BGH Beschluss v. - IX ZB 34/22

Kostenfestsetzungsverfahren: Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde bei unzutreffender Rechtsbehelfsbelehrung; Nachholung der Rechtsbeschwerdezulassung durch Ergänzungsbeschluss

Gesetze: § 574 Abs 1 S 1 Nr 1 ZPO, § 574 Abs 1 S 1 Nr 2 ZPO

Instanzenzug: LG Dessau-Roßlau Az: 8 T 32/22vorgehend AG Dessau-Roßlau Az: 2 IN 121/12

Gründe

I.

1Die weiteren Beteiligten streiten im Kostenfestsetzungsverfahren über die Erstattung der anteiligen Kosten eines von dem weiteren Beteiligten zu 10 im Streit über die Vergütung seiner Tätigkeit als vorläufiger Insolvenzverwalter eingeholten Privatgutachtens.

2Das Amtsgericht hat die dem Beteiligten zu 10 zu erstattenden Kosten unter Berücksichtigung der von diesem aufgewandten Kosten für die Einschaltung des Privatsachverständigen auf insgesamt 32.445,02 € nebst Zinsen festgesetzt. Auf die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Gläubiger hat das Landgericht die Entscheidung des abgeändert und die dem Beteiligten zu 10 zu erstattenden Kosten auf 6.302,99 € festgesetzt; die Kosten für das Privatgutachten hat es hierbei außen vor gelassen. Weder in der Beschlussformel noch in den Gründen dieses Beschlusses hat das Beschwerdegericht zur Zulassung der Rechtsbeschwerde Stellung genommen; es hat den Beschluss jedoch mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen, wonach die Entscheidung mit der Rechtsbeschwerde angefochten werden könne. Mit einem weiteren Beschluss vom hat das Beschwerdegericht den Tenor seiner Entscheidung dahingehend ergänzt, dass die Rechtsbeschwerde zugelassen werde.

3Mit der Rechtsbeschwerde möchte der Beteiligte zu 10 die Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung und die Zurückweisung der Beschwerde der Beteiligten zu 1 bis 9 erreichen.

II.

4Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig, da sie nach § 574 ZPO nicht statthaft ist. In Kostensachen ist die Rechtsbeschwerde nicht schon nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO eröffnet. Das Beschwerdegericht hat die Rechtsbeschwerde auch nicht wirksam nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO zugelassen.

51. Die Rechtsbeschwerde muss nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO in dem Beschluss, mit dem über die sofortige Beschwerde entschieden wurde, im Tenor oder in den Gründen ausdrücklich zugelassen werden. Der Beschluss vom in seiner ursprünglichen Fassung enthielt keine Zulassung der Rechtsbeschwerde.

6Eine unzutreffend erteilte Rechtsbehelfsbelehrung kann die Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht ersetzen. Sie dient nicht der Ergänzung oder Interpretation der Entscheidung, sondern allein der Information der Beteiligten über bestehende Rechtsmittel. Durch eine insofern unrichtige Angabe wird ein unstatthaftes Rechtsmittel nicht statthaft. Eine Willensentschließung des Beschwerdegerichts im Sinne einer Zulassungsentscheidung kann daraus nicht entnommen werden (, FamRZ 2019, 725 Rn. 10 mwN).

72. Die Rechtsbeschwerde wurde auch nicht durch den Beschluss des Beschwerdegerichts vom in wirksamer Form zugelassen.

8Bei dem Beschluss vom handelt es sich in der Sache um eine unzulässige Ergänzungsentscheidung entsprechend § 321 ZPO, die das Rechtsbeschwerdegericht nicht bindet. Eine im Beschwerdebeschluss unterbliebene Zulassung der Rechtsbeschwerde kann nicht durch einen Ergänzungsbeschluss nachgeholt werden (, WM 2009, 1058 Rn. 7; vom - XII ZB 509/15, FamRZ 2017, 1608 Rn. 13).

9Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann zwar eine Berichtigung des Beschlusses, in den eine beschlossene Zulassung versehentlich nicht aufgenommen wurde, nach § 319 ZPO erfolgen. Dass die Zulassung der Rechtsbeschwerde beschlossen und nur versehentlich nicht im Beschluss ausgesprochen war, muss sich dann aber aus dem Zusammenhang des Beschlusses selbst oder mindestens aus den Vorgängen, die zu seinem Erlass oder seiner Verkündung geführt haben, ergeben, weil nur dann eine "offenbare" Unrichtigkeit vorliegen kann ( aaO Rn. 8; vom , aaO Rn. 14). Eine offenbare Unrichtigkeit muss selbst für Dritte ohne weiteres erkennbar sein, da auch Richter, die an der Entscheidung nicht mitgewirkt haben, über eine Berichtigung entscheiden dürfen.

10Weder der Beschluss des Beschwerdegerichts vom noch die Vorgänge, die zu seinem Erlass oder seiner Verkündung geführt haben, bieten Anhalt für die Annahme, dass das Beschwerdegericht die Rechtsbeschwerde zulassen wollte und die Zulassung lediglich aus Versehen unterblieben war. Aus dem Umstand, dass der originäre Einzelrichter die Sache zuvor auf die Kammer übertragen hat, ist nur offenbar, dass der Einzelrichter selbst der Sache eine grundsätzliche Bedeutung gemäß § 568 Satz 2 Nr. 2, § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO beigemessen und deswegen die Zulassung der Rechtsbeschwerde für erforderlich gehalten hat. Daraus kann jedoch nicht gefolgert werden, dass die mit drei Richtern besetzte Kammer bei ihrer Beschlussfassung derselben Auffassung gewesen ist und auch eine entsprechende Entscheidung getroffen hat. Auch aus der Rechtsbehelfsbelehrung ergibt sich insoweit kein ausreichender Anhalt für eine offenbare Unrichtigkeit. Diese rechtfertigt allenfalls den Schluss, dass das Beschwerdegericht von der Statthaftigkeit der Beschwerde ausgegangen ist, zumal auch die Möglichkeit besteht, das die Rechtsbehelfsbelehrung lediglich versehentlich erfolgt ist (vgl. , FamRZ 2017, 1608 Rn. 15 f). Die Verfügung der Kammervorsitzenden vom kann in zeitlicher Hinsicht keine Berücksichtigung finden, da zum Zeitpunkt der Entscheidung am für einen Dritten nicht ohne weiteres deutlich nach außen hervorgetreten ist, dass die Zulassung der Rechtsbeschwerde versehentlich unterblieben war (vgl. , WM 2013, 1078 Rn. 13).

11Gegen die Absicht des Beschwerdegerichts, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, spricht zudem, dass sich aus der Entscheidung vom kein Hinweis auf einen Zulassungsgrund nach § 574 Abs. 2 ZPO ergibt. Weder wird eine abweichende Rechtsprechung genannt noch eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage oder ein bestehender Rechtsfortbildungsbedarf aufgezeigt. Vielmehr wollte das Beschwerdegericht seine Entscheidung an der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Erstattung von Privatgutachterkosten (, BGHZ 192, 140) ausrichten.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:190123BIXZB34.22.0

Fundstelle(n):
WAAAJ-34072