IWB Nr. 9 vom Seite 344

Hinzurechnungsbesteuerung und Unionsrecht

Anmerkungen zum BMF-Schreiben v. 17.3.2021 - IV B 5 - S 1351/19/10002 :001

Dr. Arne Schnitger, Dr. Ronald Gebhardt und Sebastian Krüger *

[i]BMF, Schreiben v. 17.3.2021 - IV B 5 - S 1351/19/10002 :001, NWB BAAAH-74281 Im hat das BMF u. a. seine Sicht zur Auslegung des § 8 Abs. 2 AStG veröffentlicht. Hiernach soll den unionsrechtlichen Anforderungen dergestalt Rechnung getragen werden, dass die Vorschrift auch auf Drittstaaten sinngemäß angewendet wird. Darüber hinaus sieht das Schreiben sowohl für EU-/EWR- als auch für Drittstaatenfälle eine zweite Prüfebene vor, wonach keine rein künstliche Gestaltung vorliegen darf. Daneben werden aus Sicht der Verwaltung bestehende Anforderungen an einen hinreichenden Informationsaustausch im Drittstaatenfall konkretisiert. Das eigentlich als Anwendungserlass zu jüngerer EuGH- und BFH-Rechtsprechung gedachte BMF-Schreiben trägt jedoch infolge der praktischen Auswirkungen Züge eines Nichtanwendungserlasses, da die dort aufgestellten Anforderungen in jeder Hinsicht zu streng geraten sind.

Kernaussagen
  • Das BMF legt erstmals öffentlich seine Anforderungen an § 8 Abs. 2 AStG dar. Diese sind im Detail zu engherzig geraten.

  • Bei das Gemeinschaftsgebiet und Drittstaaten betreffenden Sachverhalten soll nunmehr immer das Bestehen einer rein künstlichen Gestaltung geprüft werden, um in den Anwendungsbereich des § 8 Abs. 2 AStG zu gelangen. Dies hat weder eine Stütze im Gesetzeswortlaut noch in der einschlägigen Rechtsprechung.

  • Die Anforderungen an die rechtliche Möglichkeit für einen Informationsaustausch im Drittstaatenfall sind grds. anzuerkennen. Dass zusätzlich Anforderungen an die tatsächliche Durchführung des Informationsaustausches gestellt werden, überrascht jedoch und kann der bisherigen Rechtsprechung nicht explizit entnommen werden.

Eine Kurzfassung des Beitrags finden Sie .

I. Vorgeschichte – wie kam es zu dem Erlass?

[i]Folgen der „Cadbury Schweppes“-Entscheidung von 2006Bereits vor 15 Jahren stand nach dem EuGH-Urteil in der Rechtssache „Cadbury Schweppes“ [1] fest, dass vor dem Hintergrund unionsrechtlicher Anforderungen mitgliedstaatliche Vorschriften über eine Hinzurechnungsbesteuerung die Möglichkeit eines Einzelfallnachweises bestehender wirtschaftlicher Gründe für dein Einsatz der S. 345Zwischengesellschaft enthalten müssen, um unionsrechtlich haltbar zu sein. [2] Für die deutsche Rechtslage hatte sich das BMF relativ zeitnah zu diesem Urteil mit Schreiben v.  [3] geäußert und objektive Kriterien für einen Einzelfallnachweis im Rahmen der deutschen Hinzurechnungsbesteuerung festgehalten.

[i]Änderung des AStG im Jahr 2007Im JStG 2008 wurde dann § 8 Abs. 2 AStG geschaffen, der den objektiven Einzelfallnachweis gesetzlich regelte. [4] Dieser war erstmals für Zwischeneinkünfte anzuwenden, die in einem Wirtschaftsjahr der Zwischengesellschaft entstanden sind, das nach dem begann (§ 21 Abs. 17 Satz 1 AStG).

Seit der Änderung im Jahr 2013 [5] war § 8 Abs. 2 AStG auch für Fälle der sog. erweiterten Hinzurechnungsbesteuerung i. S. von § 7 Abs. 6 AStG für Wirtschaftsjahre nach dem anwendbar (§ 21 Abs. 21 Satz 3 AStG). Die Norm des § 8 Abs. 2 AStG ist seit ihrer Einführung jedoch in räumlicher Hinsicht auf EU-/EWR-Fälle beschränkt.

Insbesondere am fehlenden Einbezug von Drittstaatenfällen entzündete sich lange Streit. [6] Dies mündete schließlich darin, dass zuerst der EuGH [7] und dem folgend der BFH in der Sache „X“ [8] entschieden haben, dass gegen die sog. erweiterte Hinzurechnungsbesteuerung gem. § 7 Abs. 6 AStG auch im Drittstaatenfall unionsrechtlicher Schutz in Gestalt der Kapitalverkehrsfreiheit bestehen kann. Im Anschluss hieran hatte der BFH [9] im „Ungarn“-Urteil entschieden, dass auch die „normale“ Hinzurechnungsbesteuerung gem. § 7 Abs. 1 AStG im Drittstaatenfall am Maßstab der Kapitalverkehrsfreiheit zu messen ist.

Infolge dieser Urteile ist nunmehr ausjudiziert, dass die Hinzurechnungsbesteuerung im Drittstaatenfall unterbleiben muss, sofern (1.) wirtschaftliche Gründe für die Beteiligung an der Drittstaatengesellschaft bestehen (bzw. keine rein künstliche Gestaltung vorliegt) und (2.) mit dem betreffenden Drittstaat eine Rechtsgrundlage für einen Informationsaustausch gegeben ist. Diese Grundsätze werden auch in der jüngsten FG- und BFH-Rechtsprechungspraxis rezipiert. [10]

[i]Reaktion der Finanzverwaltung ließ auf sich wartenBislang hatte sich die Finanzverwaltung jedoch weder zu § 8 Abs. 2 AStG noch zur Anwendung des Motivtests im Drittstaaten-Kontext aufgrund der oben genannten Rechtsprechung geäußert. Zwischenzeitlich gab es zwar auf Basis der Grundsätze des bereits einige Jahre zurückliegenden Urteils des FG Münster [11] einen nicht veröffentlichten Erlass des BMF, der die (damaligen) Anforderungen der Finanzverwaltung an § 8 Abs. 2 AStG formulierte. [12] Auf die nachfolgende Revisionsentscheidung des BFH [13] hatte die Verwaltung mit einem (teilweisen) Nichtanwendungserlass reagiert [14], sich darin aber nicht näher mit § 8 Abs. 2 AStG befasst, da der BFH den Streitfall auf Basis anderer rechtlicher Überlegungen löste. S. 346

[i]Jetzt legte das BMF die beiden Voraussetzungen weit ausNunmehr hat das seine Vorstellungen von einem (zweistufigen) Entlastungsbeweis für Zwecke des § 8 Abs. 2 AStG veröffentlicht. [15] Die in dem Schreiben enthaltenen Grundsätze sollen in allen noch nicht bestandskräftigen Fällen angewendet werden.

II. Was sind die einfach-rechtlichen Anforderungen des Erlasses an § 8 Abs. 2 AStG?

1. Allgemeines

Im Teil II des BMF-Schreibens beschreibt die Verwaltung ihre Sichtweise, welche Anforderungen an eine tatsächliche wirtschaftliche Tätigkeit gem. § 8 Abs. 2 AStG bestehen und vom Steuerpflichtigen nachzuweisen sind. Die Nachweiserfordernisse sollen im EU-/EWR-Fall gelten und im Drittstaatenfall „sinngemäß“ anzuwenden sein.

Die Anforderungen sollen nach den Feststellungen im BMF-Schreiben bei in EU-/EWR-Staaten ansässigen Kapitalanlagegesellschaften i. S. des § 7 Abs. 6 AStG auch für Zeiträume vor der Anpassung des § 8 Abs. 2 AStG in 2013 Anwendung finden; diese Anordnung dürfte jedoch redundant sein, da das Schreiben nach den allgemeinen Feststellungen am Ende des BMF-Schreibens ohnehin in allen offenen Fällen gelten soll.

[i]Kumulative Anforderungen gelten unausgesprochen für § 14 AStG entsprechendDas Schreiben enthält zwar keine gesonderten Äußerungen zum Nachweis tatsächlicher wirtschaftlicher Tätigkeiten in Fällen der sog. übertragenden Hinzurechnungsbesteuerung nach § 14 AStG. Jedoch sollten die Anforderungen auch im Rahmen des § 14 AStG entsprechend gelten. Dies ergibt sich daraus, dass das Schreiben die „§§ 7-14 AStG“ insgesamt in den Blick nimmt.

