Beteiligung des Beigeladenen am Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Leitsatz
Der Beigeladene ist am Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde eines anderen Verfahrensbeteiligten grundsätzlich in der Weise zu beteiligen, dass er über Beginn und Stand des Verfahrens durch Übersendung der Schriftsätze des Beschwerdeführers und des Beschwerdegegners laufend informiert wird. Erkennt der Senat des BFH im Lauf der Bearbeitung des Verfahrens, dass eine Entscheidung nach § 116 Abs. 6 FGO in Betracht kommt, muss er dem vom FG Beigeladenen ausdrücklich Gelegenheit zur Stellungnahme geben.
Gesetze: FGO § 96 Abs. 2FGO § 115 Abs. 2FGO § 116 Abs. 1, 3, 6 und 7FGO § 122 Abs. 1
Instanzenzug:
Gründe
I.
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist eine zu Beginn der Streitjahre (1997 bis 2001) von den Herren H und P gegründete Personengesellschaft, die der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) als GbR behandelte und die nach Ansicht von H eine OHG ist. Die Gesellschaft erwarb drei Grundstücke in X-Stadt, sanierte die aufstehenden Wohnblöcke und verkaufte später die daraus durch Teilung entstandenen Eigentumswohnungen.
Das FA erließ unter dem eine Prüfungsanordnung gegenüber der Klägerin, die den beiden mittlerweile zerstrittenen Gesellschaftern H und P jeweils getrennt bekannt gegeben wurde. Als Prüfungsgegenstände waren angegeben Gewinnfeststellung, Gewerbesteuer und Umsatzsteuer 1997 bis 2000 sowie Investitionszulage 1999 bis 2001. Gegen die Prüfungsanordnung erhob H erfolglos Einspruch. Auch die von ihm namens der Klägerin erhobene Klage, zu der P vom Finanzgericht (FG) beigeladen wurde, hatte keinen Erfolg.
Das FG entschied aufgrund mündlicher Verhandlung durch Urteil des Einzelrichters nach § 6 der Finanzgerichtsordnung (FGO), die Klage sei bereits unzulässig, weil H weder eine Vertretungsberechtigung für die Klägerin noch eine eigene Klagebefugnis habe nachweisen können. Selbst wenn die Zulässigkeit unterstellt würde, wäre die Klage außerdem unbegründet, weil die Prüfungsanordnung rechtmäßig und ermessensfehlerfrei erlassen worden sei. Das FA sei infolge einer Zuständigkeitsvereinbarung zuständig gewesen. In materieller Hinsicht habe H keine Einwendungen erhoben; das Gericht habe auch keine diesbezüglichen Bedenken. Die Kosten des Rechtsstreits wurden H als vollmachtlosem Vertreter auferlegt. Die Revision gegen das Urteil ließ das FG nicht zu.
Gegen das FG-Urteil hat H namens der Klägerin fristgerecht Nichtzulassungsbeschwerde erhoben. Er trägt vor, die Klägerin sei als gewerbliches Bauträgerunternehmen mit einem Umsatz von ca. 30 Mio. DM kraft Gesetzes eine OHG (s. , Deutsches Steuerrecht —DStR— 2004, 1094). Dann seien beide Gesellschafter vertretungsbefugt. Außerdem entfalle die Vertretungsmacht eines Gesellschafters, der evident pflichtwidrig zum Nachteil der Gesellschaft handele. Die noch vorhandenen Wohnungen seien Umlaufvermögen, was von FA und FG nicht beachtet worden sei. Substantiierte Einwendungen gegen diese Vorgehensweise seien im Termin zur mündlichen Verhandlung und gegenüber dem FA erhoben worden. Umfangreich sei vorgetragen worden, dass sich die Geschäftsunterlagen in Y-Stadt befänden und P zeitweise ins Ausland verzogen und nicht auffindbar gewesen sei. Die Zuständigkeitsvereinbarung der Finanzämter sei ohne seine, H's, Anhörung getroffen worden. Es werde auch die Verletzung rechtlichen Gehörs durch das FG im Sinne einer Anhörungsrüge gerügt. Mittlerweile liege der Prüfungsbericht vor. Mit dem FA sei keine Verständigung möglich, es werde kein rechtliches Gehör gewährt. In der Sache sei der Bericht fehlerhaft, das zahlenmäßige Ergebnis sei nicht nachvollziehbar. Wegen des weiteren Beschwerdevorbringens wird auf die Schriftsätze vom und Bezug genommen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Revision zuzulassen.
Das FA beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
Es trägt vor, mit der Beschwerde werde keiner der Revisionszulassungsgründe des § 115 Abs. 2 FGO schlüssig gerügt. Soweit die Frage geklärt werden solle, ob ein gewerbliches Bauträgerunternehmen mit 30 Mio. DM Umsatz eine OHG sei, fehle es an einer grundsätzlichen Bedeutung.
