BMF - IV B 3 - S 1304/21/10004 :007 BStBl 2021 I S. 1495

Merkblatt zu internationalen Verständigungs- und Schiedsverfahren (Streitbeilegungsverfahren) auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen

Mein Schreiben vom - IV B 3 - S 1366/21/10001 :002; 2021/0846436 -

Bezug: BStBl 2008 I S. 831

Bezug: BStBl 2019 I S. 447

Bezug: BStBl 2011 I S. 674

Bezug: BStBl 2014 I S. 1258

Bezug: BStBl 2020 I S. 1325

Bezug: BStBl 2019 I S. 480

Bezug: BStBl 2018 I S. 1122

In der Anlage übersende ich Ihnen die Neufassung des Merkblatts zu internationalen Verständigungs- und Schiedsverfahren (Streitbeilegungsverfahren) auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen.

Merkblatt zu internationalen Verständigungs- und Schiedsverfahren (Streitbeilegungsverfahren) auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den Vertretern der obersten Finanzbehörden der Länder gilt für internationale Streitbeilegungsverfahren auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen folgendes Merkblatt:

Abkürzungsverzeichnis


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Abs.
Absatz
Art.
Artikel
BFH
Bundesfinanzhof
BMF
Bundesministerium der Finanzen
BStBl
Bundessteuerblatt
BZSt
Bundeszentralamt für Steuern
bzw.
beziehungsweise
d. h.
das heißt
DBA
Doppelbesteuerungsabkommen
EU
Europäische Union
Gesetz über die Durchführung der gegenseitigen Amtshilfe in Steuersachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union
EU-Schiedskonvention
Übereinkommen vom über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen (90/436/EWG)
ff.
folgende
gem.
gemäß
ggf.
gegebenenfalls
i. d. R.
in der Regel
i. V. m.
in Verbindung mit
Nr.
Nummer
Rn.
Randnummer
Tz.
Textziffer
u. U.
unter Umständen
VerhGl.
Verhandlungsgrundlage für Doppelbesteuerungsabkommen im Bereich der Steuern vom Einkommen und Vermögen vom
vgl.
vergleiche

A Allgemeines

1 Allgemeines zu internationalen Streitbeilegungsverfahren

1.1 Rechtsgrundlagen und Rechtsnatur

1 Internationale Streitbeilegungsverfahren im Sinne dieses Merkblatts umfassen internationale Verständigungs- und Schiedsverfahren auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen. Sie beruhen auf den folgenden Rechtsgrundlagen:

  • Artikel zu Verständigungs- und ggf. Schiedsverfahren des zwischen den betroffenen Vertragsstaaten anzuwendenden DBA (vgl. Art. 24 VerhGl.),

  • dem Übereinkommen vom 23. Juli 1990 über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen (90/436/EWG) [1] (im Weiteren als „EU-Schiedskonvention“ bezeichnet) und

  • dem EU-Doppelbesteuerungsabkommen-Streitbeilegungsgesetz (EU-DBA-SBG) [2].

2 Internationale Streitbeilegungsverfahren sind zwischenstaatliche Verfahren auf Antrag eines oder mehrerer Steuerpflichtiger zur übereinstimmenden Anwendung von DBA oder der EU-Schiedskonvention. Nicht Gegenstand dieses Merkblatts sind diejenigen Verfahren nach DBA, für die kein Antragsrecht Steuerpflichtiger vorgesehen ist (vgl. insbesondere Art. 24 Abs. 3 VerhGl.).

3 Vorabverständigungsverfahrens nach § 89a AO sind von diesem Merkblatt grundsätzlich nicht betroffen. Allerdings können die Grundsätze dieses Merkblattes aufgrund der Vergleichbarkeit der Verfahren sinngemäß übertragen werden, soweit § 89a AO dieser Übertragung nicht entgegensteht.

4 Dieses Merkblatt bezieht sich, soweit es Ausführungen zu Streitbeilegungsverfahren nach dem Verständigungsartikel eines DBA enthält, auf die VerhGl [3]. Das zwischen den betroffenen Vertragsstaaten anzuwendende DBA kann hiervon abweichen und ist stets vorrangig zu beachten.

5 Liegen die in der jeweiligen Rechtsgrundlage festgelegten Voraussetzungen vor, sind der Zugang zu einem Verständigungsverfahren und – sofern vorgesehen – die Einleitung eines Schiedsverfahrens gesetzlich verankerte Rechte des Steuerpflichtigen, wenn nicht ausdrücklich ein Ermessen der Verwaltung hinsichtlich der Durchführung von Verständigungs- oder Schiedsverfahren besteht. Ein solches Ermessen kommt insbesondere in Betracht, wenn die Rechtsgrundlage für ein Verfahren als Kann-Vorschrift formuliert ist (vgl. z. B. Art. 25 Abs. 6 DBA Kanada 2002).

6 Ein Antrag auf Einleitung eines gesetzlich normierten Schiedsverfahrens kann von den zuständigen Behörden der Vertragsstaaten insbesondere abgelehnt werden, wenn

  • bei einem Verfahren nach einem DBA Einschränkungen nach dem zwischen den betroffenen Vertragsstaaten anzuwendenden DBA vorliegen (vgl. z. B. Art. 25 Abs. 6 DBA Kanada 2002),

  • bei einem Verfahren nach der EU-Schiedskonvention die Voraussetzungen des Art. 8 Abs. 1 der EU-Schiedskonvention erfüllt sind,

  • bei einem Verfahren nach dem EU-DBA-SBG die Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 oder 2 EU-DBA-SBG erfüllt sind (siehe auch Rn. 177).

7 Die jeweiligen Rechtsgrundlagen enthalten Bestimmungen, nach denen die zuständige Behörde in Deutschland mit den zuständigen Behörden anderer Staaten unmittelbar verkehren kann, um eine Einigung über Einzelfälle herbeizuführen, die die Besteuerung in Deutschland oder in einem anderen Staat betreffen. Die Verständigungsklauseln der DBA und der EU-Schiedskonvention sind durch die jeweiligen Zustimmungsgesetze innerstaatliches Recht geworden.

8 Im Einzelfall können auch multilaterale Verfahren in Betracht kommen. Ob ein multilaterales Verfahren möglich und sachgerecht ist, hängt von den Rechtsgrundlagen und den Gegebenheiten des Einzelfalls ab.

1.2 Verhältnis der Streitbeilegungsverfahren zueinander

9 Ist bereits ein Verfahren nach einem DBA beantragt worden und wird im Anschluss für denselben Sachverhalt ein Verfahren nach der EU-Schiedskonvention beantragt, so lehnt das BZSt das später beantragte Verfahren ab, wenn nicht der früher nach dem DBA gestellte Antrag zurückgenommen wird. Dasselbe gilt im umgekehrten Fall, wenn zuerst ein Verfahren nach der EU-Schiedskonvention beantragt wurde.

10 Bei gleichzeitiger Beantragung eines Verständigungsverfahrens sowohl nach dem Verständigungsartikel eines DBA als auch nach der EU-Schiedskonvention setzt das BZSt eine angemessene Frist, in der sich der Antragsteller schriftlich für eines der beiden Verfahren entscheiden soll. Entscheidet sich dieser innerhalb der gesetzten Frist nicht, legt das BZSt den Antrag nach pflichtgemäßem Ermessen zugunsten des Antragstellers aus.

11 Sobald die betroffene Person ein Verfahren nach dem EU-DBA-SBG initiiert, sind zuvor beantragte bzw. bereits eingeleitete Verfahren nach einem DBA oder der EU-Schiedskonvention von Amts wegen zu beenden (§ 4 Abs. 4 Satz 1 EU-DBA-SBG). Nach Einlegung der Streitbeilegungsbeschwerde oder nach Beendigung des Verfahrens nach dem EU-DBA-SBG ist ein Antrag auf Durchführung eines Verfahrens nach einem DBA oder der EU-Schiedskonvention als unzulässig abzulehnen (vgl. § 4 Abs. 4 EU-DBA-SBG). Entsprechend ist auch bei gleichzeitiger Beantragung eines Verfahrens nach dem EU-DBA-SBG und eines Verfahrens nach einem DBA oder der EU-Schiedskonvention zu verfahren. In diesen Fällen sind die Anträge auf Durchführung eines Verfahrens nach einem DBA oder der EU-Schiedskonvention abzulehnen. Dieser Vorrang gilt nur, soweit das EU-DBA-SBG anwendbar ist (§ 33 EU-DBA-SBG, siehe auch Rn. 146 und Rn. 147).

1.3 Verhältnis der Streitbeilegungsverfahren zu innerstaatlichen Rechtsbehelfen

12 Einem Antrag auf Einleitung eines Verständigungsverfahrens steht nicht entgegen, dass zum Gegenstand des Streitbeilegungsverfahrens nach deutschem Steuerrecht oder nach dem Recht des anderen Staates ein Rechtsbehelf anhängig oder der Rechtsweg noch nicht erschöpft ist. Zu bedenken ist jedoch, dass das innerstaatliche Recht mancher Staaten es nicht zulässt, eine Verständigungsvereinbarung einzugehen oder umzusetzen, die zu einem von der Entscheidung eines innerstaatlichen Gerichts abweichenden Ergebnis führt. Der Antragsteller sollte daher ggf. zuvor prüfen, welches der Verfahren er verfolgen möchte.

13 Informationen zu zuständigen Behörden und Verfahrensvorschriften ausländischer Staaten enthält die OECD-Sammlung „Country Profiles on Mutual Agreement Procedures“ [4].

14 Es ist zulässig, gleichzeitig ein innerstaatliches Rechtsbehelfsverfahren und ein internationales Streitbeilegungsverfahren über denselben Streitgegenstand zu führen (Rn. 12). Dabei sollte jedoch insbesondere Folgendes berücksichtigt werden:

  1. Die Umsetzung von Verständigungsvereinbarungen erfolgt bei Verfahren nach allen drei Rechtsgrundlagen unter dem Vorbehalt der Rücknahme ggf. in Deutschland oder im Ausland anhängiger Rechtsbehelfe, soweit diese Rechtsbehelfe den Gegenstand der Verständigung betreffen (siehe auch Tz. 4.1).

  2. Bei Verfahren nach einem DBA muss auf die ggf. im jeweils anzuwendenden DBA geregelten Rechtsfolgen geführter nationaler Rechtsbehelfe geachtet werden (vgl. Art. 24 Abs. 5 Satz 2 DBA Japan 2016, Art. 24 Abs. 5 Satz 2 DBA Luxemburg).

  3. Wird bei Verfahren nach der EU-Schiedskonvention der Besteuerungsfall im Rahmen eines eingelegten Rechtsbehelfs einem Gericht vorgelegt, beginnt die in Art. 7 Abs. 1 Satz 1 EU-Schiedskonvention genannte Zweijahresfrist (siehe Rn. 132) erst zu dem Zeitpunkt, an dem die in letzter Instanz im Rahmen der innerstaatlichen Rechtsbehelfe ergangene Entscheidung rechtskräftig geworden ist (Art. 7 Abs. 1 Satz 2 EU-Schiedskonvention).

    Können nach dem innerstaatlichen Recht eines der beteiligten Vertragsstaaten die zuständigen Behörden nicht von Entscheidungen der Gerichte abweichen, setzt das Schiedsverfahren voraus, dass das Unternehmen in diesem Vertragsstaat Rechtsbehelfe, soweit sie sich auf den Gegenstand des Schiedsverfahrens beziehen, zurücknimmt oder darauf verzichtet (Art. 7 Abs. 3 EU-Schiedskonvention).

  4. Bei einem Verfahren nach dem EU-DBA-SBG beginnen die folgenden Fristen erst mit Ablauf des Tages, an dem eine im Rechtsbehelfsverfahren Deutschlands bzw. des anderen Staates ergangene Entscheidung rechtskräftig geworden ist, dieses Verfahren auf andere Weise endgültig abgeschlossen oder dieses Verfahren ausgesetzt oder ruhend gestellt oder das Ruhen des Verfahrens angeordnet worden ist:

    • Frist zur Entscheidung über die Zulassung der Streitbeilegungsbeschwerde (§ 8 Abs. 1 EU-DBA-SBG, siehe auch Rn. 165),

    • Frist, die den zuständigen Behörden zur Lösung der Streitfrage im Verständigungsverfahren zur Verfügung steht (Einigungsfrist; § 13 Abs. 3 EU-DBA-SBG, siehe auch Rn. 171).

    Wenn in dem anderen Mitgliedstaat der EU ein innerstaatliches Urteil ergangen ist und dieser Mitgliedstaat nicht von dieser rechtskräftigen Entscheidung abweichen kann, ist das Verfahren von Amts wegen zu beenden (§§ 16 Abs. 3, 20 Abs. 4 EU-DBA-SBG).

1.4 Verhältnis der Streitbeilegungsverfahren zu Quellensteuer-Erstattungsverfahren

15 Ein Streitbeilegungsverfahren ersetzt nicht das Verfahren zur Erstattung einbehaltener Quellensteuer.

16 Das Recht zur Vornahme des Quellensteuerabzugs (für Steuern auf Dividenden, Zinsen, Lizenzgebühren oder sonstige von einer im anderen Vertragsstaat ansässigen Person bezogene Einkünfte, dazu gehören auch Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit) wird durch die DBA in der Regel nicht berührt. Fast alle neueren deutschen DBA enthalten entsprechende klarstellende Regelungen (siehe Art. 27 VerhGl.). Auch ohne eine solche Klarstellung im DBA gilt, soweit im spezifischen DBA nicht ausdrücklich abweichend geregelt, dass die Vornahme des Quellensteuerabzugs – auch in Fällen, in denen dem Quellenstaat nach dem DBA das Besteuerungsrecht nicht zugewiesen ist – nicht gegen das Abkommen verstößt, wenn der Quellenstaat seiner Verpflichtung im Rahmen eines Erstattungsverfahrens nachkommt (vgl. , BStBl 1998 II S. 113). Ein Antrag auf Einleitung eines Verständigungsverfahrens hinsichtlich des Quellensteuerabzugs, ohne dass zuvor der Weg eines eingerichteten Erstattungsverfahrens beschritten worden wäre, ist deshalb in der Regel als unbegründet abzulehnen.

