BAG Urteil v. - 7 AZR 718/12

Instanzenzug: ArbG Bautzen Az: 4 Ca 4240/10 Urteilvorgehend Sächsisches Landesarbeitsgericht Az: 2 Sa 169/11 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz in erster Linie darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis aufgrund Befristung mit Ablauf des geendet hat. Außerdem begehrt die Klägerin eine Prozessbeschäftigung.

2Der beklagte Landkreis ist seit dem als sog. Optionskommune nach § 6a Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) iVm. § 1 Kommunalträger-Zulassungsverordnung (KomtrZV) anstelle der Bundesagentur für Arbeit als Träger bestimmter Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende (optionale Aufgaben) zugelassen. Die Zulassung erfolgte zunächst auf der Grundlage der Experimentierklausel des § 6a SGB II in der bis zum geltenden Fassung (künftig: SGB II aF) und war nach § 6a Abs. 5 Satz 2 SGB II aF iVm. § 1 Abs. 2, § 2 KomtrZV vom (BGBl. I S. 2349) - gültig vom bis (künftig: KomtrZV aF) - für die Zeit vom bis erteilt. Zur Wahrnehmung der Aufgaben nach dem SGB II - zT anstelle der Bundesagentur für Arbeit - errichtete der Beklagte mit Wirkung ab dem eine besondere Einrichtung iSv. § 6a Abs. 6 SGB II aF, das Amt für Arbeit und Soziales mit Sitz in Bautzen (künftig: AfAS Bautzen).

3Die Klägerin war bei dem Beklagten zunächst aufgrund eines für die Zeit vom bis „nach § 14 Abs. 2 und Abs. 3 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) in der jeweils geltenden Fassung“ geschlossenen Arbeitsvertrags beschäftigt. Unter dem unterzeichneten die Parteien einen Arbeitsvertrag, nach dem die Klägerin für die Zeit vom bis „spätestens zum “ als Vollbeschäftigte eingestellt war. In dem formularmäßigen Arbeitsvertrag heißt es unter 4.2.2 ua. wörtlich:

„... nach § 14 Abs. 1 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) in der jeweils geltenden Fassung

Das Arbeitsverhältnis gilt entsprechend § 2 der Verordnung zur Zulassung von kommunalen Trägern als Träger der Grundsicherung für Arbeitssuchende (KomtrZV) für die Dauer der dem Landkreis gewährten Option.“

4Die Klägerin war im AfAS Bautzen im Fachbereich Eingliederung als Sachbearbeiterin - zur Erfüllung der mit der Option gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 iVm. § 4 SGB II aF übernommenen Aufgaben - beschäftigt.

5Eine besondere Einrichtung iSv. § 6a Abs. 6 SGB II aF bestand auch in dem vormaligen Landkreis Kamenz: Das Arbeits- und Sozialzentrum Kamenz (künftig: ASZ Kamenz). In der vormaligen Kreisfreien Stadt Hoyerswerda bestand eine vom kommunalen Träger und der Bundesagentur für Arbeit gebildete Arbeitsgemeinschaft (künftig: ARGE Hoyerswerda). Nach § 3 Nr. 1 des Sächsischen Kreisgebietsneugliederungsgesetzes - SächsKrGebNG - (vgl. Art. 1 des Gesetzes zur Neugliederung des Gebietes der Landkreise des Freistaates Sachsen und zur Änderung anderer Gesetze, SächsGVBl. 2008 S. 102) wurde der Beklagte als Gebietskörperschaft mit Wirkung ab dem neu gebildet; ihm gehören nunmehr alle Gemeinden des bisherigen Landkreises Bautzen, des bisherigen Landkreises Kamenz und die bisherige Kreisfreie Stadt Hoyerswerda an.

