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Grundlagen - Stand: 06.05.2024

Zinsschranke

Falco Hänsch

A. Problemanalyse

I. Einführung und Problemstellung

1Einführung der Zinsschranke

Mit dem Unternehmensteuerreformgesetz 2008 v. hat der Gesetzgeber wegen zunehmenden Drucks des europäischen Steuerwettbewerbs zahlreiche Entlastungen für Unternehmen verabschiedet. Das wesentliche Ziel der Reform der Unternehmensbesteuerung war eine steuerlich induzierte Steigerung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands.

Präzisierung

Ausländische Investoren sollten angezogen werden, inländische Unternehmen von einer Abwanderung in niedriger besteuernde Staaten abgehalten werden. Insbesondere für international tätige Unternehmen sollten durch eine Verringerung der nominalen Steuerbelastung infolge einer Absenkung der Steuersätze Anreize geschaffen werden, einen angemessenen Anteil der in Deutschland erwirtschafteten Gewinne auch im Inland zu versteuern.

Um dieses Ziel zu erreichen, waren allerdings zahlreiche Gegenfinanzierungsmaßnahmen erforderlich, die insbesondere eine Verbreiterung der steuerlichen Bemessungsgrundlage zum Gegenstand hatten. Hierbei wurden zum Teil gravierende Einschnitte in das objektive Nettoprinzip in Kauf genommen. Die wohl markanteste Maßnahme zur Erhöhung der steuerlichen Bemessungsgrundlage im Rahmen der Unternehmensteuerreform 2008 war die Einführung der Zinsschranke (§ 4h EStG, § 8a KStG).

2Begrenzung des Betriebsausgabenabzugs für Zinsaufwand

Diese völlig neu konzipierte Regelung zur Begrenzung des Betriebsausgabenabzugs für Zinsaufwand soll verhindern, dass durch grenzüberschreitende konzerninterne Fremdfinanzierung im Inland erwirtschaftete Gewinne in ausländische Steueroasen verlagert werden.

Hinweis

Die von Beginn an umstrittene Zinsschrankenregelung, die die Vorgängerregelung zur Gesellschafterfremdfinanzierung des § 8a KStG a. F. abgelöst hat, wurde höchst komplex ausgestaltet und bereits vor ihrem Inkrafttreten kontrovers diskutiert.

3

Obwohl die Finanzverwaltung mit Anwendungsschreiben v. recht zeitnah nach dem Inkrafttreten der Zinsschranke zu einzelnen Zweifelsfragen Stellung genommen hat, bleiben weiterhin viele Fragen offen.

Präzisierung

So ist beim BVerfG unter dem Az. 2 BvL 1/16 seit dem Jahr 2015 die Frage der Vereinbarkeit der Vorschriften des § 4h EStG und § 8a KStG mit dem Grundgesetz anhängig ().

4-9Einstweilen frei

II. Inhalt und Aufbau dieses Beitrags

10Der Beitrag stellt im Teil A zunächst die gesetzlichen Grundlagen der Zinsabzugsbeschränkung nach § 4h EStG und die Besonderheiten bei Kapitalgesellschaften (§ 8a KStG) dar und geht auf verfassungsrechtliche Bedenken ein.

Im Teil B wird der Anwendungsbereich der Zinsschrankenregelungen anhand eines „Zinsschranken-Check“ in sechs Schritten vorgestellt. Dieser hat stets mit der Prüfung eines negativen Zinssaldos zu beginnen (Schritt 1). Im Falle eines negativen Zinssaldos sind im Anschluss die drei Ausnahmen nach § 4h Abs. 2 EStG (ggf. i. V. mit §§ 8 Abs. 1, 8a KStG), d. h. zunächst die Freigrenze von 3 Mio. € (Schritt 2) und für den Fall, dass diese nicht einschlägig ist, die Konzern- (Schritt 3) bzw. die Escape-Klausel (Schritt 4) zu prüfen. Wurde festgestellt, dass die Zinsschranke dem Grunde nach eingreift, sind deren konkreten Rechtsfolgen zu ermitteln. Unter Schritt 5 werden deswegen das verrechenbare EBITDA wie auch der EBITDA-Vortrag und unter Schritt 6 die Nutzung eines EBITDA- und/oder Zinsvortrags erläutert.