Die „Substanzerfordernisse“ des § 8 Abs. 2 AStG zur Annahme einer tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit konkretisiert das BMF anhand von drei Kriterien, welche in Summe erfüllt werden müssen: [16]

  1. gezielte Nutzziehung der Ressourcen im Aufnahmestaat,

  2. angemessene personelle und sachliche Ausstattung der Zwischengesellschaft,

  3. Treffen der wesentlichen unternehmerischen Entscheidungen durch die ausländische Zwischengesellschaft.

2. Gezielte Nutzziehung der Ressourcen im Aufnahmestaat

a) Aufnahmestaat

[i]Staat, in dem sich die fragliche Gesellschaft niederlässt – großzügiger als das FG MünsterEingefordert wird eine „gezielte Nutzziehung der Ressourcen im Aufnahmestaat“. Der Begriff des „Aufnahmestaates“ geht auf die Gesetzesbegründung zu § 8 Abs. 2 AStG zurück, in der dieser in ähnlicher Weise – jedoch ohne eine Definition – verwendet wird („Aufnahmemitgliedstaat“). [17] Hiermit soll offenbar an das EuGH-Urteil in der Rechtssache „Cadbury Schweppes“ angeknüpft werden, in dem der Begriff des Aufnahmemitgliedstaates eingeführt worden ist. [18] Damit dürfte derjenige Staat gemeint sein, in dem sich die fragliche Gesellschaft niederlässt.

Offen bleibt jedoch, wie mit Konstellationen umzugehen ist, in denen Ansässigkeits- und Tätigkeitsstaat auseinanderfallen, z. B. bei Tätigkeiten über Betriebsstätten in anderen (EU-)Staaten, wo bereits der Wortlaut des § 8 Abs. 2 AStG insofern problematisch ist, da auf Tätigkeiten „in diesem Staat“ (sprich dem Geschäftsleitungsstaat) abgestellt wird.S. 347

Im BMF-Schreiben wird nicht gefordert, dass sich der Beschaffungs- und der Absatzmarkt im selben Staat befinden. Damit ist der Erlass insoweit „großzügiger“ als das FG Münster sowie das diesbezügliche, nicht offiziell veröffentlichte BMF-Schreiben, da dort noch die kumulative Inanspruchnahme eingefordert wurde. [19]

b) Kriterien für eine Nutzziehung der Ressourcen

[i]Alternative Vorgaben dafürWann eine Nutzziehung der Ressourcen im Aufnahmestaat vorliegt, wird anhand des Erfordernisses (1.) des gut ausgebildeten Personals oder (2.) der günstigen Produktionsbedingungen im Rahmen der Beschaffungsmarktaktivität oder (3.) besonderer Kundennähe im Rahmen der Absatzmarktaktivität konkretisiert. [20] Dabei fällt auf, dass die Kriterien alternativ zueinander stehen.

c) Gut ausgebildetes Personal

[i]Maßstab für „gute“ Ausbildung wird nicht konkretisiertAusreichend ist, wenn im Aufnahmestaat „gut“ ausgebildetes Personal vorhanden ist. [21] Dies dürfte bedeuten, dass selbst wenn in Deutschland „gleich gut“ ausgebildetes Personal vorhanden ist, es anzuerkennen sein sollte, wenn eine ausländische Gesellschaft gegründet und im Aufnahmestaat (ausländisches) Personal angestellt wird.

Unklar ist jedoch, welche Wertung mit dem Adjektiv „gut“ angesprochen wird. Soll damit etwa gemeint sein, dass die Anstellung von „schlecht“ ausgebildetem Personal per se schädlich ist und wenn ja, was soll für die diesbezügliche Beurteilung der Maßstab sein? Erschwerend kommt hinzu, dass das Ausbildungsniveau – auch hinsichtlich der jeweils zu beurteilenden Tätigkeit – unterschiedlich ausgeprägt sein kann, sodass sich hier wiederum die Frage nach dem Maßstab für die Wertung „gut“ stellt.

Unseres Erachtens sollte es darauf ankommen, dass das bei der Zwischengesellschaft angestellte Personal über adäquate Kenntnisse oder Fertigkeiten verfügt, die für die Ausübung der jeweils zu beurteilenden Tätigkeit notwendig ist.

Beispiel 1:

In Finnland wird eine Vertriebsgesellschaft gegründet, welche die von der inländischen Muttergesellschaft hergestellten Waren an fremde Dritte veräußert (annahmegemäß sollen passive Einkünfte vorliegen). Zu diesem Zweck werden u. a. drei Sales Manager vor Ort eingestellt.

Hinsichtlich des „gut“ ausgebildeten Personals dürfte es nicht zwingend darauf ankommen, ob Abschlüsse eines Betriebswirtschaftsstudiums oder Ähnliches nachgewiesen werden. Ausreichend sollte bereits sein, dass das Personal beispielsweise über Kenntnisse des lokalen Markts und der Kunden verfügt („Consumer Insights“).

Beispiel 2:

In Irland soll eine Gesellschaft gegründet werden, die im Bereich F&E tätig werden soll. Das dafür notwendige IP wird zum Teil von der inländischen Muttergesellschaft (A-AG) erworben. Die Gesellschaft erzielt hieraus zukünftig Lizenzeinkünfte.

Irland wurde aus dem Grund von der A-AG gewählt, weil dort zum einen bereits diverse IT-/Tech-Unternehmen angesiedelt sind. Zum anderen haben sich die dortigen Hochschulen u. a. auf MINT-Fächer und eine diesbezügliche Forschung spezialisiert, sodass dort überproportional viele Studienabgänger in den Bereichen S. 348hervorgebracht werden. Im Ergebnis ergibt sich in Irland eine größere Auswahl an fachlich qualifiziertem Personal für die Durchführung der F&E-Tätigkeit, die entweder von lokalen Unternehmen abgeworben oder unmittelbar von der Universität eingestellt werden. Im Ergebnis sollte eine gezielte Nutzziehung von Ressourcen (hier: gut ausgebildetes Personal) im Aufnahmestaat Irland gegeben sein.

d) Günstige Produktionsbedingungen

[i]Sinnvoll für produzierende Unternehmen, sonst vage oder gar untauglichAlternativ können auch „günstige“ Produktionsbedingungen im Rahmen der Beschaffungsmarktaktivität beachtlich sein. Überraschend ist zunächst, dass „Produktionsbedingungen“ im Kontext von § 8 Abs. 2 AStG überhaupt als Maßstab herangezogen werden, da die Produktion gem. § 8 Abs. 1 Nr. 2 AStG ohnehin aktiv ist (d. h., die Frage der Anwendung des Escapes dürfte sich dann regelmäßig gar nicht stellen). Man sollte den Begriff daher nicht zu wörtlich nehmen, sondern diesen im Sinne eines Schaffensprozesses einer wirtschaftlichen Tätigkeit verstehen.

Auch wird mit „günstig“ ein Adjektiv verwendet, bei dem offen ist, was damit gemeint und was hierfür der Vergleichsmaßstab ist (die Kriterien „gut und günstig“ sind zwar aus dem Supermarkt bekannt, erscheinen als steuerlicher Wertungsrahmen jedoch eher wenig geeignet). Es stellt sich z. B. die Frage, ob bei der Beurteilung, ob Produktionsbedingungen „günstig“ sind, der Vergleich zu einer Produktion im „Heimatmarkt“ oder in einem anderen ausländischen Staat gezogen werden muss.

Exemplarisch fallen hierunter u. E. zum einen Fallgestaltungen, bei denen eine (geografische) Nähe zu Produktionsfaktoren und -mitteln besteht, die es im Produktionsprozess erleichtern, die nötigen Bestandteile (Vorprodukte) des herzustellenden Produkts zu beschaffen und deswegen die ausländische Gesellschaft in diesem Staat angesiedelt wird. Zum anderen könnten auch geringere Lohnkosten angesprochen sein, die eine Standortentscheidung beeinflussen. Im Übrigen sollte es bei dem Kriterium jedoch keine Rolle spielen, welche Wertschöpfung mit den günstigen Produktionsbedingungen bzw. den diesbezüglich ausgeübten Tätigkeiten verbunden sind.

Im Ergebnis scheint dieses Kriterium vor allem für die produzierende Industrie relevant zu sein. Für die digitale Wirtschaft ist das Kriterium dagegen kaum tauglich bzw. muss dergestalt übertragen werden, das mit der Produktion die Herstellung digitaler Güter (wie z. B. Software oder Ähnliches) angesprochen wird.

e) Kundennähe

[i]Das Kriterium ist nicht falsch, aber auch kein AusschlussZuletzt soll auch die Kundennähe im Rahmen der Absatzmarktaktivität beispielhaft für eine Nutzziehung der Ressourcen im Aufnahmestaat sprechen. Dieses Kriterium erscheint insofern verständlich, als bei der Gründung einer Gesellschaft im Absatzmarkt zum Vertrieb von Produkten eine wirtschaftliche Tätigkeit nicht abgelehnt werden kann. Warum allerdings der Absatz von Produkten mittels Gesellschaften außerhalb des Absatzmarkts schädlich sein soll, ist nicht einsichtig und praxisfern.

Beispiel 3:

Eine in Singapur angesiedelte Gesellschaft verkauft Produkte in ganz Asien. Diese bezieht sie von ihrer im Inland ansässigen Schwesterkapitalgesellschaft (annahmegemäß sollen passive Einkünfte vorliegen).

Obwohl im Einzelfall regelmäßig gut ausgebildetes Personal vor Ort vorhanden ist, würde das im BMF-Schreiben genannte Kriterium der Absatzmarktaktivität für sich genommen nicht erfüllt sein. Da die oben genannten tätigkeitsbezogenen Kriterien jedoch alternativ zueinanderstehen, würde das „gut“ ausgebildete Personal bereits ausreichen, um eine gezielte Nutzziehung der Ressourcen zu bejahen.S. 349

f) Ausübung der Geschäftstätigkeit

[i]Untergeordnete Bedeutung reicht jedenfalls nichtDie Ausübung der Geschäftstätigkeit im Aufnahmestaat muss weiterhin einen relevanten Umfang „erfordern und erreichen“. Was als „relevanter Umfang“ anzuerkennen ist, wird nicht geregelt. Unseres Erachtens soll hiermit gemeint sein, dass die wirtschaftliche Tätigkeit nicht von lediglich untergeordneter Bedeutung sein darf.

Zudem sollte das Kriterium im Umkehrschluss jedoch nicht bedeuten, dass Tätigkeiten, die weniger Personaleinsatz „erfordern“, nach Verwaltungsansicht für einen Nachweis gem. § 8 Abs. 2 AStG per se nicht infrage kommen.

Beispiel 4:

Eine ausländische Gesellschaft lizenziert nicht selbst geschaffene Rechte an verschiedene Konzerngesellschaften. In unregelmäßigen Abständen werden Verträge neu abgeschlossen bzw. verhandelt und regelmäßig der Geldeingang überwacht. Die Tätigkeiten sollten u. E. weiterhin dem Anwendungsbereich des § 8 Abs. 2 AStG unterfallen können.

g) Teilnahme am Marktgeschehen

[i]Gelegentliche Handlungen sind nicht der gedankliche Standard, sollten aber ausreichenAuch das weitergehende Erfordernis einer „aktiven, ständigen und nachhaltigen“ Teilnahme am dortigen Marktgeschehen ist kein unbekanntes Kriterium, da sich bereits im eine ähnliche Formulierung fand. [22] Gleichwohl wirkt es wenig greifbar.

Nach dem Wortsinn dürfte eine ständige und nachhaltige Teilnahme insbesondere die Wiederholungsabsicht der jeweiligen Tätigkeit erfordern. [23] Fraglich ist allerdings, ob bereits die einmalige Wiederholung einer Tätigkeit ausreicht [24] und ob die Tätigkeit der Gesellschaft auf unbestimmte Zeit angelegt sein muss. [25] Im Grundsatz sollte u. E. eine solche ständige Teilnahme auch dann nicht ausgeschlossen sein, wenn der Geschäftsgegenstand eine ständige Tätigkeit nicht erfordert, sondern nur gelegentliche Handlungen notwendig sind. [26]

Eine aktive Teilnahme dürfte dahingehend zu verstehen sein, dass die Gesellschaft ihrer angedachten Tätigkeit auch tatsächlich werbend nachgeht. Ob die Tätigkeit im Grunde aktiv i. S. des § 8 Abs. 1 AStG ist, kann demgegenüber denklogisch nicht gemeint sein, da sich dann die Frage der Anwendung des § 8 Abs. 2 AStG nicht stellen würde. [27]

[i]Auch konzerninterne Aktivitäten sind begünstigtSchließlich erfordert die „Teilnahme am dortigen Marktgeschehen“ u. E. nicht, dass die Leistungen bzw. Tätigkeiten der Gesellschaft gegenüber fremden Dritten angeboten werden müssen, sondern es können auch rein konzerninterne Leistungen begünstigt sein. [28] Diese Sichtweise wird durch die Gesetzesbegründung zu § 8 Abs. 2 AStG gestützt. [29]

Weiterhin wird im BMF-Schreiben festgestellt, dass beispielsweise die Anmietung von Räumlichkeiten und nur eine geringfügige Wahrnehmung von Funktionen nicht ausreichen, insbesondere, wenn diese nicht ortsgebunden sind. Hier überschneiden sich die Konkretisierungen des BMF-Schreibens mit den nachfolgend aufgestellten S. 350Ausführungen zur personellen und sachlichen Ausstattung. Diese sollten wohl nicht so zu verstehen sein, dass das „Anmieten“ von Räumlichkeiten per se schädlich ist und die ausländische Gesellschaft zwingend Eigentümerin von Räumlichkeiten sein muss (sollte die Betriebsprüfung aufgrund des BMF-Schreibens zukünftig dennoch diese Sichtweise anlegen, wäre dies abzulehnen). Stattdessen wird hiermit wohl der Sicht der Verwaltung Ausdruck verschafft, dass die wesentlichen Funktionen der Gesellschaft im Aufnahmestaat liegen müssen.

h) Sonderfall: Kapitalanlagegesellschaften

[i]Kapitalbeschaffungs- oder Investitionsmarkt muss im Aufnahmestaat seinFür Kapitalanlagegesellschaften, also für Gesellschaften die Einkünfte mit Kapitalanlagecharakter gem. § 7 Abs. 6a AStG erzielen, sind die vorstehend beschriebenen Kriterien so anzuwenden, dass der Kapitalbeschaffungs- oder der Investitionsmarkt im Aufnahmestaat liegen muss. Ob das BMF-Schreiben hierbei nur Fälle einer Nichtbeherrschung von Zwischengesellschaften mit Kapitalanlagecharakter nach § 7 Abs. 6 AStG erfasst, wird zumindest nicht ausdrücklich geregelt. Unseres Erachtens ist aber davon auszugehen, dass die Finanzverwaltung auch für Fallgestaltungen, bei denen Einkünfte mit Kapitalanlagecharakter und eine Inländerbeherrschung vorliegen, fordert, dass der Kapitalbeschaffungs- oder der Investitionsmarkt im Aufnahmestaat liegt.

Beispiel 5:

Die D-AG hält 100 % der Anteile an einer Finanzierungsgesellschaft in Singapur und finanziert diese mit einer Eigenkapitaleinlage. In Singapur werden sowohl gut ausgebildetes Personal als auch Räumlichkeiten vorgehalten, die für eine Finanzierungstätigkeit notwendig sind. Finanziert werden verschiedene operativ tätige Konzerngesellschaften im asiatischen Raum. Allerdings finden sowohl die Kapitalbeschaffung als auch die Investition außerhalb von Singapur (sprich dem Aufnahmestaat der Gesellschaft) statt. Nach Verwaltungsansicht droht hier eine Versagung der Gewährung des § 8 Abs. 2 AStG mangels Nutzziehung der Ressourcen im Aufnahmestaat, obwohl vor Ort hinreichend qualifiziertes Personal und Räumlichkeiten vorgehalten werden, was nicht richtig sein kann.

i) Unionsrechtliche Würdigung

[i]BMF setzt höhere Hürden als der EuGHDas Erfordernis einer „aktiven, ständigen und nachhaltigen“ Teilnahme am dortigen Marktgeschehen ist vor dem Hintergrund des vom EuGH aufgestellten Erfordernisses einer Teilnahme am Wirtschaftsleben eines anderen Mitgliedstaates zur Inanspruchnahme der Niederlassungsfreiheit grds. nachvollziehbar. [30] Gleichwohl gehen die oben genannten Kriterien des BMF-Schreibens über die Anforderungen des EuGH zum Teil hinaus. Die strikte Lesart der aktiven, ständigen und nachhaltigen Teilnahme am dortigen Marktgeschehen erscheint über die Anforderungen des EuGH zur Anerkennung eines geschützten Niederlassungsvorgangs hinauszugehen und ist problematisch. [31]