6Mit § 6a Abs. 1 SGB II in der Fassung von Art. 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom (BGBl. I S. 1112) - gültig ab  - wurde die unbefristete Verlängerung der Zulassungen kommunaler Träger für die Grundsicherung für Arbeitsuchende geregelt. Der Kreistag des Beklagten hatte bereits im Juni 2010 - noch auf der Grundlage des Entwurfs des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende - beschlossen, die Verlängerung der Zulassung als Optionskommune und die Erweiterung der Option auf den Zuständigkeitsbereich der ARGE Hoyerswerda zu beantragen. Der beklagte Landkreis ist nunmehr zugelassener kommunaler Träger iSv. § 1 KomtrZV in der Fassung vom und für das gesamte Kreisgebiet Leistungsträger der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Ab dem ist ein Jobcenter gebildet, das die Zuständigkeiten des AfAS Bautzen und des ASZ Kamenz zusammenfasst und im Wege der Optionserweiterung auch den Zuständigkeitsbereich der vormals gebildeten ARGE Hoyerswerda erfasst. Nach den - nicht angegriffenen - Feststellungen des Landesarbeitsgerichts verfügten die drei Einrichtungen bis über insgesamt 450,65 VzÄ (= Vollzeitäquivalente). Nach Behauptung des Beklagten waren es bis zu diesem Zeitpunkt 488 VzÄ; im Hinblick auf die vom Kreistag beschlossene Ausstattung des Jobcenters (mit ca. 450 VzÄ) sei ab dem eine Stellenreduzierung um 38 VzÄ notwendig gewesen und erfolgt.

7Mit ihrer am beim Arbeitsgericht eingegangenen und dem Beklagten am zugestellten Klage hat sich die Klägerin gegen die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses gewandt. Sie hat gemeint, die Befristungsabrede in Form einer Zweck- und einer Höchstbefristung sei intransparent und deshalb unwirksam. Insbesondere hat sich die Klägerin auf den Standpunkt gestellt, die Befristung ihres Arbeitsvertrags sei nicht durch den Sachgrund des vorübergehenden betrieblichen Bedarfs an ihrer Arbeitsleistung gerechtfertigt. Der Beklagte sei originärer Träger zur Erbringung der Leistungen nach dem SGB II. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrags mit der Klägerin im Jahr 2006 habe nicht mit hinreichender Sicherheit festgestanden, dass die übernommenen staatlichen Daueraufgaben nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II zum wegfallen würden. Insoweit sei auf den völlig offenen Ausgang des Wettbewerbs im Rahmen der sog. „Experimentierklausel“ zu verweisen.

8Die Klägerin hat - soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse - beantragt

9Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, die Klägerin sei zur Deckung des vorübergehenden Mehrbedarfs an Arbeitsleistungen wegen der eröffneten Option nach dem SGB II aF eingestellt worden. Seine auf den vorübergehenden betrieblichen Bedarf an der Arbeitsleistung der Klägerin bezogene Prognose beruhe auf den damals geltenden einschlägigen Bestimmungen des SGB II, insbesondere der „Experimentierklausel“ des § 6a SGB II aF. Im Zeitpunkt der Befristungsabrede habe der Gesetzgeber lediglich „testen“ wollen, welches Modell der Erbringung von Leistungen nach dem SGB II das geeignetste sei. Erst mit der Neufassung des § 6a SGB II durch das Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom sei die - vom Beklagten wahrgenommene - Verlängerungsmöglichkeit des Optionsmodells eröffnet worden. Die Befristung sei daher nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG zulässig, was sich auch daran zeige, dass in dem ab gebildeten Jobcenter nur noch ca. 450 VzÄ vorgehalten würden.

10Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage auf die Berufung des Beklagten abgewiesen. Mit ihrer vom Senat wegen Divergenz zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klage mit den zuletzt im Berufungsverfahren gestellten Anträgen weiter. Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Gründe

11Die Revision der Klägerin ist begründet. Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Der Senat hat mit Urteil vom (- 7 AZR 107/12 -) entschieden, dass die sog. Optionskommunen die Befristung von Arbeitsverträgen mit ihren Arbeitnehmern nicht allein mit der „Experimentierklausel“ des § 6a SGB II aF rechtfertigen können. Das Befristungskontrollbegehren der Klägerin ist zulässig und begründet. Der mit dem Klageantrag zu 2. geltend gemachte Weiterbeschäftigungsantrag fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an.

12I. Der Befristungskontrollantrag ist begründet.

131. Der Antrag ist zulässig. Mit ihm verfolgt die Klägerin eine Befristungskontrollklage nach § 17 Satz 1 TzBfG. Klagegegenstand und Klagegrund sind hinreichend bestimmt bezeichnet iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Eines besonderen Feststellungsinteresses iSd. § 256 Abs. 1 ZPO bedarf es nicht (vgl.  - Rn. 10 mwN).

142. Der Befristungskontrollantrag ist begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat nicht aufgrund der im Arbeitsvertrag vom vereinbarten kalendermäßigen Befristung zum geendet. Die kalendermäßige Befristung ist unzulässig, weil sie nicht durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist (§ 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG).

