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Grundlagen vom

Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften nach § 17 EStG

André Deutschländer

A. Problemanalyse

I. Die Komplexität des § 17 EStG

1 § 17 EStG gehört zu den komplexesten Vorschriften im Einkommensteuerrecht. Nahezu jede Fallkonstellation im Zusammenhang mit dieser Norm weist ihre individuellen Besonderheiten auf. Bei Zweifelsfragen ist es in der Praxis jedoch zumeist nicht mit einem Blick in die Vorschrift des § 17 EStG getan. Denn eine korrekte Rechtsanwendung erschließt sich oftmals erst aus einem Konglomerat weiterer Rechtsgebiete wie das nachfolgende Schaubild plastisch vor Augen führt.

2Aufgrund der Komplexität dieser Vorschrift ergibt sich auch auf Ebene der Angehörigen steuerberatender Berufe die Problematik für eine strategische und möglichst korrekte Mandantenbetreuung zu sorgen, da § 17 EStG schon seit Längerem zur Gestaltungsnorm zählt. Denn diese Fälle ziehen aufgrund der oft hohen Veräußerungsgewinne und -verluste in sechs- bis siebenstelliger Höhe nicht unerhebliche steuerliche Auswirkungen bei den Mandanten nach sich und bergen daher auch für die Berater ein erhöhtes Haftungsrisiko.

3Zu den zentralen Problemfeldern gehören sicherlich die Klassiker „nachträgliche Anschaffungskosten i. S. des § 17 EStG“ sowie „maßgeblicher Realisationszeitpunkt für Auflösungsverluste i. S. des § 17 Abs. 4 EStG“, was nicht zuletzt auch zahlreiche Entscheidungen in der Rechtsprechung und Meinungen in der Literatur beweisen. Aber auch bei den vermeintlichen Basisfällen stecken die Fallstricke oft im Detail.

II. Steuerliche Einordnung

4 Nach § 17 EStG werden die Einkünfte aus der Veräußerung von im Privatvermögen gehaltenen Anteilen an Kapitalgesellschaften derivativ als Einkünfte aus Gewerbebetrieb i. S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG erfasst, wenn der Anteilseigner innerhalb der letzten fünf Jahre unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 1 % am Kapital der Gesellschaft beteiligt war. Hingegen werden die Einkünfte aus der Veräußerung von im Betriebsvermögen gehaltenen Anteilen, ungeachtet des Erfordernisses einer Mindestbeteiligungshöhe, ohnehin originär als Einkünfte aus Gewerbebetrieb gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG versteuert. Die Veräußerung eines im Betriebsvermögen gehaltenen 100 %igen Anteils an einer Kapitalgesellschaft ist nach § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 EStG steuerverstrickt.

5Voraussetzung einer Besteuerung nach § 17 EStG ist jedoch, dass die Einkünfte aus der Veräußerung von derartigen Anteilen nicht anderweitig steuerverstrickt sind, mithin nicht bereits aufgrund einer anderen Rechtsnorm besteuert werden. Nach alter Rechtslage war dies z. B. bei Anteilen der Fall, die vor dem erworben wurden und innerhalb eines Jahres veräußert wurden. Gem. § 23 Abs. 2 Satz 2 EStG (i. d. F. EStG 2008) musste hier die Norm des § 17 EStG dem Veräußerungstatbestand des § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG (i. d. F. EStG 2008) aufgrund des Subsidiaritätsprinzips weichen. Im Veranlagungszeitraum 2009 waren daher letztmalig noch beide Rechtsnormen parallel zu prüfen. Durch das Unternehmenssteuerreformgesetz 2008 ist die Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften, soweit sie nicht den Tatbestand des § 17 EStG erfüllen, mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2009 neu geregelt worden. Dies gilt jedoch nur für solche Anteile, die nach dem erworben wurden. Danach fällt die Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften, die im Privatvermögen gehalten werden, nicht mehr unter § 23 EStG, sondern ungeachtet der Länge des Zeitraums zwischen Erwerb und Veräußerung (Wegfall der Behaltensfrist) unter § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG. Die Norm des § 20 EStG ist jedoch aufgrund der in § 20 Abs. 8 EStG verankerten Subsidiaritätsklausel gegenüber dem § 17 EStG nachrangig zu prüfen.