11-19Einstweilen frei

III. Grundkonzept der Zinsschrankenregelung

1. Gesetzliche Zielvorstellungen
a) Missbrauchsvermeidungsregelung
20Grenzüberschreitende Fremdkapitalfinanzierung

Unternehmen versuchen immer wieder ihre in Deutschland erwirtschafteten Erträge ins niedriger besteuernde Ausland zu verlagern. Insbesondere die grenzüberschreitende Fremdkapitalfinanzierung stellt ein probates und häufig genutztes Mittel zu Gewinnverlagerungen dar, da die gezahlten Zinsen in Deutschland als Betriebsausgabe abzugsfähig sind und so in Deutschland den steuerlichen Gewinn mindern.

Hinweis

In dieser Hinsicht stellt das Instrument der Gesellschafterfremdfinanzierung einen Problembereich dar, der sowohl das nationale als auch das internationale Steuerrecht berührt.

21§ 8a KStG a. F.

Die bereits vor Inkrafttreten der Zinsschranke bestehende Missbrauchsabwehr des § 8a KStG a. F., die sich nur auf Kapitalgesellschaften erstreckte und ausschließlich die Gesellschafterfremdfinanzierung erfasste, wurde als unzureichend betrachtet und durch die Rechtsprechung des EuGH in seiner Substanz als bedroht angesehen.

22Zinsschrankenregelung

Mit der Einführung der Regelung zur Zinsschranke, die eine umfassende Begrenzung sämtlicher Zinsaufwendungen vorsieht, sollte die Verlagerung von Steuersubstrat ins Ausland weiter erschwert und steuerminimierende Gestaltungen bekämpft werden. Die Neuregelung sollte verhindern, dass Konzerne ihre in Deutschland erwirtschafteten Erträge mittels grenzüberschreitender Fremdfinanzierung ins Ausland transferieren.

Präzisierung

Nach der Gesetzesbegründung ist das primäre Ziel die Sicherung des inländischen Steuersubstrats und die Vermeidung missbräuchlicher Steuergestaltungen.

b) Erhöhung der Eigenkapitalquote
23Eigenkapitalquote

Ein weiteres wesentliches Ziel des Gesetzgebers lag darin, durch die Einführung der Zinsschranke den deutschen Unternehmen einen Anreiz zu geben, die Eigenkapitalquote zu erhöhen. Da deutsche Unternehmen im internationalen Vergleich eine hohe Fremdkapitalquote aufwiesen, sollte durch die Neuregelung gegen eine übermäßige Fremdkapitalfinanzierung der Unternehmen vorgegangen werden. Durch steuerlich motivierte Erhöhungen der Eigenkapitalquoten sollten die Unternehmen besser vor Insolvenzen geschützt werden. Insbesondere wollte der Gesetzgeber verhindern, dass allein aus Gründen der Steueroptimierung eine hohe Fremdkapitalquote angestrebt werde.

c) Gegenfinanzierungsmaßnahme
24Generierung von Steueraufkommen

Ein weiterer essentieller Grund der Einführung der Zinsschranke ist die Generierung von Steueraufkommen. Denn vor allem die Senkung des Körperschaftsteuersatzes von 25 auf 15 % im Rahmen der Unternehmensteuerreform 2008 konnte nur durch eine entsprechende Verbreiterung der steuerlichen Bemessungsgrundlage erfolgen. Daher wurde als Gegenmaßnahme der Grundsatz der Abziehbarkeit von Betriebsausgaben durchbrochen.

