BGH Beschluss v. - IX ZB 193/08

Leitsatz

[1] Die nachträgliche Zulassung der Rechtsbeschwerde ist nicht bindend, wenn das Beschwerdegericht bei seiner ursprünglichen Entscheidung irrtümlich davon ausgegangen ist, die Rechtsbeschwerde sei schon nach dem Gesetz statthaft.

Gesetze: InsO § 6; InsO § 7; ZPO § 321a; ZPO § 574 Abs. 1; ZPO § 574 Abs. 3; EGInsO Art. 103

Instanzenzug: LG Schwerin, 5 T 31/06 vom AG Schwerin, 58 N 557/97 vom

Gründe

I.

Der (weitere) Beteiligte zu 1 war Verwalter in dem am eröffneten Gesamtvollstreckungsverfahren über das Vermögen der Schuldnerin. Mit Beschluss des Gesamtvollstreckungsgerichts vom wurde er entlassen.

Mit Schriftsatz vom hat der Beteiligte zu 1 beantragt, seine restliche Vergütung abzüglich entnommener Vorschüsse auf weitere 81.325,46 EUR festzusetzen. Hierauf hat das Insolvenzgericht wegen Verwirkung des Anspruchs die Vergütung auf 0,00 EUR festgesetzt und ihn zugleich aufgefordert, die bereits entnommenen Vorschüsse an die Masse zurückzuleisten. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde hatte keinen Erfolg. Nach Zurückweisung der Beschwerde durch Beschluss vom hat das Beschwerdegericht in einem weiteren Beschluss vom den Tenor seiner Entscheidung dahingehend ergänzt, dass die Rechtsbeschwerde zugelassen werde. Nach der Begründung dieser Entscheidung war es bei Erlass des Beschlusses vom irrtümlich von der Anwendbarkeit des § 7 InsO auf Rechtsbeschwerden gegen Entscheidungen der Beschwerdegerichte im Gesamtvollstreckungsverfahren ausgegangen.

Mit der Rechtsbeschwerde erstrebt der Beteiligte zu 1 die Festsetzung seiner Vergütung unter Berücksichtigung entnommener Vorschüsse von 83.216, 22 EUR auf noch 69.192,07 EUR.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist nicht statthaft.

1.

Die Rechtsbeschwerde nach §§ 6, 7 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO ist nicht gegeben. § 7 InsO ist gemäß Art. 103 Satz 1 EGInsO( auf den Rechtsmittelzug in Verfahren nach der Gesamtvollstreckungsordnung nicht anzuwenden , ZInsO 2004, 274, 275). Die Rechtsbeschwerde ist in diesen Verfahren nur dann statthaft, wenn sie in dem Beschluss, mit dem über die sofortige Beschwerde entschieden wurde, gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO ausdrücklich zugelassen worden ist (vgl. , NJW 2004, 779; Zöller/ Heßler, ZPO 27. Aufl. § 574 Rn. 14; Hk-ZPO/Kayser, 2. Aufl. § 574 Rn. 14).

2.

Eine das Rechtsbeschwerdegericht nach § 574 Abs. 3 Satz 2 ZPO bindende Zulassung liegt nicht vor.

a)

Bei dem Beschluss vom handelt es sich - ungeachtet seiner Bezeichnung durch das Beschwerdegericht als Berichtigungsbeschluss -nach Tenor und Gründen um eine Ergänzungsentscheidung entsprechend § 321 ZPO, die jedoch unzulässig ist. Der aaO) hat für § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO entschieden, dass eine im Beschwerdebeschluss unterbliebene Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht durch einen Ergänzungsbeschluss nachgeholt werden kann. Enthält der Beschluss keinen Ausspruch der Zulassung, so heißt das, dass die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen wird. Eine nachträgliche Zulassung holt nicht, wie in § 321 ZPO vorausgesetzt wird, eine unterbliebene Entscheidung nach, sondern widerspricht entgegen § 318 ZPO der bereits getroffenen Entscheidung und ändert sie ab. Dies gilt sowohl für die Zulassung der Revision nach § 543 ZPO n.F. als auch für den vergleichbaren Fall der Zulassung der Rechtsbeschwerde durch Ergänzungsbeschluss ( aaO).