Zum einen ist nicht ersichtlich, warum übermäßige Anforderungen an die Qualifikation des Personals gestellt werden. Ebenso wie Unionsbürger losgelöst vom Bildungsstandard von den Grundfreiheiten profitieren, sollte es u. E. ausreichend sein, wenn sich Unternehmen hinreichend qualifizierten Personals zur Durchführung der Aufgaben bedienen. Zum anderen ist auch unklar, ob der Verankerung der Tätigkeit im S. 351aufnehmenden Mitgliedstaat tatsächlich die Bedeutung beigemessen werden kann, wie es die Verwaltung tut. Denn unstreitig kann eine im anderen Mitgliedstaat niedergelassene Gesellschaft wiederum grenzüberschreitend Dienstleistungen und Kapitalinvestitionen tätigen (die wiederum durch die Grundfreiheiten geschützt werden). Zutreffend scheint es daher, ein gewisses Maß an Verankerung der Zwischengesellschaft im ausländischen Mitgliedstaat zu fordern. Ein Erfordernis, wonach die Zwischengesellschaft ganz überwiegend in diesem Staat tätig werden muss, ist jedoch unionsrechtlich unzulässig. [32]

3. Personelle und sachliche Ausstattung

a) Einfachgesetzliche Anforderungen

[i]Im Grundsatz ist diese Forderung unstrittigDie Zwischengesellschaft muss nach dem BMF-Schreiben nicht nur personell, sondern auch sachlich angemessen ausgestattet sein und in die Lage versetzt werden, ihre wirtschaftlichen Kernfunktionen selbständig auszuüben. Anders als die noch zu besprechenden Anforderungen bezüglich der eigenverantwortlichen Tätigkeit geht es also im Rahmen dieses Kriteriums darum, dass die ausländische Gesellschaft objektiv in der Lage ist, ihre wirtschaftlichen Kernfunktionen selbst auszuüben.

Die Forderung einer personellen und sachlichen Ausstattung ist im Grundsatz nachvollziehbar. Unbeantwortet bleibt jedoch die Frage, was dies hinsichtlich der Ausstattung konkret bedeutet. Allgemeine Aussagen lassen sich insoweit zwar schwerlich treffen. Zumindest erkennt die Verwaltung an, dass sich die Bestimmung an den angestrebten Funktionen orientieren muss. Damit sollte auch das Prinzip, dass die Ausstattung vor dem Hintergrund der jeweiligen Tätigkeit adäquat ausfallen muss, von der Verwaltung nicht grds. hinterfragt werden.

[i]Aber sollen für Randfunktionen weniger strenge Vorgaben gelten als für zentrale Aufgaben?Weiterhin ist die Frage, was damit gemeint ist, dass eine „selbständige“ Ausübung möglich ist. Dies wird man wohl so interpretieren müssen, dass die Verwaltung es als kritisch ansieht, wenn eine Gesellschaft derart beschränkt personell und sachlich ausgestattet ist, dass die Erfüllung ihrer Aufgaben nur über Outsourcing denkbar ist.

Auffallend ist zudem, dass die Finanzverwaltung eine adäquate Ausstattung lediglich hinsichtlich der „Kernfunktionen“ erfordert. Dies bedeutet wohl im Umkehrschluss, dass es bezüglich der personellen und sachlichen Ausstattung von „Nichtkernfunktionen“ weniger strenge Anforderungen gibt. Damit sollte z. B. die Auslagerung unterstützender Tätigkeiten wie die Buchhaltung, IT, Steuer- und Rechtsberatung, Personalmanagement unschädlich sein (sofern diese nicht wiederum die jeweilige Kernfunktion des Unternehmens darstellen).

b) Unionsrechtliche Bewertung

Aus unionsrechtlicher Sicht dürfte das Erfordernis an eine hinreichende personelle und sachliche Ausstattung im EU-/EWR-Fall grds. Rückhalt in der Cadbury Schweppes-Doktrin finden.

Im Drittstaatenfall gilt dies im Grundsatz hingegen nicht. Denn nach dem EuGH-Urteil in der Rechtssache „X“ ergibt sich zum einen, dass die in der Rechtssache „Cadbury Schweppes“ aufgestellten Grundsätze im Rahmen der Kapitalverkehrsfreiheit nicht unmittelbar übertragbar sind und lediglich „als Indizien für das Vorliegen einer rein künstlichen Gestaltung dienen, insbesondere wenn es sich als notwendig erweist, den S. 352wirtschaftlichen Grund für eine Beteiligung an einer Gesellschaft, die keine eigenen wirtschaftlichen Tätigkeiten entfaltet, zu bewerten.“ [33]

4. Eigenverantwortliche Tätigkeit

a) Einfachgesetzliche Anforderungen

[i]Vorgabe ist bereits im Gesetz angelegt und soll komplette Fremdsteuerung unterbindenSchließlich müssen die wesentlichen unternehmerischen Entscheidungen von der Zwischengesellschaft selbst getroffen werden. Dieses Erfordernis ist bereits in ähnlicher Form in den Gesetzgebungsmaterialien zu § 8 Abs. 2 AStG enthalten. [34] Außerdem scheint sich das BMF an dieser Stelle an das Urteil des FG Münster anzulehnen. [35] Mit diesem Kriterium soll wohl insbesondere die Anwendung des § 8 Abs. 2 AStG ausgeschlossen werden, wenn eine inländische Gesellschaft auf unternehmerische Entscheidungen einer Zwischengesellschaft wesentlichen Einfluss nimmt.

Gleichwohl müssen nicht alle, sondern nur die wesentlichen unternehmerischen Entscheidungen durch die ausländische Gesellschaft getroffen werden. Was im Einzelnen als „wesentlich“ qualifiziert und ab welchem Grad der Einwirkung eine schädliche Übernahme von Entscheidungen vorliegt, wird nicht näher erläutert. Klar ist jedoch, dass hiermit nicht gemeint sein kann, dass die Einwirkung zu einer Begründung des Orts der Geschäftsleitung führt (dann läge nämlich bereits eine unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland vor und die Anwendung der §§ 7 ff. AStG wäre ausgeschlossen).

[i]Das geforderte Personal muss also auch für die Kernfunktionen genutzt werden – es ist kein Outsourcing zulässigNach Auffassung der Verwaltung muss die Gesellschaft ihre wirtschaftliche Kernfunktion selbständig ausüben. Der Begriff der „wirtschaftlichen Kernfunktionen“ findet sich bereits bei der Prüfung der personellen und sachlichen Ausstattung wieder. Bei der Prüfung der eigenverantwortlichen Tätigkeit wird jedoch geprüft, ob die eigene Durchführung der wirtschaftlichen Kernfunktionen auch wirklich erfolgt. Mit anderen Worten reicht es nach Ansicht der Verwaltung nicht aus, wenn eine ausländische Gesellschaft eine ausreichende personelle und sachliche Ausstattung vorhält. Sie muss diese auch für die Durchführung der wirtschaftlichen Kernfunktionen nutzen. Damit droht eine Versagung der Anwendung des § 8 Abs. 2 AStG, wenn die Gesellschaft ihre wesentliche wirtschaftliche Tätigkeit durch Dritte besorgen lässt (gemeint ist hiermit wohl insbesondere Outsourcing).

b) Unionsrechtliche Bewertung

[i]Der EuGH war mit Blick auf Outsourcing weniger rigorosDie fehlende Anerkennung des Outsourcing ist unionsrechtlich problematisch, wie die Entscheidung in den Rechtssachen „Deister Holding“ und „Juhler Holding“ zeigt. In dieser Entscheidung wurden Gesellschaften, die über keine eigenen Räumlichkeiten und kein eigenes Personal verfügten, als unionsrechtlich schützenswert anerkannt. [36] Warum für Zwecke der Hinzurechnungsbesteuerung andere Wertungsmaßstäbe anzulegen sein sollten, erschließt sich nicht.