Hinweis

Hierbei hat der Gesetzgeber auch in Kauf genommen, dass die Vorteile der Steuersatzsenkung und die Nachteile der Gegenfinanzierungsmaßnahmen typischerweise nicht bei denselben Steuerpflichtigen eintreten.

25-29Einstweilen frei

2. Zeitliche Anwendung
30Wirtschaftsjahre ab 2008

Die Zinsschranke ist erstmals für Wirtschaftsjahre anzuwenden, die nach dem (Tag des Beschlusses des Deutschen Bundestags über das UntStRefG 2008) beginnen und nicht vor dem enden (§ 52 Abs. 12d EStG a. F., § 34 Abs. 6a Satz 3 KStG a. F.).

Präzisierung

Somit haben Unternehmen mit kalenderjahrgleichem Wirtschaftsjahr die Zinsschrankenregelung erstmals für das Wirtschaftsjahr 2008 anzuwenden. Bei abweichendem Wirtschaftsjahr kann bereits das Wirtschaftsjahr 2007/08 betroffen sein.

31Wirtschaftsjahre ab dem

Nach den Vorgaben von Art. 4 i.V. mit Art. 11 Abs. 6 der Richtlinie (EU) 2016/1164 (ATAD) mussten bei der Zinsschrankenregelung spätestens bis zum Änderungen bei der Konzernklausel und beim Zinsbegriff vorgenommen werden. Mit dem Kreditzweitmarktförderungsgesetz wurden neben diversen weiteren redaktionellen Anpassungen und Änderungen beim Zinsvortrag und EBITDA-Vortrag auch die Konzernklausel/Stand-Alone-Klausel und der Begriff der Zinsaufwendungen an die Vorgaben der ATAD angepasst.

Hinweis

Die Änderungen des § 4h EStG gelten für alle Wirtschaftsjahre, die nach dem beginnen und nicht vor dem enden (§ 52 Abs. 8b EStG).

32-34Einstweilen frei

3. Überblick über den Regelungsaufbau
a) Funktionsweise der Zinsschranke
aa) Grundregel
35§ 4h EStG

Die Zinsschrankenregelung wurde in § 4h EStG gesetzlich normiert. Die Regelung führt zu einer Beschränkung des Abzugs von Zinsaufwendungen als Betriebsausgaben in Abhängigkeit vom erzielten Gewinn. Erfasst werden sämtliche Zinsaufwendungen, die den steuerlichen Gewinn gemindert haben. Entsprechend der Grundregel der Zinsschranke in § 4h Abs. 1 Satz 1 EStG sind Zinsaufwendungen eines Betriebs abziehbar in Höhe des Zinsertrags, darüber hinaus nur bis zur Höhe von 30 % des maßgeblichen Gewinns vor Zinsaufwendungen und Zinserträgen und regulären Abschreibungen (steuerliches EBITDA). Die nicht abzugsfähigen Zinsaufwendungen werden dem Gewinn außerbilanziell hinzugerechnet.

Hinweis

Nicht abziehbare Zinsaufwendungen können grundsätzlich zeitlich unbegrenzt vorgetragen werden und erhöhen die Zinsaufwendungen der künftigen Wirtschaftsjahre. Der mit dem Kreditzweitmarktförderungsgesetz eingefügte § 4h Abs. 1 Satz 7 EStG regelt für ab dem beginnende Wirtschaftsjahre, dass Zinsvorträge nicht uneingeschränkt abzugsfähig sind, wenn in einem späteren Wirtschaftsjahr eine Ausnahmeregelung des § 4h Abs. 2 EStG greift. Auch in diesem Fall ist ein Abzug der Zinsvorträge nur möglich, wenn verrechenbares EBITDA vorhanden ist. In bis zum beginnenden Wirtschaftsjahren ist m. E. ein Zinsvortrag dagegen insgesamt abzugsfähig, wenn eine Ausnahmeregelung nach § 4h Abs. 2 EStG anwendbar ist.

bb) Anwendungsbereich
36Personenunternehmen und Kapitalgesellschaften

Auch wenn die Zinsschrankenregelung wohl primär Kapitalgesellschaften im Visier hat, ist sie rechtsformunabhängig ausgestaltet und erfasst neben Kapitalgesellschaften auch Einzelunternehmen und Personengesellschaften.

