BVerfG Beschluss v. - 1 BvR 1650/22, 1 BvR 1718/22

Verfassungsbeschwerden gegen § 38 Abs 1 des Landesgrundsteuergesetzes Baden-Württemberg (LGrStG; juris: GrStG BW) mangels Wahrung der Jahresfrist des § 93 Abs 3 BVerfGG unzulässig

Gesetze: § 93 Abs 3 BVerfGG, § 38 Abs 1 GrStG BW

Gründe

1Die Verfassungsbeschwerden richten sich bei verständiger Auslegung gegen § 38 Abs. 1 des Gesetzes zur Regelung einer Landesgrundsteuer vom (Landesgrundsteuergesetz - LGrStG, GBl S. 974), der für die Bewertung von Grundvermögen künftig ein sogenanntes modifiziertes Bodenwertmodell vorsieht. Gemäß der angegriffenen Norm ermittelt sich der Grundsteuerwert der Grundstücke (einzig) durch Multiplikation ihrer Fläche des Grund und Bodens mit dem jeweiligen Bodenrichtwert gemäß § 196 des Baugesetzbuchs (BauGB). Maßgebend ist der Bodenrichtwert in der Zone, in der sich das zu bewertende Grundstück befindet.

21. Die Voraussetzungen für die Annahme der Verfassungsbeschwerden nach § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor, da die Verfassungsbeschwerden bereits verfristet und damit unzulässig sind.

3Nach § 93 Abs. 3 BVerfGG kann eine Verfassungsbeschwerde, die sich gegen eine Norm richtet, nur binnen eines Jahres nach Inkrafttreten des Gesetzes erhoben werden. Das Landesgrundsteuergesetz wurde am verkündet und ist daher gemäß seinem Art. 3 am Tag danach, mithin am in Kraft getreten. Die Frist aus § 93 Abs. 3 BVerfGG endete folglich am und war bei Erhebung der beiden Verfassungsbeschwerden bereits abgelaufen.

4Der Fristlauf wurde hier auch nicht durch eine Gesetzesänderung neu in Gang gesetzt, durch die sich mittelbar ein neuer Inhalt, ein erweiterter Anwendungsbereich oder neue belastende Wirkungen der hier angegriffenen Regelung ergeben hätte (vgl. dazu BVerfGE 100, 313 <356> m.w.N.). Zwar wurde § 38 LGrStG durch das Gesetz zur Änderung des Landesgrundsteuergesetzes und zur Einführung eines gesonderten Hebesatzes zur Mobilisierung von Bauland (ÄndGLGrStG) vom (GBl S. 1029) in seinem Absatz 2 geändert und um einen Absatz 4 ergänzt. Diese Änderungen und Ergänzungen haben den im Wortlaut unveränderten § 38 Abs. 1 LGrStG aber nicht in einer Weise berührt, dass sich mittelbar eine Änderung seines Inhalts oder Anwendungsbereichs oder eine Erweiterung seiner belastenden Wirkung ergibt.

52. Der Beschwerdeführenden wird durch die Unzulässigkeit ihrer Verfassungsbeschwerden nicht die Möglichkeit genommen, die Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Norm geltend zu machen. Soweit sie von Hoheitskaten betroffen sein sollten, die eine Bewertung gemäß § 38 Abs. 1 LGrStG vornehmen, können sie hiergegen Rechtsschutz vor den Fachgerichten suchen (vgl. dazu BVerfGE 120, 274 <299 f.>).

6Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

7Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerfG:2022:rk20221027.1bvr165022

Fundstelle(n):
RAAAJ-27138