Besitzen Sie diesen Inhalt bereits, melden Sie sich an.
oder schalten Sie Ihr Produkt zur digitalen Nutzung frei.

Dokumentvorschau
Grundlagen vom

Voraussetzungen des Honoraranspruchs für Steuerberater

Hans-Günther Gilgan

A. Problemanalyse

1Die Gebühren der Steuerberater für steuerberatende Tätigkeit ergeben sich seit grundsätzlich aus der Steuerberatergebührenverordnung, die mit Wirkung zum in „Steuerberatervergütungsverordnung (StBVV)“ umbenannt wurde.

2 Mit dem Gebührenrecht kommen Steuerberater aber während der Vorbereitung auf den Beruf so gut wie gar nicht in Berührung; lediglich in der mündlichen Prüfung spielt das Berufsrecht eine Rolle, und dort auch nur eine untergeordnete. Steuerberater werden also grundsätzlich ohne profunde Kenntnisse des Gebührenrechts, geschweige denn der dazu ergangenen Rechtsprechung, in die Praxis entlassen. Nur so lässt sich die Vielzahl der Fehler erklären, die Steuerberatern noch heute bei der Anwendung der StBVV unterlaufen und die sie um einen Gutteil ihres wohl verdienten Honoraranspruchs bringen.

Nachfolgend eine Auflistung der häufigsten Fehler, die Gebührengutachter im Rahmen von Gebührenprozessen festgestellt haben:

  • Fehlen schriftlicher Aufträge;

  • Fehlen von Vollmacht und/oder Identifizierung nach dem Geldwäschegesetz;

  • unwirksame Gebührenvereinbarungen nach §§ 4 und 14 StBVV;

  • falsche Gebührenansätze (z. B. Zeitgebühr statt Wertgebühr);

  • einfacher Ansatz der Mittelgebühr ohne oder mit nicht ausreichender Begründung;

  • fehlende Angabe von Gebührenvorschrift, Tabelle und Zehntel-Sätzen;

  • Gebührenbestimmung nicht angemessen;

  • Nichtinrechnungstellung von Auslagen nach § 16 StBVV;

  • fehlende Unterschrift unter der Berechnung.

3 Um derartige Fehler zu vermeiden, sollen daher einmal die Grundstruktur der StBVV und die wesentlichen Fallstricke aufgezeigt werden.

I. Bindung an die StBVV

4 Steuerberater sind grundsätzlich an die StBVV gebunden. Liegen deren Voraussetzungen vor, ist sie grundsätzlich anzuwenden.

1. Vorbehaltsaufgaben

5 Zwingend anzuwenden ist die StBVV gem. § 1 Abs. 1 StBVV im Bereich der Vorbehaltsaufgaben (§ 33 StBerG). Die Vorbehaltsaufgaben der Steuerberater nach § 33 StBerG erstrecken sich auf die

  • Beratung und Vertretung ihrer Auftraggeber in Steuersachen im Rahmen ihres Auftrags,

  • Hilfeleistung bei der Bearbeitung ihrer Steuerangelegenheiten und

  • Hilfeleistung bei der Erfüllung ihrer steuerlichen Pflichten. Dazu gehören auch die Hilfeleistung in Steuerstrafsachen und in Bußgeldsachen wegen einer Steuerordnungswidrigkeit sowie die Hilfeleistung bei der Erfüllung von Buchführungspflichten, die auf Grund von Steuergesetzen bestehen, insbesondere die Aufstellung von Steuerbilanzen und deren steuerrechtliche Beurteilung.

2. Vereinbare Tätigkeiten

6 Soweit der Steuerberater mit „vereinbaren Tätigkeiten“ nach § 57 Abs. 3 StBerG beauftragt ist, gilt die StBVV nicht kraft Gesetzes. Zu den sog. vereinbaren Tätigkeiten zählen insbesondere

  • die Verwaltung fremden Vermögens,

  • das Halten von Gesellschaftsanteilen,

  • die Wahrnehmung von Gesellschafterrechten,

  • die Tätigkeit als Beirat und Aufsichtsrat,

  • die Tätigkeit als Umweltgutachter,

  • die Wahrnehmung des Amtes als Testamentsvollstrecker, Nachlasspfleger, Vormund, Betreuer,

  • die Tätigkeit als Konkursverwalter, Vergleichsverwalter, Liquidator, Nachlassverwalter, Sequester, Zwangsverwalter, Mitglied in Gläubigerausschüssen,

  • die Tätigkeit als Verwalter nach dem Wohnungseigentumsgesetz und

  • die schriftstellerische, Vortrags- und Lehrtätigkeit.

