Zu § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG
12.16. Umsätze aus der kurzfristigen Vermietung von Wohn- und Schlafräumen sowie aus der kurzfristigen Vermietung von Campingflächen (§ 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG)
(1) 1Die in § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 1 UStG bezeichneten Umsätze gehören zu den nach § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG von der Steuerbefreiung ausgenommenen Umsätzen. 2Hinsichtlich des Merkmals der Kurzfristigkeit gelten daher die in den Abschnitten 4.12.3 Abs. 2 und 4.12.9 Abs. 1 dargestellten Grundsätze. 3Die Steuerermäßigung begünstigt nicht nur die Vermietung von Grundstücken und mit diesen fest verbundenen Gebäuden, sondern allgemein die Vermietung von Wohn- und Schlafräumen zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden. 4§ 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 1 UStG erfasst daher auch die Beherbergung in nicht ortsfesten Einrichtungen (vgl. BFH-Urteil vom 29. 11. 2022, XI R 13/20, BStBl 2023 II S. 938). 5Maßgeblich für die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes ist neben der Kurzfristigkeit der Vermietung, dass der Schwerpunkt der Leistung in der Überlassung der Wohn- oder Schlafräume zur Beherbergung liegt.
(2) 1Der Schwerpunkt der Leistung liegt nicht in der Überlassung der Wohn- oder Schlafräume zur Beherbergung, wenn aus Sicht eines Durchschnittsverbrauchers der Charakter der Leistung nicht durch die Überlassung von Räumen zu Wohn- oder Schlafzwecken, sondern durch andere Aspekte geprägt wird. 2So ist beispielsweise die Vermietung von nicht ortsfesten Hausbooten oder Wohnmobilen zur Durchführung von Reisen insgesamt nicht begünstigt, da dabei nicht der Beherbergungsgedanke im Vordergrund steht, sondern andere Aspekte, wie die gegebene Mobilität und örtliche Flexibilität für die Gesamtleistung charakterbestimmend sind. 3Sonstige Leistungen eigener Art, bei denen die Überlassung von Räumen nicht charakterbestimmend ist (z. B. die Anmietung von Räumen, um dort entgeltlich sexuelle Dienstleistungen zu erbringen) unterliegen auch hinsichtlich dieses Leistungsaspekts ebenfalls nicht der Steuerermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 1 UStG.
Vermietung von Wohn- und Schlafräumen, die ein Unternehmer zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden bereithält
(3) 1Die Steuerermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 1 UStG setzt ebenso wie § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG eine Vermietung von Wohn- und Schlafräumen zur kurzfristigen Beherbergung voraus. 2Hieran fehlt es bei einer Vermietung z. B. in einem „Bordell“ (vgl. BFH-Urteil vom 22. 8. 2013, V R 18/12, BStBl II S. 1058). 3Auch das halbstündige oder stundenweise Überlassen von Zimmern in einem „Stundenhotel“ ist keine Beherbergung im Sinne des § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 1 UStG (vgl. BFH-Urteil vom 24. 9. 2015, V R 30/14, BStBl 2017 II S. 132). 4Die Steuerermäßigung für Beherbergungsleistungen umfasst sowohl die Umsätze des klassischen Hotelgewerbes als auch kurzfristige Beherbergungen in Pensionen, Fremdenzimmern, Ferienwohnungen und vergleichbaren Einrichtungen. 5Für die Inanspruchnahme der Steuerermäßigung ist es jedoch nicht Voraussetzung, dass der Unternehmer einen hotelartigen Betrieb führt oder Eigentümer der überlassenen Räumlichkeiten ist. 6Begünstigt ist daher beispielsweise auch die Unterbringung von Begleitpersonen in Krankenhäusern, sofern diese Leistung nicht nach § 4 Nr. 14 Buchstabe b UStG (z. B. bei Aufnahme einer Begleitperson zu therapeutischen Zwecken) steuerfrei ist.
(4) 1Die erbrachte Leistung muss unmittelbar der Beherbergung dienen. 2Diese Voraussetzung ist insbesondere hinsichtlich der folgenden Leistungen erfüllt, auch wenn die Leistungen gegen gesondertes Entgelt erbracht werden:
Überlassung von möblierten und mit anderen Einrichtungsgegenständen (z. B. Fernsehgerät, Radio, Telefon, Zimmersafe) ausgestatteten Räumen;
Stromanschluss;
Überlassung von Bettwäsche, Handtüchern und Bademänteln;
Reinigung der gemieteten Räume;
Bereitstellung von Körperpflegeutensilien, Schuhputz- und Nähzeug;
Weckdienst;
Bereitstellung eines Schuhputzautomaten;
Mitunterbringung von Tieren in den überlassenen Wohn- und Schlafräumen.
