OFD Magdeburg - S 0202 - 5 - St 251

Bevollmächtigte und Beistände;
Vertretung des Beteiligten durch juristische Personen des Zivilrechts

1 Allgemeines

Ein Beteiligter kann sich im Verwaltungsverfahren in Steuersachen durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen (§ 80 Abs. 1 Satz 1 AO). Er kann dem Bevollmächtigten auch die Befugnis einräumen, Untervollmacht(en) zu erteilen. Die Vollmacht ermächtigt zu allen das Verwaltungsverfahren betreffenden Verfahrenshandlungen, sofern sich aus ihrem Inhalt nicht etwas anderes ergibt; sie ermächtigt nicht zum Empfang von Steuererstattungen und Steuervergütungen (§ 80 Abs. 1 Satz 2 AO. Der Bevollmächtigte hat auf Verlangen seine Vollmacht schriftlich nachzuweisen (§ 80 Abs. 1 Satz 3 AO). Nach der Regelung im AEAO zu § 80 Nr. 1 soll die Finanzbehörde den schriftlichen Nachweis einer Vollmacht nur verlangen, wenn begründete Zweifel an der Vertretungsmacht bestehen; bei Angehörigen der steuerberatenden Berufe, die für den Steuerpflichtigen handeln, wird eine ordnungsgemäße Bevollmächtigung vermutet.

2 Vertretung durch juristische Personen des Zivilrechts

Die Fähigkeit zur Vertretung des Beteiligten im Besteuerungsverfahren gem. § 80 AO besitzen auch Steuerberatungsgesellschaften in der Rechtsform einer juristischen Person des Zivilrechts (vgl. , BStBl 1991 II S. 524). Sie sind gem. § 3 Nr. 3 StBerG zur unbeschränkten geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt.

Für die Steuerberatungsgesellschaft kommen nach der abschließenden Aufzählung in § 49 Abs. 1 StBerG als Organisationsformen u. a. die Aktiengesellschaft (AG) und die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) in Betracht.

Juristische Personen haben selbst keine natürliche Handlungsfähigkeit, sondern handeln kraft Gesetzes durch ihre Organe (AG: Vorstand, § 78 AktG) oder gesetzlichen Vertreter (GmbH: Geschäftsführer, § 35 GmbHG) und durch die von diesen beauftragten natürlichen Personen, derer sie sich zur Erfüllung ihrer Vertreteraufgaben im Verwaltungsverfahren bedienen können.

3 Eigenverantwortlichkeit und Zeichnungsberechtigung in einer Steuerberatungsgesellschaft

Die für die Berufsausübung des Steuerberaters typische Eigenverantwortlichkeit (§§ 57 Abs. 1, 60 StBerG) spiegelt sich auch in der Vertretung der Gesellschaft nach außen durch die Zeichnungsberechtigung wider. Eine Vertretungsbefugnis kann erteilt werden in Form von Alleinvertretungsbefugnis, Einzelvertretungsbefugnis, Prokura oder Handlungsvollmacht, wobei § 57 der Berufsordnung der Bundessteuerberaterkammer (BOStB) den Steuerberatungsgesellschaften Grenzen setzt.

Eine Steuerberatungsgesellschaft wird gem. § 57 Abs. 3 BOStB vertreten durch

  • einen zur Alleinvertretung oder zur Einzelvertretung berechtigten Steuerberater,

  • mehrere zur gemeinschaftlichen Vertretung berechtigte Steuerberater oder

  • einen Steuerberater mit dem Recht zur gemeinschaftlichen Vertretung mit einem Vorstandsmitglied, einem Geschäftsführer oder einem persönlich haftenden Gesellschafter, der nicht Steuerberater ist. In diesem Fall muss im Innenverhältnis sichergestellt werden, dass bei der Willensbildung innerhalb der Geschäftsführung die Stimmen der Steuerberater ausschlaggebend sind.

Andere Personen als Steuerberater dürfen eine Steuerberatungsgesellschaft nicht allein vertreten. Haben andere Personen als Steuerberater Einzelvertretungsbefugnis, muss deren Geschäftsführungsbefugnis durch Regelungen im Innenverhältnis so beschränkt sein, dass die verantwortliche Führung durch Steuerberater gewährleistet ist (§ 57 Abs. 4 BOStB).

