BAG Urteil v. - 7 AZR 768/07

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: TzBfG § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 3

Instanzenzug: LAG Düsseldorf, 9 Sa 685/07 vom ArbG Mönchengladbach, 2 Ca 3803/06 vom

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis aufgrund Befristung am geendet hat.

Die Klägerin war seit März 1997 auf der Grundlage mehrerer befristeter Arbeitsverträge bei der Beklagten als Sekretärin beschäftigt. Die Parteien schlossen am einen weiteren befristeten Arbeitsvertrag, der ua. die folgenden Regelungen enthält:

"§ 1

Die Arbeitnehmerin wird ab als Angestellte befristet nach § 21 Bundeserziehungsgeldgesetz (BerzGG) in der jeweils geltenden Fassung für die Dauer der Elternzeit der Stelleninhaberin der Stelle 40 25 0200 090 (Schulsekretärin/Bürokraft, Kath. HS N) in der Tätigkeit als Schulsekretärin bis zum eingestellt.

...

§ 2

...

Ungeachtet der in Nr. 7 SR 2 y BAT enthaltenen Regelungen kann das Arbeitsverhältnis nach § 21 Abs. 4 BErzGG gekündigt werden."

Bei der in § 1 des Arbeitsvertrags genannten Stelleninhaberin handelt es sich um die Angestellte K, der zunächst vom bis zum Elternzeit bewilligt worden war. Nachdem Frau K die Verlängerung ihrer Elternzeit um ein weiteres Jahr beansprucht hatte, wandte sich die Beklagte an die Klägerin mit dem folgenden Schreiben vom :

"...

Ihr Arbeitsverhältnis wird über den hinaus befristet fortgesetzt, und zwar längstens bis .

Das Beschäftigungsverhältnis endet, ohne dass es der Einhaltung einer Frist, einer Kündigung oder einer besonderen schriftlichen Benachrichtigung bedarf, bei Eintritt des folgenden Ereignisses:

Dienstaufnahme der Inhaberin der Stelle 40 25 0200 090 (Schulsekretärin/Bürokraft, Kath. HS N) nach Elternzeit.

Im Übrigen treten in Ihrem befristeten Arbeitsverhältnis keine Änderungen ein.

Ich bitte, die beigefügte Durchschrift dieser Vereinbarung unterschrieben an das Personalamt zurückzusenden."

Das Schreiben trägt unter dem Datum des die schriftliche Einverständniserklärung der Klägerin.

Frau K wurde auf ihren Antrag vom von der Beklagten unbezahlter Urlaub bis zum bewilligt.

Die Klägerin hat sich mit ihrer am beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage gegen die Befristung des Arbeitsverhältnisses zum gewandt und zuletzt beantragt

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund der Befristung nicht zum beendet worden ist.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr entsprochen. Mit der Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils, während die Klägerin die Zurückweisung der Revision beantragt.

Gründe

Die Revision der Beklagten ist begründet und führt unter Aufhebung der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Der auf Feststellung der Unwirksamkeit der Befristung zum gerichtete Klageantrag ist unbegründet. Die zwischen den Parteien allein streitige Befristung zum ist wirksam. Sie ist nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG, § 21 Abs. 1 BErzGG in der Fassung der Bekanntmachung vom (BGBl. I S. 206) sachlich gerechtfertigt. Die Klägerin ist zur Vertretung der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses in Elternzeit befindlichen Arbeitnehmerin K eingestellt worden. Die Vereinbarung vom 12./ ist entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts nicht dahingehend auszulegen, dass die Befristung zum nicht eintreten sollte, wenn die vertretene Mitarbeiterin K ihren Dienst am nicht aufnehmen würde.

I. Die Befristung in der Vereinbarung vom 12./ ist nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG, § 21 Abs. 1 BErzGG sachlich gerechtfertigt. Die Vorinstanzen haben zu Recht erkannt, dass die Klägerin als Vertreterin für die in Elternzeit befindliche Arbeitnehmerin K eingestellt worden ist. Dies wird in der Revisionsinstanz von der Klägerin nicht mehr in Frage gestellt. Die Klägerin hat in der Berufungsinstanz nur noch geltend gemacht, der wiederholte Abschluss von befristeten Arbeitsverträgen in der Vergangenheit habe bei ihr ein berechtigtes Vertrauen darauf geschaffen, dass sie von der Beklagten auch weiterhin entsprechend beschäftigt werde. Dies stellt aber den sachlichen Grund für die Befristung des Arbeitsverhältnisses nicht in Frage, sondern könnte allenfalls für die Beurteilung der Frage von Bedeutung sein, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den Abschluss eines weiteren befristeten Arbeitsvertrags anzubieten. Dies ist jedoch nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits. Ein Anspruch auf Abschluss eines Arbeitsvertrags ist mit einer Leistungsklage auf Abgabe einer Willenserklärung geltend zu machen (vgl. hierzu - Rn. 17; - 7 AZR 936/94 - zu II 2 der Gründe, AP AFG § 91 Nr. 4 = EzA BGB § 620 Nr. 144), die von der Klägerin aber nicht erhoben worden ist.