(5) Insbesondere folgende Leistungen sind keine Beherbergungsleistungen im Sinne von § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG und daher nicht begünstigt:
Überlassung von Tagungsräumen;
Überlassung von Räumen zur Ausübung einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit (vgl. BFH-Urteil vom 22. 8. 2013, V R 18/12, BStBl II S. 1058);
Gesondert vereinbarte Überlassung von Plätzen zum Abstellen von Fahrzeugen;
Überlassung von nicht ortsfesten Wohnmobilen, Caravans, Wohnanhängern, Hausbooten und Yachten;
Beförderungen in Schlafwagen der Eisenbahnen;
Überlassung von Kabinen auf der Beförderung dienenden Schiffen;
Vermittlung von Beherbergungsleistungen;
Umsätze von Tierpensionen;
Unentgeltliche Wertabgaben (z. B. Selbstnutzung von Ferienwohnungen);
(6) Stornokosten stellen grundsätzlich nichtsteuerbaren Schadensersatz dar (vgl. EuGH-Urteil vom 18. 7. 2007, C-277/05, Société thermale d'Eugénie-Les-Bains).
Kurzfristige Vermietung von Campingflächen
(7) 1Die kurzfristige Vermietung von Campingflächen betrifft Flächen zum Aufstellen von Zelten und Flächen zum Abstellen von Wohnmobilen und Wohnwagen. 2Ebenso ist die kurzfristige Vermietung von ortsfesten Wohnmobilen, Wohncaravans und Wohnanhängern begünstigt. 3Für die Steuerermäßigung ist es unschädlich, wenn auf der überlassenen Fläche auch das zum Transport des Zelts bzw. zum Ziehen des Wohnwagens verwendete Fahrzeug abgestellt werden kann. 4Zur begünstigten Vermietung gehört auch die Lieferung von Strom (vgl. Abschnitt 4.12.1 Abs. 5 Satz 3). 5Nicht unter die Steuerermäßigung fällt die entgeltliche Überlassung von Bootsliegeplätzen (vgl. EuGH-Urteil vom 19. 12. 2019, C-715/18, Segler-Vereinigung Cuxhaven, und BFH-Urteil vom 24. 6. 2020, V R 47/19, BStBl II S. 853).
Leistungen, die nicht unmittelbar der Vermietung dienen
(8) 1Nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG gilt die Steuerermäßigung nicht für Leistungen, die nicht unmittelbar der Vermietung dienen, auch wenn es sich um Nebenleistungen zur Beherbergung handelt und diese Leistungen mit dem Entgelt für die Vermietung abgegolten sind (Aufteilungsgebot). 2Der Grundsatz, dass eine (unselbständige) Nebenleistung das Schicksal der Hauptleistung teilt, wird von diesem Aufteilungsgebot verdrängt. 3Das in § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG gesetzlich normierte Aufteilungsgebot für einheitliche Leistungen geht den allgemeinen Grundsätzen zur Abgrenzung von Haupt- und Nebenleistung vor (BFH-Urteil vom 24. 4. 2013, XI R 3/11, BStBl 2014 II S. 86). 4Unter dieses Aufteilungsgebot fallen insbesondere:
Verpflegungsleistungen (z. B. Frühstück, Halb- oder Vollpension, „All inclusive“);
Getränkeversorgung aus der Minibar;
Nutzung von Kommunikationsnetzen (insbesondere Telefon und Internet);
Nutzung von Fernsehprogrammen außerhalb des allgemein und ohne gesondertes Entgelt zugänglichen Programms („pay per view“);
1Leistungen, die das körperliche, geistige und seelische Wohlbefinden steigern („Wellnessangebote“). 2Die Überlassung von Schwimmbädern oder die Verabreichung von Heilbädern im Zusammenhang mit einer begünstigten Beherbergungsleistung kann dagegen nach § 12 Abs. 2 Nr. 9 Satz 1 UStG dem ermäßigten Steuersatz unterliegen;
Überlassung von Fahrberechtigungen für den Nahverkehr, die jedoch nach § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG dem ermäßigten Steuersatz unterliegen können;
Überlassung von Eintrittsberechtigungen für Veranstaltungen, die jedoch nach § 4 Nr. 20 UStG steuerfrei sein oder nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchstabe a oder d UStG dem ermäßigten Steuersatz unterliegen können;
Transport von Gepäck außerhalb des Beherbergungsbetriebs;
Überlassung von Sportgeräten und -anlagen;
Ausflüge;
Reinigung und Bügeln von Kleidung, Schuhputzservice;
Transport zwischen Bahnhof/Flughafen und Unterkunft;
Einräumung von Parkmöglichkeiten, auch wenn diese nicht gesondert vereinbart und vergütet werden (vgl. BFH-Urteil vom 1. 3. 2016, XI R 11/14, BStBl II S. 753).