17 Ist im Ausland für Einkünfte, die dem Steuerabzug vom Kapitalertrag oder dem Steuerabzug, vergleichsweise dem inländischen § 50a EStG, unterliegen, ein Erstattungsverfahren eingerichtet, das im Wesentlichen dem Verfahren nach § 50c Abs. 3 EStG entspricht, ist ein solches Verfahren vom Antragsteller vorrangig in Anspruch zu nehmen. Das gilt auch für andere Verfahren, z. B. wenn die im Wege des Steuerabzugs einbehaltene Einkommensteuer (z. B. durch Abzug vom Arbeitslohn) im Rahmen eines Veranlagungsverfahrens, das für beschränkt Steuerpflichtige entsprechend § 50 Abs. 2 Satz 2 EStG durchzuführen wäre, angerechnet oder erstattet wird oder eine Erstattung vergleichbar der Regelung in § 37 Abs. 2 AO (Zahlung ohne rechtlichen Grund) erlangt werden kann. Ist ein entsprechendes Verfahren deshalb nicht erfolgreich, weil der Antragsteller die hierfür geltenden Voraussetzungen nicht beachtet hat, insbesondere die Erstattung nicht nach den im jeweiligen DBA oder, soweit dort keine Fristen für Erstattungsanträge geregelt sind, nach den im innerstaatlichen Recht des Quellenstaats geltenden Fristen beantragt hat, so liegt darin ebenfalls keine gegen das Abkommen verstoßende Besteuerung. Auch in einem solchen Fall ist ein Antrag auf Einleitung eines Verständigungsverfahrens hinsichtlich des Quellensteuerabzugs daher unbegründet.

18 Wird ein Erstattungsantrag aus anderen als den oben genannten Gründen von der jeweiligen zuständigen Behörde abgelehnt, ist die Ablehnung des Erstattungsantrags eine Maßnahme, die zu einer dem Abkommen nicht entsprechenden Besteuerung führen kann. Vorbehaltlich des Vorliegens der weiteren Voraussetzungen ist ein insofern gestellter Antrag auf Einleitung eines Verständigungsverfahrens dann begründet. Gegenstand des Verfahrens ist die Auslegung oder Anwendung des betreffenden Abkommens oder Übereinkommens (siehe Rn. 32).

19 Wird über einen unter Beachtung der Regeln eines eingerichteten Erstattungsverfahrens gestellten und materiell begründeten Erstattungsantrag nicht in angemessener Zeit entschieden, stellt dies eine nicht dem Abkommen entsprechende Besteuerung dar. Welche Bearbeitungszeit angemessen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. In der Regel sind Bearbeitungszeiten bis zu zwei Jahren nicht als unangemessen anzusehen. Da in solchen Fällen Schwierigkeiten bestehen, für den Beginn der Frist für einen Antrag auf Einleitung eines Verständigungsverfahrens an etwas anderes als den ursprünglichen Quellensteuerabzug anzuknüpfen, sollte dieser Antrag so rechtzeitig gestellt werden, dass die Antragsfrist auch bei unterstelltem Fristbeginn zum Zeitpunkt des Quellensteuerabzugs noch eingehalten wird.

20 Das Freistellungsverfahren ist ein Verfahren, in dem in der Regel vor Einbehalt der Quellensteuer das Absehen vom Quellensteuerabzug herbeigeführt werden kann. Ein ganz oder teilweise erfolglos gebliebenes Freistellungsverfahren führt grundsätzlich nicht dazu, dass das Bestreiten eines Erstattungsverfahrens nicht mehr erforderlich wäre. Somit wäre in diesem Fall ein Antrag auf Einleitung eines Verständigungsverfahrens unbegründet.

21 Besondere Schwierigkeiten können sich ergeben, wenn ein Steuerpflichtiger, auf dessen Rechnung im Quellenstaat ein Quellensteuerabzug durchgeführt wurde, im Ansässigkeitsstaat zunächst die entsprechenden Einkünfte als nach DBA freizustellen oder die Quellensteuer als anrechenbar erklärt, der Ansässigkeitsstaat aber später zu einer anderen abkommensrechtlichen Beurteilung gelangt.

22 Auch in diesen Fällen gilt, dass ein Streitbeilegungsverfahren nicht das Verfahren zur Erstattung oder Ermäßigung einbehaltener Quellensteuer ersetzt. Ist also der Quellenstaat nach dem DBA zur Steuerfreistellung verpflichtet und deshalb die Versagung der Freistellung oder Anrechnung durch den Ansässigkeitsstaat abkommensgemäß, dann ist ein diesbezüglicher Antrag auf Einleitung eines Verständigungsverfahrens als unbegründet abzulehnen, wenn zuvor keine Erstattung im Quellenstaat beantragt wurde.

23 Kann in solchen Fällen ausnahmsweise, auch unter Berücksichtigung von § 110 AO oder vergleichbaren ausländischen Vorschriften, nach dem Versagen der Freistellung oder Anrechnung durch den Ansässigkeitsstaat kein fristgerechter Erstattungsantrag mehr gestellt werden, weil zum Zeitpunkt des Versagens der Freistellung oder Anrechnung durch den Ansässigkeitsstaat die Frist für einen Erstattungsantrag im Quellenstaat bereits abgelaufen war, gilt Folgendes:

  1. Im Grundsatz gilt auch in einem solchen Fall, dass die Vornahme des Quellensteuerabzugs nicht als Verstoß gegen das Abkommen einzustufen ist, wenn ein Erstattungsverfahren im Sinne der Rn. 17 Satz 1 und 2 eingerichtet war. Hat der Antragsteller die Regeln dieses Erstattungsverfahrens nicht beachtet, liegt auch im Ausbleiben einer Erstattung der Quellensteuer keine dem Abkommen nicht entsprechende Besteuerung vor. Dies gilt insbesondere, wenn die Erstattung nicht gemäß den im jeweiligen DBA oder, soweit dort keine Fristen für Erstattungsanträge geregelt sind, gemäß den im innerstaatlichen Recht des Quellenstaats geltenden Fristen beantragt wurde. Dass dem Antragsteller ein möglicher Erstattungsanspruch erst zum Zeitpunkt der Versagung der Freistellung oder Anrechnung durch den Ansässigkeitsstaat bewusstgeworden sein könnte, ändert hieran grundsätzlich nichts. Ist auch die Versagung der Freistellung oder Anrechnung durch den Ansässigkeitsstaat abkommensgemäß, dann liegt insgesamt keine gegen das Abkommen verstoßende Besteuerung vor, und ein Antrag auf Einleitung eines Verständigungsverfahrens ist als unbegründet abzulehnen.

  2. Ist in einem solchen Fall Deutschland der Ansässigkeitsstaat und wird in Deutschland unter Hinweis auf die Doppelbesteuerung ein Antrag auf Einleitung eines Verständigungsverfahrens gestellt, wird das BZSt sich an die zuständige Behörde des Quellenstaats mit der Frage wenden, ob dort eine Möglichkeit zur Beseitigung der Doppelbesteuerung, ggf. auch durch Billigkeitsmaßnahmen, gesehen wird. Sieht die zuständige Behörde des Quellenstaats unter Verweis auf den nicht rechtzeitig gestellten Erstattungsantrag keine solche Möglichkeit und hält das BZSt die Besteuerung in Deutschland für zutreffend, wird das BZSt den Antrag als unbegründet ablehnen. Das BZSt wird dann prüfen, ob die Beseitigung einer Doppelbesteuerung nach einer Regelung entsprechend Art. 24 Abs. 3 Satz 2 VerhGl. in Betracht kommt.

  3. Ist in einem solchen Fall Deutschland der Quellenstaat, wird im ausländischen Ansässigkeitsstaat unter Hinweis auf die Doppelbesteuerung ein Antrag auf Durchführung eines Verständigungsverfahrens gestellt, und leitet die ausländische zuständige Behörde dann ein Verständigungsverfahren gegenüber Deutschland ein, so kann das BZSt im Einzelfall zur Vermeidung der Doppelbesteuerung eine Verständigungsvereinbarung abschließen, die die Erstattung der deutschen Quellensteuer vorsieht, obwohl innerhalb der Ausschlussfrist für Erstattungsanträge keine Erstattung beantragt wurde. Hierbei ist der Grad der Fahrlässigkeit hinsichtlich des Verstreichenlassens der Ausschlussfrist für den Erstattungsantrag zu beachten.

  4. Die vorstehenden Grundsätze gelten entsprechend, wenn die Frist für einen Erstattungsantrag zum Zeitpunkt des Versagens der Freistellung oder Anrechnung durch den Ansässigkeitsstaat zwar noch nicht abgelaufen war, aber so kurz vor dem Ablauf stand, dass zwischen dem Bekanntwerden des Versagens der Freistellung oder Anrechnung durch den Ansässigkeitsstaat und dem Ablauf der Frist für einen Erstattungsantrag nicht ausreichend Zeit für den Steuerpflichtigen verblieben ist, sich über das Erstattungsverfahren zu informieren und einen entsprechenden Erstattungsantrag zu stellen. Davon wird in der Regel ausgegangen, wenn weniger als drei Monate zwischen dem Bekanntwerden des Versagens der Freistellung oder Anrechnung durch den Ansässigkeitsstaat und dem Ablauf der Frist für einen Erstattungsantrag liegen.

1.5 Allgemeiner Regelungsgehalt der verschiedenen Streitbeilegungsverfahren
1.5.1 Streitbeilegungsverfahren nach DBA

24 Die Verständigungsklauseln der DBA sehen in der Regel vor, dass ein Verständigungsverfahren eingeleitet werden kann, wenn eine Person dies beantragt und darlegt, dass Maßnahmen eines Vertragsstaats oder beider Vertragsstaaten für sie zu einer dem Abkommen nicht entsprechenden Besteuerung führen oder führen werden, und dem durch Maßnahmen des betreffenden Staates nicht abgeholfen werden kann.

25 Wenn in dem zwischen den betroffenen Vertragsstaaten anzuwendenden DBA ein Schiedsverfahren vereinbart ist, können regelmäßig noch offene Fragen des Falls – i. d. R. auf Antrag – einem Schiedsgremium vorgelegt werden (siehe Rn. 110).

1.5.2 Verfahren nach der EU-Schiedskonvention

26 Die EU-Schiedskonvention gilt im Verhältnis zu anderen Mitgliedstaaten der EU. Die Verständigungsklausel der EU-Schiedskonvention (Art. 6) sieht ein Verständigungsverfahren nur zu Fragen der Gewinnabgrenzung zwischen verbundenen Unternehmen und der Gewinnaufteilung bei Betriebsstätten vor. Im Gegensatz zu den Verfahren nach DBA und EU-DBA-SBG sind andere Fragen zur abkommenswidrigen Besteuerung nicht von der Verständigungsklausel der EU-Schiedskonvention erfasst. Insbesondere die Frage des Bestehens einer Betriebsstätte und Fragen der Ansässigkeit können nicht Gegenstand eines Verfahrens nach der EU-Schiedskonvention sein.

27 Einigen sich die zuständigen Behörden innerhalb der Zweijahresfrist (Art. 7 Abs. 1 EU-Schiedskonvention) nicht über die Beseitigung der Doppelbesteuerung, wird im Regelfall zwingend die Schiedsphase (sog. Schlichtungsverfahren) eingeleitet.

1.5.3 Verfahren nach dem EU-DBA-SBG

28 Das EU-DBA-SBG ist ausschließlich zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen Deutschland und einem oder mehreren anderen Mitgliedstaaten der EU anwendbar.

29 Die Durchführung eines Verständigungsverfahrens nach dem EU-DBA-SBG setzt voraus, dass eine betroffene Person im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 7 EU-DBA-SBG dies durch Einreichen einer „Streitbeilegungsbeschwerde“ im Sinne des § 4 EU-DBA-SBG beantragt und darlegt, dass Streitigkeiten zwischen Deutschland und einem oder mehreren anderen Mitgliedstaaten der EU durch die Auslegung und Anwendung von Abkommen und Übereinkommen entstehen, die die Beseitigung der Doppelbesteuerung vom Einkommen und ggf. Vermögen vorsehen. Die Darlegung einer Streitigkeit zwischen Steuerpflichtigem und Verwaltung genügt nicht. Es muss dargelegt werden, dass eine Maßnahme im Ergebnis zu einer Streitfrage zwischen den Verwaltungen geführt hat oder führen wird.

30 Führt das Verständigungsverfahren nach dem EU-DBA-SBG innerhalb der Einigungsfrist zu keiner Einigung, kann die betroffene Person innerhalb der gesetzlichen Frist des § 17 Abs. 1 EU-DBA-SBG ein Schiedsverfahren beantragen (i. d. R. Einsetzung eines „Beratenden Ausschusses“; die zuständigen Behörden können sich aber auch für einen „Ausschuss für Alternative Streitbeilegung“ entscheiden). Bei weiterhin ausbleibender Einigung der zuständigen Behörden müssen sich diese dann an die im Schiedsverfahren abgegebene Stellungnahme des „Beratenden Ausschusses“ oder des „Ausschusses für Alternative Streitbeilegung“ halten.