15a) Der Antrag ist nicht bereits deshalb begründet, weil die der streitbefangenen Befristung zugrunde liegende Vereinbarung in Ziffer 4.2.2 des Arbeitsvertrags vom eine Einstellung der Klägerin „bis spätestens zum “ in Verbindung mit der wörtlichen Passage vorsieht: „Das Arbeitsverhältnis gilt entsprechend § 2 der Verordnung zur Zulassung von kommunalen Trägern als Träger der Grundsicherung für Arbeitssuchende (KomtrZV) für die Dauer der dem Landkreis gewährten Option.“ Es kann dahinstehen, ob die Parteien damit lediglich den Befristungsgrund beschrieben oder eine Zweckbefristung (§ 3 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2, § 15 Abs. 2 TzBfG) bzw. eine auflösende Bedingung (§ 21 TzBfG) vereinbart haben, die zugleich mit einer kalendermäßigen (Höchst-)Befristung (§ 3 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1, § 15 Abs. 1 TzBfG) verbunden wurde (zur Abgrenzung vgl.  - Rn. 15, BAGE 138, 242).

16aa) Nähme man ersteres an, käme der Passage „Das Arbeitsverhältnis gilt entsprechend § 2 der Verordnung zur Zulassung von kommunalen Trägern als Träger der Grundsicherung für Arbeitssuchende (KomtrZV) für die Dauer der dem Landkreis gewährten Option“ ohnehin keine befristungskontrollrechtliche Relevanz zu. Nach den gesetzlichen Vorgaben bedarf der Befristungsgrund keiner schriftlichen Niederlegung oder Vereinbarung.

17bb) Sähe man in der Passage eine eigenständige Befristungsabrede, wäre dies nicht unzulässig.

18(1) Zum einen sind sowohl die Doppelbefristung als auch die Kombination von auflösender Bedingung und zeitlicher Höchstbefristung rechtlich möglich (vgl.  - Rn. 11 und 17 zur Kombination von Zweck- und Zeitbefristung sowie  - Rn. 13, BAGE 138, 242 zur Kombination von auflösender Bedingung und Zeitbefristung).

19(2) Zum anderen hielte Ziffer 4.2.2 des Arbeitsvertrags vom im Verständnis einer „kombinierten Befristungsklausel“ einer Kontrolle nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen stand.

20(a) Dabei kann die Frage der Rechtsnatur des Arbeitsvertrags offenbleiben. Selbst wenn es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen iSv. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB handeln sollte, die der Beklagte der Klägerin gestellt hat (wofür die Verwendung eines Formulars allerdings auch deutlich spricht), ist die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB nicht anzuwenden. Denn die Regelung in Ziffer 4.2.2 des Arbeitsvertrags vom lässt nach gebotener Auslegung (§§ 133, 157 BGB) unter Beachtung eines objektiv-generalisierenden Maßstabs ausreichend klar erkennen, dass der Arbeitsvertrag begrenzt sein sollte für die Dauer der Optionskommunenzulassung des beklagten Landkreises und unabhängig davon spätestens am enden sollte.

21(b) Die - unterstellte - Allgemeine Geschäftsbedingung in Ziffer 4.2.2 des Arbeitsvertrags vom verletzt auch nicht das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Die Kombination einer auflösenden Bedingung oder einer Zweckbefristung mit einer zeitlichen Höchstbefristung entspricht einer gebräuchlichen Regelungstechnik beim Abschluss befristeter oder bedingter Arbeitsverträge. Der Arbeitnehmer kann erkennen, dass die Wirksamkeit der beiden Beendigungstatbestände rechtlich getrennt zu beurteilen und anzugreifen ist.

22b) Die streitbefangene, kalendermäßige Befristung ist aber rechtsunwirksam. Sie bedarf nach § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG einer Rechtfertigung durch einen sachlichen Grund. Ein solcher liegt nicht vor.

23aa) Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts ist die Befristung nicht durch den sachlichen Grund des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG gerechtfertigt.

24(1) Ein sachlicher Grund liegt nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG vor, wenn der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung nur vorübergehend besteht.

25(a) Der Sachgrund des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG setzt voraus, dass im Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist, dass nach dem vorgesehenen Vertragsende für die Beschäftigung des befristet eingestellten Arbeitnehmers kein dauerhafter betrieblicher Bedarf mehr besteht (vgl.  - Rn. 12, BAGE 133, 319). Hierüber hat der Arbeitgeber bei Abschluss des befristeten Arbeitsvertrags eine Prognose zu erstellen, der konkrete Anhaltspunkte zugrunde liegen müssen. Die Prognose ist ein Teil des Sachgrundes für die Befristung ( - Rn. 12 mwN, aaO). Die tatsächlichen Grundlagen für die Prognose hat der Arbeitgeber im Prozess darzulegen ( - Rn. 13 mwN, aaO).