6-9 Einstweilen frei

B. Problemanalyse

I. Originäre Veräußerungsvorgänge

1. Tatbestandsmerkmale des § 17 Abs. 1 EStG
a) Veräußerung
aa) Veräußerungstatbestände

10 Eine Veräußerung i. S. des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG ist die entgeltliche Übertragung des rechtlichen oder zumindest des wirtschaftlichen Eigentums (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 AO) an einer Beteiligung i. S. des § 17 EStG auf einen anderen Rechtsträger. Folgende Rechtsgeschäfte führen beispielsweise zu Veräußerungstatbeständen i. S. des § 17 EStG (keine abschließende Aufzählung):

  • Kauf

  • Tausch

Beispiel

A ist seit dem Jahr 2011 alleiniger Anteilseigner der A-GmbH. Die Anschaffungskosten der gesamten Anteile beliefen sich zum damaligen Zeitpunkt auf insgesamt 50.000 €. Mit notariellem Vertrag vom hat A 50 % seiner Anteile an der A-GmbH zum nominellen Wert i. H. von 25.000 € und mit Wirkung zum an B übertragen und abgetreten. Im Gegenzug hat B ebenfalls mit notariellem Vertrag vom 50 % seiner Anteile an der B-GmbH ebenso mit Wirkung zum und gleichermaßen zum nominellen Wert i. H. von 25.000 € an A übertragen und abgetreten. Zuvor hielt B an der B-GmbH 100 % der Anteile, die er im Jahr 2009 zu einem Preis i. H. von 50.000 € erwarb. Am betrug der gemeine Wert der gesamten Anteile an der A-GmbH 200.000 € und der gemeine Wert der gesamten Anteile an der B-GmbH 700.000 €. A und B hielten ihre Beteiligungen seit ihrer jeweiligen Anschaffung im Privatvermögen.

A und B haben sich wechselseitig Beteiligungen übertragen. Folglich liegt hier ein sog. Tausch vor, der einen Veräußerungstatbestand nach § 17 Abs. 1 EStG begründet. Bei einem Tausch ist als Veräußerungspreis der gemeine Wert der erlangten Gegenleistung – mithin hier aus Sicht des A und B jeweils der gemeine Wert der erhaltenen Anteile – anzusetzen. An die Stelle der ursprünglichen Anschaffungskosten tritt hingegen nach § 6 Abs. 6 Satz 1 EStG (analog) der gemeine Wert des jeweils hingegebenen Wirtschaftsguts – mithin hier aus Sicht von A und B jeweils der gemeine Wert der hingegebenen Anteile. Ergo bliebe der Tauschvorgang steuerneutral, wenn die jeweils hingegebenen und erhaltenen Anteile wertgleich wären. Da dies im o. g. Beispielsfall nicht zutrifft, ergeben sich für A und B ertragsteuerlich folgende Auswirkungen:

a) Ertragsteuerliche Folgen bei A:
Veräußerungspreis

  • hier bedingt durch Tauschvorgang 50 % des gemeinen Werts der erhaltenen Anteile an der B-GmbH gem. § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG: 50 % von 700.000 €: 350.000 €

abzgl. Anschaffungskosten

Veräußerungsgewinn I
250.000 €

• 60 % Teileinkünfteverfahren gem. § 3 Nr. 40 Buchst. c EStG, § 3c Abs. 2 EStG

Veräußerungsgewinn II
150.000 €

  • Ein Freibetrag nach § 17 Abs. 3 EStG kommt aufgrund der Höhe des steuerpflichtigen Anteils des Veräußerungsgewinns (Veräußerungsgewinn II) nicht zum Abzug.

Steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn nach § 17 Abs. 1 und 2 EStG: 150.000 €

b) Ertragsteuerliche Folgen bei B:
B hat im Gegenzug konsequenterweise einen Veräußerungsverlust nach § 17 Abs. 1 und 2 EStG i. H. von 150.000 € erzielt (Veräußerungspreis 50 % der erhaltenen Anteile an der A-GmbH [100.000 €] abzgl. Anschaffungskosten 50 % der hingegebenen Anteile an der B-GmbH [350.000 €]) und entsprechender Anwendung des Teileinkünfteverfahrens [60 %] gem. § 3 Nr. 40 Buchst. c EStG, § 3c Abs. 2 EStG).

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