1.6 Verfahrensgegenstände und Verfahrensziele der verschiedenen Streitbeilegungsverfahren

31 Verfahrensgegenstände sind die aus dem DBA oder der EU-Schiedskonvention abzuleitenden völkerrechtlichen Ansprüche der jeweiligen Vertragsstaaten; diese richten sich auf eine dem zwischen den betroffenen Vertragsstaaten geltenden DBA oder der EU-Schiedskonvention entsprechende steuerliche Behandlung des Antragstellers. Die Überprüfung, ob die Tatbestandsvoraussetzungen einer Vorschrift des innerstaatlichen Rechts erfüllt sind, also die Frage der richtigen Anwendung des innerstaatlichen Rechts (ob z. B. ein Steuerpflichtiger nach § 49 EStG der beschränkten Steuerpflicht unterliegt oder die Voraussetzungen einer Schätzung nach § 162 AO vorliegen), ist in der Regel keine Frage über die Auslegung oder Anwendung des betreffenden Abkommens oder Übereinkommens. Gegenstand des Streitbeilegungsverfahrens ist vielmehr die Frage, ob die Ausübung eines innerstaatlichen Besteuerungsrechts (z. B. ein beschränktes Besteuerungsrecht gem. § 49 EStG oder das Ergebnis einer Schätzung nach § 162 AO) durch ein DBA beschränkt wird.

32 Ziel der Streitbeilegungsverfahren ist es, den Anspruch des Antragstellers auf abkommens- bzw. übereinkommensgemäße Besteuerung im Rahmen der jeweiligen Rechtsordnungen zu verwirklichen.

33 In Fällen, in denen aufgrund schwierig zu ermittelnder tatsächlicher Umstände – zum Beispiel zur Vermeidung eines unverhältnismäßig hohen Ermittlungsaufwands – eine tatsächliche Verständigung über den der Steuerfestsetzung zugrundeliegenden Sachverhalt ( BStBl 2008 I S. 831, ergänzt durch das BStBl 2019 I S. 447) abgeschlossen wird, ist es in einem späteren Verständigungs- oder Schiedsverfahren regelmäßig nicht mehr möglich, den Sachverhalt nachträglich beweissicher festzustellen. Die deutsche Finanzverwaltung wird im Verständigungsverfahren, soweit die auf dem Rechtsgrundsatz von Treu und Glauben beruhende Bindungswirkung einer tatsächlichen Verständigung reicht, keine Abweichung von der darin geregelten Sachverhaltsfestlegung akzeptieren.

1.7 Zuständigkeiten

34 Das BMF hat die Ausübung der Funktion der zuständigen Behörde für den Bereich der Streitbeilegungsverfahren nach den DBA, der EU-Schiedskonvention und dem EU-DBA-SBG auf das BZSt übertragen (siehe § 5 Abs. 1 Nr. 5 FVG und das (BStBl 2011 I S. 674), sowie § 2 Abs. 1 Nr. 5 EU-DBA-SBG). Das BMF behält sich vor, in Einzelfällen mitzuwirken oder ein Verständigungsverfahren selbst zu führen.

35 Das BZSt handelt grundsätzlich im Einvernehmen mit der zuständigen obersten Landesfinanzbehörde oder mit der von dieser beauftragten Behörde (im Weiteren als „zuständige Landesfinanzbehörde“ bezeichnet).

36 Aufgabe der Landesfinanzverwaltung ist es, die Einigung in Form einer Verständigungsvereinbarung bzw. eine (abschließende) Entscheidung der zuständigen Behörden (nach Art. 12 EU-Schiedskonvention und nach § 18 EU-SBA-SBG) innerstaatlich umzusetzen (vgl. Tz. 4).

37 Die Kontaktdaten des BZSt für Anträge und Anfragen zu Verständigungs- und Schiedsverfahren lauten wie folgt:

Bundeszentralamt für Steuern
Verständigungsverfahren
An der Küppe 1
53225 Bonn


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Fax:
0228 406-3118
Telefon:
0228 406-0
E-Mail:
DE-Mail:

B Allgemeine Ausführungen zu Verständigungsverfahren

2 Einleitung des Verständigungsverfahrens

2.1 Antragstellung

38 Das Verständigungsverfahren setzt einen Antrag voraus. Dieser ist schriftlich einzureichen oder zur Niederschrift zu erklären. In dem Antrag ist deutlich zu machen, auf welche Rechtsgrundlage für Streitbeilegungsverfahren der Antrag gestützt wird.

39 Der Steuerpflichtige kann sich durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen.

40 Der Antrag kann auch von einem Haftungsschuldner gestellt werden, soweit er durch die abkommens- bzw. übereinkommenswidrige Besteuerung unmittelbar betroffen ist (d. h. soweit ein an ihn gerichteter Haftungsbescheid erlassen wurde).

41 Liegt lediglich ein Antrag des Haftungsschuldners vor, ist das Verständigungsverfahren auf die Frage nach der materiell-rechtlichen Begründetheit des Haftungsbescheids beschränkt.

42 Betrifft ein Sachverhalt mehrere in Deutschland ansässige Personen und kann der Sachverhalt nur einheitlich steuerlich beurteilt werden (wie beispielsweise bei Organschaften und Personengesellschaften), soll das Verständigungsverfahren nur von allen betroffenen Personen gemeinsam beantragt werden; Verfahrenshandlungen sollen in diesen Fällen nur gemeinsam vorgenommen werden. Hierfür soll ein gemeinsamer Vertreter benannt werden. Die Antragsteller sind angehalten, einen gemeinsamen Empfangsbevollmächtigten zu bestellen, der ermächtigt ist, für sie sämtliche Verwaltungsakte und Mitteilungen in Empfang zu nehmen.

43 Wird im Falle einer Personengesellschaft der Antrag nicht von allen Gesellschaftern gestellt oder sind nicht alle Gesellschafter abkommens- bzw. übereinkommensberechtigt (siehe Rn. 44), können im Feststellungsbescheid steuerliche Folgen auf Grundlage des Verständigungsverfahrens nur für antragstellende bzw. abkommens- oder übereinkommensberechtigte Gesellschafter gezogen werden.

44 Personengesellschaften sind nach Art. 4 Abs. 1 VerhGl. keine in Deutschland ansässigen Personen, da sie nicht aufgrund ihres Wohnsitzes, ihres ständigen Aufenthalts oder eines anderen steuerlichen Merkmals steuerpflichtig sind. Sie können daher im Regelfall keinen Antrag auf Durchführung eines Verständigungsverfahrens stellen. Abkommens- bzw. übereinkommensberechtigt ist jedoch jeder einzelne Gesellschafter einer Personengesellschaft, wenn er mindestens in einem der Vertragsstaaten ansässig ist (vgl. zur Anwendung der DBA auf Personengesellschaften, BStBl 2014 I S. 1258).

45 Der Antrag ist i. d. R. bei der zuständigen Behörde des Ansässigkeitsstaats einzureichen. Ist die Ansässigkeit strittig, kann der Antrag in jedem der möglichen Ansässigkeitsstaaten eingereicht werden. In Diskriminierungsfällen kann der Antrag i. d. R. auch bei der zuständigen Behörde des Staates eingereicht werden, dessen Staatsangehöriger der Antragsteller ist (vgl. Art. 24 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 Nr. 9 VerhGl). Ein Antrag auf ein Verständigungsverfahren nach der EU-Schiedskonvention kann auch im Betriebsstättenstaat gestellt werden, vorausgesetzt, es handelt sich um die Betriebsstätte eines Unternehmens mit Sitz in einem Mitgliedstaat der EU.

46 Sind mehrere Steuerpflichtige betroffen (z. B. eine Mutter- und eine Tochtergesellschaft), soll der Antrag zweckmäßigerweise in allen Ansässigkeitsstaaten aller betroffenen Steuerpflichtigen eingereicht werden. Soweit die zuständigen Behörden der betroffenen Staaten unterschiedliche Voraussetzungen an den Antrag stellen, ist seitens der Steuerpflichtigen sicherzustellen, dass die beteiligten Behörden dieselben Informationen erhalten.

47 Auf die mehrfache Antragstellung ist im Antrag hinzuweisen. Hierzu sollte dem BZSt eine Kopie des Antrags bei der zuständigen Behörde des anderen Staates übermittelt werden.

48 Für einen Antrag nach dem EU-DBA-SBG ist das Verständigungsverfahren (d. h. die Streitbeilegungsbeschwerde) zwingend bei allen zuständigen Behörden der betroffenen Mitgliedstaaten gleichzeitig und mit den gleichen Angaben einzureichen (§ 4 Abs. 2 EU-DBA-SBG; siehe hierzu Rn. 155), sofern nicht die Verfahrenserleichterung für natürliche Personen und kleinere Unternehmen in Anspruch genommen werden kann (§ 28 EU-DBA-SBG; siehe hierzu Rn. 150).

49 Die in Deutschland zuständige Behörde ist nur das BZSt (Hinweis auf Rn. 34). Dessen Zuständigkeit bezieht sich ausschließlich auf die Streitbeilegungsverfahren. Weitere Anträge und Rechtsbehelfe, die das Besteuerungsverfahren betreffen, sind nicht von dieser Zuständigkeit umfasst.

50 Das BZSt leitet dort gestellte Anträge auf Verständigungsverfahren der ausländischen zuständigen Behörde zunächst zur Kenntnis zu bzw. informiert diese über den Eingang des Antrags. Das BZSt bestätigt dem Antragsteller den Eingang seines Antrags und leitet den Antrag unverzüglich der für die Besteuerung des Antragstellers zuständigen Landesfinanzbehörde, in der Regel mit der Bitte um Stellungnahme, zu.

51 Die zuständige Landesfinanzbehörde teilt in ihrer Stellungnahme auch ihre Einschätzung zur Zulässigkeit des Antrags und zur vom Antragsteller geltend gemachten abkommens- bzw. übereinkommenswidrigen Besteuerung mit.

2.2 Antragsfrist

52 Die geltenden Antragsfristen sind in den Abschnitten zu den jeweiligen Rechtsgrundlagen aufgeführt. Siehe hierzu Tz. 8.2 (Verfahren nach DBA), Tz. 10.2 (Verfahren nach der EU-Schiedskonvention) und Tz. 15.2 (Verfahren nach dem EU-DBA-SBG).

53 Für im Inland einzureichende Anträge ist für die Fristwahrung der Zeitpunkt des Antragseingangs beim BZSt maßgeblich.

54 Kann eine Verständigungsvereinbarung nach dem Recht eines ausländischen Staates dort zeitlich nicht unbegrenzt umgesetzt werden, sollte dies vom Antragsteller bezüglich des Zeitpunktes seiner Antragstellung bedacht werden.

2.3 Inhalt des Antrags

55 Für die Zulässigkeit eines Antrags auf Einleitung eines Verständigungsverfahrens ist insbesondere die Geltendmachung erforderlich, dass eine abkommens- bzw. übereinkommenswidrige Besteuerung vorliegt oder droht. Eine abkommens- bzw. übereinkommenswidrige Besteuerung droht beispielsweise bereits dann hinreichend konkret, wenn im Rahmen einer laufenden Betriebsprüfung in einer schriftlichen Prüfungsfeststellung oder in einem Teilbericht eine entsprechende Besteuerung angekündigt wird, auch wenn die Prüfung im Übrigen noch nicht abgeschlossen ist und die Umsetzung in Steuerbescheide noch aussteht. Das Vorliegen bzw. das Drohen einer abkommens- bzw. übereinkommenswidrigen Besteuerung ist glaubhaft und nachvollziehbar darzulegen.

56 Beispiele für eine dem Abkommen bzw. Übereinkommen nicht entsprechende Besteuerung:

  • Einkünfte, die in einem der Staaten aufgrund eines DBA bzw. Übereinkommens nicht zu versteuern sind, werden dort zur Besteuerung herangezogen;

  • die in einem Staat zu besteuernden Einkünfte sind nicht zutreffend auf der gemeinsamen Rechtsgrundlage des DBA bzw. Übereinkommens abgegrenzt worden; dies gilt bei international verbundenen Unternehmen nach dem Grundsatz des Fremdverhaltens selbst dann, wenn Sonderklauseln im Sinne des Art. 9 Abs. 2 VerhGl. im DBA fehlen;

  • die Besteuerung in einem der Staaten verstößt gegen ein Diskriminierungsverbot des DBA;

  • einer der Staaten ist bei der Gewährung von Steuerentlastungen aufgrund eines DBA in einer Weise säumig, die die Rechte nach dem DBA nachhaltig beeinträchtigt;

  • ein Qualifikationskonflikt verursacht eine Doppelbesteuerung, die ihrer Art nach durch das DBA vermieden werden soll.