Prokura oder Generalvollmacht darf grundsätzlich nur Personen im Sinne des § 50 Abs. 2 StBerG erteilt werden (§ 57 Abs. 5 Satz 1, Abs. 6 Satz 1 BOStB). Erfasst werden damit Steuerberater, Rechtsanwälte, niedergelassene europäische Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer und Steuerbevollmächtigte.

Wird in Ausnahmefällen anderen Personen Prokura oder Handlungsvollmacht erteilt, muss im Innenverhältnis eine Vertretung in Steuersachen ausgeschlossen sein; im Übrigen ist eine Gesamtvertretung nur zusammen mit einem Steuerberater zulässig (§ 57 Abs. 5 Satz 2, Abs. 6 Satz 1 BOStB).

Eine Handlungsvollmacht zur Hilfeleistung in Steuersachen darf nur den in § 3 StBerG genannten natürlichen Personen (Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Rechtsanwälte, niedergelassene europäische Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer etc.) erteilt werden (§ 57 Abs. 6 Satz 2 BOStB).

§ 60 StBerG zielt auch auf das Vertretungsrecht von Vertretern bzw. Angestellten ab. Einem angestellten Steuerberater muss als Grundvoraussetzung einer eigenverantwortlichen Berufsausübung das Recht der Zeichnung zur Hilfeleistung in Steuersachen eingeräumt sein. Der Steuerberater ist grundsätzlich zur höchstpersönlichen Leistung verpflichtet. Gewisse begrenzte Möglichkeiten der Delegation, z. B. die vorbereitende Auftragserledigung, stehen der Eigenverantwortlichkeit jedoch nicht entgegen. Angestellten Gehilfen darf jedoch kein allgemeines und erst recht kein alleiniges Vertretungs- und Zeichnungsrecht eingeräumt werden (, DStR 1993 S. 1574).

4 Verfahren bei Verstößen gegen das Zeichnungsrecht

Steht zur Überzeugung des Finanzamts fest, dass ein nach den vorstehend unter Tz. 3 genannten Maßgaben nicht zeichnungsberechtigter Gehilfe aufgrund einer ihm von seinem Arbeitgeber erteilten (Unter)Vollmacht als Vertreter der Steuerberatungsgesellschaft auftritt, kann ein Verstoß gegen § 57 Abs. 1 StBerG, wonach der Steuerberater seinen Beruf eigenverantwortlich auszuüben hat, und damit eine Berufspflichtverletzung vorliegen. Gem. § 10 Abs. 1 StBerG sind die Finanzbehörden verpflichtet, Tatsachen, die den Verdacht begründen, dass eine der in § 3 StBerG genannten Personen eine Berufspflicht verletzt hat, der zuständigen Stelle mitzuteilen, soweit deren Kenntnis aus der Sicht der übermittelnden Behörde für die Verwirklichung der Rechtsfolgen erforderlich ist. Wegen der Einzelheiten wird auf die gleich lautenden Erlasse ( verwiesen, betreffend Mitteilungen der Finanzbehörden über Pflichtverletzungen und andere Informationen gemäß § 10 StBerG (Amtliches AO-Handbuch 2005, Anhang 45).

Verfahrenshandlungen, die ein nach den Maßgaben der Tz. 3 zur Vertretung der Steuerberatungsgesellschaft nicht befugter Mitarbeiter im Namen und mit Wissen und Wollen der Steuerberatungsgesellschaft - regelmäßig unter Verwendung eines Geschäftsbriefes der Gesellschaft und Unterzeichnung mit dem Zusatz „i. A.” oder „i. V.” im Verwaltungsverfahren in Steuersachen gegenüber der Finanzbehörde vornimmt, sind Handlungen der Steuerberatungsgesellschaft selbst und daher nicht unwirksam; sie brauchen nicht durch eine zur Vertretung befugte Person wiederholt zu werden. Andernfalls würde sich in jedem Fall, in dem die Handlung – wie z. B. die Einlegung eines Einspruchs – an eine gesetzliche Frist gebunden und die Frist abgelaufen ist, die Frage nach der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stellen. Da die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand voraussetzt, dass der Steuerpflichtige (§ 110 Abs. 1 Satz 1 AO) bzw. sein Vertreter (§ 110 Abs. 1 Satz 2 AO) eine gesetzliche Frist unverschuldet versäumt hat, dürfte in den hier in Rede stehenden Fällen Wiedereinsetzung regelmäßig nicht in Betracht kommen. Denn wer als Angehöriger der steuerberatenden Berufe entgegen §§ 57 Abs. 1, 60 StBerG einen zur Vertretung der Gesellschaft nicht befugten Gehilfen zur Einspruchseinlegung im Namen der Gesellschaft bevollmächtigt, handelt nicht ohne Verschulden. Im Übrigen ist im Verwaltungsverfahren in Steuersachen die Unterschrift des Beteiligten bzw. seines Bevollmächtigten schon dem Grunde nach nur erforderlich, wenn die einschlägige Rechtsnorm diese anordnet. So ist z. B. ein Einspruch zwar schriftlich einzulegen, jedoch bedarf es der Unterschrift des Einspruchsführers bzw. seines Bevollmächtigten nicht.