26(b) Der Sachgrund des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG ist von der regelmäßig gegebenen Unsicherheit über die künftige Entwicklung des Arbeitskräftebedarfs eines Unternehmens oder einer Behörde zu unterscheiden ( - zu I 2 a der Gründe, BAGE 109, 339). Die allgemeine Unsicherheit über die zukünftig bestehende Beschäftigungsmöglichkeit rechtfertigt die Befristung nicht. Eine solche Unsicherheit gehört zum unternehmerischen Risiko des Arbeitgebers, das er nicht durch Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrags auf den Arbeitnehmer abwälzen darf ( - Rn. 12 mwN). Es reicht demnach nicht aus, dass sich lediglich unbestimmt abzeichnet, aufgrund welcher Abläufe eine Tätigkeit des Arbeitnehmers in der Zukunft entbehrlich sein könnte (vgl. für eine Zweckbefristung  - Rn. 31).

27(c) Wird die Befristung auf die nur vorübergehende Übertragung oder Wahrnehmung einer sozialstaatlichen (Dauer-)Aufgabe gestützt, vermag dies für sich gesehen sie nicht zu rechtfertigen (vgl.  - zu I 2 b bb der Gründe, BAGE 109, 339). So liegt etwa in den Fällen, in denen sich eine (übertragene) Maßnahme nicht als zeitlich begrenztes Projekt, sondern als Teil einer Daueraufgabe des staatlichen Auftraggebers darstellt, in der Übertragung der sozialstaatlichen Aufgabe allein kein hinreichender Sachgrund für die Befristung des Arbeitsverhältnisses des bei einem Auftragnehmer angestellten Arbeitnehmers (vgl. hierzu - noch Sachverhalte vor Inkrafttreten des TzBfG betreffend -  - zu I 2 b bb der Gründe, aaO; - 7 AZR 437/01 - zu A II 2 der Gründe; - 7 AZR 758/98 - zu II 3 c bb der Gründe, BAGE 94, 130 [in Abgrenzung zu Befristungen im Zusammenhang mit sog. MBSE-Maßnahmen, hierzu zB  - BAGE 52, 122]).

28(2) Gemessen hieran ist das Landesarbeitsgericht zwar zutreffend davon ausgegangen, dass der Beklagte im Zeitpunkt der Befristungsabrede mit der Klägerin zeitweise eine Sonderaufgabe - die Trägerschaft für Leistungen nach dem SGB II anstelle der Bundesagentur für Arbeit als Umsetzung einer ihm eröffneten Option - übernommen hat. Nicht frei von Rechtsfehlern ist aber seine Annahme, der Beklagte habe eine „valide Prognose“ dazu angestellt, dass nach dem für die Beschäftigung der Klägerin kein Bedarf mehr bestehe.