Hinweis

Soll die StBVV auch für vorstehende Arbeiten gelten, muss dies unter den Parteien zuvor gesondert und ausdrücklich vereinbart werden. Ansonsten muss sich der Steuerberater mit der üblichen Vergütung nach § 612 Abs. 2 BGB zufrieden geben oder sich mit dem Einwand des Auftraggebers auseinandersetzen, der Auftrag wäre nicht erteilt worden, wenn man gewusst hätte, dass die Arbeit gebührenpflichtig sei.

7-9 Einstweilen frei

3. Vergütungsarten

10 Die Gebühren des Steuerberaters ergeben sich entweder aus Gesetz (StBVV) oder der vertraglichen Vereinbarung eines Honorars. Hierzu nachfolgende Übersicht:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Vergütungssystem
Gesetzliche Vergütung, § 1 Abs. 1 StBVV
Vergütungsvereinbarungen
1. Gebühren, §§ 21-46 StBVV
1. Vereinbarung der Vergütung, § 4 StBVV
2. Auslagen, §§ 15-20 StBVV
2. Pauschalvergütung, § 14 StBVV
3. Erfolgshonorar, § 9a StBerG
4. zivilrechtliche Vereinbarung, § 311 BGB

Bei den Gebühren wird unterschieden zwischen Wertgebühren, Zeitgebühren und Betragsrahmengebühren.

a) Wertgebühren

11 Für den größten Teil der beruflichen Tätigkeit sieht die StBVV die Wertgebühr vor; sie ist grundsätzlich eine Rahmengebühr. Die Wertgebühren bestimmen sich nach den der Verordnung als Anlage beigefügten Tabellen A bis E, die mit Ausnahme der Tabelle D (Landwirtschaftliche Buchführung) sämtlich von einem Gegenstandswert ausgehen und jeweils eine volle Gebühr (10/10) für den jeweiligen Gegenstandswert ausweisen.

12 Der Verordnungsgeber hat in vielen Gebührentatbeständen den Gegenstandswert bereits selbst bestimmt. Soweit er nicht durch die StBVV bestimmt ist, gilt als Gegenstandswert der Wert des Interesses (§ 10 Abs. 1 Satz 2 StBVV). So ist z. B. für die sonstigen Einzeltätigkeiten, die in § 23 StBVV aufgeführt sind, für die aber die StBVV keinen besonderen Gegenstandswert vorschreibt, der Wert des Interesses maßgebend (§ 10 Abs. 1 Satz 2 StBVV).

b) Rahmengebühr, § 11 StBVV

13 Um den unterschiedlichen Verhältnissen im Einzelfall Rechnung zu tragen, gewährt die StBVV einen gewissen Rahmen für die Ermittlung der Gebühren, der entweder in einem Gebührenrahmen nach Zehntel-Sätzen (sog. Rahmengebühren) oder in einem Betragsrahmen (z. B. in § 34 StBVV) besteht. Zu den Umständen des Einzelfalls, die bei der Ermittlung der Gebühr innerhalb des von der StBVV vorgesehenen Rahmens zu berücksichtigen sind, gehören vor allem:

  • der Umfang der beruflichen Tätigkeit,

  • die Schwierigkeit der beruflichen Tätigkeit,

  • die Bedeutung der Angelegenheit,

  • die Einkommensverhältnisse des Auftraggebers,

  • die Vermögensverhältnisse des Auftraggebers sowie

  • ein besonderes Haftungsrisiko.

c) Zeitgebühr, § 13 StBVV

14 Zeitgebühren können nur berechnet werden, wenn die StBVV dies ausdrücklich vorsieht oder wenn keine genügenden Anhaltspunkte für die Schätzung des Gegenstandswerts vorliegen, mit Ausnahme der Tätigkeiten nach §§ 23, 40, 44 sowie 45 und 46 StBVV.