Eine Zurückweisung des Gehilfen wegen unbefugter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen gem. § 80 Abs. 5 AO kommt mangels Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen nicht in Betracht, weil ein Gehilfe nicht selbständig und daher nicht geschäftsmäßig handelt (Gehre, Kommentar zum Steuerberatungsgesetz, 4. Auflage, § 57 Rdnr. 39; , BStBl 1996 II S. 488).

5 Fehlende Angaben auf den Geschäftsbriefen der Gesellschaft

5.1 GmbH

Gem. § 35a Abs. 1 GmbHG müssen auf allen Geschäftsbriefen, die an einen bestimmten Empfänger gerichtet werden, die Rechtsform und der Sitz der Gesellschaft, das Registergericht des Sitzes der Gesellschaft und die Nummer, unter der die Gesellschaft in das Handelsregister eingetragen ist, sowie alle Geschäftsführer und, sofern die Gesellschaft einen Aufsichtsrat gebildet und dieser einen Vorsitzenden hat, der Vorsitzende des Aufsichtsrats mit dem Familiennamen und mindestens einen ausgeschriebenen Vornamen angegeben werden.

5.2 AG

§ 80 Abs. 1 AktG bestimmt, dass auf allen Geschäftsbriefen, die an einen bestimmten Empfänger gerichtet werden, die Rechtsform und der Sitz der Gesellschaft, das Registergericht des Sitzes der Gesellschaft und die Nummer, unter der die Gesellschaft in das Handelsregister eingetragen ist, sowie alle Vorstandsmitglieder und der Vorsitzende des Aufsichtsrats mit dem Familiennamen und mindestens einem ausgeschriebenen Vornamen angegeben werden müssen und der Vorsitzende des Vorstands als solcher zu bezeichnen ist.

5.3 Rechtsfolgen

Fehlen die nach Tzn. 5.1 bzw. 5.2 zwingend erforderlichen Angaben zum Teil oder gänzlich, sind Verfahrenshandlungen der GmbH bzw. der AG im Verwaltungsverfahren in Steuersachen jedenfalls aus diesem Grund nicht unwirksam.

Folgen ergeben sich allerdings aus § 79 Abs. 1 GmbHG bzw. § 407 Abs. 1 AktG, wonach Geschäftsführer, die § 35a GmbHG, bzw. Vorstandsmitglieder, die § 80 AktG nicht befolgen, hierzu vom Registergericht durch Festsetzung von Zwangsgeld anzuhalten sind; das einzelne Zwangsgeld darf den Betrag von fünftausend Euro nicht übersteigen.

Der Unterrichtung des Registergerichts durch das Finanzamt dürfte indes regelmäßig die Verpflichtung zur Wahrung des Steuergeheimnisses (§ 30 AO) entgegenstehen. Verstöße gegen § 35a Abs. 1 GmbHG bzw. § 80 Abs. 1 AktG sind keine Berufspflichtverletzungen i. S. v. § 10 StBerG.

Die vorstehenden Hinweise wurden auch in die StBerG-Kartei zu § 10 StBerG aufgenommen (ZOFF\Fachbereichs-Info\Karteien\Steuerberatungskartei ST, Tz. 9.2).

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Fundstelle(n):
LAAAB-74984