufgrund einer erst danach als fehlerhaft erkannten Bewertung korrigieren wollen.

29(a) Eine solche Annahme kann - anders als das Landesarbeitsgericht es meint - nicht auf den Umstand gestützt werden, dass im Arbeitsvertrag vom in § 4 Abs. 1 der Klammerzusatz „§ 12 TVöD-VKA“ aufgenommen wurde. Dies lässt nicht den Schluss zu, die Beklagte habe die Eingruppierung anhand der neuen Entgeltordnung überprüft. Zwar sieht § 12 TVöD/VKA vor, dass sich die Eingruppierung einer Beschäftigten nach den Tätigkeitsmerkmalen der Anlage 1 - Entgeltordnung (VKA) richtet. Nach § 29a Abs. 1 Satz 1 TVÜ-VKA fand aber bei unveränderter Tätigkeit eine Überprüfung und Neufeststellung der Eingruppierung nicht statt (Rn. 24). Einen hierfür erforderlichen konstitutiv wirkenden Höhergruppierungsantrag nach § 29b TVÜ-VKA (vgl.  - Rn. 20) hatte die Klägerin zum damaligen Zeitpunkt noch nicht gestellt. Die Zuordnung ihrer Tätigkeit zur Entgeltgruppe 8 TVöD/VKA im Arbeitsvertrag vom erfolgte daher - ebenso wie die im Arbeitsvertrag aus Januar 2016 - nach den vormaligen Tätigkeitsmerkmalen für Beschäftigungstherapeuten.

30(b) Eine andere Beurteilung hat auch nicht aufgrund des Schreibens der Beklagten vom an die Klägerin zu erfolgen. Aus diesem ergibt sich, wenngleich § 29b Abs. 1 TVÜ-VKA nicht ausdrücklich genannt wird, dass die Höhergruppierung auf einen entsprechenden „Antrag“ der Klägerin gestützt wird und auf der Einführung der seit geltenden (neuen) Entgeltordnung beruht. Anhaltspunkte dafür, es handele sich um eine erneute Überprüfung anhand der neuen Entgeltordnung, können dem Schreiben nicht entnommen werden.

31ff) Es sind zudem keine weiteren Umstände ersichtlich, die die Annahme rechtfertigen könnten, die vorgenommene korrigierende Rückgruppierung sei treuwidrig. Soweit die Beklagte im Schreiben vom mitteilt, die Höhergruppierung beruhe auf einer umfassenden Prüfung der aktuellen Stellenbeschreibung, wird damit lediglich diejenige Sorgfalt umschrieben, die einen „begrenzten Vertrauensschutz“ begründen kann. Ein weitergehender Vertrauensschutz folgt schließlich nicht aus der dort enthaltenen Erwähnung, es handele sich um eine „abschließende“ Mitteilung. Mit dieser Formulierung wird lediglich zum Ausdruck gebracht, dass es sich um die endgültige Stellungnahme zum Höhergruppierungsantrag der Klägerin handele. Eine weitergehende - vertrauensbegründende - Aussage, wonach eine Überprüfung dieser Höhergruppierung seitens der Beklagten ausgeschlossen werde, ergibt sich daraus nicht.

32III. Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung der Berufungsentscheidung (§ 562 Abs. 1 ZPO) und Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der Senat kann auf Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen nicht abschließend beurteilen, ob die Klägerin ab dem weiterhin eine Vergütung nach Entgeltgruppe 9b Stufe 3 TVöD/VKA beanspruchen kann (§ 563 Abs. 3 ZPO).

331. Das Landesarbeitsgericht hat - aus seiner Sicht konsequent - keine Feststellungen dazu getroffen, welche konkreten Aufgaben die Klägerin wahrnimmt und wie die Arbeitsorganisation ausgestaltet ist. Dies wird es nachzuholen und anschließend zu bestimmen haben, ob die Tätigkeit der Klägerin ab dem aus einem einheitlichen Arbeitsvorgang oder mehreren Arbeitsvorgängen besteht (vgl. dazu etwa  - Rn. 18; ausf. - 4 AZR 275/20 - Rn. 20 ff. [zu § 22 BAT]; - 4 AZR 195/20 - Rn. 27 ff., BAGE 172, 130 [zu § 12 TV-L]).

342. Bei der Annahme eines Arbeitsvorgangs ist es zur Erfüllung der qualifizierenden tariflichen Anforderung - hier Ergotherapie „bei Patientinnen oder Patienten mit Demenz“ - ausreichend, wenn diese innerhalb des Arbeitsvorgangs in rechtlich erheblichem Ausmaß vorliegt. Nicht erforderlich ist, dass innerhalb eines Arbeitsvorgangs das Qualifizierungsmerkmal seinerseits in dem von § 12 Abs. 2 Satz 2, Satz 5 TVöD/VKA bestimmten Maß anfällt (st. Rspr., etwa  - Rn. 65 ff. mwN, BAGE 172, 130 [zu § 12 TV-L]; - 4 AZR 514/16 - Rn. 41). Falls die Tätigkeit der Klägerin aus mehreren Arbeitsvorgängen besteht, von denen einer oder mehrere die tariflichen Anforderungen des in Anspruch genommenen Tätigkeitsmerkmals der Entgeltgruppe 9b TVöD/VKA erfüllen, wird zu prüfen sein, ob diese Arbeitsvorgänge zeitlich mindestens zur Hälfte der Arbeitszeit anfallen.