II. Das Landesarbeitsgericht hat die Vereinbarung vom 12./ rechtsfehlerhaft dahingehend ausgelegt, dass die Parteien nicht übereingekommen wären, das Arbeitsverhältnis zum zu beenden, wenn ihnen bei Vertragsschluss bekannt gewesen wäre, dass Frau K nach Beendigung ihrer Elternzeit ihren Dienst nicht wieder aufnimmt. Das vom Landesarbeitsgericht gefundene Auslegungsergebnis findet im Wortlaut der Vereinbarung vom 12./ keine Stütze. Die Parteien haben eine Doppelbefristung vereinbart, wonach das Arbeitsverhältnis der Klägerin bei Beendigung der Elternzeit von Frau K, spätestens aber am enden sollte. Die Klägerin konnte das in dem Schreiben der Beklagten vom liegende Vertragsangebot nicht dahin verstehen, dass die Zeitbefristung zum gerade wegen der zu diesem Zeitpunkt erwarteten Rückkehr von Frau K an ihren Arbeitsplatz vereinbart werden sollte. Anhaltspunkte für einen übereinstimmenden Parteiwillen, wonach der Zeitpunkt der Wiederaufnahme der Tätigkeit von Frau K für die vereinbarte Zeitbefristung Bedeutung erlangen sollte, sind nicht ersichtlich. Auf außerhalb der Vereinbarung vom 12./ liegende Umstände haben sich weder das Landesarbeitsgericht noch die Klägerin bezogen. Danach liegen die Voraussetzungen für die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene ergänzende Vertragsauslegung nicht vor. Die von den Parteien getroffene Befristungsabrede war nicht unvollständig.

1. Bei der in der Vereinbarung vom 12./ enthaltenen Befristungsabrede handelt es sich um eine nichttypische vertragliche Vereinbarung. Deren Auslegung kann vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden, ob das Berufungsgericht Auslegungsregeln verletzt, gegen Denk- und Erfahrungssätze verstoßen oder wesentliche Tatsachen unberücksichtigt gelassen hat (vgl. etwa - zu II 1 a der Gründe mwN, BAGE 100, 204 = AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 230 = EzA BGB § 620 Nr. 185). Kommt das Berufungsgericht nach der Ermittlung des übereinstimmenden Parteiwillens zu dem Ergebnis, dass die Parteien zu einem regelungsbedürftigen Punkt keine Regelung getroffen haben, hat es den hypothetischen Parteiwillen im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu berücksichtigen. Eine ergänzende Vertragsauslegung unterliegt der eingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung daraufhin, ob überhaupt nach § 157 BGB die Notwendigkeit einer ergänzenden Vertragsauslegung bestand und ob bei der Auslegung selbst gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen wurde oder wesentliche Umstände unberücksichtigt geblieben sind ( - zu III 1 der Gründe, AP BGB § 620 Bedingung Nr. 23 = EzA BGB § 620 Bedingung Nr. 12; - 4 AZR 15/72 - AP BGB § 157 Nr. 3).

2. Die Auslegung des Landesarbeitsgerichts hält auch einer nur eingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat bei seiner Auslegung den Vertragswortlaut nicht ausreichend beachtet.

a) Der Inhalt einer rechtsgeschäftlichen Vereinbarung ist durch Auslegung nach den Regeln der §§ 133, 157 BGB zu bestimmen. Dabei ist auf den in der auszulegenden Erklärung verkörperten Willen der Parteien abzustellen. Nach § 133 BGB ist der wirkliche Wille des Erklärenden als sog. innere Tatsache zu ermitteln. Hat der Erklärungsempfänger den tatsächlichen Willen des Erklärenden bei Abgabe einer empfangsbedürftigen Willenserklärung erkannt und in Kenntnis dieses Willens das Geschäft abgeschlossen, so ist dieser Wille für den Inhalt des abgeschlossenen Rechtsgeschäfts maßgeblich. Es reicht vielmehr aus, dass er ihn erkennt und in Kenntnis dieses Willens das Geschäft abschließt. Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob sich ein hypothetischer Parteiwille ermitteln lässt, wenn die Parteien zu einem regelungsbedürftigen Punkt keine Vereinbarung getroffen haben. Der Parteiwille kann dann im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung ermittelt werden. Voraussetzung ist jedoch, dass der Vertrag eine Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit aufweist. Damit ist die ergänzende Vertragsauslegung gegenüber der Ermittlung des übereinstimmenden Parteiwillens stets nachrangig und kommt allenfalls dann in Betracht, wenn sich ein übereinstimmender Parteiwille nicht feststellen lässt ( - Rn. 23 f., AP BetrAVG § 1 Nr. 50).