Von Seiten des erstinstanzlich beigeladenen P wurde keine Nichtzulassungsbeschwerde erhoben. Nachdem er Kenntnis von dem hiesigen Beschwerdeverfahren des H erhalten hatte, beantragte er, zu dem Beschwerdeverfahren beigeladen zu werden. Hierfür bezog er sich auf den (BFHE 206, 330, BStBl II 2004, 895). Daraufhin wurden P die bisher gewechselten Schriftsätze in Kopie übersandt. Anschließend stellte P einen Antrag auf Akteneinsicht, dem der Senat zunächst im Hinblick darauf nicht stattgab, dass ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des P eröffnet worden war. Nachdem der Insolvenzverwalter neben anderen Verfahren auch dieses Verfahren aufgenommen hatte, erhielt die von ihm bevollmächtigte Steuerberatungsgesellschaft Akteneinsicht. Mit Schriftsatz vom trägt diese namens des Insolvenzverwalters zur Nichtzulassungsbeschwerde des H vor. Es wird beantragt, die Beiladung nachzuholen bzw. die Beiladung des FG zu bestätigen. Außerdem werden Anträge angekündigt, die nach erfolgter Beiladung gestellt werden sollen, u.a. der Antrag, der Nichtzulassungsbeschwerde des H stattzugeben. Wegen der Einzelheiten des umfangreichen Vorbringens wird auf den Schriftsatz vom nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist unzulässig und war deshalb zu verwerfen.
1. Nach § 116 Abs. 1 FGO kann die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde angefochten werden, mit der geltend zu machen ist, dass die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 FGO vorliegen, nämlich grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, Erforderlichkeit einer Entscheidung des BFH zur Rechtsfortbildung oder Rechtsvereinheitlichung oder ein Verfahrensmangel. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist dabei nur zulässig, wenn in der Beschwerdeschrift mindestens einer dieser Revisionszulassungsgründe bezeichnet und die Erfüllung seiner Voraussetzungen schlüssig dargelegt wird (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).
2. a) An einer solchen Darlegung fehlt es hier. Weder bezeichnet die Klägerin ausdrücklich einen der Zulassungsgründe des § 115 Abs. 2 FGO noch lässt sich in den Ausführungen in Beschwerdeschrift und Begründungsschrift inhaltlich die schlüssige Darlegung eines Zulassungsgrundes erkennen.
Dem Vorbringen der Klägerin kann allenfalls die Geltendmachung von Verfahrensfehlern entnommen werden, nämlich einerseits im Hinblick darauf, dass die Klage zu Unrecht wegen fehlender Vertretungsbefugnis des H abgewiesen wurde, und andererseits im Hinblick auf die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs.
b) Hat das FG die Klage zu Unrecht als unzulässig abgewiesen, ist darin ein Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO zu sehen (BFH-Beschlüsse vom IV B 112/01, BFH/NV 2002, 1042; vom VII B 181/03, BFH/NV 2004, 1284; vom XI B 46/02, BFH/NV 2004, 1417, jeweils m.w.N.). Dies gilt auch dann, wenn das Urteil des FG im Kern die Auslegung einer Verfahrensvorschrift betrifft. Die z.T. früher vertretene Ansicht, in einem solchen Fall sei ein materieller Rechtsfehler zu rügen (sog. error in iudicando), ist überholt.
c) Indessen fehlt es an der ordnungsgemäßen Darlegung eines Verfahrensmangels. Eine schlüssige Rüge erfordert hier, dass die Tatsachen, die den Mangel ergeben, im Einzelnen angeführt werden und dass dargelegt wird, dass die Entscheidung des FG auf dem Mangel beruhen kann (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom IV B 105/90, BFHE 165, 469, BStBl II 1992, 148). Das ist der Fall, wenn das Gericht von seinem materiell-rechtlichen Standpunkt aus bei richtigem Verfahren zu einer anderen Entscheidung hätte kommen können (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. z.B. , BFHE 166, 574, BStBl II 1992, 562; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 116 Rz 49, m.w.N.).
Im Streitfall hat das FG die Klage als unzulässig abgewiesen, hilfsweise aber auch detailliert begründet, warum die Klage im Fall ihrer Zulässigkeit jedenfalls unbegründet gewesen wäre. Zwar sind bei der ordnungsgemäßen Rüge eines Verfahrensfehlers, der zur Klageabweisung als unzulässig geführt hat, in der Regel keine Ausführungen zur Kausalität des Verfahrensfehlers für die angefochtene Entscheidung erforderlich. Verfährt das FG aber wie im Streitfall und prüft hilfsweise auch die Begründetheit der Klage, müssen mit der Beschwerde neben der ordnungsgemäßen Rüge des Verfahrensfehlers schlüssige Ausführungen zur Begründetheit gemacht werden. Derartiges Vorbringen lässt die Beschwerde nicht erkennen. Sie enthält keine nachvollziehbaren Äußerungen zu der Frage, ob die Prüfungsanordnung formell und materiell rechtmäßig war.