Auch aus den dänischen Beneficial-ownership-Fällen kann nicht entnommen werden, dass ein Outsourcing von Tätigkeiten immer schädlich ist. Stattdessen deuten die Entscheidungen darauf hin, dass die Prüfung einer Vielzahl von Elementen des jeweiligen Einzelsachverhalts erforderlich ist, um einen Missbrauch festzustellen. [37]

Die pauschale Annahme der Schädlichkeit des Outsourcing überrascht zudem vor dem Hintergrund, dass im Rahmen der Reform des § 50d Abs. 3 EStG anerkannt wird, dass diese Einschränkung (unionsrechtlich) nicht zu halten ist. Allerdings wird in S. 353§ 8 Abs. 2 Satz 5 AStG-E i. d. F. des ATADUmsG der gleiche Weg verfolgt, da nach dieser Vorschrift Outsourcing (an Dritte) ebenfalls den Substanztest ausschließt.

Zulässig sollte es jedoch sein, wenn die Muttergesellschaft bei unternehmerischen und strategischen Entscheidungen der ausländischen Gesellschaft einbezogen wird. Entscheidend ist lediglich, dass die unternehmerische „Letztentscheidung“ bei der Gesellschaft verbleibt.

5. Segmentierende Betrachtungsweise

a) Allgemeines

[i]Gesetzeswortlaut ist ausreichend klar – noch keine dezidierte Stellungnahme des BFHDie „Substanzerfordernisse“ des § 8 Abs. 2 AStG müssen nach dem Erlass im Hinblick auf die jeweiligen passiven Einkünfte i. S. des § 8 Abs. 1 AStG erfüllt werden (segmentierende Betrachtungsweise). Danach wird im Rahmen des § 8 Abs. 2 AStG die Substanz für die Zwischengesellschaft nicht als Ganzes, sondern immer nur bezogen auf die konkreten passiven Einkünfte geprüft. [38] Der BFH hat sich zwar bis dato nicht explizit zur Frage einer segmentierende Betrachtungsweise geäußert. [39] Allerdings wird einfachgesetzlich diese Auslegung wohl durch die Verwendung des Wortes „insoweit“ in § 8 Abs. 2 Satz 1 AStG gestützt (d. h. wenn auch nur irgendeine geschützte Tätigkeit der Gesellschaft den Nachweis wirtschaftlicher Gründe erlaubte, hätte stattdessen das Wort „wenn“ verwendet werden müssen).

b) Unionsrechtliche Bewertung

[i]EuGH-Rechtsprechung legt erweiterten Schutz naheEine andere Frage ist jedoch, ob die segmentierende Betrachtungsweise auch unionsrechtlich zulässig ist. Zumindest im Fall der Niederlassungsfreiheit ist zu konstatieren, dass eine Gesellschaft auch bei Durchführung einer andersartigen Tätigkeit einen geschützten Niederlassungsvorgang durchführt. Inwieweit der damit verbundene Schutz auch andere Tätigkeiten der Gesellschaften als „Annex“ schützt, ist vom EuGH bisher nicht entschieden worden.

Gleichwohl spricht für die Sichtweise eines erweiterten Schutzes die Rechtsprechung des EuGH, wonach auch z. B. Angehörige eines die Niederlassungsfreiheit in Anspruch nehmenden Unionsbürgers den Schutz vor Diskriminierung genießen. Grenze des Schutzes sollte aber wohl auch hier grds. der Missbrauch sein (also die künstliche Ansiedlung von Funktionen in einer Gesellschaft).

III. Was sind die Voraussetzungen des Erlasses für eine rein künstliche Gestaltung?

1. Anwendungsbereich

[i]BMF fordert stets einen Principal Purpose-TestDas BMF-Schreiben sieht weiterhin das Erfordernis der Prüfung einer rein künstlichen Gestaltung im Sinne eines Principal Purpose-Tests als zweiten Prüfschritt vor. Dabei wird im Erlass insoweit nicht zwischen das Gemeinschaftsgebiet und Drittstaaten betreffenden Sachverhalten unterschieden, sodass dieses Erfordernis nach Verwaltungsansicht für jegliche Fälle der Anwendung des § 8 Abs. 2 AStG gilt.

2. Konkrete Anforderungen im Einzelnen

Im Rahmen der Prüfung des Bestehens einer rein künstlichen Gestaltung wird von der Finanzverwaltung gefordert, dass „triftige wirtschaftliche, d. h. außersteuerliche Gründe“ für die Beteiligung an der ausländischen Gesellschaft nachgewiesen werden. Welche S. 354 [i]Steigerung der Anforderungen durch „triftige“ Gründe wäre nicht rechtmäßigUnterschiede zwischen „wirtschaftlichen Gründen“ sowie „triftigen [40] wirtschaftlichen Gründen“ bestehen, erschließt sich nicht unmittelbar. „Triftig“ bedeutet nach allgemeinem Sprachgebrauch [41] „sehr überzeugend, einleuchtend, schwerwiegend, zwingend, stichhaltig“. Mit Blick auf die Verwendung des Wortes in § 6 Abs. 3 Satz 1 UmwStG wird dies in der Literatur [42] als „schillernd und wenig aussagekräftig“ bezeichnet.

Offenbar will die Verwaltung hiermit gesteigerte Anforderungen zum Ausdruck bringen. Man hat den Eindruck, dass die Errichtung einer ausländischen Gesellschaft nur dann akzeptiert werden soll, wenn sich diese wirtschaftlich nicht vermeiden lässt. Ein solche Auslegung lässt sich jedoch u. E. weder auf den § 8 Abs. 2 AStG stützen noch würde diese unionsrechtlichen Anforderungen genügen (vgl. oben II, 3). Stattdessen sollte es ausreichen, wenn einfache „wirtschaftliche Gründe“ bestehen.

[i]Beweislastumkehr zugunsten der Steuerbehörde ist unzulässigWeiterhin soll nach Verwaltungsauffassung der Nachweis erbracht werden, dass keiner der Hauptzwecke der Beteiligung die Erlangung eines steuerlichen Vorteils ist. Diese Anforderungen erinnern an den Principal Purpose-Test, der sich auch in § 50d Abs. 3 Satz 2 EStG-E und Art. 7 MLI findet. [43] Aus unionsrechtlicher Sicht liegt die Beweislast zur Feststellung eines Missbrauchs aber entgegen dem BMF-Schreiben bei der Finanzverwaltung.

Das Bestehens eines steuerlichen Vorteils muss im Rahmen einer Einzelfallprüfung untersucht werden, bei der die subjektive Motivation für die Wahl einer Gestaltung anhand objektiver Umstände zu prüfen ist. In jedem Fall wird die im Erlass geforderte Prüfung zum Ausschluss einer rein künstlichen Gestaltung in der Praxis auch insoweit zu Rechtsunsicherheiten führen. Denn es ist unklar, nach welchem Maßstab zu beurteilen ist, ob ein (und nicht der) Hauptzweck in der Erlangung eines steuerlichen Vorteils liegt. Hier wird erneut eine qualitative und quantitative Beurteilung geboten sein.

3. Unionsrechtliche Bewertung

[i]Kein Anlass zur Prüfung rein künstlicher Gestaltungen in der EUDas Urteil in der Rechtssache „X“, welches das Erfordernis der Prüfung einer rein künstlichen Gestaltung aufstellt und auf das im Erlass auch Bezug genommen wird, betrifft nur Drittstaatensachverhalte. Es erscheint daher fraglich, warum auch für das Gemeinschaftsgebiet betreffende Sachverhalte eine weitere Prüfung des Bestehens einer rein künstlichen Gestaltung erforderlich ist. Einen einfachgesetzlichen Anhaltspunkt für ein solches Erfordernis gibt es im § 8 Abs. 2 AStG nämlich einerseits nicht. Andererseits ist auch primärrechtlich dieses Erfordernis nicht denklogisch erforderlich, wenn eine im Gemeinschaftsgebiet niedergelassene ausländische Tochterkapitalgesellschaft einer wirtschaftlichen Tätigkeit nachgeht.

Tatsächlich ist nach der Rechtsprechung des EuGH zwar eine diskriminierende Besteuerung mit dem Ziel der Missbrauchsbekämpfung möglich. [44] Das Bestehen wirtschaftlicher Gründe zur Errichtung einer ausländischen Gesellschaft schließt eine missbräuchliche Inanspruchnahme der Niederlassungsfreiheit jedoch aus. Weitergehende Anforderungen zum Nachweis einer fehlenden künstlichen Gestaltung ergeben sich für das Gemeinschaftsgebiet betreffende Sachverhalte nicht.