37Ausnahmetatbestände

Von der Anwendung der Zinsabzugsbeschränkung ergeben sich jedoch gemäß § 4h Abs. 2 EStG drei Ausnahmetatbestände, die dazu führen, dass die Grundregel nicht anzuwenden ist:

  • Freigrenze (i. H. von 3 Mio. € für Nettozinsaufwand),

  • Konzernklausel (fehlende Konzernzugehörigkeit),

  • Escape-Klausel (Eigenkapitalvergleich).

Greift einer dieser Ausnahmetatbestände, sind die Zinsaufwendungen in voller Höhe abzugsfähig.

Hinweis

Für Kapitalgesellschaften finden die Bestimmungen zur Konzernklausel und Escape-Klausel unter bestimmten Voraussetzungen keine Anwendung, da hier die verschärften Regelungen zur Vermeidung einer schädlichen Gesellschafterfremdfinanzierung in die Zinsschrankenregelungen integriert wurden.

b) Wirkungsweise der Grundregel
38Keine Folgen beim Zahlungsempfänger

Von den Rechtsfolgen der Zinsabzugsbeschränkung ist ausschließlich das zinszahlende Unternehmen betroffen. Es kommt zu keiner korrespondierenden Gegenkorrektur beim Zahlungsempfänger. Auch bei einer schädlichen Gesellschafterfremdfinanzierung kommt es beim Anteilseigner nicht zu einer Fiktion einer verdeckten Gewinnausschüttung.

Hinweis

Dagegen sah die Altregelung zur Gesellschafterfremdfinanzierung des § 8a KStG a. F. noch vor, dass nicht abzugsfähiger Zinsaufwand durch eine entsprechende Fiktion einer verdeckten Gewinnausschüttung zugleich in Dividendenbezüge beim Anteilseigner umqualifiziert wurde.

Somit unterliegen die Zinszahlungen beim Zahlungsempfänger der vollen Besteuerung, unabhängig davon, ob beim zinszahlenden Unternehmen die Zinsabzugsbeschränkung Anwendung findet.

c) Prüfschema zum Anwendungsbereich der Zinsschranke
39Prüfungsschema (bis 2023)

Die Zinsschrankenregelung beschränkt sich nicht auf die bloße Gesellschafterfremdfinanzierung, sondern erfasst sämtliche Zinsaufwendungen. Auch ist es unbeachtlich, ob die Fremdfinanzierung einem Drittvergleich standhält. Aufgrund ihres weit gefassten Anwendungsbereichs berührt die Zinsschranke grundsätzlich sämtliche Unternehmen. Insbesondere die hohe Freigrenze von 3 Mio. € für den Nettozinsaufwand bewirkt, dass kleine und mittlere Unternehmen nicht durch die Zinsschranke belastet werden. Somit werden viele Mittelstandsunternehmen nicht von der Vorschrift betroffen sein. Für Betriebe, die diese Freigrenze überschreiten, können die Folgen jedoch dramatisch sein. Greift kein weiterer Ausnahmetatbestand, ist es ratsam, sich frühzeitig mit der möglichen Versagung des Zinsabzugs auseinanderzusetzen und ggf. durch bilanzpolitische Gestaltungsmöglichkeiten dem Anwendungsbereich auszuweichen. Das nachfolgende Prüfungsschema soll den Anwendungsbereich der Zinsschranke verdeutlichen (gilt für bis zum beginnende Wirtschaftsjahre):

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