29(a) Der Beklagte kann seine bei Vertragsschluss anzustellende Prognose nicht allein auf die am geltende Gesetzes- und Verordnungslage stützen, wonach das Optionsmodell - die Zulassung von höchstens 69 kommunalen Trägern von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende anstelle der Bundesagentur für Arbeit - für die Zeit vom bis begrenzt war (vgl. § 6a Abs. 1 bis Abs. 3, Abs. 5 SGB II aF iVm. §§ 1, 2 KomtrZV aF). In die Prognose einzustellen war vielmehr auch der Umstand, dass die Grundsicherung für Arbeitsuchende nicht „an sich“ eine Aufgabe von begrenzter Dauer ist. Als steuerfinanziertes staatliches Fürsorgesystem, das für erwerbsfähige Leistungsberechtigte vorrangig Leistungen zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt bzw. eine Beschäftigung erbringt, handelt es sich vielmehr um eine sozialstaatliche Daueraufgabe. Zu Unrecht beruft sich der Beklagte insoweit darauf, dass nach den im Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit der Klägerin am geltenden gesetzlichen Rahmenbedingungen die Wahrnehmung der sozialstaatlichen Daueraufgabe durch ihn nur zeitweilig angefallen sei. Wenn nämlich, wie vorliegend, bei Abschluss des befristeten Vertrags davon auszugehen ist, dass die optionalen, vom Beklagten anstelle der Bundesagentur für Arbeit - in zeitlich begrenzter Trägerschaft - wahrgenommenen Aufgaben als solche nicht wegfallen werden, vermag die Unsicherheit über ihre künftige Trägerschaft allein die Befristung des Arbeitsvertrags nicht zu rechtfertigen. Vielmehr wäre hierfür erforderlich, dass bereits bei Vertragsschluss hinreichend zuverlässig zu prognostizieren war, der Arbeitgeber werde mit dem vorgesehenen Ende des Arbeitsvertrags mit der Klägerin die Aufgaben nicht mehr in eigener Trägerschaft wahrnehmen. Hiervon konnte der Beklagte aber allein im Hinblick auf die Gesetzes- und Verordnungslage nicht ausgehen. Nach dieser war nur unklar, ob das gesetzliche Optionsmodell verstetigt wird. So war nach § 6a Abs. 1 SGB II aF die Möglichkeit der Zulassung kommunaler Träger „an Stelle der Agenturen für Arbeit als Träger der Leistung“ ausdrücklich „im Wege der Erprobung“ eröffnet; nach der sog. „Wirkungsforschung zur Experimentierklausel“ des § 6c SGB II aF war eine Evaluierung vorgesehen (vgl. zur Entstehungsgeschichte des § 6a SGB II aF auch Art. 1 Nr. 5 des Entwurfs eines Gesetzes zur Optionalen Trägerschaft von Kommunen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch vom - BT-Drucks. 15/2816 S. 3 f. [noch als gesetzlich nicht befristet angelegtes Optionsmodell] - und die Gesetz gewordene Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses hierzu vom  - BT-Drucks. 15/3495 S. 2 f. [Experimentierklausel] -). Es stand damit gerade nicht mit hinreichender Gewissheit fest, ob das gesetzliche Optionsmodell ausläuft oder zunächst fortgeführt oder gar verstetigt wird; klar war „nur“, dass eine gesetzliche Regelung über die Zukunft der Durchführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende noch zu treffen ist (vgl. in diesem Sinn auch die Begründung zu dem späteren Entwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom unter A. - Notwendigkeit des Gesetzes - BT-Drucks. 17/1555 -). Die damit allenfalls bestehende Ungewissheit, in welcher Trägerschaft die dauerhaft anfallenden Leistungen im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende künftig nach den normativen Rahmenbedingungen wahrgenommen werden können oder wahrzunehmen sind, rechtfertigt die Befristung des Arbeitsvertrags mit der Klägerin nicht.

30(b) Auf die nach seiner Darstellung notwendige Reduzierung der VzÄ in den ab dem im Jobcenter zusammengefassten Einrichtungen AfAS Bautzen, ASZ Kamenz und ARGE Hoyerswerda kann der Beklagte seine Prognose gleichfalls nicht stützen. Ungeachtet dessen, dass Stellenplanvorgaben nicht - jedenfalls nicht ohne weiteres - einen Befristungsgrund nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG darstellen, stand die aufgezeigte Stellenreduzierung schon nach den eigenen Angaben des Beklagten im Zeitpunkt der Befristungsabrede nicht mit hinreichender Sicherheit fest. Der Beklagte hat auf die im Sommer 2010 gefassten Kreistagsbeschlüsse zur VzÄ-Ausstattung des Jobcenters verwiesen; dies vermag nicht die am vereinbarte Befristung zu rechtfertigen.

31bb) Die Befristung ist ferner nicht durch einen sonstigen sachlichen Grund iSd. § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG gerechtfertigt. Die hierfür nach der Rechtsprechung des Senats erforderlichen Voraussetzungen liegen nicht vor.

32(1) § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis Nr. 8 TzBfG enthält eine Aufzählung sachlicher Gründe, die die Befristung von Arbeitsverträgen rechtfertigen können. Diese Aufzählung ist, wie sich aus dem Wort „insbesondere“ ergibt, nicht abschließend. Dadurch werden weder andere von der Rechtsprechung vor Inkrafttreten des TzBfG anerkannte noch weitere Sachgründe für die Befristung ausgeschlossen (BT-Drucks. 14/4374 S. 18). Allerdings können sonstige, in § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis Nr. 8 TzBfG nicht genannte Sachgründe die Befristung eines Arbeitsvertrags nur rechtfertigen, wenn sie den in § 14 Abs. 1 TzBfG zum Ausdruck kommenden Wertungsmaßstäben entsprechen und den in dem Sachgrundkatalog des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis Nr. 8 TzBfG genannten Sachgründen von ihrem Gewicht her gleichwertig sind ( - Rn. 15 mwN, BAGE 132, 344).