57Der Antrag hat die folgenden Angaben und Unterlagen zu enthalten:

  • Name, Anschrift (Sitz), Steuernummer und örtlich zuständiges Finanzamt des Antragstellers (soweit einschlägig auch ausländische zuständige Finanzbehörde);

  • eine Erläuterung zur Antragsberechtigung;

  • detaillierte Angaben zu den für den Fall relevanten Tatsachen und Umständen;

  • Angaben zu den vom Antrag betroffenen Besteuerungszeiträumen;

  • Kopien der Steuerbescheide, des Betriebsprüfungsberichts oder vergleichbarer Dokumente, die zu der behaupteten Doppelbesteuerung geführt haben oder zu führen drohen, sowie weiterer bedeutsamer Dokumente (z. B. Verträge, Anträge auf Erstattung/Ermäßigung ausländischer Quellensteuer); dies gilt auch dann, wenn diese der örtlich zuständigen Behörde (Finanzamt) bereits vorliegen;

  • Angaben über im Ausland gestellte Erstattungsanträge und – soweit verfügbar – die Antwort des ausländischen Staates;

  • detaillierte Angaben zu etwaigen außergerichtlichen oder gerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren und etwaigen den Fall betreffenden Gerichtsurteilen im In- und Ausland sowie Angaben, ob und ggf. in welcher Höhe die Aussetzung der Vollziehung beantragt wurde;

  • eine Darlegung seitens des Antragstellers, inwiefern nach seiner Auffassung die Besteuerung im In- oder Ausland nicht dem Abkommen bzw. Übereinkommen entspricht;

  • den Antrag des Abkommensberechtigten;

  • bei Anträgen nach dem EU-DBA-SBG die zusätzlich in § 5 EU-DBA-SBG genannten Unterlagen, soweit sie nicht bereits in dieser Rn. aufgeführt sind;

  • in Fällen der Gewinnabgrenzung zwischen verbundenen Unternehmen und bei Betriebsstätten zusätzlich:

    • Name, Anschrift (Sitz), Steuernummer und örtlich zuständiges Finanzamt (soweit einschlägig auch ausländische zuständige Finanzbehörde) des oder der anderen Beteiligten an den betreffenden Geschäftsvorfällen;

    • Einzelheiten über die Beziehungen zwischen dem antragstellenden Unternehmen und den anderen Beteiligten an den betreffenden Geschäftsvorfällen;

    • eine Darlegung seitens des antragstellenden Unternehmens, inwiefern nach seiner Auffassung der Fremdvergleichsgrundsatz nicht beachtet wurde;

    • in Betriebsstättenfällen: Betriebsstättengewinnaufteilung inkl. Hilfs- und Nebenrechnung und

    • Benennung des Sitzstaats der obersten Muttergesellschaft (dabei kann sich an dem international gängigen Begriff der „Ultimate Parent Entity“ orientiert werden).

58 Ein Antrag im Inland ist nur dann fristwahrend, wenn innerhalb der geltenden Antragsfrist alle in Rn. 57 – bei Verfahren nach der EU-Schiedskonvention zusätzlich alle in Rn. 121 – in Bezug genommenen Angaben und Unterlagen dem BZSt vorliegen.

59 Ändern sich für den Fall relevante Tatsachen oder Pflichtangaben gem. Rn. 57 nach der Antragstellung, ist der Antragsteller verpflichtet, unverzüglich alle zuständigen Behörden hiervon zu unterrichten.

60 Der Antrag ist grundsätzlich in deutscher Sprache zu stellen.

61 Zusätzlich sollte der Antragsteller eine Übersetzung in eine gemeinsame Arbeitssprache der zuständigen Behörden (regelmäßig Englisch), zwischen denen das Verständigungsverfahren geführt werden soll, zur Verfügung stellen.

62 Der Antragsteller kann den Antrag auch in der gemeinsamen Arbeitssprache der zuständigen Behörden stellen, wenn das BZSt und die jeweils zuständige Landesfinanzbehörde dem zuvor einvernehmlich zugestimmt haben. Wird das Einvernehmen erst nachträglich hergestellt, so gilt ein Antrag, der nur in einer gemeinsamen Arbeitssprache der zuständigen Behörden gestellt wurde, für Zwecke der Wahrung von Antragstellungsfristen als zum Zeitpunkt des Eingangs und für Zwecke des Beginns von Fristen als zum Zeitpunkt der Herstellung des Einvernehmens gestellt. Im Übrigen gelten § 87 Abs. 3 und 4 AO. Auf Anforderung der Finanzbehörden hat der Antragsteller in jeder Phase des Verfahrens von ihm eingereichte Unterlagen (ggf. teilweise) auf seine Kosten zu übersetzen (§ 87 Abs. 2 Satz 2 und 3 AO).

63 Für Verfahren nach dem EU-DBA-SBG ist § 3 EU-DBA-SBG (Verfahrenssprache) zu beachten.

2.4 Einleitung des Verständigungsverfahrens bei Antragstellung im Inland und Rechtsschutz

64 Vor Einleitung des Verständigungsverfahrens durch das BZSt gegenüber der ausländischen zuständigen Behörde ist zu prüfen, ob dem Begehren des Antragstellers der Sache nach durch innerstaatliche Maßnahmen abgeholfen werden kann. Hierbei kommt als verfahrensrechtliche Möglichkeit zur Änderung ansonsten bestandskräftiger deutscher Steuerbescheide auch die unionrechtskonforme Auslegung des § 174 Abs. 1 und 2 AO in Betracht (siehe hierzu AEAO zu § 174, Nr. 5 ). Gegebenenfalls ergreifen die zuständigen deutschen Finanzbehörden von Amts wegen die notwendigen Maßnahmen. Das BZSt informiert den Antragsteller und die zuständige Behörde des anderen Vertragsstaats unverzüglich über diese Entscheidung.

65 Ergibt die Prüfung des BZSt, dass der Antrag zulässig und die Einwendung begründet ist (d. h. auch aus Sicht des BZSt eine abkommenswidrige Besteuerung vorliegt) und dieser nicht durch innerstaatliche Maßnahmen entsprochen werden kann, leitet es das Verständigungsverfahren i. d. R. durch Übersendung eines Positionspapiers gegenüber der ausländischen zuständigen Behörde ein.

66 Lehnt das BZSt einen Antrag auf Einleitung eines Verständigungsverfahrens ab, unterrichtet es unverzüglich den Antragsteller, die ausländische zuständige Behörde und die zuständige Landesfinanzbehörde über diese Entscheidung.

67 Die Ablehnung des Antrags auf Einleitung eines Verständigungsverfahrens ist ein Verwaltungsakt im Sinne des § 118 AO, gegen den der Einspruch nach § 347 Abs. 1 Nr. 1 AO statthaft ist.

2.5 Vorgehen bei nur im Ausland beantragten Verständigungsverfahren

68 Das BZSt leitet von einer ausländischen zuständigen Behörde erhaltene Anträge oder die von dort erhaltene Information über den Eingang eines solchen Antrags unverzüglich an die zuständige Landesfinanzbehörde zur Kenntnis weiter. Bei Erhalt eines Positionspapiers der ausländischen zuständigen Behörde leitet das BZSt dieses unverzüglich i. d. R. mit der Bitte um Stellungnahme weiter.

69 Auch bei nur im Ausland beantragten Verständigungsverfahren prüft das BZSt die formellen Voraussetzungen (z. B. die fristgerechte Antragstellung).

2.6 Besonderheit bei Verfahren nach EU-DBA-SBG

70 Für Verfahren nach dem EU-DBA-SBG ist § 13 EU-DBA-SBG zu beachten. Siehe zum Rechtsschutz bei Zurückweisung der Streitbeilegungsbeschwerde Rn. 168.

2.7 Aussetzung der Vollziehung und Stundung

71 Aus den allgemeinen Regeln der AO ergibt sich, dass ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (gem. § 361 AO) nur i. V. m. einem Einspruch beantragt werden kann. Hinsichtlich der Aussetzung der Vollziehung und der Stundung gelten die allgemeinen gesetzlichen Regelungen. Für die Gewährung einer Aussetzung der Vollziehung (gem. § 361 AO) oder einer Stundung ist das örtlich zuständige Finanzamt zuständig.

3 Durchführung des Verständigungsverfahrens

3.1 Allgemeine Verfahrensgrundsätze

72 Das BZSt führt das Verständigungsverfahren in unmittelbarem Verkehr mit der zuständigen Behörde des anderen Staates nach internationaler Staatenpraxis. Die Einzelheiten richten sich nach den Verhältnissen des Einzelfalls und dem Gebot der Zweckmäßigkeit. Es gelten die allgemeinen Verfahrensgrundsätze.

73 Personenbezogene Daten sowie fremde Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, die der deutschen Finanzverwaltung im Rahmen eines Verständigungsverfahrens bekannt werden, unterliegen dem Steuergeheimnis (§ 30 Abs. 2 AO). Für die im Rahmen eines Verständigungsverfahrens zwischenstaatlich ausgetauschten Informationen gilt auch im Ausland die im DBA bzw. Übereinkommen selbst verankerte Geheimhaltungspflicht der Bestimmungen zum zwischenstaatlichen Informationsaustausch.

74 Das BZSt unterrichtet die zuständige Landesfinanzbehörde über den Inhalt und den Fortgang des Verfahrens. Die zuständige Landesfinanzbehörde informiert das BZSt über Entwicklungen in dem Besteuerungsfall, soweit sie für das Verständigungsverfahren relevant sind.

75 Schreiben in englischer Sprache sowie Anlagen werden – sofern nicht im Einzelfall notwendig – nicht in die deutsche Sprache übersetzt. Schreiben ausländischer Finanzbehörden in einer anderen fremden Sprache werden vom BZSt in die deutsche Sprache übersetzt. Der Übersetzungsbedarf wird im Einzelfall zwischen dem BZSt und der zuständigen Landesfinanzbehörde abgestimmt.

3.2 Sachverhaltsaufklärung und Herbeiführung einer Einigung

76 Sollte im Rahmen der Durchführung eines Verständigungsverfahrens eine weitergehende Sachverhaltsermittlung notwendig werden – insbesondere bei Sachverhalten, die nicht einer inländischen Außenprüfung unterlegen haben – ist der Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln (§ 88 AO). Der Antragsteller ist zur – u. U. erhöhten – Mitwirkung verpflichtet (§§ 90 ff. AO) und wird hiervon durch die Eröffnung eines Verständigungsverfahrens nicht entbunden. Die Durchführung eines Verständigungsverfahrens kann Anlass sein, in Abweichung vom Regelfall des § 90 Abs. 3 Satz 5 AO, die Vorlage gem. § 90 Abs. 3 AO zu erstellender Aufzeichnungen auch außerhalb einer Außenprüfung zu verlangen. Zu den Mitwirkungspflichten nach § 90 AO siehe auch das (BStBl 2020 I S. 1325).

77 Im Rahmen des Verständigungsverfahrens ist auch das Ergebnis der Ermittlung des Sachverhalts durch die Finanzbehörden des anderen Staates heranzuziehen.

78 Ergeben sich bei der Ermittlung des Sachverhalts durch die deutschen und die ausländischen Finanzbehörden Widersprüche, kann durch abgestimmte Ermittlungen beider Verwaltungen oder durch Verständigungsgespräche der Versuch einer Auflösung dieser Widersprüche unternommen werden.

79 Zur Ermittlung des Sachverhalts und zur Herbeiführung einer Verständigung kann

  • ein mündlicher Meinungsaustausch mit der zuständigen Behörde des anderen Staates durchgeführt werden;

  • eine besondere Kommission aus Vertretern der zuständigen Behörden für einen solchen Meinungsaustausch gebildet werden;

  • eine aufgrund besonderer Erfahrung ausgewählte Person bestimmt werden, um die Einigung zu fördern, z. B. durch ein Sachverständigengutachten.

3.3 Mitwirkung und Rechte des Antragstellers

80 Beteiligte des Verständigungsverfahrens sind nur die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten. Informationen über von diesen geäußerte oder erhaltene Rechtsauffassungen werden Dritten grundsätzlich nicht erteilt. Dem Antragsteller obliegt es, durch die Darlegung seiner Verhältnisse, Bezeichnung und ggf. Beibringung seiner Beweisunterlagen zu dem Verfahren beizutragen. Das BZSt soll den Antragsteller über den Stand und Fortgang des Verfahrens unterrichten. Der Antragsteller kann

  • Anträge stellen;

  • sich zu den für die Verständigung erheblichen Tatsachen und Rechtsfragen äußern;

  • sich durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen.

81 Das BZSt unterrichtet den Antragsteller über das Ergebnis des Verfahrens.

82 Zu der Frage, ob der Antragsteller zur Rücknahme von Rechtsbehelfen bereit ist, hat sich dieser erst zu äußern, wenn ihm ein Verständigungsvorschlag mitgeteilt worden ist.

3.4 Einigung

83 Die Einigung erfolgt zwischen den zuständigen Behörden. Sie erfolgt im Allgemeinen schriftlich (z. B. durch einen abschließenden Briefwechsel).

4 Umsetzung der Einigung

4.1 Zustimmung des Antragstellers

84 Die Umsetzung der Einigung (Verständigungsvereinbarung bzw. in den Fällen des Art. 12 EU-Schiedskonvention und § 18 EU-DBA-SBG die Entscheidung der zuständigen Behörden) steht unter dem Vorbehalt, dass

  • sich der Antragsteller (und in Verrechnungspreisfällen ggf. auch das betroffene verbundene Unternehmen) mit der getroffenen Zuordnung der Besteuerungsrechte, auch der Höhe nach, und mit deren Umsetzung schriftlich einverstanden erklärt (Zustimmung);

  • eingelegte und noch offene (in- und ausländische) Rechtsbehelfe, soweit sie sich auf den Gegenstand des Streitbeilegungsverfahrens beziehen und sich nicht anderweitig erledigen, zurückgenommen werden und

  • der Antragsteller gegenüber der örtlich zuständigen Finanzbehörde vor Bekanntgabe des die Verständigungsvereinbarung bzw. Entscheidung der zuständigen Behörden umsetzenden Bescheides (§ 354 Abs. 1b AO bzw. § 18 Abs. 5 Satz 1 EU-DBA-SBG) auf einen Rechtsbehelf verzichtet, soweit damit diese Einigung zutreffend umgesetzt wird (Teilverzicht).