b)

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann zwar eine Berichtigung des Beschlusses, in den eine beschlossene Zulassung versehentlich nicht aufgenommen wurde, nach § 319 ZPO erfolgen. Dass die Zulassung der Rechtsbeschwerde beschlossen und nur versehentlich nicht im Beschluss ausgesprochen war, muss sich dann aber aus dem Zusammenhang des Beschlusses selbst oder mindestens aus den Vorgängen bei seinem Erlass oder seiner Verkündung ergeben, weil nur dann eine "offenbare" Unrichtigkeit vorliegen kann ( aaO; vgl. BGHZ 20, 188, 191 f ; 78, 22 f ür die gleich gelagerten Fälle der Zulassung der Revision nach § 546 ZPO a.F.).

Der Beschluss vom ist zwar vom Beschwerdegericht getroffen worden, um den Beschluss vom zu berichtigen. Aus der Begründung der Entscheidung ergibt sich aber, dass es sich tatsächlich nicht um eine Berichtigung handelt. Das Beschwerdegericht ist bei der Beratung der Sache aufgrund Rechtsirrtums von der Anwendbarkeit des § 7 InsO ausgegangen. Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde hat es deshalb nicht für erforderlich gehalten. Der Beschluss gab das Ergebnis der Beratung vollständig und richtig wieder.

Auch die weitere Voraussetzung, aus dem Zusammenhang des Beschlusses selbst oder zumindest aus den Vorgängen, die zu seinem Erlass geführt haben, müsse sich ergeben, dass eine "offenbare" Unrichtigkeit vorliegt, ist nicht erfüllt. Weder aus dem Beschluss selbst noch aus den Umständen, die zum Erlass der Entscheidung geführt haben, ist der Wille des Beschwerdegerichts zu entnehmen, die Rechtsbeschwerde zuzulassen. Obwohl der Senat schon 2004 entschieden hat, dass die Rechtsbeschwerde im Gesamtvollstreckungsverfahren nur statthaft ist, wenn sie vom Beschwerdegericht ausdrücklich zugelassen ist ( aaO), hat sich das Beschwerdegericht in dem am getroffenen Beschluss weder im Tenor noch in den Gründen zur Zulassung der Rechtsbeschwerde geäußert. Dieses Schweigen reicht aus, um von einer Nichtzulassung auszugehen (Hk-ZPO/Kayser, aaO).

c)

Eine ergänzende Zulassung der Rechtsbeschwerde analog § 321a ZPO, die möglich ist, wenn in der Beschwerdeentscheidung durch willkürliche Nichtzulassung ein Verfahrensgrundrecht des Beschwerdeführers verletzt worden ist ( IXa ZB 182/03, NJW 2004, 2529; v. - VII ZB 28/07, WM 2007, 2035, 2036), kommt vorliegend nicht in Betracht. Eine Verletzung von Verfahrensgrundrechten des Beschwerdeführers wird von der Rechtsbeschwerde nicht geltend gemacht. Sie ist auch nicht gegeben.

d)

Eine Bindung des Senats durch den Berichtigungsbeschluss vom ist nicht eingetreten. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entfalten fehlerhafte Berichtigungsbeschlüsse, die erkennbar keine gesetzliche Grundlage haben, trotz formeller Rechtskraft keine verbindliche Wirkung (BGHZ 20, 188, 192 f ; , NJW 1995, 1033; Beschl. v. - VI ZB 19/04, NJW 2004, 2389).

Fundstelle(n):
NJW-RR 2009 S. 1349 Nr. 19
WM 2009 S. 1058 Nr. 22
LAAAD-20402

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja