BGH Beschluss v. - IX ZB 92/15

Rechtsbeschwerde: Zulassung aufgrund einer Anhörungsrüge; Bindungswirkung für das Rechtsbeschwerdegericht

Leitsatz

Lässt das Beschwerdegericht die Rechtsbeschwerde ausdrücklich nicht zu, entfaltet eine nachträgliche, auf eine Anhörungsrüge oder Gegenvorstellung ergangene stattgebende Zulassungsentscheidung für das Rechtsbeschwerdegericht keine Bindungswirkung, wenn die ursprüngliche Entscheidung nicht auf Verstößen gegen Verfahrensgrundrechte beruht.

Gesetze: § 318 ZPO, § 321a ZPO, § 574 Abs 3 S 2 ZPO

Instanzenzug: LG Frankenthal Az: 1 T 215/15 Beschlussvorgehend AG Ludwigshafen Az: 3b IK 349/14 LU

Gründe

I.

1Der weitere Beteiligte ist Verwalter in dem Verbraucherinsolvenzverfahren über das Vermögen des            F.        . Das Amtsgericht hat die Vergütung des weiteren Beteiligten anstelle des beantragten Betrages von 8.246,87 € auf lediglich 5.165,54 € festgesetzt. Die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde hat das Landgericht - Einzelrichter - durch Beschluss vom zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen. Die von dem weiteren Beteiligten erhobene Gehörsrüge hat das Landgericht - Einzelrichter - durch Beschluss vom zurückgewiesen. Auf die nunmehr geltend gemachte Gegenvorstellung des weiteren Beteiligten hat das Landgericht - Einzelrichter - durch Beschluss vom die Rechtsbeschwerde ohne weitere Begründung zugelassen. Mit diesem Rechtsmittel verfolgt der weitere Beteiligte seinen abgewiesenen Vergütungsantrag weiter.

II.

2Die Rechtsbeschwerde ist nicht statthaft und daher als unzulässig zu verwerfen (§ 4 InsO, § 577 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Eine das Rechtsbeschwerdegericht nach § 574 Abs. 3 Satz 2 ZPO bindende Zulassung liegt - ungeachtet der fehlenden Zulassungsbefugnis des Einzelrichters (, BGHZ 154, 200, 202; vom - I ZB 65/11, WM 2012, 1734 Rn. 4; vom - IX ZB 93/12, NZI 2015, 563 Rn. 4; vom - I ZB 110/14, WM 2016, 360 Rn. 10) - nicht vor.

31. Enthält der angefochtene Beschluss keinen Ausspruch der Zulassung, so heißt das, dass die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen wird, und zwar auch dann, wenn das Beschwerdegericht die Möglichkeit der Zulassung gar nicht bedacht hat (, WM 2009, 1058 Rn. 7 ff; Urteil vom - VI ZR 55/14, NJW-RR 2014, 1470 Rn. 7 betreffend Revision). Im Streitfall hat das Beschwerdegericht in seinem Beschluss vom zur Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht geschwiegen, sondern ausdrücklich eine Zulassung abgelehnt, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt seien. Bei dieser Sachlage steht fest, dass die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen wurde.

42. Unwirksam ist eine prozessual nicht vorgesehene nachträgliche Zulassungsentscheidung, weil sie die Bindung des Gerichts an seine eigene Entscheidung (§ 318 ZPO) außer Kraft setzen würde ( aaO; Urteil vom - V ZR 123/10, NJW 2011, 1516 Rn. 4; vom - IX ZR 70/10, WM 2012, 325 Rn. 7; vom , aaO). Dies gilt auch, wenn das Beschwerdegericht - wie hier - seine bewusste Entscheidung, die Rechtsbeschwerde nicht zuzulassen, verfahrensfehlerhaft aufgrund einer Anhörungsrüge (§ 321a ZPO) oder einer Gegenvorstellung ändert ( aaO; vom , aaO; vom - IX ZR 197/15, zVb Rn. 8 ff).