85 Lag dem Verfahren ein Antrag in Deutschland zugrunde, unterrichtet das BZSt den Antragsteller über den Inhalt der Einigung und den Zustimmungsvorbehalt. Dasselbe gilt, wenn von der Einigung Personen betroffen sind, die im von der Einigung umfassten Zeitraum der Besteuerung in Deutschland unterlegen haben (z. B. ein verbundenes Unternehmen in Deutschland), auch wenn dem Verfahren nur ein Antrag im Ausland zugrunde lag.

86 Das BZSt setzt dem Antragsteller bzw. der oder den betroffenen Person(en) eine angemessene Frist (mindestens 60 Tage) für die in Rn. 84 aufgeführte Zustimmung, die Rücknahme ggf. eingelegter und noch offener Rechtsbehelfe und den Rechtsbehelfsverzicht. Die Zustimmung ist gegenüber dem BZSt zu erklären. Die Rücknahme eingelegter und noch offener Rechtsbehelfe ist jeweils dort zu erklären, wo diese Rechtsbehelfe anhängig sind (z. B. ein Einspruch gegenüber dem zuständigen Finanzamt und eine Klage gegenüber dem zuständigen Gericht). Der Rechtsbehelfsverzicht bzw. Teilverzicht hinsichtlich der die Einigung umsetzenden Steuerbescheide ist gegenüber dem örtlich zuständigen Finanzamt zu erklären.

87 Der Antragsteller bzw. die betroffene(n) Person(en) informieren das BZSt über die Rücknahme eingelegter und noch offener Rechtsbehelfe und Rechtsbehelfsverzichte bzw. Teilverzichte.

88 Die Umsetzung der Einigung kann auch unter dem Vorbehalt entsprechender Erklärungen ausländischer betroffener Personen gegenüber der ausländischen zuständigen Behörde oder ausländischen Gerichten stehen.

89 Erklären sich der Antragsteller oder die betroffene(n) Person(en) nicht innerhalb der gesetzten Frist, kann dies je nach den Umständen des Einzelfalls dazu führen, dass die Verständigung im In- und Ausland endgültig nicht umgesetzt wird.

90 Die Mitteilung über den Inhalt der Einigung ist kein Verwaltungsakt gemäß § 118 AO, da es sich um eine reine Informationsmitteilung ohne Regelungsgehalt handelt. Die Mitteilung kann deshalb nicht mit einem Einspruch angefochten werden. Es bleibt dem Antragsteller jedoch unbenommen, der Einigung nicht zuzustimmen.

91 Eine unter den in Rn. 84 genannten Vorbehalten stehende Einigung auf Grundlage eines Verfahrens nach der EU-Schiedskonvention oder des zwischen den betroffenen Vertragsstaaten anzuwendenden DBA wird vom örtlich zuständigen Finanzamt nur umgesetzt, wenn die in Rn. 84 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Das BZSt informiert die zuständige Landesfinanzbehörde, sobald die Voraussetzungen für die Umsetzung vorliegen und teilt ihr den Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Verständigungsvereinbarung mit (vgl. Rn. 93 Satz 4).

92 Für Verständigungsvereinbarungen und abschließende Entscheidungen auf Grundlage eines Verfahrens nach dem EU-DBA-SBG gelten § 15 und § 18 EU-DBA-SBG.

4.2 Bestandskraft von Bescheiden und Verjährung

93 Die Verständigungsvereinbarung kann nach § 175a Satz 1 AO ungeachtet der Bestandskraft deutscher Bescheide umgesetzt werden. Für Verfahren nach dem EU-DBA-SBG gilt § 175a AO gem. § 15 Abs. 3 Satz 2 EU-DBA-SBG entsprechend. Die Festsetzungsfrist endet nach § 175a Satz 2 AO insoweit nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Wirksamwerden der Verständigungsvereinbarung. Die Verständigungsvereinbarung wird mit Ablauf des Tages der letzten Unterschrift der Zustimmung wirksam.

94 § 175a Satz 2 AO enthält eine aufschiebend bedingte Ablaufhemmung. Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist im möglichen Umfang der Bindungswirkung der Verständigungsvereinbarung solange gehemmt, wie nach den für die Durchführung und den Abschluss einer Verständigungsvereinbarung maßgeblichen völkerrechtlichen Vereinbarungen die Einleitung eines Verständigungsverfahrens ungeachtet der nach nationalem Recht maßgebenden Festsetzungsfrist möglich ist.

95 Der Antrag auf Einleitung eines Verständigungsverfahrens bei einer inländischen Finanzbehörde hemmt den Ablauf der Festsetzungsfrist nach Maßgabe des § 171 Abs. 3 AO, wenn damit gleichzeitig die Änderung des Steuerbescheids beantragt wird.

5 Verständigungsverfahren und zwischenstaatlicher Auskunftsaustausch

96 Die Auskunftsklauseln der DBA und die Bestimmungen des EUAHiG finden auch im Verständigungsverfahren Anwendung. Soweit die Auskunftsklausel des zwischen den betroffenen Vertragsstaaten anzuwendenden DBA oder das EUAHiG es zulassen, können auch im Verständigungsverfahren alle erforderlichen Informationen ausgetauscht werden. Die Grundsätze des „Merkblatts zur zwischenstaatlichen Amtshilfe durch Auskunftsaustausch in Steuersachen“ ( (BStBl 2019 I S. 480 – Stand ) sind zu beachten.

6 Vermeidung und Milderung einer verbliebenen Doppelbesteuerung im Anschluss an ein Verständigungsverfahren

97 Im Falle eines Scheiterns des Verständigungsverfahrens unterrichtet das BZSt unverzüglich den Antragsteller und die zuständige Landesfinanzbehörde über diese Entscheidung.

98 Sind die Voraussetzungen des § 34c Abs. 6 Satz 6 EStG erfüllt, erfolgt die Milderung der Doppelbesteuerung nach § 34c Abs. 3 EStG im Wege des Abzugs der festgesetzten und gezahlten und um einen entstandenen Ermäßigungsanspruch gekürzten ausländischen Steuer bei der Ermittlung der Einkünfte, soweit sie auf Einkünfte entfällt, die der deutschen Einkommensteuer unterliegen. Der Abzug ist gem. § 34c Abs. 6 Satz 6 2. Halbsatz EStG jedoch ausgeschlossen, wenn die Besteuerung ihre Ursache in einer Gestaltung hat, für die wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlen, oder das Abkommen dem anderen Staat die Besteuerung dieser Einkünfte gestattet. Billigkeitsmaßnahmen aufgrund sachlicher Unbilligkeit scheiden in den Fällen des § 34c Absatz 6 Satz 6 EStG regelmäßig aus.

99 Liegt kein Fall des § 34c Abs. 6 Satz 6 EStG vor, kann das örtlich zuständige Finanzamt auf Antrag prüfen, ob eine (ggf. verbleibende) Doppelbesteuerung unter den Voraussetzungen des § 163 AO aus sachlichen Billigkeitsgründen gemindert oder vermieden werden kann. Solche Billigkeitsmaßnahmen kommen insbesondere dann nicht in Betracht, wenn der Steuerpflichtige verfahrensrechtliche Vorschriften nicht beachtet hat (vgl. Rn. 17) sowie regelmäßig in Fällen, in denen der Steuerpflichtige

  • seinen steuerlichen Pflichten im In- oder Ausland nicht ausreichend nachgekommen ist (z. B. mangelhafte Mitwirkung bei der Sachverhaltsaufklärung),

  • falsche Angaben in einem steuerrechtlichen oder sonstigen Verwaltungsverfahren (z. B. in einem Arbeitsbewilligungsverfahren) gemacht hat (z. B. Scheindomizil),

  • der Einigung nicht oder nicht fristgerecht zugestimmt oder die übrigen Voraussetzungen der Rn. 84 nicht oder nicht fristgerecht erfüllt hat (vgl. Rn. 86 bzw. § 15 Abs. 2 Satz 2 EU-DBA-SBG), oder

  • ein Schiedsverfahren nicht beantragt hat, obwohl die Voraussetzungen hierfür vorlagen,

und hierdurch die eingetretene Doppelbesteuerung mitverursacht worden ist. Eine sachliche Billigkeitsmaßnahme entfällt regelmäßig auch dann, wenn der Steuerpflichtige als im anderen Vertragsstaat ansässig gilt oder zu gelten hat.

Die gesonderten Zuständigkeitsregelungen und die Mitwirkung des BMF bei Billigkeitsmaßnahmen sind zu beachten.

7 Kosten

100 Die Vertragsstaaten tragen die ihnen durch das Verständigungsverfahren entstandenen Kosten selbst. Dem Antragsteller entstandene Kosten werden nicht erstattet.

C Streitbeilegungsverfahren nach einem DBA

101 Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind anzuwenden auf Anträge auf Einleitung eines Verständigungsverfahrens nach einem DBA (vgl. Tz. 1.5.1).

8 Einleitung des Verständigungsverfahrens

8.1 Antragstellung

102 Das Verständigungsverfahren setzt einen Antrag des Abkommensberechtigten voraus. Wird ein Verständigungsverfahren nach einem DBA begehrt, ist in dem Antrag deutlich zu machen, dass dieser auf die Verständigungsklausel des zwischen den betroffenen Vertragsstaaten anzuwendenden DBA gestützt wird.

8.2 Antragsfrist

103 Die Verständigungsklauseln der meisten DBA enthalten eine für dieses DBA maßgebliche Frist für die Antragstellung. Im größten Teil dieser Abkommen ist geregelt, dass der Antrag innerhalb von drei Jahren nach der ersten Maßnahme unterbreitet werden muss, die zu einer dem Abkommen nicht entsprechenden Besteuerung führt [5]. Beruht die Besteuerung auf Besteuerungsmaßnahmen der deutschen und ausländischen Finanzverwaltung, ist die Bekanntgabe der letzten Besteuerungsmaßnahme maßgebend.

104 Ist im zwischen den betroffenen Vertragsstaaten anzuwendenden DBA keine Antragsfrist festgelegt, stimmt die deutsche Finanzverwaltung grundsätzlich einer Einleitung des Verständigungsverfahrens nicht zu, wenn der Steuerpflichtige eine Zeit von mehr als vier Jahren zwischen der Bekanntgabe der maßgebenden Besteuerungsmaßnahme und seinem Antrag hat verstreichen lassen und nicht besondere Umstände eine frühere Geltendmachung ausgeschlossen haben.

8.3 Inhalt des Antrags

105 Der Antrag hat die in Rn. 57 aufgeführten Angaben und Unterlagen zu enthalten.

106 Das BZSt prüft, ob die zur Einleitung des Verständigungsverfahrens notwendigen Informationen gem. Rn. 57 vorliegen und fordert ggf. den Antragsteller zeitnah zur Übermittlung der fehlenden sowie u. U. weiterer Informationen auf. Die Anforderung soll innerhalb von drei Monaten nach Eingang des Antrags erfolgen. Fristen, die für die eventuelle Einleitung eines Schiedsverfahrens gelten, beginnen erst – soweit nicht anders geregelt – wenn alle vom BZSt angeforderten Unterlagen vorliegen und der Antrag damit vollständig ist.

107 Dem BZSt bleibt es unbenommen, ergänzende Informationen zu einem späteren Zeitpunkt anzufordern.

9 Schiedsverfahren

9.1 Einleitung des Schiedsverfahrens

108 Soweit dies nach dem zwischen den betroffenen Vertragsstaaten anzuwendenden DBA vorgesehen ist, kann als unselbständiger Teil des Verständigungsverfahrens ein Schiedsverfahren in Betracht kommen, wenn innerhalb eines im DBA bestimmten Zeitrahmens keine Einigung der zuständigen Behörden zustande gekommen ist.

109 Das Schiedsverfahren muss i. d. R. vom Abkommensberechtigten beantragt werden, Antragsfristen und Voraussetzungen an diesen Antrag können in diesen Fällen dem zwischen den betroffenen Vertragsstaaten anzuwendenden DBA entnommen werden.

110 Die Anlage zu diesem Merkblatt enthält eine Übersicht über Schiedsklauseln in deutschen DBA und ggf. vorhandene Verständigungsvereinbarungen über die Anwendung des Schiedsverfahrens. Die DBA sind auf der Internetseite des Bundesministeriums der Finanzen abrufbar [6].

9.2 Kosten des Schiedsverfahrens

111 Gegebenenfalls vorhandene Regelungen zu den entstandenen Kosten eines Schiedsverfahrens finden sich in dem jeweils anzuwendenden DBA bzw. in einer anzuwendenden Verständigungsvereinbarung über die Anwendung des Schiedsverfahrens.

112 In der Regel tragen die Vertragsstaaten die ihnen durch das Verständigungs- bzw. Schiedsverfahren entstandenen Kosten selbst. Die dem Abkommensberechtigten entstandenen Kosten werden nicht erstattet.

D Streitbeilegungsverfahren nach der EU-Schiedskonvention

113 Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind anzuwenden auf Anträge auf Einleitung eines Verständigungsverfahrens nach Art. 6 Abs. 1 der EU-Schiedskonvention (vgl. Tz. 1.5.2).

10 Einleitung des Verständigungsverfahrens

10.1 Antragstellung

114 Das Verständigungsverfahren setzt nach Art. 6 Abs. 1 der EU-Schiedskonvention einen Antrag des betroffenen Unternehmens voraus. In diesem Antrag ist deutlich zu machen, dass dieser auf die EU-Schiedskonvention gestützt wird. Der Antrag ist nur zulässig, wenn geltend gemacht wird, dass die in Art. 4 der EU-Schiedskonvention genannten Grundsätze nicht beachtet worden sind (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EU-Schiedskonvention).

115 Der Antrag soll zweckmäßigerweise in allen Ansässigkeitsstaaten der betroffenen Steuerpflichtigen gestellt werden. Entsprechendes gilt, wenn eine Betriebsstättengewinnaufteilung nach Art. 4 Nr. 2 der EU-Schiedskonvention in Frage steht. Eine Betriebsstätte eines Unternehmens eines Vertragsstaats, die in einem anderen Vertragsstaat gelegen ist, gilt für Zwecke der EU-Schiedskonvention als Unternehmen dieses anderen Vertragsstaats (Art. 1 Abs. 2 EU-Schiedskonvention).

116 Zur Vermeidung von Verzögerungen sollte ein schriftlicher Antrag in dreifacher Ausfertigung eingereicht werden.

10.2 Antragsfrist

117 Der Antrag ist nach Art. 6 Abs. 1 Satz 2 der EU-Schiedskonvention innerhalb von drei Jahren nach der ersten Mitteilung der Maßnahme zu unterbreiten, die eine Doppelbesteuerung im Sinne des Art. 1 der EU-Schiedskonvention, z. B. infolge einer Verrechnungspreiskorrektur, herbeigeführt hat oder herbeiführen könnte. Diese Frist beginnt mit der Bekanntgabe des ersten Bescheides, der zu einer Doppelbesteuerung führt (z. B. geänderter Steuerbescheid).

118 Für Fälle, die das Vereinigte Königreich betreffen, gilt die EU-Schiedskonvention nur bis zum Ende der Übergangsphase am 31. Dezember 2020. Anträge, die nach diesem Datum eingehen, sind abzulehnen.

10.3 Inhalt des Antrags

119 Der Antrag hat die in Rn. 57 aufgeführten Angaben und Unterlagen zu enthalten.

120 Bei einem Verfahren nach der EU-Schiedskonvention gehört zu den Mindestangaben auch eine Zusage des Unternehmens, dass es so umfassend und so schnell wie möglich alle Nachfragen einer zuständigen Behörde beantworten und den zuständigen Behörden die erforderlichen Unterlagen zur Verfügung stellen wird. [7]

121 Eine ausführlichere Darstellung der standardmäßig benötigten Angaben und Unterlagen kann auf der Internetseite des BZSt [8] abgerufen werden.

122 Das BZSt prüft, ob die zur Einleitung eines Verständigungsverfahrens notwendigen Angaben und Unterlagen gemäß Rn. 119 und Rn. 120 vorliegen und fordert ggf. das Unternehmen innerhalb von zwei Monaten nach Eingang des Antrags zur Übermittlung der fehlenden Angaben und Unterlagen, sowie u. U. weiterer Informationen, auf. Auf Rn. 132 wird hingewiesen.

123 Dem BZSt bleibt es unbenommen, ergänzende Informationen zu einem späteren Zeitpunkt anzufordern.

10.4 Einleitung des Verständigungsverfahrens bei Antragstellung im Inland

124 Ergibt die Prüfung, dass der Antrag zulässig und hinreichend begründet ist und können die zuständigen deutschen Finanzbehörden keine zufriedenstellende Lösung herbeiführen, leitet das BZSt das Verständigungsverfahren nach Art. 6 Abs. 2 der EU-Schiedskonvention gegenüber den zuständigen Behörden der anderen an dem Fall beteiligten Vertragsstaaten ein. Dies soll spätestens vier Monate nach dem späteren der nachfolgenden Zeitpunkte erfolgen:

  1. Datum des Steuerbescheids, mit dem die endgültige Entscheidung über die Einkommenserhöhung festgesetzt oder festgestellt worden ist, oder

  2. Datum, an dem der Antrag des Unternehmens sowie die Informationen gem. Rn. 122 dem BZSt vorliegen.

125 Wird von Rechtsbehelfen nach dem deutschen Steuerrecht oder dem Recht der anderen an dem Fall beteiligten Vertragsstaaten Gebrauch gemacht, liegt eine endgültige Entscheidung über die Einkommenserhöhung zu dem Zeitpunkt vor, zu dem die in letzter Instanz ergangene Entscheidung rechtskräftig geworden ist.

126 Das BZSt unterrichtet das antragstellende Unternehmen über die Einleitung des Verständigungsverfahrens und teilt diesem mit, an welchem Tag die Zweijahresfrist gem. Art. 7 Abs. 1 der EU-Schiedskonvention begonnen hat. Auf Rn. 132 wird hingewiesen.

127 Zum Vorgehen bei nur im Ausland beantragten Verständigungsverfahren siehe Tz. 2.5.

11 Durchführung des Verständigungsverfahrens

11.1 Allgemeine Verfahrensgrundsätze

128 Die Vertragsstaaten sind an den Fremdvergleichsgrundsatz des Art. 4 der EU-Schiedskonvention gebunden. Dieser entspricht dem Fremdvergleichsgrundsatz des Art. 9 Abs. 1 und des Art. 7 Abs. 2 der VerhGl.

11.2 Verfahrensablauf

129 Das BZSt richtet sich hinsichtlich des Verfahrensablaufs, einschließlich der zu erstellenden Positionspapiere, nach dem überarbeiteten Verhaltenskodex zur wirksamen Durchführung des Übereinkommens über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen [9]. Die dort genannten Fristen sollen regelmäßig eingehalten werden.

130 Die zuständigen Landesfinanzbehörden übermitteln die von ihnen erbetenen Stellungnahmen, soweit möglich, spätestens einen Monat vor Ablauf der im Verhaltenskodex für das BZSt als deutsche zuständige Behörde vorgesehenen Fristen.

12 Schiedsverfahren

12.1 Allgemeines

131 Führt das Verständigungsverfahren nicht innerhalb von zwei Jahren zu einer Einigung, so sind die zuständigen Behörden der beteiligten Vertragsstaaten verpflichtet, einen Beratenden Ausschuss einzusetzen und dessen Stellungnahme einzuholen (sog. Schlichtungsverfahren gem. Art. 7 EU-Schiedskonvention). Die zuständigen Behörden können die Frist von zwei Jahren im Einvernehmen mit den beteiligten Unternehmen verlängern (Art. 7 Abs. 4 EU-Schiedskonvention).

132 Die in Art. 7 Abs. 1 der EU-Schiedskonvention genannte Frist von zwei Jahren beginnt an dem Tag, an dem der Fall erstmals einer der zuständigen Behörden (BZSt oder im Falle der Antragstellung bei einer ausländischen Finanzverwaltung, die zuständige Behörde dieses anderen Vertragsstaats) unterbreitet worden ist. Dabei ist der Fall zu dem späteren der nachfolgend genannten Zeitpunkte als erstmals einer der zuständigen Behörden unterbreitet anzusehen:

  • Datum des Steuerbescheids, mit dem die endgültige Entscheidung über die Einkommenserhöhung festgesetzt oder festgestellt worden ist;

  • Tag des Eingangs sämtlicher der unter Rn. 119 und Rn. 120 genannten Angaben und Unterlagen bei der zuständigen Behörde sowie jeder weiteren Information, die die zuständige Behörde innerhalb von zwei Monaten nach Eingang des Antrags des Unternehmens angefordert hat.

133 Innerstaatliche Rechtsbehelfe können dazu führen, dass die in Rn. 131 und Rn. 132 genannte Frist später beginnt oder im Ergebnis ein Schiedsverfahren vollständig ausgeschlossen ist. Insoweit wird auf Rn. 14 Buchstabe c hingewiesen.

12.2 Einsetzung des Beratenden Ausschusses

134 Sofern die zuständigen Behörden der an dem Fall beteiligten Vertragsstaaten nichts anderes vereinbaren, ergreift der Vertragsstaat, der den ersten Steuerbescheid, d. h. die endgültige Entscheidung der Finanzverwaltung über die Einkommenserhöhung oder eine gleich bedeutende Maßnahme erlassen hat, die zu einer Doppelbesteuerung im Sinne des Art. 1 der EU-Schiedskonvention geführt hat oder führen könnte, die Initiative zur Einsetzung des Beratenden Ausschusses und organisiert dessen Sitzungen in Absprache mit den zuständigen Behörden der anderen an dem Fall beteiligten Vertragsstaaten.

135 Das BZSt übermittelt dem Beratenden Ausschuss vor seiner ersten Sitzung alle den Fall betreffenden sachdienlichen Unterlagen und Informationen, insbesondere sämtliche Dokumente, Berichte, Korrespondenzen und Schlussfolgerungen aus dem Verständigungsverfahren.

12.3 Zusammensetzung des Beratenden Ausschusses

136 Der Beratende Ausschuss besteht in der Regel aus einem unabhängigen Vorsitzenden, je zwei Vertretern der zuständigen Behörden und einer geraden Anzahl – i. d. R. zwei – unabhängigen Personen (Art. 9 Abs. 1 EU-Schiedskonvention). Die Mitglieder des Beratenden Ausschusses unterliegen den Geheimhaltungsvorschriften des Art. 9 Abs. 6 der EU-Schiedskonvention.

12.4 Rechte und Pflichten der betroffenen Unternehmen

137 Die betroffenen Unternehmen haben ein Recht auf Anhörung oder Vertretung (Art. 10 Abs. 2 EU-Schiedskonvention). Es steht ihnen frei, zur Sach- und Rechtslage gegenüber dem Beratenden Ausschuss Stellung zu nehmen und die ihnen notwendig erscheinenden Beweismittel und Schriftstücke vorzulegen (Art. 10 Abs. 1 EU-Schiedskonvention). Auf Aufforderung des Beratenden Ausschusses sind die betroffenen Unternehmen verpflichtet, Auskünfte zu erteilen oder Beweismittel oder Schriftstücke vorzulegen und vor dem Ausschuss zu erscheinen oder sich dort vertreten zu lassen. Stellungnahmen und Unterlagen, die von einem betroffenen Unternehmen erstmals im Schiedsverfahren abgegeben oder vorgelegt werden, sind von diesem in die Verfahrenssprache(n) gemäß Rn. 60 ff. zu übersetzen.

12.5 Stellungnahme des Beratenden Ausschusses und Entscheidung der zuständigen Behörden

138 Der Beratende Ausschuss gibt seine Stellungnahme binnen sechs Monaten ab. Er ist hierbei an den Fremdvergleichsgrundsatz des Art. 4 der EU-Schiedskonvention gebunden (Art. 11 Abs. 1 EU-Schiedskonvention). Die Stellungnahme ergeht mit einfacher Mehrheit seiner Mitglieder (Art. 11 Abs. 2 EU-Schiedskonvention).

139 Die Frist zur Abgabe der Stellungnahme beginnt an dem Tag, an dem der Vorsitzende bestätigt, dass die Ausschussmitglieder alle sachdienlichen Unterlagen und Informationen entsprechend Rn. 119 von allen zuständigen Behörden der an dem Fall beteiligten Vertragsstaaten erhalten haben.

140 Nach Abgabe der Stellungnahme des Beratenden Ausschusses haben die zuständigen Behörden der an dem Fall beteiligten Vertragsstaaten sechs weitere Monate Zeit, sich zu einigen. Sie können von der Stellungnahme des Beratenden Ausschusses abweichen, sofern auch dann die Doppelbesteuerung vermieden wird. Können sie sich nicht auf eine abweichende Regelung einigen, sind sie an die Stellungnahme des Beratenden Ausschusses als Schiedsspruch gebunden (Art. 12 Abs. 1 EU-Schiedskonvention).

12.6 Bekanntgabe der Stellungnahme des Beratenden Ausschusses und der Entscheidung der zuständigen Behörden

141 Nachdem die an dem Fall beteiligten zuständigen Behörden eine Entscheidung über die Vermeidung der Doppelbesteuerung getroffen haben, übermittelt die zuständige Behörde, der der Fall unterbreitet wurde, jedem der beteiligten Unternehmen die Entscheidung der zuständigen Behörden und die Stellungnahme des Beratenden Ausschusses.

142 Bezüglich der Umsetzung der Entscheidung gilt Tz. 4.

12.7 Weitere Einzelheiten zum Schiedsverfahren

143 Hinsichtlich weiterer Einzelheiten zum Schiedsverfahren nach der EU-Schiedskonvention wird auf den überarbeiteten Verhaltenskodex zur wirksamen Durchführung des Übereinkommens über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen [10] hingewiesen.

13 Kosten des Schiedsverfahrens

144 Die Verfahrenskosten des Beratenden Ausschusses werden von den an dem Fall beteiligten Vertragsstaaten zu gleichen Teilen getragen (Art. 11 Abs. 3 EU-Schiedskonvention). Zu diesen gehören die Verwaltungskosten des Beratenden Ausschusses sowie die Honorare und Auslagen der unabhängigen Personen.

145 Kosten, die den betroffenen Unternehmen im Zusammenhang mit dem Schiedsverfahren entstehen, werden den Unternehmen nicht ersetzt (Art. 11 Abs. 3 EU-Schiedskonvention).

E Streitbeilegungsverfahren nach dem EU-DBA-SBG

14 Allgemeines

146 Das EU-DBA-SBG ist grundsätzlich erstmals für Steuerjahre, die am oder nach dem beginnen, anwendbar (§ 33 EU-DBA-SBG). Nur insoweit gilt auch der Vorrang des EU-DBA-SBG (siehe Rn. 11).

147 Die deutsche zuständige Behörde hat zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Merkblatts mit keiner zuständigen Behörde eines anderen EU-Mitgliedstaats vereinbart, auf Grundlage von § 33 Abs. 2 EU-DBA-SBG die Verfahren nach dem EU-DBA-SBG auch auf Streitbeilegungsbeschwerden anzuwenden, die vor dem oder in Bezug auf frühere Steuerjahre als 2018 eingereicht werden. Betrifft eine Streitbeilegungsbeschwerde, die ab dem eingereicht ist, sowohl Steuerjahre ab 2018 als auch frühere Steuerjahre, so wird die deutsche zuständige Behörde bei Vorliegen eines entsprechenden Antrags gemeinsam mit der zuständigen Behörde des anderen betroffenen Mitgliedstaats im Einzelfall und ohne Präzedenzwirkung erwägen und ggf. vereinbaren, dieses Verfahren nach dem EU-DBA-SBG auch auf diese früheren Steuerjahre anzuwenden.

148 Die Antragsvoraussetzungen und Verfahrensabläufe mit allen geltenden Fristen für ein Verständigungsverfahren sind dem EU-DBA-SBG [11] zu entnehmen. Hervorzuheben sind die nachfolgend aufgeführten Punkte zur Anwendung dieses Gesetzes und zur Regelung von Verfahrensabläufen. [12]

149 Der Antrag auf Durchführung eines Streitbeilegungsverfahrens nach dem EU-DBA-SBG (Streitbeilegungsbeschwerde, Rn. 154), ggf. die Rücknahme dieses Antrags (Rn. 158), die Antwort auf Ersuchen um zusätzliche Informationen (Rn. 163), der Antrag auf Einsetzung eines Beratenden Ausschusses (Schiedsverfahren, Rn. 174) und ggf. die Rücknahme dieses Antrags (im Weiteren zusammengefasst als „Benachrichtigungen“ bezeichnet) sind gleichzeitig und mit gleichem Inhalt an alle zuständigen Behörden der betroffenen Mitgliedstaaten zu übermitteln.

14.1 Verfahrenserleichterungen für natürliche Personen und kleinere Unternehmen

150 Sind die Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 EU-DBA-SBG für die in § 28 EU-DBA-SBG aufgeführten Verfahrenserleichterungen für natürliche Personen und kleinere Unternehmen erfüllt, kann der Antragsteller die in Rn. 149 genannten Benachrichtigungen, abweichend von dem dort genannten Grundsatz, auch nur bei der zuständigen Behörde des Mitgliedstaats einreichen, in dem die betroffene Person ansässig ist (in Deutschland beim BZSt).

151 Das in § 28 Abs. 1 Nr. 2 EU-DBA-SBG enthaltene Größenmerkmal muss zum Ende des letzten abgeschlossenen Veranlagungszeitraums vor Antragstellung erfüllt sein, damit die Rechtsfolgen der Vorschrift eintreten können. Der Antragsteller hat gegenüber dem BZSt das Vorliegen der Voraussetzungen darzulegen. Ergibt eine Prüfung, dass die Größenmerkmale im jeweiligen Fall überschritten sind, weist das BZSt den Antragsteller innerhalb von drei Monaten auf die Verpflichtung zur zeit- und inhaltsgleichen Antragstellung in allen betroffenen Mitgliedstaaten hin.

152 Ist in Fällen der Verfahrenserleichterung im Sinne des § 28 EU-DBA-SBG Deutschland der Ansässigkeitsstaat, teilt das BZSt den zuständigen Behörden der anderen betroffenen Mitgliedstaaten gleichzeitig und innerhalb von zwei Monaten nach Eingang der in Rn. 149 genannten Benachrichtigungen deren Inhalt mit (§ 28 Abs. 2 EU-DBA-SBG). Sobald eine Mitteilung durch das BZSt erfolgt ist, gilt eine Benachrichtigung mit dem Ablauf des Tages, an dem die Mitteilung abgesendet wurde, als an alle betroffenen Mitgliedstaaten übermittelt (§ 28 Abs. 3 EU-DBA-SBG).

153 In Fällen der Verfahrenserleichterung im Sinne des § 28 EU-DBA-SBG gelten die zusätzlichen Informationen im Sinne der Rn. 163 zum Zeitpunkt ihres Eingangs im BZSt in allen betroffenen Mitgliedstaaten als zugegangen (§ 28 Abs. 4 EU-DBA-SBG). Das BZSt übermittelt unverzüglich eine Kopie der eingegangenen Informationen den zuständigen Behörden aller anderen betroffenen Mitgliedstaaten (§ 28 Abs. 5 EU-DBA-SBG).

15 Einleitung des Verständigungsverfahrens

15.1 Antragstellung

154 Das Verständigungsverfahren setzt einen Antrag der betroffenen Person im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 7 EU-DBA-SBG voraus (Streitbeilegungsbeschwerde). In diesem Antrag ist von der betroffenen Person deutlich zu machen, dass sie ein Verfahren nach dem EU-DBA-SBG anstrebt.

155 Die Streitbeilegungsbeschwerde ist bei allen zuständigen Behörden der betroffenen Mitgliedstaaten gleichzeitig einzulegen und mit den gleichen Angaben einzureichen (§ 4 Abs. 2 EU-DBA-SBG). Bei zeitversetztem Eingang kommt es in den betroffenen Mitgliedstaaten zu verschiedenen Fristläufen. Auf die Ausnahmeregelung in Rn. 150 wird hingewiesen.

156 Das BZSt übersendet dem Antragsteller innerhalb von zwei Monaten nach Zugang der Streitbeilegungsbeschwerde eine Eingangsbestätigung (§ 6 Abs. 1 EU-DBA-SBG). Es soll im Rahmen dieser Eingangsbestätigung auf die zwingende Regelung der gleichzeitigen Antragstellung in allen betroffenen Mitgliedstaaten und, sofern nicht bereits im Antrag auf die Verfahrenserleichterungen für natürliche Personen und kleinere Unternehmen Bezug genommen wird, auf die Ausnahmeregelungen in § 28 EU-DBA-SBG hinweisen.

157 Innerhalb von zwei Monaten nach Zugang unterrichtet das BZSt die zuständigen Behörden der anderen betroffenen Mitgliedstaaten über den Eingang einer Streitbeilegungsbeschwerde (§ 6 Abs. 2 EU-DBA-SBG).

158 Der Antragsteller kann den Antrag jederzeit schriftlich zurücknehmen. Auf Rn. 149 und Rn. 150 wird hingewiesen. Durch die Rücknahme der Streitbeilegungsbeschwerde werden alle diesbezüglichen Verfahren nach dem EU-DBA-SBG mit sofortiger Wirkung beendet (§ 11 EU-DBA-SBG).

15.2 Antragsfrist

159 Die Streitbeilegungsbeschwerde ist innerhalb von drei Jahren, nachdem der betroffenen Person die erste Mitteilung der Maßnahme, die im Ergebnis zu einer Streitfrage geführt hat oder führen wird, bekannt gegeben worden ist, einzureichen (§ 4 Abs. 3 EU-DBA-SBG).

160 Zum Verständigungsverfahren kommt es erst, wenn alle zuständigen Behörden der betroffenen Mitgliedstaaten die Streitbeilegungsbeschwerde zugelassen haben. Dazu ist es i. d. R. erforderlich, dass in den betroffenen Mitgliedstaaten eine fristgerechte Streitbeilegungsbeschwerde eingereicht wird. Auf Rn. 150 wird hingewiesen.

15.3 Inhalt des Antrags

161 Der Antrag hat die in § 5 EU-DBA-SBG aufgeführten Angaben und Unterlagen zu enthalten.

162 Das BZSt prüft, ob die zur Einleitung des Verständigungsverfahrens notwendigen Informationen gem. Rn. 57 bzw. Rn. 161 vorliegen und fordert ggf. die Person, die die Streitbeilegungsbeschwerde eingelegt hat, innerhalb von drei Monaten nach dem Eingang der Streitbeilegungsbeschwerde zur Übermittlung der fehlenden sowie u. U. weiterer Informationen auf (§ 7 Abs. 1 EU-DBA-SBG).

163 Dieses Informationsersuchen ist innerhalb von drei Monaten, gerechnet ab dem Tag, der auf den Tag folgt, an dem das Informationsersuchen der betroffenen Person bekannt gegeben worden ist, zu beantworten. Die betroffene Person hat eine Kopie ihrer Antwort auf das Informationsersuchen gleichzeitig und mit gleichem Inhalt auch den zuständigen Behörden der anderen betroffenen Mitgliedstaaten zu übermitteln (§ 7 Abs. 2 EU-DBA-SBG).

164 Dem BZSt bleibt es unbenommen, ergänzende Informationen zu einem späteren Zeitpunkt anzufordern. Der Ablauf der Einigungsfrist (Rn. 171) wird durch diese späteren Informationsersuchen nicht gehemmt. (§ 14 EU-DBA-SBG).

15.4 Einleitung des Verständigungsverfahrens und Rechtsschutz

165 Das BZSt trifft innerhalb von sechs Monaten ab Eingang der Streitbeilegungsbeschwerde eine Entscheidung über ihre Zulassung oder Zurückweisung. Hat das BZSt ein Informationsersuchen im Sinne der Rn. 162 gestellt, so beginnt die Frist erst an dem Tag, der auf den Tag folgt, an dem die Antwort zugegangen ist (§ 8 Abs. 1 Satz 1 und 2 EU-DBA-SBG).

166 Hat die betroffene Person ein Rechtsbehelfsverfahren nach dem nationalen Recht eines der betroffenen Mitgliedstaaten eingeleitet, so ist die Anlaufhemmung der Frist zur Entscheidung über die Zulassung aus Rn. 14 Buchstabe d bzw. § 8 Abs. 1 Satz 3 EU-DBA-SBG zu beachten.

167 Hat das BZSt mit Ablauf der in Rn. 165 genannten Frist keine Entscheidung über die Zulassung oder Zurückweisung der Streitbeilegungsbeschwerde getroffen, so gilt die Beschwerde als zugelassen (§ 8 Abs. 4 EU-DBA-SBG).

168 Wurde die Streitbeilegungsbeschwerde von der zuständigen Behörde mindestens eines Mitgliedstaats, jedoch nicht von allen Mitgliedstaaten zurückgewiesen, kann die betroffene Person die Einsetzung des Beratenden Ausschusses beantragen, damit dieser über die Zulassung der Streitbeilegungsbeschwerde entscheidet. Der Antrag ist nur zulässig, wenn gegen die Zurückweisung der Streitbeilegungsbeschwerde kein Rechtsbehelf gegeben ist, kein nationales Rechtsbehelfsverfahren anhängig ist oder auf ein solches Rechtsbehelfsverfahren verzichtet wurde (§ 10 Abs. 1 EU-DBA-SBG). Bezüglich dieses Schiedsverfahrens gilt Tz. 16 entsprechend.

169 Wenn in einem betroffenen Mitgliedstaat die Zurückweisung der Streitbeilegungsbeschwerde durch die zuständige Behörde im nationalen Rechtsweg rechtskräftig bestätigt wurde und die Verwaltung des betroffenen Mitgliedstaats von dieser Entscheidung nicht abweichen darf, ist ein Antrag im Sinne der Rn. 168 ausgeschlossen (§ 9 Abs. 2 EU-DBA-SBG).

170 Hat der Beratende Ausschuss entschieden, dass ein Antrag im Sinne der Rn. 168 zulässig ist, wird i. d. R. das BZSt das Verfahren einleiten (§ 10 Abs. 5 Satz 1 EU-DBA-SBG).

16 Schiedsverfahren

16.1 Antragstellung

171 Die Einigungsfrist für ein Verständigungsverfahren beträgt zwei Jahre ab dem Zugang der letzten Mitteilung über die Zulassung der Streitbeilegungsbeschwerde durch die zuständigen Behörden der betroffenen Mitgliedstaaten bei der betroffenen Person. In Fällen der Ersetzung der Zulassung durch den Beratenden Ausschuss (Rn. 168) beginnt die Einigungsfrist an dem Tag, der auf den Tag folgt, an dem die Mitteilung über die Zulassung der Streitbeilegungsbeschwerde durch den Beratenden Ausschuss der betroffenen Person zugegangen ist (§ 13 Abs. 2 EU-DBA-SBG).

172 Hat die betroffene Person ein Rechtsbehelfsverfahren nach dem nationalen Recht der betroffenen Mitgliedstaaten eingeleitet, so ist die Anlaufhemmung der in Rn. 14 Buchstabe d bzw. § 13 Abs. 3 EU-DBA-SBG genannten Einigungsfrist zu beachten.

173 Wurde innerhalb der Zweijahresfrist keine Einigung über die Lösung der Streitfrage erzielt, teilt das BZSt der betroffenen Person unverzüglich die Gründe hierfür mit (§ 16 Abs. 1 EU-DBA-SBG).

174 Die betroffene Person kann im Falle einer fehlenden Einigung die Einsetzung des Beratenden Ausschusses (Schiedsverfahren) beim BZSt beantragen (§ 17 Abs. 1 Satz 1 EU-DBA-SBG).

175 Die betroffene Person hat diesen Antrag schriftlich und innerhalb von 50 Tagen nach Bekanntgabe der Mitteilung über die fehlende Einigung bei den zuständigen Behörden aller betroffenen Mitgliedstaaten gleichzeitig und mit gleichen Angaben einzureichen (§ 17 Abs. 1 Satz 2 EU-DBA-SBG). Auf Rn. 150 wird hingewiesen.

176 Im Falle der Rn. 168 beginnt die 50-Tage-Frist mit dem Tag, der auf den Tag folgt, an dem der betroffenen Person die gerichtliche Entscheidung bekannt gegeben wurde, welche die Zurückweisung der Streitbeilegungsbeschwerde durch eine zuständige Behörde der betroffenen Mitgliedstaaten ersetzt (§ 10 Abs. 2 Satz 1 EU-DBA-SBG).

177 Das BZSt kann den Antrag auf Einsetzung des Beratenden Ausschusses im Einzelfall ablehnen, wenn es bei der Streitfrage nicht um eine Frage der Doppelbesteuerung geht (z. B. bei vorgetragenem Verstoß gegen die Diskriminierungsverbote, bei einem im Abkommen bzw. Übereinkommen festgelegten ausschließlichem Besteuerungsrecht oder lediglich bei „virtueller“ Doppelbesteuerung; siehe auch Rn. 6).

178 Im Falle der Ablehnung des Antrags informiert das BZSt unverzüglich die betroffene Person und die zuständigen Behörden der anderen betroffenen Mitgliedstaaten (§ 20 Abs. 2 EU-DBA-SBG).

16.2 Einsetzung und Zusammensetzung des Beratenden Ausschusses

179 Der Beratende Ausschuss muss innerhalb von 120 Tagen nach Eingang des Antrags eingesetzt werden (§ 22 Satz 1 EU-DBA-SBG). Dieser besteht i. d. R. aus einem Vorsitzenden, jeweils einem Vertreter der zuständigen Behörde jedes betroffenen Mitgliedstaats und jeweils einer unabhängigen Person, die von der zuständigen Behörde eines jeden betroffenen Mitgliedstaats aus der in § 26 EU-DBA-SBG genannten Liste ausgewählt wird (§ 21 EU-DBA-SBG).

180 Die Vertreter der zuständigen Behörden der betroffenen Mitgliedstaaten und die benannten unabhängigen Personen wählen innerhalb der 120-Tage-Frist aus der in § 26 EU-DBA-SBG genannten Liste von Personen einen Vorsitzenden, der, sofern von diesen Personen nicht anders vereinbart, ein Richter sein muss (§ 24 Abs. 5 EU-DBA-SBG).

181 Nach Einsetzung des Beratenden Ausschusses informiert der Vorsitzende die betroffene Person unverzüglich hierüber (§ 22 Satz 2 EU-DBA-SBG).

182 Mitglieder des Beratenden Ausschusses, die keine Amtsträger im Sinne des § 30 Abs. 1 i. V. m. § 7 AO sind, haben als amtlich zugezogene Sachverständige das Steuergeheimnis zu wahren (§ 23 Abs. 5 EU-DBA-SBG).

16.3 Rechte und Pflichten der betroffenen Person

183 Eine betroffene Person kann dem Beratenden Ausschuss für Zwecke des Schiedsverfahrens jegliche Informationen, Nachweise oder Unterlagen vorlegen, die für die Stellungnahme relevant sein könnten, sofern die zuständigen Behörden aller betroffenen Mitgliedstaaten zustimmen. Sie hat auf Anfrage des Beratenden Ausschusses alle Informationen, Nachweise und Unterlagen vorzulegen, die für die Stellungnahme erforderlich sind (§ 23 Abs. 1 und 2 EU-DBA-SBG)

184 Eine betroffene Person kann auf eigenen Antrag und mit Zustimmung der zuständigen Behörden aller betroffenen Mitgliedstaaten vor dem Beratenden Ausschuss selbst erscheinen oder sich vertreten lassen. Auf entsprechende Aufforderung des Beratenden Ausschusses hat diese Person oder ihr Vertreter vor dem Beratenden Ausschuss zu erscheinen (§ 23 Abs. 4 EU-DBA-SBG).

185 Die betroffene Person und ihre Vertreter verpflichten sich, sämtliche Informationen einschließlich der Unterlagen, von denen sie während eines Verfahrens Kenntnis erhalten, geheim zu halten (§ 23 Abs. 6 Satz 1 EU-DBA-SBG). Der Beratende Ausschuss soll damit vor Beeinflussung durch öffentliche Kommentare zu einem laufenden Schiedsverfahren geschützt werden.

16.4 Stellungnahme des Beratenden Ausschusses und abschließende Entscheidung durch die zuständigen Behörden

186 Der Beratende Ausschuss gibt seine Stellungnahme spätestens sechs Monate nach dem Tag der Einsetzung gegenüber dem BZSt und den zuständigen Behörden der anderen betroffenen Mitgliedstaaten in schriftlicher Form ab (§ 17 Abs. 3 Satz 1 EU-DBA-SBG).

187 Ist nach Auffassung des Beratenden Ausschusses die Streitfrage so beschaffen, dass die Abgabe einer Stellungnahme mehr als sechs Monate in Anspruch nehmen wird, so kann er beschließen, diese Frist um drei Monate zu verlängern. In diesem Fall setzt er die zuständigen Behörden aller betroffener Mitgliedstaaten und die betroffene Person über die Verlängerung in Kenntnis (§ 17 Abs. 3 Satz 3 und 4 EU-DBA-SBG).

188 Das BZSt einigt sich mit den zuständigen Behörden der anderen betroffenen Mitgliedstaaten innerhalb von sechs Monaten nach Übermittlung der Stellungnahme des Beratenden Ausschusses darüber, wie die Streitfrage zu lösen ist. Dabei kann eine von der Stellungnahme abweichende Entscheidung getroffen werden. Erzielen die zuständigen Behörden keine Einigung über die Lösung der Streitfrage, sind sie bei der Entscheidung an die Stellungnahme des Beratenden Ausschusses gebunden (§ 18 Abs. 1 und 2 EU-DBA-SBG).

16.5 Bekanntgabe der Stellungnahme des Beratenden Ausschusses und der Entscheidung der zuständigen Behörden

189 Das BZSt gibt der betroffenen Person die abschließende Entscheidung über die Lösung der Streitfrage bekannt. Erfolgt die Bekanntgabe nicht innerhalb von 30 Tagen, gerechnet ab dem Tag, der auf den Tag folgt, an dem die Entscheidung getroffen worden ist, gilt § 347 Abs. 1 Satz 2 AO entsprechend (§ 18 Abs. 3 EU-DBA-SBG).

190 Die abschließende Entscheidung der zuständigen Behörden wird umgesetzt, sofern die betroffene Person innerhalb von 60 Tagen nach dem Tag der Bekanntgabe der Entscheidung mit gesondertem Schreiben gegenüber dem BZSt schriftlich oder zur Niederschrift auf die Einlegung von Rechtsbehelfen gegen die Steuerbescheide, die die abschließende Entscheidung umsetzen, für den Fall verzichtet, dass die Ergebnisse des Streitbeilegungsverfahrens zutreffend umgesetzt werden (§ 18 Abs. 5 Satz 1 EU-DBA-SBG). Nach Ablauf der Frist gilt das Verfahren als beendet (§ 18 Abs. 5 Satz 4 EU-DBA-SBG).

191 Das BZSt informiert auf dem Dienstweg das örtlich zuständige Finanzamt über den Rechtsmittelverzicht (§ 18 Abs. 5 Satz 2 EU-DBA-SBG).

192 § 15 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 und Abs. 3 EU-DBA-SBG (zur Umsetzung von Verständigungsvereinbarungen) gelten entsprechend (§ 18 Abs. 5 Satz 3 EU-DBA-SBG). Insbesondere hat die betroffene Person Maßnahmen zu treffen, die laufenden nationalen Rechtsbehelfe, soweit sie sich auf den Streitgegenstand beziehen, einzustellen.

17 Kosten des Schiedsverfahrens

193 Die beteiligten Vertragsstaaten tragen die durch die Einsetzung und die Tätigkeiten des Beratenden Ausschusses oder des Ausschusses für Alternative Streitbeilegung entstandenen Kosten zu gleichen Teilen (§ 31 Abs. 1 EU-DBA-SBG). Die der betroffenen Person entstandenen Verfahrenskosten werden von der Bundesrepublik Deutschland nicht ersetzt (§ 31 Abs. 2 EU-DBA-SBG).

194 Wenn die betroffene Person eine Streitbeilegungsbeschwerde nach § 11 EU-DBA-SBG zurückgenommen oder wenn der Beratende Ausschuss die Zurückweisung der Streitbeilegungsbeschwerde nach § 10 EU-DBA-SBG bestätigt hat, sind die Kosten im Sinne des § 31 Abs. 1 EU-DBA-SBG von der betroffenen Person selbst zu tragen, soweit das BZSt und die zuständigen Behörden der anderen betroffenen Mitgliedstaaten der Kostentragung durch die betroffene Person im jeweiligen Fall zustimmen (§ 31 Abs. 3 EU-DBA-SBG).

F Anwendungsregelung und Veröffentlichung

195 Dieses Merkblatt tritt an die Stelle des Merkblatts vom (BStBl I 2018 S. 1122) und wird im Bundessteuerblatt veröffentlicht.

Anlage (siehe Rn. 110)

Übersicht über Schiedsklauseln in deutschen DBA und ggf. vorhandene Verständigungsvereinbarungen über die Anwendung des Schiedsverfahrens Stand: 1. Januar 2021


Tabelle in neuem Fenster öffnen
DBA
DBA-Regelung
Verständigungsvereinbarung über die Anwendung des Schiedsverfahrens
Quelle
EU/EWR-Staaten
Frankreich
Art. 25 Abs. 5

Auf Antrag des Steuerpflichtigen.
Nein
Liechtenstein
Art. 25 Abs. 5 bis 7

Von Amts wegen.
Nein
Luxemburg
Art. 24 Abs. 5

Auf Antrag des Steuerpflichtigen.
Nein
Niederlande
Art. 25 Abs. 5

Auf Antrag des Steuerpflichtigen.
Ja
BStBl 2016 I S. 71
Österreich
Art. 25 Abs. 5

Auf Antrag des Steuerpflichtigen.
Schweden
Art. 41 Abs. 5

Mit Zustimmung beider Vertragsstaaten.
Nein
Nicht EU/EWR-Staaten
Armenien
Art. 24 Abs. 5

Auf Antrag eines der Vertragsstaaten.
Nein
Australien
Art. 25 Abs. 5

Auf Antrag des Steuerpflichtigen.
Nein
Japan
Art. 24 Abs. 5 (siehe auch Protokoll Nr. 10 )

Auf Antrag des Steuerpflichtigen.
Nein
Jersey
Art. 9 Abs. 5

Mit Zustimmung beider Vertragsparteien.
Nein
Kanada
Art. 25 Abs. 6

Mit Zustimmung beider Vertragsstaaten.
Nein
Schweiz
Art. 26 Abs. 5 ff.

Von Amts wegen.
Ja
BStBl 2019 I S. 1014
USA
Art. 25 Abs. 5 und 6 i. V. m. Protokoll Nr. 22

Von Amts wegen.
Ja
BStBl 2009 I S. 345
Vereinigtes Königreich
Art. 26 Abs. 5

Auf Antrag des Steuerpflichtigen.
Ja
BStBl 2011 I S. 956

BMF v. - IV B 3 - S 1304/21/10004 :007


Fundstelle(n):
BStBl 2021 I Seite 1495
DB 2021 S. 2053 Nr. 36
GAAAH-88136

1Fundstelle: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX%3A01990A0436-20141214&qid=1606379314083 (konsolidierte Fassung)

2Fundstelle: http://www.gesetze-im-internet.de/eu-dba-sbg/index.html

3Fundstelle: https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/Themen/Steuern/Internationales_Steuerrecht/All_gemeine_Informationen/2013-08-22-Verhandlungsgrundlage-Doppelbesteuerungsabkommen-Steuern-vom-Einkommen- und-Vermoegen.html

4Abrufbar unter http://www.oecd.org/tax/dispute/country-map-profiles.htm

5Eine Zweijahresfrist ist in den DBA mit Belgien, Indonesien, Italien, Kanada, Pakistan, Portugal und Venezuela enthalten.

6http://www.bundesfinanzministerium.de: Rubrik „Themen – Steuern – Internationales Steuerrecht – Staatenbezogene Informationen“

7Überarbeiteter Verhaltenskodex zur wirksamen Durchführung des Übereinkommens über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen (2009/C 322/01), Ziffer 5 Buchstabe a Absatz vii https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=celex:42009X1230(01).

8http://www.bzst.de (Startseite > Unternehmen > EU und International > Verständigungsverfahren > Hinweise zur Antragstellung > Anträge nach EU-Schiedskonvention > PDF „Übersicht erforderliche Unterlagen“)

9Fundstelle siehe Fußnote 7

10Fundstelle siehe Fußnote 7

11Fundstelle siehe Fußnote 2

12Weiterführend wird auf die Gesetzesbegründung zum Gesetzesentwurf hingewiesen (abrufbar im gemeinsamen Dokumentations- und Informationssystem von Bundestag und Bundesrat (DIP)), https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/121/1912112.pdf.