b) Die Voraussetzungen für die vom Landearbeitsgericht vorgenommene ergänzende Vertragsauslegung liegen nicht vor. Das Berufungsgericht ist rechtsfehlerhaft von einer Lückenhaftigkeit der Vereinbarung vom 12./ ausgegangen.

aa) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Parteien hätten lediglich eine Zeitbefristung zum vereinbart. Es hat den ersten Absatz des Schreibens vom , wonach das Arbeitsverhältnis bei der "Dienstaufnahme der Stelleninhaberin der Stelle 40 25 0200 090" endet, dahingehend ausgelegt, dass hierin nur ein Hinweis der Beklagten über den Grund und die Dauer der Befristung liege. Zur Begründung hat es angeführt, dass das Schreiben vom keine Zusätze, wie etwa das Wort "auch" oder "vorzeitig" enthalte, die auf eine vorzeitige Beendigungsmöglichkeit hindeute. Die Klägerin habe daher die Erklärungen der Beklagten dahingehend verstehen dürfen, dass Frau K am an ihren Arbeitsplatz zurückkehre und deshalb das Arbeitsverhältnis bis zum fortgesetzt werde. Dieser vereinbarte Beendigungstatbestand sei wider Erwarten nicht eingetreten, woraus sich die Notwendigkeit einer ergänzenden Vertragsauslegung ergebe.

bb) Damit hat das Landesarbeitsgericht den Inhalt der Vereinbarung vom 12./ rechtsfehlerhaft ermittelt. Es hat bei seiner Auslegung zunächst den ersten Satz des Schreibens vom unberücksichtigt gelassen, wonach das Arbeitsverhältnis über den hinaus befristet fortgesetzt wird "und zwar längstens bis ". Die mit dem Ausdruck "längstens" verbundene Einschränkung konnte die Klägerin nach dem maßgeblichen Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) nur dahingehend verstehen, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund der kalendermäßigen Befristung am enden sollte, sofern es nicht bereits zuvor aus einem anderen Grund geendet hat. Als einen solchen Grund haben die Parteien in dem unmittelbar anschließenden Satz des Schreibens vom die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei der Dienstaufnahme von Frau K vereinbart. Damit haben die Parteien eine Doppelbefristung in Form einer Zeitbefristung bis zum und einer Zweckbefristung für den Fall der früheren Dienstaufnahme von Frau K getroffen. Der zweite Satz im Schreiben vom , der auf die vorzeitige Rückkehr von Frau K Bezug nimmt, enthält daher entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht lediglich einen Hinweis der Beklagten über den Grund und die Dauer der vereinbarten Zeitbefristung. Damit fehlt es im Wortlaut der Vereinbarung an Anhaltspunkten für die vom Landesarbeitsgericht angenommene Verknüpfung der Zeitbefristung mit dem Zeitpunkt der Dienstaufnahme von Frau K.

cc) Das Landesarbeitsgericht ist bei seiner Auslegung der Vereinbarung vom 12./ auch zu Unrecht davon ausgegangen, dass es nicht der Interessenlage der Beklagten entsprochen habe, eine vorzeitige Beendigungsmöglichkeit ohne Kündigung für den Fall der Rückkehr von Frau K vor Ablauf der bis zum vorgesehenen Elternzeit zu vereinbaren. Für einen entsprechenden Parteiwillen ergeben sich aus der Vereinbarung keine Anhaltspunkte. Es kann ohne Hinzutreten von besonderen Umständen nicht angenommen werden, dass die Beklagte auf die ihr durch § 21 Abs. 1, Abs. 3 BErzGG (seit dem : BEEG) ermöglichte Zweckbefristung für die Dauer der tatsächlichen Abwesenheitszeit der in Elternzeit befindlichen Arbeitnehmerin K verzichtet hat, die ihr im Vergleich zu einer Kündigung nach § 21 Abs. 4 BErzGG/BEEG eine erleichterte Beendigung des mit der Klägerin eingegangenen Arbeitsverhältnisses ermöglichte. Nach § 21 Abs. 4 Satz 1 BErzGG/BEEG ist die Kündigung des Arbeitgebers nur mit einer Mindestfrist von drei Wochen und frühestens zum Ende der Elternzeit zulässig, während es dem Arbeitgeber bei einer auf § 21 Abs. 1 Satz 1 BErzGG/BEEG gestützten Zweckbefristung möglich ist, ohne Kündigungsausspruch unter den Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 TzBfG das Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt der vorzeitigen Rückkehr des vertretenen Arbeitnehmers zu beenden.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Fundstelle(n):
UAAAD-27262

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