Nichts anderes ergibt sich übrigens aus den sog. Danish Beneficial-ownership Fällen, auf die im BMF-Schreiben Bezug genommen wird. Stattdessen weist das Urteil in eine S. 355ganz andere Richtung, da der EuGH in seinen Entscheidungen feststellt: „Will die Steuerbehörde des Quellenmitgliedstaats einer Gesellschaft, die Zinsen an eine in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Gesellschaft gezahlt hat, die Befreiung [...] wegen Rechtsmissbrauchs verwehren, hat sie nachzuweisen, dass die Tatbestandsmerkmale des Rechtsmissbrauchs erfüllt sind, [...].“ [45] Die durch den Erlass vorgesehene „Beweislastumkehr“ mit Blick auf den Nachweis des Nichtvorliegens einer rein künstlichen Gestaltung steht daher mit der EuGH-Rechtsprechung nicht im Einklang.

[i]Missbrauchskontrolle nicht im Wege eines Erlasses – Test bedürfte gesetzlicher GrundlageZwar wird in der ATAD im Rahmen der Umsetzung der sog. Option B als Alternative zum Passivkatalog ein Test vorgesehen, der einen Missbrauchstest im Einzelfall erfordert (vgl. Art. 7 Abs. 2 Buchst. b ATAD). Sollte ein solcher Test aber wirklich umgesetzt werden, bedürfte es einer gesetzlichen Anpassung des § 8 Abs. 2 AStG und keiner Umsetzung im Erlasswege. Allerdings ist zu beachten, dass nach dem Richtliniengeber die oben genannte Option B nicht zusätzlich zum Motivtest gewählt werden kann. Vielmehr ist nach dem Wortlaut in Art. 7 Abs. 2 ATAD entweder ein Passivkatalog mit Substanzausnahme oder (!) ein Missbrauchstest zu wählen.

Daher scheint die Prüfung einer rein künstlichen Gestaltung nur für Drittstaatenfälle unionsrechtlich erforderlich zu sein. Hier bedarf es dann aber auch nicht des Nachweises einer wirtschaftlichen Substanz der ausländischen Gesellschaft.

[i]Unterschied bei Drittstaaten erfordert keine verdoppelten VoraussetzungenAnders formuliert: Liegt keine rein künstliche Gestaltung vor, ist der Escape unabhängig davon bestanden, ob „Substanz“ einer ausländischen Gesellschaft vorhanden ist oder nicht. Das Erfordernis der fehlenden künstlichen Gestaltung zur Eröffnung des Anwendungsbereiches der Kapitalverkehrsfreiheit ist nämlich von dem im Rahmen der Niederlassungsfreiheit aufgestellten Erfordernis einer wirtschaftlichen Tätigkeit der ausländischen Gesellschaft zu unterscheiden. Diese Unterscheidung ergibt sich aus der unterschiedlichen Zielrichtung beider Grundfreiheiten: Die Niederlassungsfreiheit schützt die Errichtung einer selbständigen Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat; die Kapitalverkehrsfreiheit schützt hingegen die grenzüberschreitende Kapitalvergabe. Ob die im Rahmen der Kapitalverkehrsfreiheit vergebenen Mittel für eine Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat eingesetzt werden, ist hingegen unerheblich.

Man mag sich fragen, warum hier im Rahmen von Drittstaatssachverhalten ein „Weniger“ an Substanzerfordernissen besteht. Tatsächlich sind die Anforderungen jedoch lediglich „anders“. Denn so schließt z. B. auch eine wirtschaftliche Substanz einer ausländischen Finanzierungsgesellschaft eine rein künstliche Gestaltung nicht aus, wenn z. B. Finanzierungsmittel künstlich im Rahmen einer zirkulären Kapitalvergabe zwischen Gesellschaften nur zur Erzielung eines Steuervorteils vergeben werden. [46] Gleichwohl geht vom Vorhandensein von Substanz eine sehr starke Indizwirkung aus, dass keine rein künstliche Gestaltung vorliegt. [47]

IV. Was sind die Voraussetzungen des Erlasses für einen hinreichenden Informationsaustausch im Drittstaatenfall?

1. Rechtlicher Rahmen

Da innerhalb der EU durch die Amtshilferichtlinie [48] ein hinreichender Informationsaustausch gewährleistet ist, beschäftigt sich das vorliegende BMF-Schreiben nur mit den Anforderungen an den Informationsaustausch in Drittstaatenfällen (einschließlich S. 356EWR-Staaten, für die die Amtshilferichtlinie nicht gilt). Das BMF fordert insoweit in Teil III des Schreibens, dass eine ausreichende rechtliche Grundlage für einen Informationsaustausch besteht. Gibt es diese nicht, ist die Hinzurechnungsbesteuerung unionsrechtlich gerechtfertigt. Ob der Steuerpflichtige (freiwillig) Nachweise beschafft, ist dem BMF-Schreiben zufolge hingegen unerheblich. [49]

[i]Unterschiedliche Grundlagen für den InformationsaustauschDie Rechtsnormen müssen sich weiterhin auf die Einkommen-, Körperschaft- und Gewerbesteuer beziehen (also solche Steuerarten, die für Zwecke der Hinzurechnungsbesteuerung bedeutsam sind). [50]

Beispielhaft [51] werden die große Auskunftsklausel nach Art. 26 Abs. 1 OECD-MA 2017, Art. 5 TIEA entsprechende Regelungen, das sog. Europaratsabkommen [52] und zwischenstaatliche Vereinbarungen mit vergleichbaren Regelungen (genannt wird die Anlage 1 des Merkblatts zur zwischenstaatlichen Amtshilfe durch Informationsaustausch in Steuersachen) als Rechtsgrundlage für einen Informationsaustausch genannt. [53] Sollte die Amtshilferichtlinie bereits rückwirkend für Zeiträume vor dem EU-Beitritt eines ausländischen Staates anwendbar sein, ist auch diese unter Anwendung der Rechtsprechung als hinreichende Grundlage anerkannt. [54]

[i]Über den Umfang und die Voraussetzungen besteht eigentlich kein StreitAbstrakt existierende Auskunftsverweigerungsrechte sollen der grundsätzlichen Möglichkeit des Informationsaustausches – im Einklang mit dem Urteil im Verfahren I R 59/17 – einerseits nicht grds. entgegenstehen. [55] Andererseits hält das Schreiben fest, dass der ausländische Staat die Rechtsgrundlagen wirksam in nationales Recht umgesetzt haben muss und die Regelung zeitlich anwendbar ist; beides dürfte eigentlich selbstverständlich sein.

Auf den aktuell in der Literatur [56] geführten Diskurs, ob § 20 Abs. 1 AStG einen Informationsaustausch auf Basis einer großen DBA-Auskunftsklausel ggf. ausschließen könnte, was u. E. nicht der Fall ist, geht das BMF-Schreiben nicht explizit ein. [57]

2. Tatsächlicher Informationsaustausch

[i]Im Zweifelsfall angefragte Informationen müssen tatsächlich und in angemessener Frist bestätigt werdenWeiterhin muss nach Verwaltungsansicht die Möglichkeit einer Verifikation der übermittelten Informationen auch tatsächlich funktionieren und die Verwaltungszusammenarbeit somit „störungsfrei“ sein. Dabei wird die Verifikationsmöglichkeit nicht nur in rechtlicher Hinsicht beurteilt: Nach dem BMF-Schreiben ist es nämlich erforderlich, dass – wenn ein Auskunftsersuchen im Einzelfall zur Prüfung gestellt wird – die Richtigkeit der vom Steuerpflichtigen vorgelegten Informationen innerhalb einer (nicht weiter spezifizierten) angemessenen Frist tatsächlich seitens der ausländischen Finanzverwaltung insoweit bestätigt wird. Ist dies nicht der Fall, soll eine sinngemäße Anwendung des § 8 Abs. 2 AStG ausscheiden.

Der Hinweis seitens der ausländischen Verwaltung, dass keine abweichenden Erkenntnisse vorliegen, soll somit nicht ausreichend sein. An einer tatsächlichen Verifikationsmöglichkeit soll es zudem regelmäßig mangeln, sofern der Steuerpflichtige der Durchführung eines solchen Auskunftsersuchens widerspricht.S. 357

3. Unionsrechtliche Bewertung

[i]EuGH lässt abstrakte Möglichkeit (bestehende hinreichende Rechtsgrundlage) genügenDer BFH hatte die von der Verwaltung zusätzlich entwickelten Anforderungen zur Durchführung des Informationsaustausches bisher nicht aufgestellt. [58] Ein derartiges Erfordernis, wonach der Informationsaustausch im Drittstaatenfall tatsächlich durchgeführt werden muss, ist unionsrechtlich u. E. auch nicht haltbar: Dem EuGH-Urteil in der Rechtssache „X“ kann ebenso wenig wie der sonstigen Rechtsprechung ein explizites Erfordernis für einen tatsächlich funktionierenden Informationsaustausch entnommen werden. Der EuGH stellt hingegen abstrakt nur auf das Vorhandensein einer hinreichenden Rechtsgrundlage ab. [59]

Insbesondere ist aber fraglich, inwieweit eine Diskriminierung des Steuerpflichtigen geeignet sein kann, die Erfüllung völkervertraglicher Verpflichtungen eines Drittstaates zu verbessern. Es erscheint zweifelhaft, dass derartige Verstöße eines Drittstaates zulasten der Steuerpflichtigen wirken können.