33(2) Diesen Anforderungen genügt die Befristung zum nicht. Insbesondere liegt keine mit der sog. „Haushaltsbefristung“ nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG vergleichbare Fallgestaltung vor, so dass es auf die grundsätzlichen Zweifel an der Unionsrechtskonformität des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG nicht entscheidend ankommt (vgl. hierzu das - wegen Erledigung des Ausgangsverfahrens nicht beschiedene - Vorabentscheidungsersuchen des Senats zum Gerichtshof der Europäischen Union vom - 7 AZR 485/09 (A) - BAGE 136, 93; ferner auch  - Rn. 25 mwN; - 7 AZR 394/10 - Rn. 38, BAGE 140, 191).

34(a) Nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG liegt ein sachlicher Grund für die Befristung eines Arbeitsvertrags vor, wenn der Arbeitnehmer aus Haushaltsmitteln vergütet wird, die haushaltsrechtlich für eine befristete Beschäftigung bestimmt sind, und er entsprechend beschäftigt wird. Das setzt die Bereitstellung von Haushaltsmitteln für die befristete Beschäftigung in einem Haushaltsplan und die Vergütung des Arbeitnehmers aus diesen Haushaltsmitteln voraus. Nach der (bisherigen) Rechtsprechung des Senats ist zudem erforderlich, dass die Haushaltsmittel im Haushaltsplan mit einer konkreten Sachregelung auf der Grundlage einer nachvollziehbaren Zwecksetzung ausgebracht sind. Die für die Vergütung des befristet eingestellten Arbeitnehmers verfügbaren Haushaltsmittel müssen für eine Aufgabe von nur vorübergehender Dauer vorgesehen sein. Es muss sich um Tätigkeiten handeln, die nicht dauerhaft, sondern nur zeitweilig anfallen. Dabei müssen die Rechtsvorschriften, mit denen die Haushaltsmittel ausgebracht werden, selbst die inhaltlichen Anforderungen für die im Rahmen der befristeten Arbeitsverträge auszuübenden Tätigkeiten oder die Bedingungen, unter denen sie auszuführen sind, enthalten. Die Vergütung des Arbeitnehmers muss aus Haushaltsmitteln erfolgen, die mit einer konkreten Sachregelung auf der Grundlage einer nachvollziehbaren Zwecksetzung für eine nur vorübergehende Beschäftigung versehen sind. Der Arbeitnehmer muss überwiegend entsprechend dieser Zwecksetzung beschäftigt werden (vgl. zB  - Rn. 10 mwN).

35(b) Eine diesen Wertungen vergleichbare Fallgestaltung ist hier nicht gegeben. Nach § 6a Abs. 1 bis Abs. 3 und Abs. 5 SGB II aF iVm. §§ 1 und 2 KomtrZV aF erfolgte zwar die Zulassung des Beklagten als Träger bestimmter Leistungen im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende befristet. Auch trägt nach § 6b Abs. 2 Satz 1 SGB II der Bund die Aufwendungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende einschließlich der Verwaltungskosten mit Ausnahme bestimmter Aufwendungen und gelten nach dem - allerdings erst durch Art. 2 Nr. 8 Buchst. b des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom (BGBl. I S. 453) eingefügten - § 6b Abs. 2a SGB II für die Bewirtschaftung von Haushaltsmitteln des Bundes durch die zugelassenen kommunalen Träger die haushaltsrechtlichen Bestimmungen des Bundes, soweit in Rechtsvorschriften des Bundes oder Vereinbarungen des Bundes mit den zugelassenen kommunalen Trägern nicht etwas anderes bestimmt ist. Dies entspricht aber keinem Sachverhalt, bei dem die Vergütung eines befristet beschäftigten Arbeitnehmers aus Haushaltsmitteln erfolgt, die ihrerseits mit einer konkreten Sachregelung auf der Grundlage einer nachvollziehbaren Zwecksetzung für eine nur vorübergehende Beschäftigung versehen sind.

36II. Der auf Prozessbeschäftigung abzielende Weiterbeschäftigungsantrag zu 2. fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an. Er ist auf die Weiterbeschäftigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag gerichtet. Die Entscheidung des Senats über den Feststellungsantrag wird mit der Verkündung rechtskräftig.

37III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
NAAAE-64809