5a) Die Voraussetzungen des § 321a ZPO lagen - wie das Beschwerdegericht selbst zutreffend festgestellt hat - nicht vor. Mithin konnte die Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht auf der Grundlage einer Anhörungsrüge nachträglich ausgesprochen werden (vgl. aaO; vom , aaO Rn. 8 f; vom , aaO).

6Die Anhörungsrüge räumt dem Gericht keine umfassende Abhilfemöglichkeit ein, sondern dient allein der Behebung von Verstößen gegen die grundgesetzliche Garantie des rechtlichen Gehörs ( aaO Rn. 8; vom , aaO Rn. 9; vom aaO Rn. 22). Dem auf die Anhörungsrüge hin ergangenen Beschluss lässt sich nicht entnehmen, dass das Berufungsgericht den erforderlichen spezifischen Verstoß gegen den Anspruch festgestellt hat, der allein die Bindung an seine bereits getroffene Entscheidung gemäß § 318 ZPO aufheben könnte. Vielmehr hat das Beschwerdegericht auf die Anhörungsrüge des weiteren Beteiligten durch Beschluss vom abermals eine Zulassung verweigert, weil der weitere Beteiligte im Beschwerdeverfahren zum Erfordernis der Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht vorgetragen habe und daher eine Gehörsverletzung nicht ersichtlich sei.

7b) Die Rechtsbeschwerde konnte auch nicht auf die fristgerechte Gegenvorstellung des Beschwerdeführers zugelassen werden.

8aa) Allerdings hat der Bundesgerichtshof in mehreren Entscheidungen die auf eine Gegenvorstellung hin ausgesprochene Zulassung der Rechtsbeschwerde in analoger Anwendung von § 321a ZPO unter der Voraussetzung gebilligt, dass die Zulassung zuvor willkürlich unterblieben ist, und hat dies aus dem Anspruch des Beschwerdeführers auf den gesetzlichen Richter gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG hergeleitet ( aaO Rn. 9; vom - IX ZR 70/10, WM 2012, 325 Rn. 11; vom - VI ZR 55/14, NJW-RR 2014, 1470 Rn. 12; jeweils mwN). Ob die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde als Verstoß gegen andere Verfahrensgrundrechte in analoger Anwendung von § 321a ZPO gerügt werden kann, bedarf hier keiner Entscheidung.

9bb) Ein solcher außerordentlicher Rechtsbehelf kann nämlich allenfalls Erfolg haben, wenn das Beschwerdegericht seiner Entscheidung die strengen Voraussetzungen einer solchen Rüge zugrunde gelegt hat. Sowohl das Gebot des gesetzlichen Richters als auch das Recht auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes schützt nicht vor jeder fehlerhaften Anwendung der Prozessordnung, sondern setzen eine willkürlich unterlassene Zulassung oder eine unzumutbare, sachlich nicht mehr zu rechtfertigende Verkürzung des Instanzenzuges voraus ( aaO Rn. 10; vom , aaO Rn. 12).

10cc) Der Beschluss vom über die nachträgliche Zulassung der Rechtsbeschwerde lässt mangels jeglicher Begründung nicht erkennen, dass das Beschwerdegericht diese Voraussetzungen geprüft und angenommen hat (vgl. aaO). Erst recht hat es nicht festgestellt, dass seine ursprüngliche Entscheidung vom , die Rechtsbeschwerde nicht zuzulassen, objektiv willkürlich gewesen wäre oder den Instanzenzug unzumutbar und in sachlich nicht zu rechtfertigender Weise verkürzt hätte (vgl. aaO; vom , aaO Rn. 13).

Kayser                  Gehrlein                              Vill

             Grupp                       Schoppmeyer

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2016:090616BIXZB92.15.0

Fundstelle(n):
NJW 2016 S. 3247 Nr. 44
NJW 2016 S. 8 Nr. 30
NJW-RR 2016 S. 955 Nr. 15
RAAAF-77536