4. Prüfung einer rein künstlichen Gestaltung in EU-/EWR-Fällen

[i]Hierfür fehlt eine gesetzliche GrundlageDie kumulative Prüfung auch einer rein künstlichen Gestaltung neben den Anforderungen des § 8 Abs. 2 AStG hat in EU-/EWR-Fällen keine Basis in der Rechtsprechung und vor allem nicht im Gesetz. Vielmehr ist der objektive Umstand, dass „Substanz“ vorhanden ist, ausreichend. Das subjektive Element im Sinne einer Frage nach der bewussten Erlangung eines Steuervorteils ist dann unerheblich. [60]

V. Relevanz des BMF-Schreibens für die ATAD-Umsetzung

1. Allgemeines

Das BMF-Schreiben nimmt nur zur Auslegung des § 8 Abs. 2 AStG nach der aktuellen Rechtslage Stellung. [61] Die vorgeschlagenen Änderungen beim Motivtest (vgl. § 8 Abs. 2–4 AStG-E) werfen dabei eine Reihe weiterer Fragen auf:

2. Relevanz des neuen Beherrschungskonzepts

[i]Beherrschungskonzept soll Drittstaatenschutz ausschließenNach Umsetzung der ATAD und der damit einhergehenden Änderung des Beherrschungskonzepts ist absehbar, dass zumindest aus Sicht der Verwaltung § 8 Abs. 2 AStG wohl keine Bedeutung mehr für Drittstaatenfälle im Rahmen der „regulären“ Hinzurechnungsbesteuerung haben wird. Die sog. verschärfte Hinzurechnungsbesteuerung im Rahmen des § 9 StAbwG schließt die Anwendung von § 8 Abs. 2 AStG im Verhältnis zu nicht kooperativen Steuerhoheitsgebieten zudem generell aus. [62] Ob die in der Gesetzesbegründung zum ATAD-Umsetzungsgesetz angedeutete Unanwendbarkeit der Kapitalverkehrsfreiheit [63] zutreffend ist, darf bezweifelt werden. [64]

3. Anwendung des zukünftigen § 8 Abs. 2 AStG-E

[i]Substanzausnahmen des BMF sind zu restriktivFür den EU-/EWR-Fall wird § 8 Abs. 2 AStG-E zukünftig deutlich weitergehende Anforderungen an die Substanz enthalten. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass die Verwaltung sehr wahrscheinlich auch an den restriktiven Anforderungen des Erlasses festhalten will. S. 358

Die im niedergelegten Anforderungen an die Substanz einer Gesellschaft nach § 8 Abs. 2 AStG in der derzeitigen Fassung gehen u. E. bereits über die in der ATAD enthaltene Erfordernisse hinaus. Art. 7 Abs. 2 Buchst. a Satz 2 ATAD erfordert nämlich lediglich, dass die beherrschte Gesellschaft gestützt auf Personal, Ausstattung, Vermögenswerte und Räumlichkeiten eine wesentliche wirtschaftliche Tätigkeit ausübt. [65] Vor diesem Hintergrund ist ersichtlich, dass das im BMF-Schreiben niedergelegte Verständnis an die Nachweisanforderungen des § 8 Abs. 2 AStG nach einer richtlinienkonformen Auslegung der ATAD ebenso zu restriktiv geraten ist.

Auch das in Art. 3 ATAD geregelte Mindestschutzniveau kann nicht als Rechtfertigung für eine mögliche Verschärfung herangezogen werden. Denn die Auslegung der infolge von Sekundärrecht einzuführenden Ausnahme für Gesellschaften mit wirtschaftlichen Tätigkeiten muss primärrechtlichen Erfordernissen genügen. [66] Eine in verschärfter Weise hierüber hinausgehende Implementierung als auch Interpretation des Substanztests ist folglich unionsrechtlichen Bedenken ausgesetzt.

4. Rechtlicher vs. tatsächlicher Informationsaustausch

[i]BMF wird diesen strengen Standard kaum fallen lassenGesetzlich ist nicht eindeutig geregelt, ob der für den Motivtest notwendige Informationsaustausch nach neuem Recht auch einen tatsächlichen Informationsaustausch erfordert (§ 8 Abs. 4 AStG-E), [67] wie es das BMF-Schreiben (zumindest für den Drittstaatenfall) einfordert. Es ist davon auszugehen, dass die Verwaltung die in ihrem Schreiben niedergelegten Anforderungen auf die zukünftige Rechtslage übertragen wird.

Fazit

Im vorliegenden BMF-Schreiben legt die Finanzverwaltung ihre Position zur Auslegung des § 8 Abs. 2 AStG in EU- und Drittstaatenfällen erstmalig detailliert dar. Auch wenn dies zur Klarstellung beiträgt, sind die Anforderungen in jeder Hinsicht zu weitgehend und halten einer unionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Die für § 8 Abs. 2 AStG vorgesehenen Anforderungen zur gezielten Nutzziehung der Ressourcen im Aufnahmestaat sind zu restriktiv und das zusätzliche Erfordernis, dass ein Steuervorteil einer der Hauptvorteile ist (PPT) hat keine gesetzliche Grundlage. Die Anforderungen an einen tatsächlichen Informationsaustausch zur Gewährung des § 8 Abs. 2 AStG in Drittstaatenfällen stehen ebenso nicht mit unionsrechtlichen Grundsätzen im Einklang. Daher ist eines klar: Rechtsfrieden wird mit diesem Schreiben absehbar nicht eintreten.

Autoren

Dr. Arne Schnitger, LL.M.
ist Certified Public Accountant, Steuerberater und Partner bei PricewaterhouseCoopers in Berlin.

Dr. Ronald Gebhardt
ist Steuerberater und Senior Manager bei PricewaterhouseCoopers in Hamburg und stellvertretender Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats des Young IFA Network (YIN) Deutschland.

Sebastian Krüger, LL.M.
ist Steuerberater und Fachberater für Internationales Steuerrecht und Manager bei PricewaterhouseCoopers in Hamburg sowie Mitglied des Beirats der Young IFA Sektion Norddeutschland.

Fundstelle(n):
IWB 9 / 2021 Seite 344 - 358
NWB ZAAAH-78106

1Vgl. „Cadbury Schweppes“ NWB NAAAC-09456.

2Zu den Details s. z. B. Köhler in Strunk/Kaminski/Köhler, Außensteuergesetz - Doppelbesteuerungsabkommen (Online-Stand Februar 2017), Vor § 7 AStG Rz. 19 ff.

3Vgl. NWB KAAAC-35082. Das Schreiben wurde mittlerweile aufgehoben.

4Vgl. Gesetz v.  (BGBl 2007 I S. 3150); zur Genese s. etwa Kraft in Kraft, AStG, 2. Aufl. 2019, § 8 Rz. 730 ff.

5AmtshilfeRLUmsG v.  (BGBl 2013 I S. 1809).

6Siehe im Einzelnen z. B. Kraft/Quilitzsch, EWS 2012 S. 130 ff.

7 „X“ NWB BAAAH-11035, s. dazu etwa Schnitger/Krüger/Nielsen, IStR 2019 S. 340.

8Vgl. NWB HAAAH-34005.

9Vgl. NWB WAAAH-59769; hierzu etwa Gebhardt/Krüger, NWB SAAAH-69486.

10Vgl. NWB RAAAH-63134; NWB LAAAH-58740 sowie jüngst NWB GAAAH-74732.

11 NWB VAAAF-67430.

12Vgl. , teilweise abgedruckt in IStR 2017 S. 950.

13Vgl. NWB XAAAG-97091.

14Vgl. NWB UAAAH-63989; dazu z. B. Weiss/Brühl, IStR 2021 S. 114 ff.

15Vgl. NWB BAAAH-74281.

16Anders noch das . Darin waren die damaligen (fünf) Kriterien nur „insbesondere“ aufgeführt.