Anwendung der Steuerermäßigung in den Fällen des § 25 UStG
(9) 1Soweit Reiseleistungen der Margenbesteuerung nach § 25 UStG unterliegen, gelten sie nach § 25 Abs. 1 Satz 3 UStG als eine einheitliche sonstige Leistung. 2Eine Reiseleistung unterliegt als sonstige Leistung eigener Art auch hinsichtlich ihres Beherbergungsanteils nicht der Steuerermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG. 3Das gilt auch, wenn die Reiseleistung nur aus einer Übernachtungsleistung besteht.
Angaben in der Rechnung
(10) 1Der Unternehmer ist nach § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG grundsätzlich verpflichtet, innerhalb von 6 Monaten nach Ausführung der Leistung eine Rechnung mit den in § 14 Abs. 4 UStG genannten Angaben auszustellen. 2Für Umsätze aus der Vermietung von Wohn- und Schlafräumen zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden sowie die kurzfristige Vermietung von Campingflächen besteht eine Rechnungserteilungspflicht jedoch nicht, wenn die Leistung weder an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen noch an eine juristische Person erbracht wird (vgl. Abschnitt 14.1 Abs. 3 Satz 5).
(11) 1Wird für Leistungen, die nicht von der Steuerermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 1 UStG erfasst werden, kein gesondertes Entgelt berechnet, ist deren Entgeltanteil zu schätzen. 2Schätzungsmaßstab kann hierbei beispielsweise der kalkulatorische Kostenanteil zuzüglich eines angemessenen Gewinnaufschlags sein.
(12) 1Aus Vereinfachungsgründen wird es – auch für Zwecke des Vorsteuerabzugs des Leistungsempfängers – nicht beanstandet, wenn folgende in einem Pauschalangebot enthaltene nicht begünstigte Leistungen in der Rechnung zu einem Sammelposten (z. B. „Business-Package“, „Servicepauschale“) zusammengefasst und der darauf entfallende Entgeltanteil in einem Betrag ausgewiesen werden:
Abgabe eines Frühstücks;
Nutzung von Kommunikationsnetzen;
Reinigung und Bügeln von Kleidung, Schuhputzservice;
Transport zwischen Bahnhof/Flughafen und Unterkunft;
Transport von Gepäck außerhalb des Beherbergungsbetriebs;
Nutzung von Saunaeinrichtungen;
Überlassung von Fitnessgeräten;
Überlassung von Plätzen zum Abstellen von Fahrzeugen.
2Es wird ebenfalls nicht beanstandet, wenn der auf diese Leistungen entfallende Entgeltanteil mit 15 % des Pauschalpreises angesetzt wird. [1] 3Für Kleinbetragsrechnungen (§ 33 UStDV) gilt dies für den in der Rechnung anzugebenden Steuerbetrag entsprechend. 4Die Vereinfachungsregelung gilt nicht für Leistungen, für die ein gesondertes Entgelt vereinbart wird.
Fundstelle(n):
zur Änderungsdokumentation
XAAAD-54581
1Anwendungsregelung: Abs. 12 Satz 2 neu gefasst durch BMF v. 2. 7. 2020 (BStBl I S. 610). Die Grundsätze dieser Regelung sind in allen Fällen ab dem 1. 7. 2020 (nach Verlängerung durch BMF v. 3. 6. 2021, BStBl I S. 777, und BMF v. 21. 11. 2022, BStBl I S. 1595 über den 30. 6. 2021 bzw. 31. 12. 2022 hinaus) bis zum 31. 12. 2023 anzuwenden.
Die vorherige Fassung des Abs. 12 Satz 2 lautete:
„Es wird ebenfalls nicht beanstandet, wenn
der auf diese Leistungen entfallende Entgeltanteil mit 20 % des Pauschalpreises
angesetzt wird.“