15 In der Gebührenrechnung sind konkrete Angaben über die Art der erbrachten Leistungen und über den jeweiligen Zeitaufwand zu machen; ebenso ist die Stundenzahl genau anzugeben. Entsprechende Fakten sind vom Steuerberater festzuhalten (siehe Rn. 165 ff.).

d) Mittelgebühr

16 Die Mittelgebühr ist keine in der StBVV selbst angesprochene Gebühr. Der Begriff hat sich aus der Praxis heraus wegen der Schwierigkeit gebildet, bei der großen Zahl der Fälle eine differenzierte „Feinabstimmung“ vornehmen zu können. Die Bezeichnung „Mittelgebühr“ steht hierbei für den „Mittelsatz“ einer Gebühr bei der Gebührensatzrahmengebühr und für den „Mittelbetrag“ einer Gebühr bei der Zeit- und der Betragsrahmengebühr. Sie berechnet sich durch Addition der Mindest- und Höchstgebühr, geteilt durch zwei. Sie findet dann Anwendung, wenn die Tätigkeit in einer Angelegenheit von durchschnittlichem Umfang und durchschnittlicher Schwierigkeit ist, die Angelegenheit für den Auftraggeber eine durchschnittliche Bedeutung hat und der Auftraggeber in durchschnittlichen Vermögens- und Einkommensverhältnissen lebt.

17 Faustformel

In der Rechtsprechung galt einmal überwiegend die Faustformel, dass regelmäßig der Ansatz einer „Mittelgebühr“ der Billigkeit entspricht. Inzwischen hat diese Faustformel keine Gültigkeit mehr. Aktuell gilt allgemein (noch) der Grundsatz „wer ein Leistungsbestimmungsrecht für sich in Anspruch nimmt, das, wie in § 11 StBVV ausdrücklich normiert, nach 'billigem Ermessen' auszuüben ist, hat auch darzulegen und notfalls zu beweisen, dass die von ihm getroffene Regelung der Billigkeit entspricht. [...]“.

18 Regelfall

Davon abweichend entschied aber das OLG Hamm, dass der Senat an seiner früheren Rechtsprechung zur Notwendigkeit der Darlegung der Angemessenheit jeder die Mindest-Gebühr überschreitende Gebührenhöhe nicht mehr festhält, sondern davon ausgeht, dass die Mittelgebühr

  • in Angelegenheiten von durchschnittlicher Bedeutung, durchschnittlichem Tätigkeitsaufwand und durchschnittlichem Schwierigkeitsgrad und einem Auftraggeber in durchschnittlichen Vermögens- und Einkommensverhältnissen anzuwenden ist, und

  • keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass die in Rechnung gestellte Leistung nur unterdurchschnittlich schwierig war.

Bei einer solchen Sachlage obliegt dem Steuerberater keine weitere Darlegung seiner Bestimmungsgrundlagen. Er kann die Mittelgebühr ohne näheren Vortrag i. S. des § 11 Satz 1 StBVV beanspruchen. Dieser Auffassung hat sich das LG Essen angeschlossen.

Diese verkürzte Darlegungslast greife aber nicht, soweit der Steuerberater seine Gebühr oberhalb des Mittelsatzes ansetzt. In diesem Fall kann er die höhere Gebühr im Streitfall nur beanspruchen, wenn er die Kriterien für seine Bewertung der Sache als überdurchschnittlich offenlegt und im Zweifel auch beweist.

Diese Auffassung vertritt auch das LG Münster. Es hat entschieden, dass – solange keine besonderen Umstände vorliegen – allein die Bestimmung der Mittelgebühr billigem Ermessen entspricht. Damit dürfte – jedenfalls für den Kammerbezirk Westfalen-Lippe – die vormals geltende Rechtsprechung zur Mittelgebühr der Vergangenheit angehören.

Hinweis

Interessant und zugleich pragmatisch ist die Entscheidung des LG Frankfurt. Nachdem sich der Sachverständige außer Stande sah, die angemessene Gebühr genau zu bestimmen, und lediglich angeben konnte, dass sie zwischen Mindest- und Mittelgebühr liegen müsse, bildete das Gericht das Mittel zwischen Mindest- und Mittelgebühr und sprach sie dem klagenden Steuerberater zu.

e) Toleranzzuschlag

19 Wird die Angemessenheit der Gebührenbestimmung durch einen Steuerberater gerichtlich überprüft, ist bei jeder gebührenrechtlichen Rechnungsposition grundsätzlich ein Toleranzwert von 20 % gem. § 315 BGB zu berücksichtigen. Das LG Potsdam hat sogar einen Toleranzrahmen von 20 bis 30 % als nicht unbillig beurteilt.

20-24 Einstweilen frei

Testen Sie kostenfrei eines der folgenden Produkte, die das Dokument enthalten:

NWB MAX
NWB PLUS
NWB PRO
Wählen Sie das für Ihre Bedürfnisse passende NWB-Paket und testen Sie dieses kostenfrei
Jetzt testen