353. Eine Ergotherapie bei Patientinnen oder Patienten mit Demenz iSd. Entgeltgruppe 9b TVöD/VKA setzt voraus, dass die Demenz im Zeitpunkt der Behandlung ärztlich diagnostiziert ist. Das ergibt die Auslegung der Tarifregelung (zu den Maßstäben der Tarifauslegung zB  - Rn. 35 mwN, BAGE 164, 326).

36a) Die Tarifvertragsparteien haben den Begriff der Demenz nicht eigenständig definiert. Bei der Auslegung ist daher anzunehmen, dass der Begriff in dem Sinne verwendet wird, der dem allgemeinen Sprachgebrauch und dem der beteiligten Kreise entspricht, wenn nicht sichere Anhaltspunkte für eine abweichende Auslegung gegeben sind ( - Rn. 35 mwN). Die Tarifregelung findet sich in Teil B der Anlage 1 - Entgeltordnung (VKA) zum TVöD/VKA im Bereich für Beschäftigte in Gesundheitsberufen. Dies spricht dafür, dass der Begriff der Demenz in einem medizinischen Sinne verwendet wird. Bei einer Demenz handelt es sich danach um eine chronisch progrediente Störung der kognitiven, sozialen und emotionalen Gehirnfunktionen, die über mindestens sechs Monate besteht. Leitsymptome sind Gedächtnisverlust und chronische Verwirrtheit. Diagnostiziert wird eine Demenz klinisch-neurologisch, psychiatrisch, mittels kranialer Bildgebung sowie Demenz-Tests (Pschyrembel Online, https://www.pschyrembel.de/Demenz/K05MH, letzte Aktualisierung des Artikels 3/2022).

37b) Eine Ergotherapie bei Patientinnen oder Patienten „mit“ Demenz setzt begrifflich voraus, dass die Demenz im Zeitpunkt der ergotherapeutischen Behandlung vorliegt. Für das Ausreichen lediglich von Anzeichen einer Demenz bietet der Wortlaut keine Anhaltspunkte.

38c) Auch aus der Tarifsystematik ergibt sich, dass lediglich Anzeichen einer Demenz für die Erfüllung des tariflichen Qualifizierungsmerkmals nicht genügen. Die Prävalenz einer Demenzerkrankung nimmt mit steigendem Lebensalter zu. Bei über 90-Jährigen beträgt sie rund 35 vH. Häufige Vorstufe einer Demenz sind im höheren Alter eine mäßige Beeinträchtigung von Gedächtnis, Aufmerksamkeit und Denkvermögen ohne wesentliche Alltagseinschränkungen, wobei 20 bis 30 vH dieser Fälle jährlich in eine Demenz übergehen (Pschyrembel Online, https://www.pschyrembel.de/Demenz/K05MH, letzte Aktualisierung des Artikels 3/2022). Gedächtnis-, Aufmerksamkeits-, Konzentrations- und Intelligenzstörungen können aber auch Folgen des physiologischen Alterungsprozesses sein (vgl. Pschyrembel Online, https://www.pschyrembel.de/Kognitive Beeinträchtigung/P05TH, letzte Aktualisierung des Artikels 5/2021). Bei der Ergotherapie in der Geriatrie, welche die Erkrankungen alter Menschen betrifft ( - Rn. 26), stellt es daher insgesamt keine Besonderheit dar, dass die Patientinnen und Patienten kognitive Beeinträchtigungen aufweisen. Nach dem Tarifvertrag stellt die Aufgabe Ergotherapie in der Geriatrie bereits an sich eine schwierige Aufgabe dar, die ausweislich der zugehörigen Protokollerklärung nach Entgeltgruppe 9a TVöD/VKA zu vergüten ist. Steht nicht fest, ob die erkannten Symptome Anzeichen einer Demenz oder lediglich der Vorstufe einer Demenz oder Ausfluss des physiologischen Alterungsprozesses sind, ergeben sich keine Unterschiede bei der Aufgabenwahrnehmung.

394. Eine etwaige Verletzung eines Mitbestimmungsrechts bei der Eingruppierung ist für den Vergütungsanspruch unerheblich (st. Rspr., etwa  - Rn. 46 mwN).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2023:131223.U.4AZR322.22.0

Fundstelle(n):
RAAAJ-65792