17Vgl. BT-Drucks. 16/6290 S. 92.

18Vgl. „Cadbury Schweppes“ NWB NAAAC-09456, z. B. Rz. 42 oder 54.

19Vgl. NWB VAAAF-67430, Rz. 46; , teilweise abgedruckt in IStR 2017 S. 950.

20Zum Teil werden diese Kriterien auch im Urteil des FG Münster genannt, vgl. NWB VAAAF-67430, Rz. 46.

21Im war dagegen u. a. erforderlich, dass die Gesellschaft für die Ausübung ihrer Tätigkeit ständig sowohl geschäftsleitendes als auch anderes Personal beschäftigt oder das Personal der Gesellschaft über die Qualifikation verfügt, um die der Gesellschaft übertragenen Aufgaben eigenverantwortlich und selbständig zu erfüllen.

22Vgl. NWB KAAAC-35082, ohne dass damals eine Definition der Begriffe gegeben wurde.

23Vgl. Goebel/Palm, IStR 2007 S. 720, 724.

24Vgl. Goebel/Palm, IStR 2007 S. 720, 724.

25Nach dem EuGH ist eine „tatsächliche Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mittels einer festen Einrichtung in diesem Staat auf unbestimmte Zeit“ erforderlich, s. „Cadbury Schweppes“ NWB NAAAC-09456, Rz. 54.

26Gleicher Ansicht Köplin/Sedemund, BB 2007 S. 244, 246; Krogmann/Vitale, NWB FAAAC-43094 am Beispiel von langfristigen Verträgen.

27Vgl. Köplin/Sedemund, BB 2007 S. 244, 246.

28So auch Krogmann/Vitale, NWB FAAAC-43094; Haun/Käshammer/Reiser, GmbHR 2007 S. 184, 186; Köhler/Eicker, DStR 2006 S. 1871, 1873.

29Vgl. BT-Drucks. 16/6290 S. 92

30Siehe im EuGH-Urteil in der Rechtssache „Cadbury Schweppes“, wonach die Niederlassungsfreiheit es ermöglichen soll, „in stabiler und kontinuierlicher Weise am Wirtschaftsleben eines anderen Mitgliedstaats als desjenigen ihrer Herkunft teilzunehmen und daraus Nutzen zu ziehen“, s. „Cadbury Schweppes“ NWB NAAAC-09456, Rz. 53.

31Vergleichbare unionsrechtliche Kritik würde zudem bereits nach dem alten BMF-Schreiben von 2007 geäußert; vgl. Köplin/Sedemund, BB 2007 S. 244, 246; Goebel/Palm, IStR 2007 S. 720, 724; Krogmann/Vitale, NWB FAAAC-43094; Köhler/Eicker, DStR 2007 S. 331, 333; Haun/Käshammer/Reiser, GmbHR 2007 S. 184, 186.

32Siehe zuletzt allerdings das Hessische FG für den Fall einer sog. No-PE-Struktur, bei der in Luxemburg ansässige und von Inländern beherrschte Kapitalgesellschaften im Inland belegene Immobilien vermieteten und sich zudem eines inländischen Verwalters bedienten. Im Hinblick auf den Motivtest nach § 8 Abs. 2 AStG stellte das Finanzgericht fest, dass sich „ihre wirtschaftliche Tätigkeit weitgehend in der Vermietung inländischen Grundbesitzes unter Einschaltung [des inländischen Verwalters erschöpft]. Eine stabile und kontinuierliche Teilnahme am Wirtschaftsleben des Ansässigkeitsstaates ist nicht erkennbar. Es kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, dass F und S eine wirtschaftliche Aktivität in Luxemburg entfalten“, s. , Rz. 35 (die Revision war nicht zugelassen; über das Einlegen einer Nichtzulassungsbeschwerde ist derzeit nichts bekannt).

33Siehe „X“ NWB BAAAH-11035, Rz. 84.

34Vgl. BT-Drucks. 16/6290 S. 92.

35Vgl. NWB VAAAF-67430, Rz. 49 ff.

36 und C-613/06 „Deister Holding“ und „Juhler Holding“ NWB CAAAG-69289.

37Vgl. Schnitger, IStR 2019 S. 304 ff.

38Weiterführend etwa Schönfeld in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, Außensteuerrecht (63. Erg.-Lfg. 2009), § 8 AStG Rz. 501 ff.; Kahlenberg, NWB YAAAH-48712.

39Vgl. hierzu jedoch Wacker, IStR 2018 S. 887, 888.

40Erwägungsgrund 11 der ATAD führt aus, dass „[b]ei der Bewertung, ob eine Gestaltung als unangemessen zu betrachten ist, [...] die Mitgliedstaaten die Möglichkeit [hätten], alle triftigen wirtschaftlichen Gründe, einschließlich finanzieller Tätigkeiten, zu berücksichtigen.“ Vgl. auch Art. 1 Abs. 3 Mutter-Tochter-Richtlinie.

41Vgl. „triftig“ Bedeutung gemäß Duden: sehr überzeugend, einleuchtend, schwerwiegend, zwingend, stichhaltig.

42Pung/Werner in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer (87. Erg.-Lfg. 2016), § 6 UmwStG Rz. 8.

43Siehe Gebhardt in Gosch/Schnitger/Schön, Festschrift für Lüdicke, 2019, S. 167 ff.

44Vgl. z. B. „Cadbury Schweppes“ NWB NAAAC-09456.

45Siehe , C-118/16, C-119/16 und C-299/16 „N Luxembourg 1 u.a.“ NWB KAAAH-12915, Rz. 142.

46Vgl. Schnitger/Krüger/Nielsen, IStR 2019 S. 340, 345.

47Vgl. dazu Schönfeld in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, Außensteuerrecht, a. a. O., § 8 AStG Rz. 466; und C-613/06 „Deister Holding“ und „Juhler Holding“ NWB CAAAG-69289.

48Richtlinie 2011/16/EU über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung und zur Aufhebung der Richtlinie 77/799/EWG (ABl EU 2011 Nr. L 64 S. 1).

49So zuletzt NWB LAAAH-58740, Rz. 30 sowie NWB RAAAH-63134, Rz. 45 ff.

50So wohl auch NWB WAAAH-59769, Rz. 45.

51Hierzu auch Holst/Krüger, IStR 2021 S. 80, 81 f.

52Übereinkommen v.  über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen in der Fassung des Änderungsprotokolls v. ; dazu Grotherr, IStR 2015 S. 845 ff.

53 IV B 6 – S 1320/07/10004 :008 NWB MAAAH-21927.

54Dazu auch Gebhardt/Krüger, NWB SAAAH-69486.

55Siehe NWB WAAAH-59769, Rz. 46.

56Vgl. Märtens jurisPR-SteuerR 48/2019 Anm. 2, C. II.; Böhmer/Schewe, FR 2020 S. 35, 37.

57Vgl. Gebhardt/Krüger, NWB OAAAH-41644; ebenso Kahlenberg, NWB YAAAH-48712.

58Vgl. Gebhardt/Krüger, f. NWB SAAAH-69486.

59Vgl. „X“ NWB BAAAH-11035, Rz. 91 ff.

60Vgl. „Cadbury Schweppes“ NWB NAAAC-09456, Rz. 65 sowie Schönfeld in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, Außensteuerrecht, a. a. O., § 8 AStG Rz. 466.

61So bezieht es sich u. a. auf die derzeit noch in § 8 Abs. 2 AStG angelegte „tatsächliche“ wirtschaftliche Tätigkeit.

62Siehe zum Referentenentwurf des BMF Schnitger/Gebhardt/Reppel, SWI 2021 S. 206 ff.

63Vgl. BR-Drucks. 245/21 S. 57.

64Dazu weiterführend etwa Gebhardt/Krüger, f. NWB OAAAH-41644; Kahlenberg/Quilitzsch, IStR 2021 S. 135, 137.

65Vgl. Böhmer/Gebhardt/Krüger in Hagemann/Kahlenberg, ATAD (Online-Stand Oktober 2018) NWB RAAAH-00102, Art. 7 Rz. 172 ff.

66Zur Frage, ob die ATAD gegenüber dem Primärrecht „immunisiert“ sein könnte, vgl. Schnitger/Krüger/Nielsen, IStR 2018 S. 340, 346 sowie Schönfeld/Ellenrieder, StuW 2019 S. 253 ff.

67Vgl. Heinsen/Gsödl/Dietrich, IStR 2020 S. 729, 735; Oertel, Ubg 2020 S. 40, 41 f.