Soweit die Klägerin einen Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs rügt, ist das Vorbringen vollkommen unsubstantiiert und kann nicht zur Zulassung der Revision führen.
3. Das Vorbringen des Insolvenzverwalters über das Vermögen des P kann der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen.
a) Allerdings ist derjenige, der im Klageverfahren beigeladen war, zugleich Beteiligter des nachfolgenden Verfahrens wegen Nichtzulassung der Revision, auch wenn er selbst keine Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt hat (BFH-Beschluss in BFHE 206, 330, BStBl II 2004, 895). Die dadurch vermittelte prozessuale Stellung ist inhaltlich aber darauf beschränkt, dem Beigeladenen seine Rechte für den Fall zu sichern, dass das Verfahren in anderer Weise als durch Fortsetzung im Rahmen eines Revisionsverfahrens fortgeführt wird (§ 116 Abs. 7 Satz 1 1. Halbsatz FGO). Soweit aufgrund der Nichtzulassungsbeschwerde eines Prozessbeteiligten die Revision zugelassen wird, können Rechte des Beigeladenen nämlich nicht verletzt werden. Im Revisionsverfahren hat er in gleicher Weise wie erstinstanzlich die volle Stellung als Beteiligter und kann seine Rechte in jeder Hinsicht wahren. Insofern hat sich die für den Senatsbeschluss vom IV B 115/91 (BFH/NV 1993, 369) maßgebliche Rechtslage durch die Neuordnung des Revisionsrechts mit dem Zweiten Gesetz zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze vom (BGBl I 2000, 1757) nicht geändert.
b) Eine Änderung ist nur dadurch eingetreten, dass aufgrund des neuen § 116 Abs. 6 FGO bereits das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren zur Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils führen kann. Insoweit sind Interessen des Beigeladenen betroffen, die nur durch seine Beteiligung am Beschwerdeverfahren gewahrt werden können. Ihm ist jedenfalls umfassend rechtliches Gehör zu gewähren (BFH-Beschluss in BFHE 206, 330, BStBl II 2004, 895).
Nach Auffassung des Senats ist der Beigeladene deshalb grundsätzlich in zwei verschiedenen Stadien des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens mit unterschiedlicher Intensität zu beteiligen:
· Über Beginn und Stand des Verfahrens ist der Beigeladene durch Übersendung der Schriftsätze des Beschwerdeführers und des Beschwerdegegners laufend zu informieren.
· Erkennt der Senat im Lauf der Bearbeitung des Verfahrens, dass eine Entscheidung nach § 116 Abs. 6 FGO in Betracht kommt, muss er dem Beigeladenen ausdrücklich Gelegenheit zur Stellungnahme geben.
Wie bei einer größeren Anzahl Beigeladener zu verfahren ist, braucht der Senat im Streitfall nicht zu entscheiden. Man könnte allerdings an eine entsprechende Anwendung des § 60a FGO denken.
c) Danach war es im Streitfall ausreichend, den Beigeladenen bzw. seinen Insolvenzverwalter durch Weiterleitung der Schriftsätze zu informieren. Eine Entscheidung nach § 116 Abs. 6 FGO kam nicht in Betracht, da die Beschwerde wegen unzureichender Darlegung eines Verfahrensmangels schon nicht zulässig erhoben war. Dass der Beigeladene durch seinen Insolvenzverwalter gleichwohl umfangreich zu dem Verfahren Stellung genommen hat, ist unschädlich, kann die Begründung des Beschwerdeführers andererseits aber auch nicht ergänzen oder ersetzen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BStBl 2007 II Seite 466
AO-StB 2007 S. 147 Nr. 6
BB 2007 S. 930 Nr. 17
BStBl II 2007 S. 466 Nr. 10
DB 2007 S. 1009 Nr. 18
DStRE 2007 S. 795 Nr. 12
DStZ 2007 S. 547 Nr. 17
HFR 2007 S. 565 Nr. 6
INF 2007 S. 410 Nr. 11
NWB-Eilnachricht Nr. 16/2007 S. 1287
StB 2007 S. 166 Nr. 5
StBW 2007 S. 5 Nr. 9
StuB-Bilanzreport Nr. 24/2007 S. 957
YAAAC-42136